Lexikon des Mittelalters:
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Glogau (= Groß-Glogau; poln. Glogów),
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an einer Furt mit Straßenkreuzung in der fruchtbaren,
altbesiedelten Niederung der mittleren Oder gelegen, im MA nach Breslau
die bedeutendste Stadt Schlesiens. Vermutlich bereits Stammesburg der seit
ca. 990 von Polen beherrschten slavischen Dedosizen, ist die piastische
Feste Glogua, später Kastellanei, auf der Oderinsel östlich
des Hauptstroms seit 1010 bezeugt (Piasten).
Neben ihr entstand um die Mitte des 12. Jh. das älteste Kollegiatstift
Schlesiens (? St. Marien, sog. 'Dom'), ab 1228 Sitz eines Archidiakons
sowie eine Vorburgsiedlung. Das 1251 durch Erbteilung entstandene
piastische Herzogtum Glogau hatte seine Residenz in Glogau.
1253 wurde von Herzog Konrad auf der linken Oderseite unter Einbeziehung
einer älteren slavischen Marktsiedlung eine »freie und sichere
Stadt« nach deutschem Recht um einen rechteckigen Marktplatz (1,
5 ha) mit Rathaus und Kaufhaus planmäßig angelegt. Sie nahm
auch die von der 'Dom'-Insel verlegte herzogliche Burg in ihre mit fünf
Toren versehenen Mauern auf. Hinzutraten Vorstädte und 1290 drei nahe
Stadtdörfer. 1337 wurde die Neustadt einbezogen. Die Stadtfläche
umfaßte nun 30 ha, die Einwohnerzahl betrug um 1600 ca. 12.000.
Die alte Pfarrkirche St. Peter im N ging 1258 an die
Dominikaner über, neue Pfarrkirche St. Nikolaus im S. Um 1250 ließen
sich am Stadtrand Franziskaner, 1307 Klarissen, 1318 Kreuzherren mit dem
roten Stern (Hl.-Geist-Hospital), 1465 Bernhardiner nieder. 1223 wurden
am Kollegiatstift, dem das berühmte Glogauer Liederbuch von 1470/80
entstammt, und 1332 an St. Nikolaus Schulen errichtet. 1291 erhielt die
Stadt das Bannmeilenrecht, 1315 das Niederlagsrecht und 1331 die Stadtvogtei.
Das Herzogtum, nach 1273 durch Erbteilungen stark verkleinert,
geriet 1331 unter König Johann
in die Lehnsabhängigkeit Böhmens. Stadt und Weichbild Glogaus
wurden für mehr als 100 Jahre - in für die städtische Wirtschaft
ungünstiger Weise - nutzungsrechtlich in eine königliche und
eine herzogliche Hälfte mit eigenen Verwaltungsorganen geteilt, wobei
die Nutzungsberechtigten wiederholt wechselten. Nach dem Tode des letzten
Glogauer Piasten, Heinrich XI.,
kam es zum Glogauer Erbfolgestreit (1476-82) zwischen Herzog Hans von
Sagan, den brandenburgischen Hohenzollern
und König Matthias Corvinus, der
Glogau 1488 eroberte und hier seinen illegitimen Sohn
Johann Corvinus einsetzte. Der Jagiellone
Vladislav II., König von Böhmen und Ungarn,
gab Glogau 1491-96 als Pfandherrschaft an seinen Bruder Johann
Albert, danach (1499-1506) an seinen Bruder Siegmund.
Hierauf fiel Glogau an die Krone Böhmens zurück und ging 1526
an die Habsburger über. Im 16.
Jh. erlebte Glogau, trotz reformatorischer Bestrebungen (bereits seit 1523),
einen wirtschaftlichen Aufstieg.
J.J. Menzel
Quelle: Lexikon des Mittelalters, CD-ROM-Ausgabe.
Verlag J. B. Metzler 2000. LexMA 4, 1503