Weller Tobias: Seite 692,734-738
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"Die Heiratspolitik des deutschen Hochadels im 12. Jahrhundert. Rheinisches Archiv."

Sein hohes Ansehen innerhalb der zeitgenössischen Adelswelt und seine Wertschätzung am Königshof schlugen sich nicht zuletzt in den prestigeträchtigen Eheschließungen seiner Kinder nieder: Die nach der Mutter benannte Tochter Agnes heiratete 1196 den französischen König Philipp II. Augustus (+ 1223), ihre Schwester Gertrud den ungarischen Königssohn und späteren König Andreas II. (+ 1235). Hedwig, eine weitere Tochter, wurde die Gemahlin Herzog Heinrichs I. von Schlesien (+  1238) aus der polnischen Fürstenfamilie der PIASTEN. Otto VII. schließlich vermählte sich mit Beatrix von Burgund, einer Nichte König PHILIPPS VON SCHWABEN.

d. Herzogin Hedwig von Schlesien (+ 1243)

Hedwig schließlich, auch sie eine Tochter Herzog Bertholds IV., wurde die Gemahlin Herzog Heinrichs I. des Bärtigen von Schlesien (+ 1238) aus dem Hause der PIASTEN. Der Zeitpunkt der Eheschließung läßt sich nicht genau ermitteln, dürfte aber in den 1190-er Jahren anzusetzen sein [157
Gottschalk, St. Hedwig 93, und Bosl, Europ. Adel 47, datiert die Hochzeit auf 1186-1190; Teresa Dunin-Wasowicz: Hedwig von Schlesien, in: LMA 4 (1989) 1985f., auf um 1190/92; Schütz, Hedwig 145, setzte das Ereignis in den 1190-er Jahren an.]. Ihrer kurz vor 1300 verfaßten Vita [158 Zur Vita s. Hedwigis vgl. Gottschalk, St. Hedwig  1417; Schütz, Hedwig 152.] zufolge soll sie zwölfjährig verheiratet worden sein und mit 13 Jahren und 13 Wochen erstmals schwanger geworden sein [159
Vita s. Hedwigis, c. 1, MPH 4, 514.]. Doch läßt sich auf der Grundlage dieses Hinweises der Hochzeitstermin nicht näher bestimmen, denn weder kennen wir Hedwigs eigenes Geburtsjahr noch das ihres ältesten Kindes. Ohnehin ist nicht zu entscheiden, ob die hier überlieferten Altersangaben den Tatsachen entsprechen oder eher eine Reflexion mystischer Zahlensymbolik darstellen [160
Letzteres vermutet Schütz, Hedwig 145.].
Jedenfalls fand die Vermählung zu einer Zeit statt, als Heinrichs Vater Herzog Boleslaw der Lange (+ 1201) noch lebte. Über die Beweggründe, die zu seiner Eheschließung mit der ANDECHSERIN Hedwig geführt haben, lassen sich einmal mehr nur Mutmaßungen anstellen. Grundsätzlich waren Eheverbindungen von Mitgliedern des PIASTEN-Hauses mit Angehörigen deutscher Adelsfamilien keine Seltenheit [165 So war Wladyslaw Hermann (+ 1102) mit der SALIERIN Judith, einer Schwester Kaiser HEINRICHS IV., verheiratet, sein Sohn Boleslaw (+ 1138) mit der schwäbischen Grafen-Tochter Salomea von Berg, dessen Sohn Wladyslaw II. (+ 1159) wiederum mit der BABENBERGERIN Agnes. Boleslaw IV. (+ 1173) hatte 1147/48 seine Schwester Judith dem ASKANIER Otto (+ 1184), dem ältesten Sohn Albrechts des Bären, in die Ehe gegeben. Sein Bruder Mieszko (+ 1202) verheiratete seine Töchter Judith und Ludmilla mit Ottos Bruder Bernhard von Anhalt (+ 1212), der seit 1180 die sächsische Herzogswürde innehatte, bzw. mit dem oberlothringischen Herzogs-Sohn Friedrich von Bitsch (+ 1207). Vgl. auch Europ. Stammtafeln NF 2 (1984), Tafel 120 und 121; Gottschalk, St. Hedwig 94ff.; Schütz, Hedwig 145.]. Vermutlich stammte auch Heinrichs Mutter aus Deutschland [166 Immerhin verbrachte Boleslaw der Lange den größten Teil der Jahre 1146 bis 1163 in Deutschland. Ob allerdings seine zweite Gemahlin Adelheid, die Mutter Herzog Heinrichs, tatsächlich eine soror imperatricis, coniugis Conradi secundi imperatoris gewesen ist, wie die Chron. princ. Polon., c. 18, MPH 3, 481, und die Chron. Polon., MPH 3, 636f., 645, glauben machen wollen, scheint nicht ausgemacht. Demnach müßte sie eine Tochter Berengars von Sulzbach (+  1125) und der Adelheid von Wolfratshausen (+ 1126) gewesen sein (so auch Gottschalk, St. Hedwig 96ff.; Bosl, Europ. Adel 47f.). An der Zuverlässigkeit der recht späten polnischen Quellenangaben bestehen allerdings Zweifel. Vgl. die Diskussionn bei Dendorfer, Adelsclan 62-65, der selbst eine unentschieden Position einnimmt.]. Auch wird eine Rolle gespielt haben, daß Hedwig von der Mutterseite her eng mit den WETTINERN verwandt war. Dieses Fürstengeschlecht war nicht nur seinerseits mit den PIASTEN verschwägert, sondern seine sächsischen Herrschaftsgebiete schlossen unmittelbar westlich an Schlesien an [167 Markgraf Dietrich von der Ostmark (+ 1185) war mit Dobronega, einer Halbschwester Wladyslaws II., verheiratet gewesen, während sein Neffe und unmittelbarer Nachfolger Konrad (+ 1210) Mieszkos III. Tochter Elisabeth zur Frau hatte. Siehe auch Dunin-Wasowicz, Saint Hedwige 383.]. Überdies war Heinrich über seine Großmutter, die BABENBERGERIN Agnes, mit dem staufischen Kaiserhaus verwandt. Sein Vater Boleslaw hatte lange in Deutschland gelebt und FRIEDRICH BARBAROSSA auf dem zweiten Italienzug begleitet, an dem auch Berthold III. von Andechs teilnahm [168 Vgl. Gottschalk, St. Hedwig 102f.]. So ist anzunehmen, daß auch die politische Nähe der schlesischen PIASTEN wie der ANDECHSER zu den STAUFERN ihren Teil zu der Eheschließung beigetragen hat [169 Immmerhin hatte BARBAROSSA auch die Eheprojekte von Boleslaws des Langen Schwester Rica/Richeza - seiner Cousine - vermittelt, die 1152 König Alfons VII. von Kastilien-Leon (+ 1157) und 1161 in zweiter Ehe Raimund Berengar III. von der Provence (+ 1166) aus dem Hause der Grafen von Barcelona heiratete.].
Ein konkreter Einfluß Hedwigs auf die Politik Herzog Heinrichs läßt sích nur schwer ausmachen. Hervorgetreten ist sie vor allem durch die von ihr mitinitiierte Gründung des Zisterzienserinnenklosters Trebnitz im Jahre 1202, bei der auch zwei andere ANDECHSER, ihr Bruder Ekbert von Bamberg und ihr Onkel Poppo II., zugegen waren [170 Vgl. die Gründungsurkunde Herzog Heinrichs I. von 1203 (der Gründungsakt muß im Jahr zuvor stattgefunden haben) in: Schlesisches UB 1, No. 83, 54-58 (hier 57): Actum est hoc in Stapin [...], Bambergensi electo domino Ekberto et patruo suo preposito Poppone tunc mecum gratia visitationis existentibus. Schütz, Hedwig 150, gibt zu bedenken, daß die Klostergründung "in einem heute nicht mehr näher faßbaren Zusammenhang mit Hedwigs Heirat stand" und daß auch die kolonisatorischen Pläne Herzog Heinrichs I. eine Rolle bei der Brautwahl gespielt haben könnten. Vgl. zur Gründung Trebnitz' und der Rolle Hedwigs hierbei Gottschalk, St. Hedwig 121-130.]. Nähere Informationen über Hedwigs Person stammen fast sämtlich aus ihrer Vita, die etwa dreißig Jahre nach ihrer Heiligsprechung am 26. März 1267 entstand [171 Vgl. die Urkunde Papst Clemens' IV. vom 26. März 1267, in der er dem Erzbischof von Gnesen sowie dessen Suffraganen die Kanonisation Hedwigs mitteilt: Schlesisches UB 4, No. 15, 18-23 (dt. Übersetzung bei Gottschalk, Kanonisationsurkunde 130-140.]. Sie schöpft zwar unter anderem aus den Akten des Kanonisationsverfahren, ist aber letztlich ein Werk mittelalterlicher Hagiographie - ein Genre, das historisch meist schwer auszuwerten ist. Dieser Lebensbeschreibung zufolge lebte Hedwig nicht nur tugendhaft, fromm, demütig, mildtätig und anspruchslos bis zur Askese, sondern sie soll, nachdem sie ihrem Mann sechs Kinder geboren hatte, mit ihm vereinbart haben, künftig getrennt und in völliger Enthaltsamkeit zu leben, was die Eheleute dann über ca. dreißig Jahre hinweg bis zu Heinrichs Tod am 19. März 1238 auch praktiziert hätten [172 Vgl. hierzu und zum folgenden Vita s. Hedwigis, c. 1, MPH 4, 514-517. Siehe auch Gottschalk, St. Hedwig 107ff.; Schütz, Hedwig 153-156.]. Die Herzogin habe ihren Gemahl nicht mehr aufgesucht außer zu Gespräche über fromme Werke sowie karitative oder klösterliche Angelegenheiten, und auch diese hätten in publicio loco vel in ecclesia und immer im Beisein Drittter stattgefunden. Auch den Tod ihres Gemahls habe sie gottergeben und ohne Tränen hingenommen [173 Vita s. Hedwigis, c. 3, MPH 4, 525.], es später sogar abgelehnt, in der Trebnitzer Klosterkirche an seiner Seite bestattet zu werden, denn sie habe nicht im Tod mit jemand vereinigt sein wollen, mit dem sie im Leben - aus Liebe zur Keuschheit - so lange keine eheliche Gemeinschaft gepflegt habe [174 Vita s. Hedwigis, c. 4, MPH 4, 577f., hier 578.]. Um hier etwaige Zweifel an der Ehrbarkeit seiner Protagonistin im Keim zu ersticken - und er gesteht zu, daß solch verleumderisches Geschwätz rasch aufkommt [175 Vita s. Hedwigis, c. 1, MPH 4, 516.] - betont der Vitenschreiber an anderer Stelle die aufrichtige Gattenliebe, die Hedwig ihrem Gemahl entgegengebracht habe: Sie habe ihm vielfache Anregungen zu einem gottesfürchtigen Leben gegeben, da sie ihn allen Menschen am meisten geliebt habe [176 Vita s. Hedwigis, c. 5, MPH 4, 543.]. Umgekehrt habe sich Herzog Heinrich selbst ein Beispiel an dem heiligmäßigen Lebenswandel seiner Frau genommen, er sei sogar auf ihren Zusprich hin quasi ein Mönch geworden, freilich nicht durch ein Gelöbnis, sondern was die Demut  seines Herzens und seiner Gesinnung angehe. So sei Hedwig ihm, wenngleich dem Gesetz nach untergeben, doch eine Führerin in der Tugendhaftigkeit und Frömmigkeit gewesen [177 Vita s. Hedwigis, c. 2, MPH 4, 519.].
Derlei Nachrichten der Hedwigsvita kollodieren freilich mit dem aus anderen Quellen bekannten Umstand, daß Heinrich der Bärtige gegen Ende seines Lebens einen schweren Konflikt mit den Kirchen von Breslau und Gnesen geriet. Grund dafür waren seine Ansprüche auf die Dienstleistungspflicht und die Besteuerung kirchlicher Güter. Im Verlauf dieses Streites wurde er sogar von dem päpstlichen Legaten Wilhelm von Modena gebannt [178 Vgl. Gottschalk, St. Hedwig 109f.; Randt, Geschichte 129ff.; Schütz, Hedwig 148ff.; siehe auch die Papstbriefe Gregors IX. in: Schlesisches UB 2, No. 113, 75ff. (24. März 1236); No. 114 und 115, 77f. (17. Juni 1236); No. 133-135, 85-89 (29.  September, 6. und 23. Oktober 1237).]. Noch zum Zeitpunkt seines Todes war der Zwist nicht beigelegt, und Papst Gregor IX. (1227-1241) drohte, den verstorbenen Herzog, dessen Lösung vom Bann unter rechtlich nicht einwandfreien Umständen vonstatten gegangen war, gegebenenfalls wieder aus seinem Grab im geweihten Kirchenraum entfernen zu lassen [179 Vgl. Schlesisches UB 2, No. 153, 98f. (25. Mai 1238).].
Hedwig ihrerseits, nunmehr Witwe geworden, nahm endgültig Wohnung im Kloster Trebnitz, das sie schon zuvor häufig besucht hatte. Hier starb sie am 14. Oktober 1243 [180 Vgl. Gottschalk, St. Hedwig 213f. Nur ein Jahr vor ihrem Tod vermachte sie der Abtei ihren Besitz in Schawoine (vgl. Schlesisches UB 2, No. 234, 141f.). Offenbar handelte es sich hier um ihre Morgengabe oder Witwenausstattung.], nachdem noch hatte erleben müssen, wie ihr Sohn Herzog Heinrich II. im April 1241 in der Abwehrschlacht bei Liegnitz gegen die Mongolen umkam [181 Vgl. Randt, Geschichte 140ff.].