Maurer, Helmut: Seite 48,64,67,77-80,132,142,149
**************
"Der Herzog von Schwaben. Grundlagen, Wirkungen und Wesen seiner Herrschaft in ottonischer, salischer und staufischer Zeit"

Aus der Regierungszeit der nächste beiden Herzöge, Hermann I. (926-949), eines KONRADINERS, und Liutolfs (949-953), eines OTTONEN, besitzen wir nicht die geringste Hinweise auf eine Verankerung ihrer Herzogsherrschaft am westlichen Bodensee und im Hegau. Die Tatsache, daß beide weder der Familie Erchangers noch diejenigen der sogenannten HUNFRIDINGER, der Burchard I. entstammte, angehörten, könnte zunächst zu dem Gedanken verleiten, daß beide Nachfolger Burchards der Herrschaftsgrundlage, über die dieser offensichtlich noch verfügt hatte, nach dessen Tode beraubt worden seien. Gegen die Stichhaltigkeit einer solchen Annahme spricht indessen nicht allein die Erkenntnis, daß sowohl Hermann I. - durch die Heirat mit Burchards II. Witwe Reginlinde - als auch Liutolfs - durch die Ehe mit Hermanns und Reginlindes Tochter Ita - als vollberechtigte und eindeutig legitimierte Erben Herzog Burchards II. gelten mußten und dementsprechend auch über die gleiche Herrschaftsgrundlage wie Burchard II. verfügt haben dürften. Gegen die Annahme einer stärkeren Zäsur innerhalb der schwäbischen Herzogsherrschaft während der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts spricht aber auch die Beobachtung, daß sich sowohl Hermanns I. als auch Liutolfs Wirkungsbereiche weitgehend mit demjenigen Burchards II. deckten. Für die beiden Nachfolge-Herzöge ist, obgleich sich die räumliche Reichweite ihrer Herzogsherrschaft insgesamt wesentlich vergrößert hatte, Zürich von großer Wichtigkeit, und beide stehen wiederum in enger Verbindung zu den alten Reichsabteien St. Gallen und Reichenau und zu der neu gegründeten Abtei Einsiedeln. Hermann I. setzte zudem das schon von Burchard I. eng gestaltete Verhältnis zu dem kleinen Hochrheinkloster Zurzach mit seinem für das Herzogshaus offenbar wichtigen Verena-Kult fort.
Angesichts dieses im wesentlichen gleichgebliebenen geographischen Rahmens spricht nichts dagegen, sondern eher alles dafür, daß auch bis hin zu Liutolf die frühen "Herzogsorte" am Westrande des Bodensees und im Hegau, das heißt im Umkreis der einstigen Königspfalz Bodman, und unter ihnen zumindest der Hohentwiel, in diese Herzogsherrschaft Hermanns und Liutolfs eingeschlossen gewesen sind und immer noch eine wesentliche Grundlage für die Ausübung der herzoglichen Rechte abgegeben haben werden.
Von Hermann I. an hat kein Herzog von Schwaben bis einschließlich Herzog Ernst II. auf eine Münzprägung in Zürich verzichtet. Das spricht nicht nur für die herausragende Rolle, die Zürich auch im 10. und frühen 11. Jahrhundert als Wirtschaftsplatz zukam; es spricht zugleich für eine überaus starke Stellung, die den Herzögen in Zürich eignete.
Diese herzogliche Kirchenherrschaft gibt sich am sichtbarsten darin zu erkennen, daß die Chorherren in einer notitia des Jahres 968 Herzog Burchard als ihren senior bezeichnen und daß ebenso wie die karolinguischen Königstöchter Hildegard und Berta und wie Richardis, die Gattin KARLS III., auch Reginlinde, die Gattin Herzog Burchards II. und Herzog Hermanns I., als Laien-Äbtissin der Frauenabtei - wenn nicht gar zugleich dem Chorherrenstift - vorstand.
Wenn nun erstmals von Herzog Hermann von Schwaben (926-949), einem engen Vertrauten OTTOS I., dem der König den am 2.X.939 bei Andernach erfochtenen Sieg über seine herzoglichen Feinde zu verdanken hatte, - wenn nun also erstmals von Herzog Hermann in Breisach geprägte Münzen vorhanden sind, dann kann dieses Fußfassen des schwäbischen Herzogs auf dem Berg von Breisach am ehesten mit der Einnahme des Berges durch OTTO I. und einer Weiterverleihung der "Burg" an Hermann als seinen engsten Vertrauten erklärt werden.
Wiederum war es kein Platz in der Mitte des Herzogtums, den der König dem Herzog als neuen Vorort überließ, sondern eine Örtlichkeit an dessen Grenze, und wiederum war es ein Platz, der erst dem Feinde - diesmal freilich durch den König selbst - mit Gewalt abgerungen werden mußte.
Die Aktivität der Münzstätte des Herzogs von Schwaben in Breisach wird schon darin sichtbar, daß allein von Herzog Hermann I. (926-949) für den kurzen Zeitraum von nicht ganz zehn Jahren (ca. 939 bis 949) vier verschiedene Denar-Typen ausgeprägt worden sind, von denen drei den Namen Hermanns mit dem OTTOS I. verbinden, ja einer sogar das Brustbild des Kaisers zeigt, der vierte aber den Namen des Herzogs ohne den des Königs trägt.
Eine natürliche Folge dieser Bindung der Herzogsherrschaft an Königtum und Reich ist es dann, wenn Herzog Burchards Nachfolger im Amte, der KONRADINER Hermann I., nicht mehr vom Adel Schwabens im Lande selbst, sondern jetzt, 926, von König HEINRICH I. sogar außerhalb des Landes, auf einem Reichstag in Worms, zum Herzog in Schwaben eingesetzt wird. Deutlicher kann denn wohl die Abhängigkeit der schwäbischen Herzogswürde von Willen und Gunst des Königs nicht unterstrichen werden: Sie wird vom König, sie wird - wie fortan bis zum Jahre 1048 ausschließlich - außerhalb des Landes und sie wird dazu noch einen Landfremden vergeben. Denn Herzog Hermann heiratet Reginlinde, die Witwe Herzog Burchards II., deren Sohn offensichtlich beim Tode des Vaters noch nicht mündig gewesen war. Es bleibt demnach nicht nur eine institutionelle, sondern durchaus auch eine personelle Kontinuität gewahrt. Und an die Heirat mit einer Herzogswitwe oder einer Herzogstochter ebenso wie durch die unmittelbare Abstammung von einem Herzog oder gar - wie im Falle Liutolfs - durch Adoption begründeten Ansprüche haben sich die Könige bei der Vergabe des ducatus - trotz ständigem Wechsels zwischen Mitgliedern aus den Häusern der BURCHARINGER, KONRADINER und LIUDOLFINGER im 10. Jahrhundert und der BABENBERGER im 11. Jahrhundert, künftige durchweg ebenso gehalten, wie sie andererseits das Recht auf Vergabe des Herzogsamtes nie mehr ais der Hand gegeben haben.
Vom König an den Herzog überlassenes Reichsgut werden wir etwa in jenen Besitzungen suchen dürfen, die der Königssohn Herzog Liutolf und seine Frau Ita im Jahre 950 in den Orten Truchtelfingen (südlich von Tailfingen) und Trossingen (südlich von Rottweil) zum Seelenheil von Itas Vater, an die Abtei Reichenau schenken, eine Schenkung, die bemerkenswerterweise einer Legitimierung durch König OTTO I. bedurfte, indem der König diese Schenkung an das Kloster kurze Zeit darauf noch einmal durch eine eigene Urkunde wiederholte. Die Notwendigkeit einer solchen Legitimierung zeigt bereits, daß es sich bei den Besitzungen, über die das Herzogspaar verfügte, um Königsgut handelte, das dem Herzog als Amtsgut verliehen worden war.