Albrecht der Bär und die Askanier. Die Anfänge der
Dynastie
In: „Schauplatz vernünftiger Menschen“. Kultur und Geschichte in
Anhalt/Dessau. Katalog zur Dauerausstellung des Museums für
Stadtgeschichte Dessau. Hg. von der Stadt Dessau, Amt für Kultur,
Tourismus und Sport. Dessau 2006, Seite 43-54.
Hier die vom Redakteur nicht „bearbeitete“ ursprüngliche Fassung:
Das Haus Askanien-Anhalt, dessen Zweige und ihre Bedeutung
Kaiserin Katharina die Große von
Rußland, der Alte
Dessauer
als preußischer Feldmarschall und sein Enkel Leopold III.
Friedrich Franz, der Schöpfer
des Wörlitzer Parks, sind
vielen Geschichtsinteressierten bekannt. Die Zahl derer, die alle drei
dem Fürstenhaus der ASKANIER
oder ANHALTINER zuordnen
können,
dürfte schon geringer sein, und wohl noch weniger wissen etwas
über die zum Teil bedeutende Rolle, die dessen verschiedene Linien
vor allem im Mittelalter in der deutschen Geschichte spielten.
Die Familie gehört zu den ältesten europäischen
Hochadels-Geschlechtern. Der letzte
ASKANIER, Prinz Eduard von
Anhalt,
Sohn des letzten Herzogs von Anhalt, ist der letzte männliche
Angehörige einer vor fast 1000 Jahren (1036) erstmals
erwähnten Dynastie. Deren Bezeichnungen als ASKANIER oder
ANHALTINER sind von den
Stammsitzen Aschersleben bzw. Anhalt, einer im
Harz südlich von Ballenstedt gelegenen Burg, abgeleitet.
Als erster nannte sich der 1170 gestorbene Markgraf Albrecht der
Bär nach der Feste, und zwar auf Münzen. Sein Sohn Bernhard
erscheint 1170 als „Graf von Anhalt“, und der Enkel Heinrich ist 1215
sogar „Fürst von Anhalt“. Diesen Titel führten die von
Heinrich begründeten askanischen Linien weiter. Durch sie
ging die
Bezeichnung dann als „Fürsten- bzw. Herzogtum Anhalt“ auf ihren
Herrschaftsbereich über, dem das Bundesland Sachsen-Anhalt den
zweiten Teil seines Namens verdankt.
Der ASKANIER, der die
größte bis heute wirkende historische
Leistung vollbrachte, ist sicher Albrecht
der Bär. Er
gründete die Mark Brandenburg und legte das Fundament des
Fürstentums Anhalt. Zudem wurde Albrecht
der Stammvater aller
Linien der Familie, die unterschiedlich lange mehrere deutsche
Länder regierten.
Auf seinen ältesten Sohn Otto
geht der
markgräflich-brandenburgische
Zweig der ASKANIER zurück, der
1320 ausstarb.
Ottos Bruder Hermann
erhielt die Grafschaft
Weimar-Orlamünde, die 1264/65 in die Linien Weimar und
Orlamünde zerfiel. Die Weimarer Herrschaft mußte 1346
Friedrich dem Ernsthaften, dem wettinischen Landgrafen von
Thüringen, zu Lehen aufgetragen werden. Dessen Sohn Balthasar
übernahm Weimar 1372 endgültig. Der andere Zweig verkaufte
Orlamünde 1344 an Landgraf
Friedrich und hatte schließlich
nur noch kleine Besitzungen um Schauenforst (westlich von
Orlamünde), Buchfart, Magdala (südlich von Weimar),
Gräfenthal, Lauenstein, Lichtentanne (bei Probstzella) sowie
Lichtenberg (südlich von Lobenstein). Auch sie wurden bis etwa
1430 aus Geldmangel aufgegeben. Friedrich,
der Letzte der
Orlamünder Linie, erscheint – als Rat des Kurfürsten
von
Brandenburg – in den Quellen bis 1486.
Bernhard, der jüngste Sohn Albrechts des Bären,
übernahm
als Graf von Aschersleben und Anhalt
die askanischen Stammbesitzungen
zwischen Harz und Mulde. 1180 erhob ihn Kaiser FRIEDRICH
BARBAROSSA
nach der Absetzung Heinrichs des
Löwen zum Herzog von Sachsen.
Dieses Amt hatten vorübergehend bereits Bernhards Großvater
Otto (1112 - nur für einige Wochen) und der Vater, Albrecht der
Bär (1138-1142), inne. Allerdings konnte Bernhard außerhalb
seines eigenen Herrschaftsbereiches von dem im 9. Jahrhundert
entstandenen Herzogtum Sachsen, das das heutige Niedersachsen,
Westfalen, Teile Schleswig-Holsteins, die Altmark, den Harz samt
Umgebung und Thüringen umfaßte, nur wenig behaupten.
Nach Bernhards Tod im Jahre
1212 teilten die beiden Söhne das
Erbe. Albrecht, der Jüngere, erhielt das Herzogtum. Dessen
Nachkommen spalteten sich 1295/96 in die Linien Sachsen-Wittenberg und
Sachsen-Lauenburg (östlich von Hamburg). Die Wittenberger ASKANIER
stiegen 1356 durch die Goldene Bulle Kaiser
KARLS IV. offiziell
in den
Kurfürstenrang auf und erloschen 1422. Der Lauenburger Zweig
blühte bis 1689.
An Bernhards älteren Sohn
Heinrich, für den 1215 erstmals der
Fürstentitel belegt ist, fiel 1212 die Grafschaft Anhalt. Sie
erlebte mehrere Teilungen, die wichtigste 1603/1606. Dabei entstanden
die Linien der Fürsten von
Anhalt-Zerbst (bis 1793),
Anhalt-Köthen (bis 1847), Anhalt-Bernburg (bis 1863) und
Anhalt-Dessau. Die Dessauer ASKANIER regierten den
durch das
Erlöschen der anderen Häuser wiedervereinigten Staat von 1863
bis 1918 als Herzöge von Anhalt. Die Herzogswürde
führten die drei damals bestehenden Linien seit 1806/07 statt des
Fürstentitels.
Die vielen Spaltungen, das Absterben der einzelnen Äste des
Stammbaumes und das Unvermögen der verbleibenden zur
Übernahme der hinterlassenen Lande waren sicher die Hauptursachen
für den andauernden Machtverfall der ASKANIER seit dem 14.
Jahrhundert. Nach 1315 verloren die Fürsten von Anhalt durch das
Erlöschen ihrer Ascherslebener
Linie den namengebenden Besitz an
das Bistum Halberstadt. Der Bernburger
Zweig versuchte das vergeblich
zu verhindern. Die alten Stammsitze Ballenstedt und Anhalt
büßten damit innerhalb des Fürstentums die
Landverbindung zu den neuen Zentren Bernburg und Köthen ein. Nach
1320 konnten die Wittenberger die
Mark Brandenburg nicht
übernehmen, die König LUDWIG DER BAYER 1323
seinem Sohn
verlieh. Ebensowenig behaupteten die Lauenburger
1422
Sachsen-Wittenberg, mit dem König
SIGISMUND 1423 die wettinischen
Markgrafen von Meißen belehnte. Den Anhaltinern gelang es nach
1689 nicht, Sachsen-Lauenburg zu bekommen, das die Herzöge von
Braunschweig-Lüneburg aus dem WELFEN-Hause besetzten.
In allen vier
Fällen hatten sich die ASKANIER
lange, aber vergeblich
bemüht, die betreffenden Gebiete ihrem Geschlecht zu bewahren. Die
größten Niederlagen der Dynastie sind gewiß der
Verlust der Mark Brandenburg und der des Herzogtums Sachsen-Wittenberg.
Wieviel stärker hätten die ASKANIER
die deutsche Geschichte
prägen können – eine miteinander abgestimmte Politik
vorausgesetzt –, wenn beide Fürstentümer (die Hälfte der
vier weltlichen Kurstimmen) in ihren Händen geblieben wären!
Selbst der Erwerb der Königskrone schien nicht unmöglich.
Immerhin galten ASKANIER
viermal (1197/98 Herzog Bernhard von
Sachsen,
1256/57 Markgraf Otto III. von
Brandenburg, 1273 Graf
Siegfried I. von
Anhalt-Köthen und 1308 dessen
Sohn Albrecht I. sowie die
Markgrafen Otto IV. und Waldemar von Brandenburg) als
Thronkandidaten.
Bevor nun Albrecht der Bär
näher vorgestellt wird, sei ein
Blick auf die Wurzeln der Dynastie geworfen.
Die ersten Askanier
Wir kennen noch den Vater Albrechts
des Bären sowie den
Großvater und den Urgroßvater. Über die Abstammung
informiert uns der sog. Annalista Saxo, ein unbekannter Geistlicher,
der wahrscheinlich um 1150 im ostsächsischen Raum eine
Reichschronik verfaßte. Er bezeichnet die frühen
Angehörigen des Fürsten-Hauses als Grafen von Ballenstedt. In
den zeitgenössischen Urkunden werden so allerdings nur Otto
(erstmals 1106) – der Vater Albrechts
des Bären –, dieser und
dessen Sohn Adalbert genannt, der bald nach dem 1170 erfolgten
Tod des
Markgrafen starb.
Graf Esico
Er erscheint als ältester namentlich überlieferter ASKANIER
zuerst in einer in der Pfalz Tilleda unter der Burg Kyffhausen
ausgestellten Urkunde Kaiser KONRADS II. aus dem Jahre
1036. Esicos
Eltern sind nicht mehr bekannt. Wir wissen aber, daß seine Mutter
einen Bruder Siegfried hatte,
als dessen Vater Markgraf Hodo von
der
sächsischen Ostmark bezeichnet wird. Der stand einem
Gebiet vor,
das etwa die heutige Nieder-Lausitz umfaßte, starb 993 und ruht
im
Kloster Nienburg (nördlich von Bernburg). Markgraf Hodo nennen die
Quellen einen mächtigen Mann, und daher dürfte dessen
Schwieger-Sohn, Esicos Vater,
kein unbedeutender Adliger gewesen sein.
Der Stammsitz dieses namentlich nicht mehr bekannten Vorfahren der
ASKANIER befand sich möglicherweise in Köthen. Sein Sohn
Esico war mit Mathilde von
Schwaben oder Werl, einer Schwester oder
Halb-Schwester der Kaiserin Gisela,
der Gemahlin KONRADS II.,
verheiratet. Er gründete offenbar auf dem Ballenstedter Burgberg
eine Propstei, wobei er so vielleicht in diesem ihm eventuell
zunächst
nicht gehörenden Gebiet Fuß faßte. Graf Esico wird
vermutlich 1059 zum letzten Mal in den Quellen erwähnt.
Graf Adalbert
Von Esicos Sohn ist zuerst
1063 zu hören. Adalbert
lehnte sich im
Streit um das Erbe seines
Schwieger-Vaters, des Markgrafen
Otto von
Meißen (gestorben 1067) aus dem Hause der Grafen von Weimar, 1069
gegen König HEINRICH IV. auf und
besetzte das Reichskloster
Nienburg. Dann mußte er aufgeben und wurde vom Herrscher
inhaftiert. Da Adalbert
später als Nienburger Vogt
erscheint,
dürfte er sich mit dem König ausgesöhnt und dieser ihm
das Amt überlassen haben. Seine übliche Identifizierung mit
dem Grafen Adalbert, der im
Sachsen-Aufstand von 1073 bis 1075 zu
HEINRICHS
Gegnern gehörte, ist daher unsicher. Von dem ASKANIER
stammt die älteste erhaltene Urkunde, die ein Angehöriger der
Familie ausstellen ließ. Vermutlich um 1080 wurde Adalbert
infolge einer Fehde durch Egino
von Konradsburg erschlagen.
Der Ermordete hinterließ die Söhne
Siegfried und Otto. Deren
Mutter Adelheid heiratete nun den rheinischen Pfalzgrafen Hermann und
nach dessen Tod (1085) seinen Nachfolger
Heinrich von Laach. Der hatte
keinen Sohn und setzte Siegfried
als Erben ein. So wurde der ASKANIER
Pfalzgraf, nachdem sein zweiter
Stiefvater 1095 gestorben war. Damit
gelang erstmals einem Mitglied der Dynastie der Aufstieg vom Grafen in
einen reichsfürstlichen Rang.
Graf Otto der Reiche von Ballenstedt
Der seit 1083 erwähnte Bruder
Siegfrieds hatte indessen die
Stammbesitzungen des Hauses übernommen. Als Graf von Ballenstedt
visierte er zwei Ziele an, die endgültig erst sein Sohn erreichen
sollte. Das waren die Ausdehnung des
askanischen Einflusses in die
Slawengebiete sowie die Erlangung einer reichsfürstlichen Stellung.
Otto gehörte zu den
ersten der vor allem im östlichen Sachsen
sitzenden Adligen, die ab etwa 1100 mit der Ausweitung ihrer Herrschaft
nach Osten über die Elbe begannen. Die Gebiete zwischen Elbe/Saale
und Oder/Neiße wurden während der Völkerwanderung bis
zum 5./6. Jahrhundert von hier siedelnden Germanenstämmen
weitgehend verlassen. Im 7./8. Jahrhundert wanderten in diesen Raum
Volksgruppen aus den später polnischen und böhmischen
Landstrichen ein. Den dadurch entstandenen slawischen
Stammesverbänden wurden schließlich Machtverschiebungen im
westlich benachbarten Frankenreich zum Verhängnis. Das hatte
König Chlodwig um 500 in
Nord-Gallien auf den Trümmern des
Weströmischen Staates gegründet.
Die Franken erweiterten ihr Reich unter anderem durch die Unterwerfung
anderer
germanischer Stämme, und zwar der Schwaben, Thüringer, Bayern
und Friesen. Zuletzt dehnte König
KARL DER GROSSE,
für
den im Jahre 800 die (West-)Römische Kaiserwürde erneuert
wurde, die fränkische Herrschaft auch über die Sachsen aus.
Unter seinen Enkeln zerbrach das Reich 843. Nachdem 919 im
östlichen Teil der Sachsen-Herzog
Heinrich zum
König
gewählt worden war, unterwarf er die Slawen zwischen Elbe/Saale
und Oder/Neiße. Sein Sohn OTTO DER GROSSE bezog das
Gebiet
mit der Errichtung von Markgrafschaften und Bistümern fester in
das ostfränkische Reich, welches sich vor allem im 10. Jahrhundert
zum deutschen Staat wandelte, ein. Die Stammesverbände der
nördlichen und mittleren Regionen des ostelbischen Raumes errangen
durch eine Erhebung 983 nochmals ihre Freiheit. Das deutsche
Königreich beanspruchte aber auch nach dem Aufstand der Slawen
weiter deren Gebiete.
Graf Otto von Ballenstedt
gehörte zu den Unterzeichnern des
Schreibens, mit dem ostsächsische Fürsten und Bischöfe
1108 ihre Kollegen in Sachsen, Franken, Lothringen und Flandern zur
Wiedereroberung der ostelbischen Landschaften einluden. Als Vorbild
sollte der erfolgreiche erste Kreuzzug zur Befreiung Jerusalems von den
Moslems (1096-1099) dienen. Für das Unternehmen kündigten die
Verfasser die Unterstützung des deutschen und des dänischen
Königs an. Neben der Dringlichkeit des Kampfes gegen die Heiden,
deren angeblich an den Christen verübte Grausamkeiten in den
schreiendsten Farben ausgemalt sind, wird interessanterweise
hervorgehoben, daß die von den Slawen bewohnten Gebiete sehr
fruchtbar seien und bestes Siedelland darstellten. Dieser Gedanke war
neu; im 10. Jahrhundert hatte man sich noch mit der militärischen
Unterwerfung begnügt.
Graf Otto beließ es nicht
bei solchen Absichtserklärungen,
sondern schob offenbar seinen Einfluß über die Elbe hinweg
auf das Stammesgebiet der Heveller vor. So bezeichneten die
zeitgenössischen sächsischen Chronisten die an der Havel
siedelnden Slawen, die sich selbst „Stodoranen“ nannten. Die
Brandenburg war die Residenz ihres Fürstentums, auf dessen Grenze
Otto der Reiche vermutlich bei
Görzke im Fläming stieß.
Gewiß schuf er sich dadurch Feinde. Wir erfahren jedenfalls aus
den Quellen, daß der Ballenstedter
1115 bei Köthen einen
Einfall von Slawen zurückschlug. Deren Stammeszugehörigkeit
ist nicht überliefert, im Zusammenhang mit der von der Forschung
wahrscheinlich gemachten askanischen
Expansionsrichtung wäre aber
nicht zuletzt an die Heveller zu denken.
Auch Otto gelang wie seinem Bruder Siegfried der
Aufstieg vom Grafen in
den Reichsfürstenrang, allerdings nur kurz. 1112 ersetzte Kaiser
HEINRICH V.
den ihm trotzenden Sachsen-Herzog Lothar von
Süpplingenburg durch den ASKANIER. Bald darauf mußte Otto
das neue Amt jedoch wieder zugunsten Lothars aufgeben,
weil der sich
inzwischen mit dem Herrscher geeinigt hatte.
Für Ottos
Rangerhöhung war wohl seine Vermählung mit
Eilica, einer der beiden Erb-Töchter des 1106 ohne
Söhne
verstorbenen Sachsen-Herzogs aus dem Geschlecht
der BILLUNGER, von
Bedeutung. Dadurch gelangte ein Teil der wertvollen Hinterlassenschaft
dieses Hauses an den Grafen von Ballenstedt – was wohl dessen Beinamen
erklärt –, während der andere über die Ehe von Eilicas
Schwester mit dem Bayern-Herzog Heinrich dem Schwarzen
an die WELFEN
fiel. Die faßten so Fuß in Sachsen und wurden zu Rivalen
der ASKANIER.
Im gleichen Jahr, in dem Kaiser HEINRICH V. Otto
kurzzeitig zum Herzog
erhob, legte sich dessen Bruder,
Pfalzgraf Siegfried bei Rhein,
mit dem
Herrscher an, als der nach dem Aussterben der Grafen von Weimar (1112)
deren Besitz einzog. Siegfried
dürfte die Güter in
Thüringen beansprucht haben, weil seine
Mutter Adelheid dem
erloschenen Geschlecht angehörte. Zwar kam der Pfalzgraf in den
deswegen ausgebrochenen Kämpfen 1113 um, doch schließlich
übernahm Siegfrieds Sohn Wilhelm
die Grafschaft
Weimar-Orlamünde.
Graf Otto der Reiche starb
1123, nachdem er kurz zuvor mit seinem
Sohn
Adalbert die Propstei Ballenstedt in ein Kloster des
Benediktinerordens
umgewandelt hatte.
Albrecht der Bär
Für den um 1100 geborenen und 1120 erstmals erwähnten
Adalbert ist spätestens
seit dem 19. Jahrhundert der Name
„Albrecht“ als Kurzform von „Adalbert“ üblich. Bei dem
Zusatz
handelt es sich aber nicht um eine nachträgliche Erfindung, da
bereits der zeitgenössische Chronist
Helmold von Bosau berichtet,
daß dieser ASKANIER „der Bär“ genannt wurde. Den
Grund
dafür kennen wir nicht, vielleicht wollte man im 12. Jahrhundert
durch seine Verknüpfung mit dem in Märchen, Sagen und Fabeln
mächtigen Tier auf Albrechts
Rivalität zu Heinrich dem
Löwen hinweisen.
Kaum war der ASKANIER 1123 Graf
von Ballenstedt geworden, nutzte er
eine sich ihm bietende Chance zum Aufstieg in die Gruppe der
Reichsfürsten. Im gleichen Jahr starb der Markgraf von
Meißen und der Lausitz. Dem von Kaiser
HEINRICH V. ernannten
Nachfolger widersetzte sich Albrecht
im Bunde mit Herzog Lothar von
Sachsen erfolgreich. So gelang es dem ASKANIER, Markgraf der Lausitz zu
werden. Die Rangerhöhung erhielt Bestand, weil Lothar dem
1125
gestorbenen HEINRICH
auf den deutschen Thron folgte. Doch Albrechts
Pläne gingen über die Lausitz hinaus.
Um den väterlichen Expansionsstrang in Richtung auf das slawische
Heveller-Fürstentum fortzusetzen, verfiel er auf eine für
„das
finstere Mittelalter“ bemerkenswert friedliche Lösung, über
die uns der Chronist Heinrich von
Antwerpen informiert. Nach dem wohl
gegen Ende des 12. Jahrhunderts verfaßten Bericht dieses
Brandenburger Domherrn gab es Verhandlungen zwischen dem Markgrafen und
Pribislaw-Heinrich.
Der entstammte der HEVELLER-Dynastie,
wurde Christ
und wollte vermutlich mit Hilfe des ASKANIERS
den Brandenburger
Fürstenthron besteigen. Dafür überließ
Pribislaw-Heinrich
um 1123/25 Albrechts damals
geborenem ältesten
Sohn Otto, den der Slawe aus der Taufe hob, die Zauche – das
Gebiet
südlich der Havel zwischen Brandenburg und Potsdam – als
Patengeschenk. Zugleich bestimmte der Heveller den ASKANIER zum Erben
des Brandenburger Fürstentums. Das lag nicht in der Albrecht
unterstehenden Lausitz, sondern auf dem Boden der ebenfalls im 10.
Jahrhundert gebildeten Nordmark, die sich zwischen Elbe, Elde, Peene,
Oder und Fläming erstreckte und spätestens jetzt stärker
in das Blickfeld des Ballenstedters
rückte. Beide Verfügungen
konnten natürlich nur durchgesetzt werden, wenn Pribislaw-Heinrich
in Brandenburg an die Macht gelangte.
Das geschah 1127 oder bald darauf. Nun konnte Albrecht als Herr der
Zauche (für seinen noch unmündigen Sohn) den askanischen
Einfluß vom Raum Görzke in Richtung auf die Brandenburg
ausdehnen. Bereits 1128 ist zu erkennen, daß die Interessen des
Ballenstedters viel weiter
gingen, als er nämlich dem in Pommern
missionierenden Bischof Otto von
Bamberg Unterstützung anbot. Ende
des Jahres starb der Markgraf der Nordmark, der mit Albrechts Schwester
Adelheid vermählte Graf
Heinrich von Stade, ohne Söhne zu
hinterlassen. Der ASKANIER
griff 1129 zu den Waffen, um so wohl
Anspruch auf die erledigte Mark anzumelden. Als Albrechts Mannen 1130
Heinrichs Vetter, einen Rivalen
ihres Herrn, erschlugen, riß dem
König die Geduld. Er verlieh die Nordmark nicht dem ASKANIER und
entzog ihm obendrein 1131 die Lausitz.
Wieder hatte Albrecht
Glück. Er erwarb sich Verdienste
während des Zuges, den LOTHAR
1132/33 zur Kaiserkrönung nach
Rom unternahm. Obendrein fiel in Italien der vom König eingesetzte
neue Markgraf der Nordmark,
mit der der Herrscher 1134 dann doch
Albrecht belehnte.
Bald darauf versuchte der ASKANIER
einen weiteren Aufstieg. Der im
Dezember 1137 ohne männliche Nachkommen gestorbene Kaiser LOTHAR
hatte Sachsen seinem Schwieger-Sohn,
dem Bayern-Herzog Heinrich dem
Stolzen, übergeben, der auch den Thron besteigen sollte.
Eine
derartige Machtstellung des WELFEN als
Doppel-Herzog, der zudem nach der
Krone griff, war aber vielen deutschen Fürsten ein Dorn im Auge.
Albrecht wollte wie sein Vetter Heinrich – ihre
Mütter waren
Schwestern – Herzog von Sachsen werden. Durch einen Überfall auf
Quedlinburg Anfang 1138 verhinderte der ASKANIER eine Versammlung von
Anhängern Heinrichs des Stolzen
und empfahl sich dessen Feinden.
Spätestens im Sommer des Jahres wurde Albrecht dann von dem
STAUFER KONRAD
III., der inzwischen durch seine überraschende Wahl
zum König im März der Thronbesteigung des WELFEN
zuvorgekommen war, mit dem Herzogtum
Sachsen belehnt.
Jetzt gehörte der ASKANIER
zur ersten Reihe des weltlichen
Hochadels nach dem deutschen Herrscher, doch konnte er sich
darüber nicht lange freuen. Mehrere sächsische Fürsten –
so der Erzbischof von Magdeburg und Konrad
von Wettin, der Markgraf von
Meißen und der Lausitz, – waren mit des Königs
Entscheidung
unzufrieden. Sie zogen ihre Schwerter für Heinrich den Stolzen und
gegen Herzog Albrecht. Der
nahm den Kampf zu Anfang recht erfolgreich
auf, aber bald wendete sich das Blatt. Die Bernburg, auf der Albrechts
Mutter saß, geriet noch 1138 durch die Fehde in Brand.
Zwar starb
Heinrich der Stolze 1139, doch
die WELFEN-Partei setzte den
Krieg
für dessen kleinen Sohn Heinrich
– den späteren Löwen
–
fort. 1140 zerstörte sie sogar Albrechts
Burg Anhalt und vertrieb
den vom König nur unzureichend unterstützten Herzog aus
Sachsen. Der ASKANIER sah sich
schließlich zum Verzicht auf das
Amt gezwungen, mit dem KONRAD III. 1142
Heinrich den Löwen
belehnte.
Das war Albrechts bitterste
Niederlage, doch er gab nicht auf. Der
ASKANIER erhielt seine
verwüsteten Stammlande und die Nordmark
zurück. Merkwürdigerweise nannte ihn die königliche
Kanzlei ab etwa 1140 in einigen Urkunden „Markgraf von Brandenburg“,
obwohl dort noch Pribislaw-Heinrich
herrschte. Die Übernahme von
dessen Erbe und der Aufbau einer askanischen
Herrschaft im
nordmärkischen Slawenland mußten nun wohl notgedrungen
Albrechts Hauptziele nach seiner großen Niederlage werden.
Zunächst folgten kleinere, aber wichtige Schritte: Albrecht
erlangte die Vogtei (Richteramt sowie Schutzherrschaft) des 1138/39 vom
Brandenburger Bischof gegründeten Klosters Leitzkau (östlich
von Magdeburg) und des 1144 vom letzten Grafen von Stade gestifteten
Klosters Jerichow (östlich von Tangermünde). Außerdem
bewahrte er dem askanischen Haus
die Grafschaft Weimar-Orlamünde,
nachdem sein Vetter Wilhelm
1140 ohne Erben gestorben war.
Das Hauptheer des Wendenkreuzzuges, der 1147 als Parallelexpedition zum
Zweiten Kreuzzug nach Palästina stattfand, wurde maßgeblich
von Albrecht dem Bären geführt.
Dabei stieß der
ASKANIER von Magdeburg
über Havelberg, Malchow und Demmin bis in
den nordöstlichsten Winkel seiner Nordmark vor. Ein Teil der
Truppen kam bis Stettin. Durch den Wendenkreuzzug konnte wahrscheinlich
der Bischof des wohl 965 eingerichteten Bistums Havelberg erstmals seit
983 wieder seinen Sitz beziehen, wo der Dombau begann.
1150 starb Pribislaw-Heinrich,
und Albrecht besetzte nach
rund
25jährigem Warten der alten Abmachung gemäß die
Brandenburg. Im nächsten Jahr brachen Kämpfe zwischen dem
ASKANIER und dem Herzog von
Sachsen aus, weil beide das Erbe des 1147
erloschenen Geschlechts der Grafen von Plötzkau (bei Bernburg)
beanspruchten. Die Spannungen wurden noch stärker, da sowohl
Albrecht der Bär als auch
Heinrich der Löwe nach der
Ermordung des letzten Grafen von Winzenburg (bei Hildesheim) Anfang
1152 auch dessen Hinterlassenschaft übernehmen wollten. Hierbei
spielte anscheinend Sophia,
die Gemahlin des Ballenstedters,
eine
Rolle, die vermutlich dem Winzenburger
Haus entstammte.
Den Streit schlichtete im Oktober 1152 FRIEDRICH BARBAROSSA.
Der im
März dieses Jahres von den Fürsten zum deutschen Herrscher
gewählte Nachfolger und Neffe des im Februar gestorbenen
Königs KONRAD III. fand einen
Kompromiß. Er wies Heinrich
dem Löwen den Winzenburger, Albrecht dem Bären den
Plötzkauer Nachlaß
zu. Der war allerdings weit weniger
wertvoll, und so dürfte unser Markgraf mit dieser Lösung kaum
zufrieden gewesen sein.
1155 nahm der ASKANIER an der
Weihe der Leitzkauer Klosterkirche teil.
Bald darauf mußte er nach dem Bericht Heinrichs von Antwerpen
einen neuen Schicksalsschlag aushalten. Wahrscheinlich im Frühjahr
1157 besetzte ein gewisser Jaxa eines
Nachts mit polnischen Scharen die
Brandenburg, nachdem er Albrechts dortige
Besatzung bestochen hatte. Er
war mit Pribislaw-Heinrich
verwandt, bekleidete in Polen eine
fürstliche Stellung und saß anscheinend auf der Burg
Köpenick. Dort befand sich die Fürstenresidenz der
Spreewanen, eines an der Spree siedelnden Slawenstammes.
Daraufhin zog Albrecht der Bär
mit Hilfe des Magdeburger
Erzbischofs und weiterer sächsischer Fürsten und Adliger ein
Heer zusammen, mit dem er die Brandenburg nach einer blutigen
Belagerung zur Kapitulation zwang. Am 11. Juni 1157 wehte sein Banner
wieder über der alten Havelfeste. Nach diesem Sieg, und zwar am 3.
Oktober 1157, führte Albrecht der
Bär in einer von ihm zu
Werben an der Elbe ausgestellten Urkunde erstmals selbst den Titel
„Markgraf von Brandenburg“,
während die Nordmark aus den Quellen
verschwand. Deshalb gilt der sich 2007 zum 850. Male jährende 11.
Juni 1157 als Geburtstag der Mark Brandenburg.
Es hat den Anschein, als wollte Albrecht
der Bär aus seinem
wiedergewonnenen Brandenburger Herrschaftsgebiet ein vom deutschen
König völlig unabhängiges Fürstentum machen, doch
stieß er damit auf den Widerstand FRIEDRICH BARBAROSSAS.
1158
brach der ASKANIER zu einer
Wallfahrt nach Jerusalem auf.
1159 ist der Markgraf wieder in Deutschland nachweisbar. Nun holte er
Siedler in die Gebiete um Havelberg und Brandenburg, die vor allem aus
der Altmark, aus den askanischen
Stammlanden zwischen Harz und Mulde,
aber auch aus Holland und Flandern kamen. Der Nordseeküste kehrten
damals viele Menschen wegen verheerender Sturmfluten den Rücken.
Ihre Erfahrungen im Deichbau waren wertvoll, wenn sie sich z. B. an der
Havel niederließen. Albrecht
förderte die wirtschaftliche
Entwicklung der neuen Mark Brandenburg, indem er unter anderem um 1160
in
Stendal einen Markt gründete. 1165 kehrte der Bischof des
vermutlich zugleich mit der Havelberger Diözese 965 errichteten
Bistums Brandenburg an seinen Sitz zurück und legte den Grundstein
des Domes.
Die letzten Jahre unseres Markgrafen standen wieder im Zeichen des
Kampfes gegen Heinrich den Löwen.
Ab 1166 führte Albrecht der
Bär mit Erzbischof
Wichmann von Magdeburg, dem Landgrafen
Ludwig
dem Eisernen von Thüringen und anderen Fürsten
mehrmals Krieg
gegen den WELFEN,
der unentwegt versuchte, seine Herzogsgewalt
auszubauen.
Erst 1170 konnte FRIEDRICH BARBAROSSA
einen dauerhaften Frieden
zwischen den verfeindeten Parteien stiften. Am 16. August des Jahres
nahm der alte Markgraf mit seinen Söhnen an der Weihe des
Havelberger Domes teil. Das war die letzte belegte Handlung des
ASKANIERS. Am 18. November
1170 – zehn Jahre vor dem Sturz Heinrichs
des Löwen – starb Albrecht
der Bär an einem unbekannten Ort.
Bestattet wurde der erste Markgraf von Brandenburg wahrscheinlich bei
seinen Vorfahren im Kloster Ballenstedt.
Das berichtet einer von dessen Mönchen in einer allerdings erst
1519 verfaßten Schrift. Albrecht
der Bär ruht vermutlich in
der Nikolaikapelle im erhaltenen Westwerk der verschwundenen
Klosterkirche neben seiner 1160 verstorbenen Gemahlin. Dort fand man
1880 in Sandsteinsarkophagen die sterblichen Überreste eines
Mannes und einer Frau. Der Architekt
Paul Schultze-Naumburg, der
Erbauer des Potsdamer Schlosses Cecilienhof, gab dem Grab 1938 die
heutige Gestalt.
www.850-jahre-mark-brandenburg.de