Zum Schluß sei nunmehr der für unsere Frage
entscheidende Kandidat der Königswahl von 1002 behandelt: Hermann
von Schwaben, seit 997 als Nachfolger seines Vaters Herzog von Schwaben,
beim Tode Kaiser OTTOS III. etwa 35
Jahre alt.
Bei dessen Beisetzung in der Aachener Marienkirche am
Ostersonntag (5. April) 1002 beschloß der größte Teil
der dort anwesenden Großen, Hermann zu helfen, das Reich zu
erwerben und zu schützen [177 Thietmar IV 54 (Seite 192f.].
Nach Heribert Müller stand "hinter dieser Entscheidung ... zweifellos
der Kölner Erzbischof" Heribert (999-1021), wahrscheinlich
ein naher Verwandter Hermanns von Schwaben [178 Heribert
Müller, Heribert, Kanzler Ottos III. und Erzbischof von Köln
(Veröffentlichungen des Kölner Geschichtsvereins 33) Köln
1977 Seite 146ff., vgl. auch 53 und 74. Weil Hermanns Vater, Herzog
Konrad von Schwaben, einen Bruder Heribert zum Bruder hatte
(Thietmar IV 60, Seite 200f.), halte ich Müllers Annahme einer Verwandtschaft
mit dem Erzbischof Heribert (Müller Seite 64 ff. und 147) für
gut möglich. Wie diese (cognatische?) Verwandtschaft im einzelnen
verlief, ist aber noch ungeklärt. Ich halte es übrigens für
denkbar, daß Erzbischof Heribert zunächst wirklich den
Auftrag OTTOS III., die Insignien den
EZZONEN zu überbringen (vgl. oben Kapitel I 1), erüllen wollte
und erst später (spätestens im April in Aachen) für Hermann
von Schwaben eintrat.]. Von Hermanns weiteren Anhängern
namentlich bekannt sind Erzbischof Giseler von Magdeburg, die Bischöfe
Lambert von Konstanz und Ulrich von Chur, sowie Brun von Braunschweig
und der SALIER Konrad, die Hermann
zu seinen Schwiegersöhnen machte.
Nach der Ermordung Ekkehards am 30. April blieb nur noch
der Streit zwischen Heinrich von Baiern
und Hermann von Schwaben übrig. Der Schwabe griff zu den Waffen
und versuchte, dem Baiern zu Anfang Juni bei Worms den Übergang über
den Rhein zu verlegen. Hermann konnte jedoch nicht verhindern, daß
Heinrich mit Hilfe einer List dennoch
den Weg nach Mainz fand, wo wer sich am 7. Juni zum König wählen
und salben ließ. Als dieser dann begann, Schwaben zu verwüsten,
erobert Herzog Hermann zusammen mit seinem Schwiegersohn Konrad
das HEINRICH ergebene Straßburg,
wobei seine Scharen ohne sein Wissen das Münster plünderten und
niederbrannten.
Am Tage Johannes des Täufers (24. Juni) erfuhr König
HEINRICH auf der Reichenau gerüchtweise, Herzog Hermann
käme, um ihren Streit durch einen Zweikampf zu beenden. Der König
war bereit, sich auf ein solches Kampfurteil einzulassen, und erwarteet
am Tage Petri et Pauli (29. Juni) Hermann auf einer weiten, grünen
Ebene. Als dann König HEINRICH
erfuhr, daß Hermann sein Vorhaben nicht ausführen wollte
oder könne, ließ er Höfe des Herzogs zerstören und
zog sich nach Franken zurück.
Nachdem HEINRICH
als König nun mehr und mehr Anhänger fand - in Thüringen,
in Sachsen, in Nieder-Lothringen - und am 8. September von den Ober-Lothringern
auf den Thron in Aachen gesetzt wurde, begannen über Mittelsleute
Verhandlungen mit Hermann von Schwaben [188 Hirsch, Jahrbücher
(wie Anm. 29) Seite 229.]. Vielleicht versuchte Hermann jetzt noch,
das Reich wenigstens zu teilen, wie es die St. Galler Annalen überliefern
[189 Annales Sangallenses maiores a. 1002 (wie Anm. 75) Seite 301:
cum quo [Heinrico] et Herimannus
dux Alamanniae et Alsatiae regnum forte dividere et parti aspirare
temptabat.]. Darauf ist HEINRICH
aber nicht eingegangen [190 Vgl. MGH D H II 34, Seite 38, wo HEINRICH
sich rühmt, das Reich sine aliquia divisione gewonnen zu haben.
Diese Nachricht über eine mögliche Teilung des Reiches werden
nunmehr wieder ernst genommen. Vgl. zuerst Thomas Zotz, Der Breisgau und
das alemannische Herzogtum (Vorträge und Forschungen, Sonderband 15),
Sigmaringen 1974, Seite 172-176 und Ulrich Nonn; Rezension in: Rheinische
Vierteljah´esblätter 41, 1977, Seite 371.].
Das Ergebnis war folgendes: Am 1. Oktober 1002 erschien
Hermann von Schwaben in Bruchsal (also auf fränkischem Gebiet)
demütig vor König HEINRICH und
erlangte dessen Gnade; man einigte sich
wegen des Lehens und über alles, was Hermann
- nach der Auffassung des königstreuen Thietmar - rechtmäßig
wünschen konnte. Nur der Straßburger Schaden blieb ausgenommen:
er mußte ihn aus seinem Eigengut ersetzen und die in der Stadt gelegene
Abtei St. Stephan abtreten. So wurde er zu einem Lehnsmann und treuen Freund
des Königs gemacht. Nach der Formulierung der Hildesheimer Annalen
unterwarf sich Herzog Hermann der königlichen Herrschaft und
blieb auf Intervention der Königin Kunigunde
und der Fürsten in seiner Ehre (in suo honore) [192
Annales Hildesh. ad a. 1003 (MGH SS rer. Germ. [8] Seite 29.].
Beim Weihnachtsfest in Frankfurt leistete Herzog Hermann
dem König in Ergebenheit Dienste und wurde von diesem mit Hochschätzung,
wie sie einer Person dieses Ranges gebührte, behandelt. Schon im Januar
1003 stand er wieder in Opposition zum König und versuchte, im Bunde
mit Dietrich von Ober-Lothringen ein vom König in Diedenhofen einberufenes
generale colloquium zu verhindern. Ob es diese Versammlung oder
eine im April 1005 abgehaltene Synode war, auf der Beschlüsse gegen
die Ehen zwischen nahen Verwandten gefaßt wurden, namentlich die
von Hermanns Tochter Mathilde mit dem SALIER
Konrad, ist strittig [195 Das Datum ist strittig. Für 1005
Beate Schilling, Zur Datierung einer Synode Heinrichs II., in: Jahrbuch
für westdeutsche Landesgeschichte 17, 1991, Seite 67-73. Dagegen weiterhin
für 1003 Hlawitschka 1993 (wie Anm. 8) Seite 188 für Anm. 140.].
Thietmar nannte Hermann und seinen Bundesgenossen jetzt nur noch
"dem Namen nach Herzog" [196 Thietmar V 27 (Seite 253).].
Hermann starb wenig später am 4. Mai 1003
[197 Annales Necrol. Fuld. (1003): 4. Non. Mai. ob. Heriman
dux (MGH SS 13,208).]. Im Herzogtum Schwaben folgte sein Sohn Hermann
III., ein unmündiges Kind von höchstens vier Jahren, mit
dem die schwäbische Linie der KONRADINER
im Mannesstamm bereits 1012 ausstarb. Hermanns Ansprüche vererbten
sich jedoch über seine Töchter und vereinigten sich mit den Ansprüchen
von deren salischen und brunonischen
Nachkommen: Hermanns Tochter Mathilde war die Mutter Konrads
des Jüngeren, der im Jahre 1024 als Königskandidat auftrat. Und
Hermanns Tochter Gisela wurde
aus ihrer dritten Ehe mit dem späteren Kaiser
KONRAD II. die Stammutter aller späteren
salischen und staufischen
Könige und Kaiser und aus ihrer ersten Ehe mit Brun von Braunschweig
- über die drei Erbtöchter von Braunschweig, Northeim und Sachsen
- die Stammutter der WELFEN.