Es mag diese prekäre Situation und die schwierigen
Verhandlungen spiegeln, die zu führen waren, wenn nach Burchards Tod
ein gutes halbes Jahr ins Land ging, bevor der König auf dem Hoftag
zu Worms im November 926 den KONRADINER Hermann
zum neuen Herzog von Schwaben berief [3 Vgl. H. Beumann,
Die Ottonen, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1987, Seite 40; G. Althoff/H.
Keller; Heinrich I. und Otto der Große 1 (Persönlichkeit und
Geschichte 122/123), Göttingen/Zürich 1985 Seite 66-81; T. Reuter,
Germany in the early middle ages (c. 800-1056), London/New York, 1994,
Seite 462ff.; J. Ehlers, Die Entstehung des deutschen reiches (Enzykldädie
deutscher Geschichte 31), München 1994, Seite 17ff.; G. Althoff, Die
Ottonen, Stuttgart 2000, Seite 52f.]. Erst im Spätherbst 926 war offenbar
eine Lösung gefunden, wie ein Mann des Königs, was Hermann
als naher Verwandter König KONRADS
und Eberhards zweifellos war, Burchard nachfolgen könnte, ohne
daß die Ansprüche der Familie der Erben gänzlich übergangen
werden mußten. Kern der gefundenen Regelung scheint neben der Abfindung
König Rudolfs der Ehebund zwischen
Reginlind und Hermann gewesen zu sein. "Indem Hermann
Burkhards Witwe Reginlind zur Frau nahm, wurde vor aller Augen Kontinuität
demonstriert" (Thomas Zotz) [4 Handbuch der baden-württembergischen
Geschichte I/1: Von der Urzeit bis zum Ende der Staufer, Stuttgart 2001,
Seite 389 (T. Zotz).]. Die weit verzweigte Sippe der KONRADINER,
die nach dem Ende des Königtums KONRADS I.
durch dessen Bruder Eberhard über großen Einfluß
am Hof verfügte, gewann dadaurch - gewissermaßen als Entschädigung
für den Verlust der ostfränkischen Krone - ein weiteres Fürstentum,
und HEINRICHS Schachzug gelang nur
deshalb, weil in Hermann, dem Sohn des Lahngaugrafen Gebhard,
ein lediger und wohl auch noch recht junger Anwärter aus dem fränkischen
Haus der KONRADINER zur Verfügung
stand, mit dem HEINRICH im Zuge seiner
Krönung ohnehin schon allerengste Verbindung eingegangen war. Hermann
scheint wie sein Vetter Eberhard, den HEINRICH
als königlichen "Sonderbeauftragten" in Lothringen eingesetzt hatte,
seine Erhöhung zum Herzog von Schwaben auch als Kompensation
für das den KONRADINERN entgangene
Königtum akzeptiert und die Gewähr dafür geboten zu haben,
dem König im Gegenzug für die Entschädigung unverbrüchliche
Treue entgegenzubringen [5 Zu dfen KONRADINERN allgemein D.C. Jackman,
The Konradiner. A Study in Genealogical Methodology, Frankfurt am Main
1990; C. Settipani, Les Conradiens. Un debat toujours nouvert, in: Francia
23, 1996, Seite 135-166; J. Fried; Prolepsis oder Tod? Methodische und
andere Bemerkungen zur Konradiner-Genealogie im 10. und 11. Jahrhundert,
in: Papstgeschichte und Landesgeschichte. Festschrift für Hermann
Jakobs zum 65. Geburtstag, hg. von J. Dahlhaus/A. Kohnle, Köln/Weimar/Wien
1995 Seite 69-119. - Zu Hermann als Herzog der Schwaben Ch. F. Stälin,
Wirtembergische Geschichte 1, Stuttgart/Tübingen 1841, Seite 435-445.].
Aus der Ehe Hermanns und Reginlinds gingen
ebenfalls Kinder hervor, wie die Tochter Ita belegt, die später
dem ottonischen Königssohn und
Herzog Liudolf (949-953) vermählt
wurde [8 R. Rappmann/A. Zettler; Die Reichenauer Mönchsgemeinschaft
und ihr Totengedenken im frühen Mittelalter (Archäologie und
Geschichte 5), Sigmaringen 1998, Seite 444-448 und Stammtafel Seite 436.],
indes aber kein Sohn, wie Liutprand in seiner Chronik ebenso deutlich zum
Ausdruck bringt wie die Miracula s. Verenae. Die hl. Verena von Zurzach
am Hochrhein galt im Volke weit und breit als Helferin beim Mangel von
Nachwuchs, und so ging in Zurzach die Geschichte um, wie nicht nur König
Rudolf von Hoch-Burgund, sondern auch Herzog Hermann
und Reginlind das Verenagrab aufsuchten, wo sie die Heilige in diesen
Dingen um Interzension bei Gott baten. Bei dem Herzogspaar zeigte die Wallfahrt
indes nicht gewünschten Erfolg. Reginlind brachte zwar alsbald
eine Tochter zur Welt, nicht aber den ersehnten Stammhalter.
In einem Profil der eher blassen, gleichwohl ein knappes
Vierteljahrhundert währenden Herzogsherrschaft Hermanns, die
in allererster Linie durch unverbrüchliche Treue zu seinem Herrn,
König HEINRICH I., und auch noch
dessen Nachfolger OTTO DEM GROSSEN
gekennzeichnet erscheint, ist an vorderer Stelle die Gründung des
Klosters Einsiedeln südlich von Zürich zu erwähnen.
Tatkräftig zur Stiftung der Ehe OTTOS
und Edgiths beigetragen hat Hermann,
in dessen Herzogtum diese ostfränkischen Hauptorte imperialer Tradition
lagen. Er erwies sich als wichtigster, ja als geradezu unverzichtbarer
Helfer HEINRICHS in diesen Dingen 929/30,
und möglicherweise wurde damals durch Übernahme einer Patenschaft
schon jene Eheverbindung zwischen Hermanns Tochter Ita und
Liudolf, dem Sohn
OTTOS und Edgithas, angebahnt,
die Liudolf später die herzogliche
Potestas in Schwaben eintrug. Als Pedant zu solcher Patenschaft wird die
"Schwurfreundschaft" König OTTOS
mit Hermanns Bruder Udo zu sehen sein. Jedenfalls dürfte
das im Frühjahr 930 in Frankfurt ausgestellte Diplom HEINRICHS
für Hermanns Kapellan Hartbert als Belohnung für
die treuen Dienste des Herzogs aufzufassen sein - und die dem Herzog von
König OTTO bereitete Grabstätte
mit Seelgerät bei der Hl.-Blut-Reliquie in Reichenau ist ohne diese
bislang weitgehend ignorierte Vorgeschichte kaum verständlich.
In der ersten großen Krise des ottonischen
Königtums in den Jahren 938/39 erwies sich Herzog Hermann
von Schwaben als entscheidende Stütze OTTOS.
Schon 937, als König Rudolf II. von Hoch-Burgund
und der Bayern-Herzog Arnulf verstarben,
warfen deren Nachfolgequerelen lange Schatten auf OTTOS
eben errungenes Königtum.
In den ersten Auseinandersetzungen mit den königlichen
Kräften kamen unter anderen Thankmar und
Gebhard um, letzterer ein Neffe des Herzog Hermann von Schwaben,
der sich daraufhin von seinem Vetter abwandte und an die Seite König
OTTOS trat.
Breisach überstand OTTO
nur mit der vereinten Hilfe Herzog Hermanns, dessen Bruders Udo
und dem Vetter der beiden, Konrad Kurzbold, also der königstreuen
Fraktion der KONRADINER, und bei Andernach
gab der beherzte Zugriff Hermanns und seiner Leute den Ausschlag
für den Sieg der Königlichen: Eberhard fiel und Giselbert
ertrank auf der Flucht im Rhein.
In dem folgenden Jahrzehnt, das als Periode der Konsolidierung
von OTTOS Königtum gilt, sehen
wir Hermann nur gelegentlich bei außerordentlichen Anlässen
seines schwäbischen Amtes walten, unter anderem auch als Vermittler
in Angelegenheiten zwischen Italien und dem ottonischen
Königshof nördlich der Alpen. Als der gegen König
Hugo von Italien opponierende Markgraf
Berengar von Ivrea im Jahre 941 über die Alpen nach Norden
floh, nachdem ihm zu Ohren gekommen war, daß Hugo
ihn blenden lassen wollte, begab er sich zuerst nach Schwaben. Dort fand
er Aufnahme bei Herzog Hermann, der ihn anschließend mit großen
Ehren an den Hof OTTOS DES GROSSEN
geleitete.
Im Ganzen betrachtet, erscheint die vergleichsweise sehr
lange Regierungszeit Herzog Hermanns in all ihren Facetten als treuer
Dienst am ottonischen Herrscherhaus,
und dies bruchlos über den Thronwechsel von HEINRICH
zu OTTO hinweg. Die traditionelle burchardingische
Orientierung nach Italien hat Hermann trotz seiner Ehe mit der "italienischen"
Alemannin Reginlind nicht aufgenommen, sondern den ottonischen
Hof in dessen eigener Italienpolitik tatkräftig unterstützt.
Das gleiche gilt für die burgundische Verbindung, die unter OTTO
ebenfalls der Hof für die Interessensphäre des Königtums
zu reklamieren begannn. Sie spielte für Hermann ebensowenig eine Rolle.
Wo er in italienischen Angelegenheiten insolviert war, handelte er als
Vasall seines Königs OTTO, zu
dessen engster Umgebung er zählte [52 Vgl. T. Zotz, Die ottonischen
Schwabwenherzöge in Oberitalien, in: Schwaben und Italien im Hochmittelalter,
hg. von H. Maurer/H. Schwarzmaier/T. Zotz (Vorträge und Forschungen
52), Stuttgart 2001, Seite 83-108, hier Seite 94.]. Angesichts der Rolle
Hermanns bei der Eheanbahnung König
OTTOS mit der angelsächsischen
Edgith 929/30 möchte man sogar meinen, Hermann habe
damals so etwas wie eine Patenschaft für OTTO
bzw. das Paar übernommen. Das würde die unbedingte Treue des
Herzogs gemeinsdam mit seinem Bruder Udo gegenüber OTTO
in allen Situationen besser erklären (oben Seite 133).
Und noch auf anderer Ebene kommt die Königsnähe
Hermanns und gleichzeitig die ganz Schwaben umspannende Reichweite
seines Wirkens zum Ausdruck. Im oberrheinischen Breisach, wo sich 939 auf
dem Höhepunkt der Krise von OTTOS
Königsherrschaft die opponierenden Fürsten verschanzten, ließ
der Herzog ebenso wie in Zürich, und vielleicht auch schon in Esslingen
am oberen Neckar, Münzen prägen. Ein Breisacher Denar trägt
Bild und Namen des Königs und daneben den Namen Hermanns. Wir sehen
den Herzog in seinen letzten Jahren als unermüdlichen Fürsprecher
bei Hof für seine Gründung Einsiedeln, und aus anderen maßgeblichen
Klöstern Schwabens und Churrätiens, wie Pfäfers, Reichenau
und St. Gallen, ist kein schlechtes Wort über Hermann zu vernehmen.
Unter seinem Regiment wuchs Schwaben in das ottonische
Reich hinein, durch Hermanns Amtswaltung erfuhr das Herzogtum seine
entschieden Prägung als ein vom König verliehenes Amt. Seither
verfügten die ottonischen Herrscher
- wie nach ihnen die SALIER und die
STAUFER - über Schwaben wie über
die anderen Fürstentümer im ostfränkisch-deutschen Reich
auch: Sie gaben sie, wann immer möglich, an eigene Familienangehörige
aus oder behielten sie überhaupt bei sich, wie es über lange
Strecken die SALIER,
insbesondere HEINRICH III., praktizierten.
Eine Charakterskizze von ähnlicher Farbigkeit wie
bei Burchard I. gibt es von Hermann nicht. Am besten portraitierte
ihn wiederum der italienische Chronist Liutprand von Cremona, wenn er anläßlich
seiner Bemerkungen über den Thronfolger Liudolf
zunächst über Hermann berichtete:
"Als nach dem Tode (der aufständischen Herzöge)
Eberhard und Giselbert und nach der
Gefangennahme Heinrichs,
des Bruders des Königs, die Großen des Reiches von allen Seiten
herbeieilten, um dem König Glück zu
wünschen (939), da kam auch eins ehtr reicher Mann, der
Schwaben-Herzog Hermann. Auch erbrachte
dem König seinen Glückwunsch dar, richtete dann
aber folgende Worte an ihn: 'Es ist meinem Herrn
nicht unbekannt, daß ich bei meinem
ausgedehnten Landbesitz und unermeßlichen
Reichtum an Geld ohne Söhne bin. Außer einer
kleinen, noch unmündigen Tochter ist niemand
da, der mich nach meinem Tod beerben soll. Es
gefalle also dem König, meinem Herrn, daß
ich seinen kleinen Sohn Liudolf an
Kindes Statt
annehme, damit er sich mit meiner einzigen Tochter
vermähle und nach meinem Tode als mein Erbe
mächtig werde.' Weil dieser Rat dem König
gefiel, erfüllte er Hermanns Wunsch ohne Zögern"
Trotz der Einrichtung von drei Klöstern unter maßgeblicher
Beteiligung der Herzöge im 10. Jahrhundert - Waldkirch, Einsiedeln
und Hohentwiel/Stein am Rhein - erlangte keine dieser Gründungen den
Status eines "Hausklosters" der schwäbischen Herzöge. Weder diese
selbst noch ihre Familienangehörigen fanden in der Regel eine Grabstätte
in Waldkirch, Einsiedeln oder Staein am Rhein, abgeshen von Reginlind (in
Einsiedeln) und vielleicht einigen anderen Familienmitgliedern, deren Graborte
ohnehin völlig unbekannt blieben.
Hermann jedenfalls erhielt, als er am 10. oder
13. Dezember 949 verstarb [57 Vgl. T. Zotz, Der Breisgau und
das alemannische Herzogtum (Vorträge und Forschungen, Sonderband 15),
Sigmaringen 1974 Seite 102 mit Anm. 226; H.-W. Goetz, "Dux" und "ducatus",
Bochum 1977, Seite 442. - Das St. Galler Nekrolog (Cod. 915) meldet zum
10. Dezember Obitus... Herimanni ducis Alammanorum;
E. Dümmler/H. Wartmann, St. Galler Todtenbuch und Verbrüderungen,
in: Mittheilungen zur vaterländischen Geschichte, hg. vom historischen
Verein in St. Gallen 9, St. Gallen 1869, Seite 60; vgl. Annales Sangallenses
maiores, ed. C. Henking, Die annalistischen Aufzeichnungen des Klosters
St. Gallen, in: Mittheilungen zur vaterländischen Geschichte, hg.
vom historischen Verein St. Gallen 19, 1884, Seite 286 mit Anm. 215: 949.
Waldo Curienesis episcopus et Herimannus dux Alamannorum obierunt;
vgl. ferner das Jahrzeitbuch des Liber Heremi (10. Dezember): H.
Keller, Kloster Einsiedeln im ottonischen Schwaben (Forschungen zur oberrheinischen
Landesgeschichte 13) Frieburg im Breisgau 1964, Seite 163 und Seite 166.],
eine wahrhaft fürstliche Ruhestätte in dem altehrwürdigen
geistlichen Zentrum Schwabens und initiierte damit gewissermaßen
die "ansatzweise Herzogsgrablege" des 10. Jahrhunderts in Reichenau. "Herzog
Hermann von Alemannien starb, welcher der Kultur, der Gestalt, den
Sitten und den Einrichtungen des ihm anvertrauten Landes viel Ansehen und
Ehre verschafft hat. Er wurde in der Kapelle des hl. Kilian zu Reichenau
begraben", berichtet der Reichenauer Chronist Hermann der Lahme. Schon
der Ort der Grabstätte war auffällig und prominent, denn die
Kilianskapelle bildete einen Anbau am Chor der Abteikirche, wo Kaiser
KARL III. (+ 888) neben dem Hochaltar seine Grab gefunden
hatte. Sie grenzte außerdem an den Friedhof der Mönche und beherbergte
laut einer spätmittelalterlichen Überlieferung das Grab des Altbischofs
Johannes (+782).
Noch erstaunlicher als der Ort der Ruhestätte, der
eigentlich hohen kirchlichen Würdenträgern, insbesondere den
Reichenauer Äbten und im Ausnahmefall dem königlichen Schutzherrn
des Klosters vorbehalten war, sind die Zuwendungen König
OTTOS an die Reichenau. Die erste Urkunde OTTOS
für Reichenau steht offenbar im Zusammenhang mit dem Tod der
Königin Edgith (+ 946), die zweite aus den ersten
Tagen des Jahres 950 mit dem Tod Herzog Hermanns. Wenige Tage nach
dem Hinscheiden Hermanns trug OTTO
selbst Sorge für die Kommemoration und das Seelenheil des KONRADINERS,
der ihm so treu gedient hatte, indem er unter Mitwirkung seines Sohnes
Liudolf und dessen Gemahlin Ita,
der Tochter Hermanns, ein Seelgerät für sich und den Herzog
stiftete.
Er habe keinen Sohn und niemanden, dem er seinen Besitz
hinterlassen könne - so begründete Liutprand in seiner Geschichte
Hermanns angebliche Adoption des Königssohnes. Dahinter steckt
wohl wiederum eine Erklärung Liutprands, die er sich zurechtgelegt
hat, um einen weiteren erstaunlichen Sachverhalt zu begründen, der
ihm auffiel. Denn es gab ja meistens Seitenverwandte, die ebenfalls Erbansprüche
stellen konnten, wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg. Reginos Fortsetzer
berichtet zum Jahre 949 den Tod von Hermanns Bruder Udo,
"der mit Erlaubnis des Königs das, was er an Ämtern und Lehen
besaß, unter seine Söhne wie ein Erbe verteilte". Diese Nachricht
beleuchtet nochmals den Erbfall Herzog Hermanns, in den der König
auf ungewöhnliche Weise eingriff, nicht ohne offenbar die Familie
Hermanns mit dem Erbe des kurz zuvor verstorbenen Bruders Udo
entschädigt zu haben.