Leidinger, Paul: Seite 36-39,46-47
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"Untersuchungen zur Geschichte der Grafen von Werl. Ein Beitrag zur Geschichte des Hochmittelalters."

Die Ursache der Unruhen, die von den Werlern in Verbindung mit dem BILLUNGER Thietmar angezettelt wurden, sind daher nicht in einem Kampf gegen den Kaiser, sondern richtiger in lokaler begrenzten Streitfällen zu suchen, denen freilich der Kaiser durch sein Eingreifen schließlich ein Ende setzte. Auch der Empörung Herzogs Bernhards im folgenden Jahr liegt ja ganz offensichtlich eine solche lokal begrenzte Aueinandersetzung, nämlich mit dem Erzbischof Unwan von Hamburg-Bremen, zugrunde [2 Vgl. Adam II 48. Ferner Hirsch, Jahrbücher Heinrichs II., Band III Seite 117.]. Erst durch die Häufung ähnlicher Vorkommnisse im Aufgebotsbereich des Herzogs weiteten sich diese lokalen Streitfälle zu der geschlossenen Erhebung gegen HEINRICH II. im Jahre 1020 aus, wobei der BILLUNGER-Herzog Bernhard die Führung übernahm [3 Thietmar VII 50.]. Weder ihm noch der um ihn gescharten westfälischen Heerschaft ging es dabei um einen Kampf gegen den Kaiser um jeden Preis, sondern um die Rechtssuche auf dem Weg über den bewaffneten Widerstand gegen eine kaiserliche Kirchenpolitik, die nicht nur die Interessen, sondern auch tatsächliche Rechte des weltlichen Adels beeinträchtigte.
Die Nichterfüllung ihrer Rechtsansprüche aber war der Grund zu einer neuen Erhebung, an deren Spitze nunmehr der BILLUNGER-Herzog Bernhard II. trat. Mochte für ihn auch ein persönlicher Grund zur Empörung vorliegen, nämlich in der Auseinandersetzung mit dem Erzbischof Unwan von Hamburg-Bremen, einem Vetter Meinwerks [49 Vgl. Adam II 48, der als Begründung für die Übergriffe des Herzogs auf das Erzstift dessen Reichtum, aber auch dessen abseitige Lage von der schützenden Hand des Kaisers anführt. Im Grunde aber ging es dem Erzbischof wie dem Herzog um die Vormachtstellung an der Unterweser (vgl. O. H. May, Regesten der Erzbischöfe von Bremen, Band I, Bremen 1928, Reg. 176).], so kann kein Zweifel sein, daß er sich dabei auch zum Sprecher des unzufriedenen Adels seines Aufgebotsbereichs machte, den er um sich sammelte [50 In übertriebener Weise berichtet Adam II 48, der Herzog habe das ganze sächsische Land zu gemeinsamer Empörung gegen den Kaiser veranlaßt, zutreffender schränkt jedoch der zeitgenössische Quedlinburger Annalist (SS III 84 a.a. 1020) die Sammlung des Aufgebots auf den Westen, das heißt auf Westfalen ein. Vgl. dazu Hömberg, Westfalen und das sächsische Herzogtum, 92.]. Der Augenblick der Erhebung war auch diesmal so gewählt, daß er in eine Zeit fiel, in der der Kaiser in weiterer Entfernung weilte: Im Juni 1019 hatte er Sachsen auf dem Weg durch Westfalen verlassen und sich von Köln weiter rheinaufwärts gewandt. Von der Empörung wird er Nachricht bekommen haben, als er am 15. Dezember in Mühlheim in Thüringen mit Bischof Meinwerk zusammentraf. Trotzdem wandte er sich zunächst zur Weihnachtsfeier nach Würzburg. Den dortigen Aufenthalt scheint er zur Sammlung eines Heeres benutzt zu haben, mit dem er dann im Januar 1020 auf kürzestem Weg in den Weserraum bei Minden zog, wo sich Herzog Bernhard mit seinem Heer in die Schalkeburg (Hausberge) zurückgezogen hatte. Das Ereignis hat ziemliches Aufsehen in Sachsen erregt, da nicht nur die zeitgenösssichen Quedlinburger und Hildesheimer Annalisten, sondern auch spätere Geschichtsschreiber davon berichten. Zum Kampf ist es jedoch nicht gekommen, sondern die Streitigkeiten wurden Deo gratial! [54 So die Ann. Hildesheimenses 32, freilich mit falscher Datierung zu 1019.] in Frieden beigelegt, wobei sowohl Bischof Meinwerk von Paderborn mit seinen Freunden als auch Erzbischof Unwan von Hamburg-Bremen und ebenso die Kaiserin [57 So schließlich die Ann. Quedlinburgenses SS III 84 a.a.1020.] vermittelt haben sollen. Die geschlossene Opposition einer westfälischen Adelsgruppe unter Anführung des Herzogs muß den Kaiser zum Einlenken veranlaßt haben. Einen Hinweis darauf gibt der Quedlinburger Annalist, wenn er nicht nur die Begnadigung des Herzogs, sondern auch die Rückgabe der Lehen des Vaters an ihn erwähnt [58 SS III 84: Bernhardus ... gratiam imperatoris pariter cum beneficio patris obtinuit.]. In ähnlicher Weise wird der Kaiser mit den übrigen westfälischen Aufständischen übereingekommen sein.