Aus der Regierungszeit der nächste beiden Herzöge,
Hermann
I. (926-949), eines KONRADINERS,
und Liutolfs (949-953), eines
OTTONEN, besitzen wir nicht die geringste
Hinweise auf eine Verankerung ihrer Herzogsherrschaft am westlichen Bodensee
und im Hegau. Die Tatsache, daß beide weder der Familie Erchangers
noch diejenigen der sogenannten HUNFRIDINGER, der Burchard I. entstammte,
angehörten, könnte zunächst zu dem Gedanken verleiten, daß
beide Nachfolger Burchards der Herrschaftsgrundlage, über die dieser
offensichtlich noch verfügt hatte, nach dessen Tode beraubt worden
seien. Gegen die Stichhaltigkeit einer solchen Annahme spricht indessen
nicht allein die Erkenntnis, daß sowohl Hermann
I. - durch die Heirat mit Burchards II. Witwe Reginlinde
- als auch Liutolfs - durch die Ehe
mit Hermanns und Reginlindes
Tochter Ita - als vollberechtigte und eindeutig legitimierte Erben
Herzog Burchards II. gelten mußten und dementsprechend auch über
die gleiche Herrschaftsgrundlage wie Burchard II. verfügt haben dürften.
Gegen die Annahme einer stärkeren Zäsur innerhalb der schwäbischen
Herzogsherrschaft während der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts
spricht aber auch die Beobachtung, daß sich sowohl Hermanns
I. als auch Liutolfs Wirkungsbereiche
weitgehend mit demjenigen Burchards II. deckten. Für die beiden Nachfolge-Herzöge
ist, obgleich sich die räumliche Reichweite ihrer Herzogsherrschaft
insgesamt wesentlich vergrößert hatte, Zürich von großer
Wichtigkeit, und beide stehen wiederum in enger Verbindung zu den alten
Reichsabteien St. Gallen und Reichenau und zu der neu gegründeten
Abtei Einsiedeln. Hermann I. setzte
zudem das schon von Burchard I. eng gestaltete Verhältnis zu dem kleinen
Hochrheinkloster Zurzach mit seinem für das Herzogshaus offenbar wichtigen
Verena-Kult fort.
Angesichts dieses im wesentlichen gleichgebliebenen geographischen
Rahmens spricht nichts dagegen, sondern eher alles dafür, daß
auch bis hin zu Liutolf die frühen
"Herzogsorte" am Westrande des Bodensees und im Hegau, das heißt
im Umkreis der einstigen Königspfalz Bodman, und unter ihnen zumindest
der Hohentwiel, in diese Herzogsherrschaft Hermanns
und Liutolfs eingeschlossen gewesen
sind und immer noch eine wesentliche Grundlage für die Ausübung
der herzoglichen Rechte abgegeben haben werden.
Von Hermann I. an
hat kein Herzog von Schwaben bis einschließlich Herzog Ernst II.
auf eine Münzprägung in Zürich verzichtet. Das spricht
nicht nur für die herausragende Rolle, die Zürich auch im 10.
und frühen 11. Jahrhundert als Wirtschaftsplatz zukam; es spricht
zugleich für eine überaus starke Stellung, die den Herzögen
in Zürich eignete.
Diese herzogliche Kirchenherrschaft gibt sich am sichtbarsten
darin zu erkennen, daß die Chorherren in einer notitia des Jahres
968 Herzog Burchard als ihren senior bezeichnen und daß ebenso
wie die karolinguischen Königstöchter
Hildegard
und Berta und wie Richardis,
die Gattin KARLS III., auch Reginlinde,
die Gattin Herzog Burchards II. und Herzog Hermanns
I., als Laien-Äbtissin der Frauenabtei - wenn nicht gar
zugleich dem Chorherrenstift - vorstand.
Wenn nun erstmals von Herzog
Hermann von Schwaben (926-949), einem engen Vertrauten
OTTOS I., dem der König den am
2.X.939 bei Andernach erfochtenen Sieg über seine herzoglichen Feinde
zu verdanken hatte, - wenn nun also erstmals von Herzog
Hermann in Breisach geprägte Münzen vorhanden sind,
dann kann dieses Fußfassen des schwäbischen Herzogs auf dem
Berg von Breisach am ehesten mit der Einnahme des Berges durch OTTO
I. und einer Weiterverleihung der "Burg" an Hermann
als seinen engsten Vertrauten erklärt werden.
Wiederum war es kein Platz in der Mitte des Herzogtums,
den der König dem Herzog als neuen Vorort überließ, sondern
eine Örtlichkeit an dessen Grenze, und wiederum war es ein Platz,
der erst dem Feinde - diesmal freilich durch den König selbst - mit
Gewalt abgerungen werden mußte.
Die Aktivität der Münzstätte des Herzogs
von Schwaben in Breisach wird schon darin sichtbar, daß allein von
Herzog
Hermann I. (926-949) für den kurzen Zeitraum von
nicht ganz zehn Jahren (ca. 939 bis 949) vier verschiedene Denar-Typen
ausgeprägt worden sind, von denen drei den Namen Hermanns
mit dem OTTOS I. verbinden, ja einer
sogar das Brustbild des Kaisers zeigt, der vierte aber den Namen des Herzogs
ohne den des Königs trägt.
Eine natürliche Folge dieser Bindung der Herzogsherrschaft
an Königtum und Reich ist es dann, wenn Herzog Burchards Nachfolger
im Amte, der KONRADINER Hermann
I., nicht mehr vom Adel Schwabens im Lande selbst, sondern jetzt,
926, von König HEINRICH I. sogar
außerhalb des Landes, auf einem Reichstag in Worms, zum Herzog
in Schwaben eingesetzt wird. Deutlicher kann denn wohl die Abhängigkeit
der schwäbischen Herzogswürde von Willen und Gunst des Königs
nicht unterstrichen werden: Sie wird vom König, sie wird - wie fortan
bis zum Jahre 1048 ausschließlich - außerhalb des Landes und
sie wird dazu noch einen Landfremden vergeben. Denn Herzog
Hermann heiratet Reginlinde, die Witwe Herzog Burchards
II., deren Sohn offensichtlich beim Tode des Vaters noch nicht mündig
gewesen war. Es bleibt demnach nicht nur eine institutionelle, sondern
durchaus auch eine personelle Kontinuität gewahrt. Und an die Heirat
mit einer Herzogswitwe oder einer Herzogstochter ebenso wie durch die unmittelbare
Abstammung von einem Herzog oder gar - wie im Falle Liutolfs
- durch Adoption begründeten Ansprüche haben sich die Könige
bei der Vergabe des ducatus - trotz ständigem Wechsels zwischen Mitgliedern
aus den Häusern der BURCHARINGER, KONRADINER
und LIUDOLFINGER im 10. Jahrhundert
und der BABENBERGER im 11. Jahrhundert, künftige durchweg ebenso gehalten,
wie sie andererseits das Recht auf Vergabe des Herzogsamtes nie mehr ais
der Hand gegeben haben.
Vom König an den Herzog überlassenes Reichsgut
werden wir etwa in jenen Besitzungen suchen dürfen, die der Königssohn
Herzog
Liutolf und seine Frau Ita im Jahre 950 in den Orten
Truchtelfingen (südlich von Tailfingen) und Trossingen (südlich
von Rottweil) zum Seelenheil von Itas Vater, an die Abtei Reichenau
schenken, eine Schenkung, die bemerkenswerterweise einer Legitimierung
durch König OTTO I. bedurfte,
indem der König diese Schenkung an das Kloster kurze Zeit darauf noch
einmal durch eine eigene Urkunde wiederholte. Die Notwendigkeit einer solchen
Legitimierung zeigt bereits, daß es sich bei den Besitzungen, über
die das Herzogspaar verfügte, um Königsgut handelte, das dem
Herzog als Amtsgut verliehen worden war.