Lexikon des Mittelalters: Band VIII Seite 1814
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Vögte von Weida, Gera und Plauen
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Die vielfach noch ungeklärten Anfänge der im 12./14. Jh. zu
bedeutender Territorialherrschaft zwischen oberer Saale, Pleiße und
Regnitz aufsteigenden Vögte von Weida, Gera
und Plauen reichen in das nordwestliche Thüringen bei Mühlhausen
zurück, von wo ein Zweig dieser zunächst herzoglicher sächsischer
Ministerialen-Familie wohl noch vor der Mitte des 12. Jh. in das Gebiet
der mittleren und oberen Weißen Elster übersiedelte und hier
als Ministerialen der Bischöfe von Naumburg, Reichsministerialen (erster
Beleg 1220) und Lehnsträger der Grafen von Everstein von den Burgorten
Weida (1209 Stadt) und Plauen (1224 Stadt), den Quedlinburger
Gütern in Gera und dem 1193 gegründeten
Hauskloster Mildenfurth (nördlich Weida)
aus vor allem durch intensive Rode- und Siedeltätigkeit und in Wahrnehmung
von Reichsaufgaben einen größeren Herrschafts- und Territorialkomplex
aufbaute. Der seit 1209 geführte Vogttitel geht wohl nicht, wie vielfach
angenommen, auf die Übernahme einer Reichsvogtei, sondern eher auf
die Vogteirechte an den umfangreichen Quedlinburger Stiftsbesitz in und
um Gera zurück. Die rasch in den
Herrenstand aufsteigenden Vögte von Weida,
Gera und Plauen, denen Kaiser LUDWIG
DER BAYER 1329 Reichsunmittelbarkeit und fürstengleichen
Rang bestätigte, bildeten mit ihrem bis nach Hof und ins Egerland
reichenden Herrschaftsgebiet einen wichtigen Faktor in dem von den konkurrierenden
Interessen des Reiches, der Könige von Böhmen, der Landgrafen
von Thüringen, der Markgrafen von Meißen, der Grafen von Schwarzburg
und der jeweils führenden Kräfte in Franken geprägten Raum
zwischen Pleißenland, Erzgebirge, Franken- und Thüringer Wald.
In enger Anbindung an das Reich nahmen sie bis in die Mitte des 14. Jh.
mehrfach Aufgaben als Reichslandrichter im Egerland und im Pleißenland
wahr, verloren ihre Bedeutung für das Reich aber, als sich unter Kaiser
KARL IV. die Interessen des Königs von Böhmen mit
denen des Reiches deckten. Der Aufbau einer geschlossenen Landesherrschaft
und die Wahrung der Unabhängigkeit gegenüber den seit dem Erwerb
der Landgrafschaft Thüringen 1247 von Westen und Osten vordringenden
WETTINERN und dem nach Norden über das Erzgebirge ausgreifenden
böhmischen König wurden durch die extreme dynastische Zersplitterung
der Familie entscheidend erschwert und scheiterten schließlich im
Laufe des 14./15. Jh. Aus Erbteilungen von 1209 und 1249 gingen die Hauptlinien
Weida, Gera und Plauen hervor, deren letztere sich 1306 in den
Linien Plauen und Plauen-Greiz aufspaltete. Sämtliche
Linien, deren männliche Angehörige ausschließlich den Namen
Heinrich erhielten (deswegen die gelegentliche Bezeichnung der Vögte
von Weida, Gera und Plauen als "HEINRICHINGER"),
führte den Vogttitel; den Beinamen "REUSSE,
REUSS" (Ruthenus), der Heinrich II. von
Plauen (+ vor 1295) wegen seiner Verbindung nach Rußland
beigelegt wurde, trugen beide Linien der Vögte
von Plauen. Konnten die Vögte Anfang des 14. Jh. aus dem
Lobdeburger Erbe noch Schleiz und Lobenstein erwerben, so setzte mit der
Niederlage in der Thüringer Grafenfehde 1342-1345, dem Erwerb des
Pleißenlandes durch die WETTINER und vor allem mit der weitgehenden
Unterwerfung unter die WETTINER und Kaiser KARL
IV. im Vogtländischen Krieg 1354-1359 der Machtverfall
ein. Hauptsächliche Gewinner neben dem König von Böhmen
(Erwerb von Mylau, Reichenbach und der Rechte im nördlichen Egerland)
und den Burggrafen von Nürnberg (1377 Kauf des Regnitzlandes mit Hof)
waren die WETTINER, die mit dem Erwerb von Triptis, Ronneburg, Werdau,
Schmölln und anderen wie mit dem Kauf der Herrschaften Weida
1427 (die Linie der Vögte von Weida
endete 1531) und Plauen 1466 (die Linie
der Vögte von Plauen erlosch 1572)
die Lücke zwischen der Markgrafschaft Meißen und der Landgrafschaft
Thüringen weitgehend schließen konnten. Die Vögte
von Gera (1550 ausgestorben) und den REUSSEN
von Plauen-Greiz bei Wahrung persönlicher Reichsunmittelbarkeit
verbliebenen Herrschaften Gera, Greiz, Schleiz, Saalfeld, Lobenstein
und Burgk und das 1451 neu erworbene Oberkrainichfeld bildeten
die Grundlage der späteren Fürstentümer
Reuß.
Literatur:
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H. Helbig, Der wettin. Ständestaat, 1955, 311-319 - Gesch. Thüringens,
hg. H. Patze-W. Schlesinger, II, 1, 1974, 98-102, 162-179, 300-303 - K.
Blaschke, Gesch. Sachsens im MA, 1990, 289 - W. Querfeld, Forsch.en zur
Gesch. des ehem. Reussenlandes (Thür. Forsch.en [Fschr. H. Eberhardt,
hg. M. Gockel-V. Wahl, 1993]), 93-110 [Lit.]
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