Graf Wilhelm I. von Holland war ein hartnäckiger
Rivale der Gräfin Johanna von Flandern,
für die der deutsche Thronstreit beziehungsweise der englisch-französische
Krieg einen schlechteren Ausgang genommen hatte als für den wendigen
Herzog Heinrich I. von Brabant.
Johanna war die Erb-Tochter
des
Grafen
Balduin IX. (VI.) und nachmaligen Kaisers von Konstantinopel,
der die Grafschaft Flandern von Frankreich zu Lehen hatte, während
er die Grafschaften Namur und Seeland vom Reich zu Lehen trug und die von
Hennegau vom Bischof von Lüttich.
Als man Kaiser Balduin I. von
Konstantinopel seit der Schlacht von Adrianopel gegen die Bulgaren
vermisste, folgte ihm im Februar 1206 in der Herrschaft seine Tochter
Johanna. Auf Betreiben des französischen
Hofs wurde sie noch minderjährig im Januar 1212 mit Ferrand
von Portugal verheiratet. Er enttäuschte aber die französischen
Erwartungen und schlug sich auf die englisch-welfische
Seite, auf welcher er bei Bouvines focht und in französische Gefangenschaft
fiel. Aus ihr sollte ihn erst 1226 der Vertrag von Melun befreien, mit
dem sich die
Gräfin Johanna im
Einvernehmen mit ihrem Adel und ihren Städten in die Unterwerfung
unter Frankreich schickte. Nicht nur die Gefangenschaft Ferrands,
sondern auch die Niederlage Englands, das dadurch seinen Einfluss im Norden
Frankreichs und am Niederrhein zunächst verloren hatte und als mögliche
Rückendeckung ausfiel, war schon jetzt der Handlungsspielraum Flanderns
als französisches Lehen erheblich eingeschränkt.
Die Schwäche Flandern versuchte nun Graf Wilhelm
I. für sich auszunutzen. Als Graf von Seeland war er zwar Lehnsmann
der Grafen von Flandern, gleichzeitig aber ein Aftervasall des deutschen
Königs. Seit Robert I. von Flandern seinen Schwiegersohn Dietrich
V. von Holland mit der nördlich der Westerschelde gelegenen Grafschaft
Seeland belehnt hatte, versuchten die holländischen Grafen die Lehensbindung
an Flandern abzuschütteln, zunächst vergeblich. Im Vertrag von
Brügge 1167 hatten sie die Lehenshoheit Flanderns anzuerkennen. Gleichzeitig
mussten sie zugestehen, dass die Einkünfte Seelands geteilt wurden
und man den flämischen Kaufleuten in Holland Zollfreiheit gewährte.
Da die Gräfin Johanna von
Flandern nicht auf dem Frankfurter
Reichstag erschien, um FRIEDRICH
II. zu huldigen, ergab sich in Verbindung mit der Königswahl
HEINRICHS
(VII.) für Graf Wilhelm die günstige Gelegenheit,
ans Ziel seiner Wünsche zu gelangen. Vielleicht mit Unterstützung
seines Schwiegervaters - er war 1220 eine Ehe mit der wesentlich jüngeren
Kaiserin
Maria, der Witwe OTTOS
IV. und Tochter Heinrichs I. von Brabant - erreichte er
es, dass FRIEDRICH II. die Gräfin
Johanna ihrer Reichslehen für verlustig erklärte und
dieselben ihm übertrug. Bei diesen Reichslehen wird es sich jedoch
nur um die Grafschaft Seeland als Zankapfel zwischen Flandern und Holland
gehandelt haben und nicht etwa auch noch um die Markgrafschaft Namur.
Wilhelm von Holland konnte sich indes nicht lange seines
Erfolges freuen. Nur wenige Monate später revidierte FRIEDRICH
seinen
Frankfurter Rechtsspruch. Dies geschah möglicherweise durch die Vermittlung
des Papstes, an den sich Johanna
hilfesuchend
gewandt haben könnte. Dass Honorius
der Gräfin wohlgesonnen war, belegen zumindest drei Schreiben vom
Ende August, in denen er Johanna
in
seinen Schutz nahm. Mit der Begründung, dass Gräfin
Johanna unverschuldeterweise nicht vor ihm erschienen sei -
da ihr Gemahl sich noch in französischer Gefangenschaft befinde und
ihr die Reise an den Hof wegen der unterwegs drohenden Gefahren nicht zuzumuten
sei, erklärte
FRIEDRICH II. die
Belehnung Wilhelms für ungültig und investierte sie mit allen
von ihren Vorfahren auf sie gekommenen Reichslehen.