Tochter des Heveller-Fürsten N.N.; Schwester
des Fürsten
Bacqlabic
Lexikon des Mittelalters: Band III Seite 1350
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Drahomir, Fürstin in Böhmen
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* um 890, †
nach 936
um 906/07
oo Vratislav I. in Böhmen
†13.2.921
Kinder:
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Vaclav (heilige Wenzel), * 906/07, † 28. September 935 (929?)
Boleslaw I. †
967 (972?)
Spitihnev
Pribislava und 3 weitere Töchter
Die hagiographischen Quellen entwickeln ein einseitig negatives Bild von Drahomir als der Mörderin Ludmillas; nur die früheste, noch in den 940-er Jahren entstandene erste altslavische Legende weiß davon noch nichts. Völlig zweifelsfrei ist Drahomirs Herkunft aus der HEVELLER-Dynastie in Brandenburg, die auch Cosmas (I, 15) überliefert ("de ducissima gente Luticensi ex provincia nomine Stodor"). Ob Drahomir bereits als Christin nach Prag kam, bleibt hypothetisch. Aber der Ehebund verrät eine gegenüber dem Christentum aufgeschlossene Haltung der Heveller, und er läßt auf gemeinsame politische Interessen zwischen Böhmen und dem Lande Stodor schließen (Druck der Magyaren nach dem Ende Alt-Mährens). Nach dem Tod ihres Gemahls im Alter von 33 Jahren (921), der den böhmischen Einfluß in Mähren und Schlesien (Breslau trägt seinen Namen!) gefestigt hatte, übernahm Drahomir - zusammen mit Ludmilla? - die Regentschaft für den noch unmündigen Wenzel. Der Konflikt zwischen den beiden Frauen ging nicht um die Erziehung Wenzels. Drahomir verdrängte Ludmilla auf ihren Witwensitz Tetin, wo sie am 15. September 921 auf Drahomirs Geheiß von zwei Gefolgsleuten, Tunna und Gommon, ermordet wurde. Drahomir hatte die Täter (Wikinger?) reich belohnt, nach einem Streit mit ihnen sie aber verfolgen lassen; Tuna entkam, Gommon wurde auf der Flucht getötet. Drahomir ließ über Ludmillas Grab eine S. Michaelskirche errichten. Drahomirs Regentschaft endete, als Wenzel volljährig wurde (924/25) und er sofort die Translation Ludmillas in die St. Georgskirche auf der Prager Burg anordnete und seine Mutter von Hof verbannte. Er versöhnte sich aber bald wieder mit ihr. Drahomir blieb an der Seite Wenzels, der sich König HEINRICH I. (929) beugte, ihm treu und nützlich blieb (Widukind (I, 235) und seine Kirche auf der Prager Burg demonstrativ dem heiligen Veit weihte, während Boleslav zum Gegner dieser Politik wurde: Der Brudermord an Wenzel in Stara Boleslav (Altbunzlau), der Residenz Boleslavs am 28. September 935 brachte bezeichnenderweise auch Drahomir in Gefahr; sie rettete sich durch Flucht zu den Charvaten vor den Häschern Boleslavs, der 936 den Krieg mit OTTO I. begann, der erst 950 endete.
Literatur:
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F. Graus, Böhmen zw. Bayern und Sachsen (Historica XVII, 1969)
- H. Ludat, An Elbe und Oder um das Jahr 1000, 1971, 14,35,40 - J.
Ludvikovsky,
Tunna und Gommon, Wikinger aus der Prager Fürstengefolgschaft
(Folia
Dilomatica I, ed. S. Duskova, 1971), 171ff. - F. Graus, Der
Herrschaftsantritt
Wenzels in den Legenden (Osteuropa in Gesch. und Gegenwart [Fschr. G.
Stökl,
1977], 288ff. - L. Dralle, Zu Vorgesch. und Hintergründen der
Ostpolitik
Heinrichs I. (Europa slavica - Europa orientalis) [Fschr. H. Ludat,
1980]),
99-126 - Ders., Slaven an Havel und Spree, Stud. zur Gesch. des
havelländ.-wilzischen
Fsm.s, 1981, 107, 127ff., 133 - H. Ludat, Böhmen und die
Anfänge
Ottos I. (Politik, Gesellschaft, Geschichtsschreibung [Gießener
Festg.
F. Graus, 1982]), 137ff.
Wegener, Wilhelm Dr. jur.: Tafel 1
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"Genealogische
Tafeln
zur mitteleuropäischen Geschichte"
WRATISLAW I.
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†
13.2.921
ca. 905-921 Herzog
oo DRAHOMIR VON STODOR
†
Thiele, Andreas: Tafel 77
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"Erzählende
genealogische
Stammtafeln zur europäischen Geschichte Band I, Teilband 1"
WRATISLAW
I.
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† 921
Vratislav I. folgte
dem Bruder,
mit dem er sich vorher ständig gestritten hatte. Er
verbündete
sich zeitweise mit Ungarn und löste sich weitgehend aus der
deutschen
Hoheit. Er förderte die Christianisierung, eroberte Teile von
Schlesien
und gründete Breslau.
oo DRAHOMIRA VON
STODOR
†
ist Heidin
Palacky Franz: Band I Seite 203-206,209
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"Geschichte von Böhmen"
Wratislaw I.
hatte mit seiner Gemahlin Drahomira,
einer Fürsten-Tochter der noch
heidnischen Luticen, zwei
Söhne, Wenzel und Boleslaw, und vier Töchter gezeugt. Herzog Wenzel, der Nachfolger auf
dem väterlichen Thron, war beim Tode seines Vaters erst achtzehn
Jahre alt; die stolze und
herrschsüchtige Drahomira
bemächtigte sich daher der Vormundschaft und der Regierung. Ihren
ehrgeizigen Absichten stand jedoch Ludmila
im Wege. Diese ebenso verständige als milde und sanfte
Frau, eifrige Christin und Wohltäterin der Armen, stand höher
in der Achtung und Liebe des Volkes, als ihre Schwieger-Tochter; sie
hatte den Herzog Wenzel erzogen,
hatte seinen frommen Sinn und seinen Eifer für das Christentum
geweckt und genährt. Im Besitze solches Einflusses schien die alte
Schwieger-Mutter der neuen Machthaberin gefährlich; überdies
mochte auch ihr Wittum die Habsucht reizen [7 Vita S. Ludmilae (antiquissima) in
Menken. Script. rer. German. III. p. 1808.]. Vergebens entsagte Ludmila allem Anteil an der Macht
und der Regierung des Landes; vergebens zog sie sich auf die Burg Tetin zurück, um dort,
entfernt vom Weltgeräusche, Gott allein dienen und für ihr
Seelenheil sorgen zu können: Drahomiras
Furcht und Haß folgte ihr auch dahin. Eine Schar Bewaffneter
erhielt den Auftrag, nach Tetin zu dringen; ihre zwei Befehlshaber
stürzten in das Gemach der Herzogin und erwürgten die Betende
in ihrem eigenen Schleier, am 15. September 927 [8 Daß die Passio S. Ludmilae
in Böhmen ursprünglich und bis zum 13. Jahrhundert herab am
15. September gefeiert und erst seit 1245 auf den 16. September verlegt
wurde, kann jetzt als ausgemacht gelten. (Vgl. Dobrowskys kritische
Versuche, II. Ludmila und Drahomir, Prag 1807, Seite 45). Das Jahr
ihres Todes ist weniger gewiß und stützt sich bloß auf
die Angabe bei Christian, daß sie am Sonnabend gelitten habe,
also in einem der folgenden drei Jahre 921, 927 und 932, wo der 15.
September auf einen Sonnabend fiel. Wir haben mit Dobner das Jahr 927
als das wahrscheinlichste und zu den übrigen Umständen
passendste angenommen.]. Zur Sühne für diese böse Tat
ließ Drahomira
das Haus, worin der Mord geschah, in eine Kirche zu Ehren des Erzengels
Michael umbauen; der Leichnam wurde aber später von Tetin nach
Prag übergeführt und hier in dem nachmaligen Nonnenkloster
bei Skt. Georg auf dem Hradschin beigesetzt.
Drahomiras
Regierung schlug nicht zum Vorteil des Landes aus, denn sie reizte
einen Feind, dessen Macht sie keineswegs gewachsen war, Deutschlands König HEINRICH I. DEM VOGLER.
Ob Drahomira
ihren Landleuten, den Stodoranern oder Hevelern, einem Zweige der
Lutizen, die dem König so großen Widerstand entgegensetzten,
Hilfe gesandt hatte, ist zwar nicht ausgemacht; gewiß ist es
aber, daß während ihrer Verwaltung die Gesandten Thankmars,
eines Sohnes König HEINRICHS, in Böhmen
mißhandelt wurden [9
Witikind Corbej. ap. Meibom. I 643.]. Der König wartete vielleicht
nur auf einen solchen Vorwand, um auch die Böhmen mit Krieg
überziehen zu können; er sammelte aus allen Teilen
Deutschlands ein starkes Heer und rückte damit im Jahre 928 bis
vor Prag.
Die einzelnen Vorfälle zwischen den Brüdern und ihrer Mutter
sind zwar unbekannt; doch müssen sie ernster Natur gewesens ein,
da man den Herzog Wenzel
überredete, daß Drahomira und
Boleslaw sich zu seinem
Untergange verbunden hätten, worauf Wenzel sogar die Mutter des Landes
verwies, bald jedoch wieder von ihrer Unschuld überzeugt, mit
großen Ehren selbst zurückbrachte.
Dann kam auch weinend die Mutter herbei, warf sich an das Herz des
Entseelten und ließ ihn in das Priesterhaus tragen, doch gewarnt,
daß die Mörder auch ihren Tod beschlossen, verließ sie
eilig Stadt und Land und floh zu den Chrowatien [15 In der Angabe, daß Drahomira mit
einigen Getreuen herbeieilte, um den Leichnam zu heben und ehrenvoll zu
bestatten, stimmt Christian mit der slawischen Legende überein.
Auch gibt diese zu verstehen, Boleslaw
habe gegen den Willen der Verschworenen mit der Absendung von
Mördern gegen die Mutter absichtlich gezögert, bis sie sich
geflüchtet hatte.].
Ludat, Herbert:
Seite 14
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"An Elbe und Oder um das Jahr 1000. Skizzen zur Politik
des Ottonenreiches und der slavischen Mächte in Mitteleuropa."
Es ist nun in diesem Zusammenhang an die bei Kristian und
Kosmas überlieferte
Ehe der Drahomir aus diesem Geschlecht
mit den PREMYSLIDEN-Fürsten
Vratislav zu erinnern, die wahrscheinlich nach 905 und vor 908,
das heißt, in den Jahren 906/07 geschlossen worden ist. Sie kann
unmöglich eine Schwester des Tugumir gewesen sein,
sondern war vermutlich
eine Schwester seines Vaters.
Ob sie, die Mutter des heiligen Wenzel,
erst durch diese Ehe bekehrt wurde oder bereits als Christin nach Prag
gekommen war, ist in der Forschung umstritten und wird sich mit letzter
Sicherheit auch wohl kaum noch entscheiden lassen. Aber diese
Eheverbindung
ist fraglos in zweierlei Hinsicht höchst bemerkenswert: Sie
spricht
einmal für eine ähnliche Geneigtheit und Aufgeschlossenheit
für
christliche Einflüsse, wie wir sie unter manchen Angehörigen
dieser Dynastie nachweisen und bei anderen mindestens vermuten
können.
Zugleich unterstreicht sie aber auch einerseits die besondere Stellung
dieses stodranischen Fürstengeschlechts unter den Elbslaven, mit
dem
sich das PREMYSLIDEN-Haus verband,
und sie läßt andererseits auf gemeinsame politische
Interessen
schließen, die sich höchstwahrscheinlich aus der
ähnlichen
Situation erklären, in der sich beide Dynastien dem Druck der
Magyaren
ausgesetzt sahen.
Nach der Ermordung ihres Sohnes Wenzel
floh Drahomir
zu den Chroaten.
oo Vratislav I. Herzog von Böhmen
888 † 13.2.921
Kinder:
Wenzel I.
911 † 28.9.929/935
Boleslav I. der Grausame
† 15.7.967/972
Spitignev
† jung
Pribislava
†
Tochter
†
Tochter
†
Literatur:
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Böhmenchronik des Cosmas von
Prag mit
zwei
Fortsetzungen - Ludat,
Herbert: An Elbe und
Oder um das Jahr 1000. Skizzen zur Politik
des Ottonenreiches und der slavischen Mächte in Mitteleuropa,
Böhlau
Verlag Weimar Köln Wien 1995, Seite
14,35,40,51,54,82,257,265,308,349
- Palacky
Franz: Geschichte von Böhmen
1842
Band I Seite 203-206,209 -
Thiele, Andreas: Erzählende
genealogische
Stammtafeln zur europäischen Geschichte Band I, Teilband 1, R. G.
Fischer Verlag Frankfurt/Main 1993 Tafel 77 - Wegener,
Wilhelm Dr. jur.:
Genealogische
Tafeln
zur mitteleuropäischen Geschichte, Heinz Reise-Verlag
Göttingen
1962-1969 Tafel 1 -