ADELHEID VON SAVOYEN - die Strikte
* um 1100, + 18. November 1154
Abtei von Montmatre
Zweite Gemahlin Ludwigs VI., des Dicken (* 1081; König: 1108-1137) Heirat: 3. August 1115 Paris
Der Tod seines Vaters 1108 bringt Ludwig
VI. auf den Thron. In den Vorjahren hat er das "Königshandwerk"
erlernt, den desolaten Zustand seines nunmherigen Reiches erfahren, der
auf den unablässigen Streitereien der mächtigen Barone und weniger
mächtigen, aber um so kampfeswütigeren Hintersassen beruht.
Diese ewig Unzufriedenen zum Schweigen zu bringen, tritt
der König an. Er ist der geborene Kämpfer. Von Gestalt ein Riese,
mit einem Stiernacken, von mächtiger Muskulatur, erweist er sich als
unermüdlicher Streiter, durchreist sein Reich sommers wie winters,
fürchtet weder Hitze noch Kälte, verachtet Schnee wie Sonne,
schlammige wie ausgedörrte Wege. Ein solch kriegerischer König
auf steter Achse braucht einen Minister. Diese Aufgabe vertraut Ludwig
Etienne de Garland an, einem simplen Beamten, den der Größenwahn
packt, der aber einem wahren Minister den Weg ebnet: Suger, dem Abt von
Saint-Denis, einem kleinen, leutscheuen Mönch, der neben dem gekrönten
Riesen Ludwig eine lächerliche
Figur ist. Suger mag rein äußerlich ein erbärmliches Bild
abgeben, er ist aber intelligent, unerschütterlich, unbeugsam. Zunächst
geht es darum, das Königreich von Ehrgeiz zahlreicher Vasallen zu
säubern. An der Spitze einiger getreuer Ritter - und mit Hilfe wertvoller
Milizen, die Suger zur Verfügung stellt - erkämpft der König
seine Vorherrschaft, zuletzt auch gegen den deutschen
Kaiser HEINRICH
V.
Eine Vernunftehe wird am 3. August 1115 in Notre-Dame
de Paris geschlossen. Ihre hohe Abkunft macht die Braut Adelheid
von Savoyen zur idealen Königin von Frankreich.
Adelheids
Eltern,
Humbert
II., Graf von Maurienne und Savoyen, und Gisele
de Bourgogne-Ivree gehören dem Haus BURGUND
[Korrektur: Selbstverständlich gehört nur die Mutter dem
Haus BURGUND an.] an. Überdies ist sie eine Nichte von Papst
Calixtus II. Genaugenommen ist Adelheid
Ludwigs zweite Gemahlin, denn er war zuvor schon mit Lucienne
von Rochefort verheiratet. Manche billigen Lucienne
den Titel einer Königin von Frankreich nicht zu.
Tatsache aber ist, daß Lucienne,
Tochter von Guy I. dem Roten, Herrn von Rochefort, 1104 Ludwig
VI. geheiratet hat. Er wird zwar erst 1108, als diese Ehe schon
annulliert war, König. Seite 1100 aber ist
Ludwig dem Thron seines Vaters Philipp
assoziiert, so daß Lucienne der
Titel sehr wohl zuerkannt werden darf. Drei Jahre nur dauert die Ehe, aus
der eine Tochter mit Namen Isabella
hervorgeht. Die Hintergründe von Luciennes
Verstoßung sind unklar. Vielleicht hatte Bertrada
von Montfort die Hand im Spiel. Sie ist ihrem Stiefsohn nicht
wohlgesonnen - einige Chronisten beschuldigen sie sogar, sie habe den Thronerben
beseitigen wollen. Möglicherweise will suie den jungen Mann über
seine Frau treffen. Wahrscheinlich aber spielen auch rivalisierende Adelsparteien
am Hof eine Rolle, die Familie GARLAND zum Beispiel war den ROCHEFORTS
nicht grün. Wie auch immer: 1107 annullierte Papst
Pascal II. die Ehe unter dem im übrigen wenig überzeugenden
Vorwand der Blutsverwandtschaft.
Als Ludwig dann Adelheid
von Savoyen heiratet, ist er schon fünfunddreißig,
ein eingefleischter Junggeselle und Genüßling, etwas verbraucht
von guter Küche und anderen Vergügungen, ganz zu schweigen von
den un ablässigen Streitigkeiten, die er seit zwanzig Jahren mit größeren
und kleineren Vasallen ausficht, die mit ihren kleinen Burgtürmen
und ihrer Arroganz Paris belagern. Die Heirat wird nichts an der Gewohnheit
als Kriegsherr ändern, wohl aber seine anderen wilden Gepflogenheiten
eindämmen. Ludwig, der bislang
eine ungezähmte Leidenschaft für die Frauen zeigte, wandelt sich
zum treuen Gatten: Adelheid ist genau
die Frau, die er braucht. Er hat die unlösbaren Verwicklungen vergifteter
Eheständes Vaters Philipp hautnah
erlebt. Nachdem er nun jahrelang die Vergnügungen eines Manneslebens
ausgekostet hat, wünscht er sich ein soldes und friedliches Heim.
Genau das bietet ihm Adelheid. Die
Chronisten sind sich einig: sie ist zwar nicht hübsch, aber sanft,
intelligent, auch fromm. Gemeinsam machen sich Ludwig
und
Adelheid
ans Werk, die Macht der Kirche gegen beutegierige und streitsüchtige,
plündernde Adelige zu stärken. Sie werden zum Bau von Kirchen
beitragen und zum Beispiel das Kloster Montmartre gründen.
Adelheid schenkt
ihrem Reich acht Kinder.
Der Älteste, Philipp (1116),
wird rasch dem Thron verbunden, stirbt aber zwei Jahre darauf, 1131, bei
einem Sturz vom Pferd.
An seine Stelle tritt Ludwig
(1120), der in Reims gekrönt
wird und ab 1131 an der königlichen Macht teil hat.
Heinrich
(1121) wird Erzbischof von
Reims,
Hugues (1122)
stirbt jung,
Robert (1123)
wird zum Stammvater des Grafenhauses
DREUX,
Konstanze (1124)
wird erst Eustache von Blois, den Grafen von Boulogne und dann Raymond
V., Graf von Toulouse heiraten,
Philipp (1125)
wurde Archidiakon von Paris und
Pierre
(1126) Stammvater des Hauses COURTENAY.
1124 kommt es zu kriegerischen Verwicklungen zwischen
Frankreich und England, das in der Normandie eine starke Bastion auf dem
Kontinent hat. Als Verbündeter seines Schwiegervaters König
Heinrichs I. von England zieht Kaiser
HEINRICH V. gegen Frankreich. In der französischen Geschichtsschreibung
heißt es: Kaiser HEINRICH V. hatte
schon lange ein Auge auf dieses "biaux Reyaume" - dieses schöne Königreich
- geworfen, hielt die Zeit für gekommen, sich diese Beute angesichts
der andauernden Streitigkeiten zwischen König und großen - und
minder großen, ja kleinen - Vasallen einzuverleiben.
Die kaiserlichen Truppen dringen in Frankreich ein. Ludwig
ruft
seine Vasallen zu Hilfe. Nicht nur seine von jeher getreuen Vasallen, nicht
nur die Volksmilizen, sondern auch die bislang gegen ihn stehenden Rebellen
füllen jetzt seine Ränge, von seinen Großen und seinem
Volk umgeben, kann er sich dem Eindringling entgegenstellen. Die französische
Streitmacht steht fest bei Reims. Der Feind rückt ab, aus welchen
Gründen auch immer. Wenn diese Kampagne von 1124, militärisch
betrachtet, auch unbedeutend war, so war sie doch Ausgangspunkt einer zusammenwachsenden
Nation - hatte bewiesen, daß die großen Barone, mochten sie
im einzelnen dem König schädlich sein, ihm im Augenblick der
Gefahr treu zur Seite stehen würden.
Obgleich der König zwanzig Jahre älter als
Adelheid ist, scheint sie doch einen nicht unbeachtlichen Einfluß
auf ihn und die Führung des Reiches besessen zu haben. Aufgrund ihrer
familiären Beziehungen - und ihres vorbildlichen Lebens - sorgt sie
für eine Aussöhnung mit dem Papsttum, nach Philipps
Eskapaden eine Notwendigkeit. Es gelingt ihr auch, Ludwig von der Familie
GARLAND zu trennen, die auf ihn einen für das Reich gefahrvollen Einfluß
erlangt hatte (und vielleicht bei der Verstoßung seiner ersten Frau
Lucienne
im Spiel war - dann hätte die zweite, die erste Ehefrau gerächt,
was für beide spräche). Sie trägt zur Ablösung des
Kanzlers Etienne de Garland bei, der Sugers Aufstieg möglich macht.
Ludwig kämpft
derweil unablässig. Von Andelys bis Saint-Briot sind Belagerungen,
Erstürmung von Städten, Brandschatzungen, Ruinen, der Anblick
von Toten sein Los. Er ist ein wackerer Krieger - aber des endlosen Streitens
schließlich so leid, daß er daran denkt, den Karren hinzuwerfen
und ein einfacher Mönch zu werden. Aber der König von Frankreich
ist in seinen Wünschen nicht frei: der König des Himmels
hat ihm eine zu große Verantwortung gegeben, einen zu großen
Besitz, als daß er sich ihrer anders als durch seinen Tod entledigen
könnte. Um diesen Besitz zu vergrößern, hat er seinen Sohn
Ludwig
nach Bordeaux entsandt, um Alienor von Aquitanien
zu freien, deren Vaters seinen Schutz erbeten hat. Alienor
ist eine reiche Erbin. Ihr Reich, so sagt sich der müde, alte König,
wird eines Tages der Krone zufallen. Und welch gewaltiges Reich würde
dies sein!
Ludwig VI., vor der
Zeit von unablässigen kriegerischen Handeln ebenso wie von einem unbändigen
Appetit erschöpft, der ihn dickleibig gemacht hat, baut mehr und mehr
ab. Er ist auf Reisen, als er in Chateauneuf-sur-Loire hingestreckt wird.
In kleinen Etappen nach Paris verbracht, hat er die Genugtuung eines einzigartigen
Schauspiels. Überall stehen die kleinen Leute, die Bauern, denen er
seine Aufmerksamkeit gewidmet hat, Spalier, in Massen, schweigend. Ihre
Blicke begleiten den Karren, auf dem der Körper dieses Riesen liegt.
Sie sind nicht aus Neugier gekommen, sie beklagen weinend und stumm einen
Mann, der für sie mehr als ein König, ein Vater, gewesen ist.
In seinen Pariser Palast heimgekehrt, empfiehlt der König sein Erbe
seinem getreuen Suger. Er befiehlt, man möge ihn auf einem Bett von
Asche ausbreiten, mit gekreuzten Armen, demütiger als der Demütigste
seiner Untertanen. Dann überantwortet er sein Seele seinem Schöpfer.
Ludwig
stirbt so am 1. August 1137. Er hat eine Last von seinen Vorfahren ererbt
- seinen Nachfahren übereignet er eine Nation.
Adelheid ist inzwischen
siebenunddreißig. Sie braucht die Bürde einer Regentschaft nicht
auf sich zu nehmen, da ihr zweiter Sohn Ludwig,
mit seinen siebzehn Jahren schon in die politischen Geschäfte eingeführt,
seit kurzem mit Alienor, der jungen
aquitanischen Fürstin, verheiratet ist und umgehend zum König
gekrönt wird. Natürlich möchte Adelheid
als Königin-Mutter noch ihren politischen Einfluß bewahren,
stößt aber rasch auf den Widerstand ihrer Schwiegertochter Alienor.
Die junge Frau hat aus dem Süden des Landes ganz andere, heiterere
Vorstellungen, eine raffinierte Kultur, die Literatur der Troubadoure an
den strengen Pariser Hof mitgebracht, neben denen die alte Königin
wie ein Inbild des Klichees der bösen Schwiegermutter, eine fossile
Matrone wirken muß. Recht kurze Zeit danach vermählt sie sich
wieder - hat hier etwa Alienor nachgeholfen?
- mit einem durchaus attraktiven großen Baron: Matthieu de Montmorency.
Die neue Ehe wird fast fünfzehn Jahre dauern.
In ihren letzten Lebensjahren, als
Adelheid ihr Ende nahen fühlt, glaubt sich die fromme Frau
verpflichtet, sich aus dem weltlichen Leben zurückzuziehen und an
ihr Seelenheil zu denken. 1153 bittet sie ihren zweiten Gemahl um seine
Erlaubnis, sich nach Montmartre zurückziehen zu dürfen: in das
Kloster, das sie selbst begründet hat. Dort stirbt sie am 18. November
1154 nach einem Leben, in dem sie nie aufgetrumpft, das sie aber nach
strikten Regeln geführt hat.