Sohn des N.N.
eigentlich Ugolino di Conti, Graf von Segni
Lexikon des Mittelalters: Band IV Spalte 1671
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Gregor IX., Papst seit 19. März 1227 (Wahl)
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* um 1170, + 21. August 1241
Anagni Rom
eigentlich Hugo (Hugolinus, Ugolino), Graf von Segni
Neffe Innozenz' III.
Nach Theologie- und Jurastudium in Paris und Bologna 1196
Kardinal-Diakon. 1206 Kardinal-Bischof von Ostia, seither
mehrfach mit Legationen betraut (1207 nach Deutschland, 1217/19 und 1221
nach Mittel- und Oberitalien), die u.a. der Vorbereitung des vom IV. Laterankonzil
beschlossenen Kreuzzugs galten. Die wiederholte Verschiebung der mehrfach
zugesagten Kreuzfahrt
Kaiser
FRIEDRICHS II. war Anlaß zu dessen Konflikt mit dem
Papsttum, der bereits unter Honorius
III. begonnen hatte, den gesamten Pontifikat Gregors
IX. überschattete und noch Innozenz
IV. beschäftigte.
Neben der Kreuzzugsfrage betraf der Streit vor allem
die vom Kaiser bestrittene Zugehörigkeit der Mark Ancona und des Herzogtums
Spoleto zum Kirchenstaat, Übergriffe FRIEDRICHS
gegen Rechtsstellung und Besitz der Kirche in Sizilien und Parteinahme
Gregors IX. in den Kämpfen mit
dem lombardischen Städtebund. Die im Kern auch diesmal um das grundsätzliche
Verhältnis von sacerdomus und imperium gehende Kontroverse führte
zweimal zur Exkommunikation des Herrschers durch
Gregor IX.: erstmals am 29. September
1227 wegen Verzögerung der Kreuzfahrt, dann - nach dem Ausgleich von
1230 (San Germano, Ceprano) und spannungsreichen Beziehungen in den folgenden
Jahren besonders im Zusammenhang mit dem Krieg FRIEDRICHS
gegen den oberitaliensichen Städtebund - erneut am 20. März 1239;
diesmal nannte die Bannbulle als Gründe u.a. kaiserliche Unterstützung
der gegen die päpstliche Herrschaft rebellierenden Stadtrömer,
Behinderung des Albigenserkrieges und Bedrückung der Kirche in Sizilien.
Der anschließende Propagandakrieg gipfelte in der Bulle "Ascendit
de mare bestia" vom Juni/Juli 1239, die in einer Generalabrechnung FRIEDRICH
als apokalyptisches Tier und Ketzer hinstellte. Ein für Ostern 1241
nach Rom berufenes Konzil verhinderte der Kaiser durch Verhaftung anreisender
Teilnehmer. Während seines folgenden Kriegszuges auf Rom starb Gregor
IX. und hinterließ den Konflikt ungelöst seinem Nachfolger.
Innerkirchlich ist Gregor IX.
vor
allem als Förderer der neugegründeten Bettelorden hervorgetreten,
schon als Kardinal-Protector der Franziskaner hat er maßgeblich an
der Regel von 1223 mitgearbeitet, die Klarissen, den Dritten Orden, die
Dominikaner sowie Kamaldulenser und Ritterorden unterstützt. - Über
seine Zeit hinaus weist sein Wirken als Gesetzgeber: Die dem Kanonisten
Raymund von Penafort übertragene Sammlung von Dekretalen wurde 1234
durch Übersendung an die Universitäten geltendes Recht, das als
Liber Extra den zweiten Teil des später als Corpus Iuris Canonici
bezeichneten kirchlichen Gesetzbusches bildete. - Darin wurde u.a. auch
die Ketzerverfolgung strafrechtlich geregelt (X 5.7 "De haereticis"), die
Gregor
IX. - im Anschluß an kaiserliches Vorbild - in Form der
päpstlichen Inquisition organisierte.
Quellen und Literatur:
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Seppelt III, 411-452 - MGH Epp. Saec. XIII, I, 1883,
261-739 - E. Brem, Papst G. IX. bis zum Beginn seines Pontifikats, 1911
- P.B. Zöllig, Die Beziehungen des Kard.s Ugolino zum hl. Franziskus
und zu sein I. Orden [Diss. Freiburg i.Ü./ Schweiz, Münster 1943]
- H.M. Schaller, Die Antwort G.s IX. auf Petrus de Vinea, DA II, 1954,
140-165 - S. Sibilla, Gregorio IX. (1227-1241), 1961.
Am endgültigen Vernichtungskampf zwischen Papsttum
und staufischem Imperium trugen beide
Gegner ihr Maß an Schuld. Der Papst war im Gegensatz zu seinem nahen
Verwandten Innocenz III. ein farbigerer Charakter voller Gegensätze,
unausgeglichen in seinem Schwanken zwischen Haß und franziskanischer
Demut, Herrschsucht und Mystik, Grausamkeit und Milde.
Als FRIEDRICH II.
sein Kreuzzugsversprechen einlöste, jedoch nach einigen Tagen wirklich
oder angeblich krank zurückkehrte, wurde er gebannt, was nach dem
Buchstaben des Vertrages von San Germano unter Honorius III. zurecht
geschah, doch dem immer noch maßvoll reagierenden Kaiser gegenüber
eine verantwortungslose politische Torheit bedeutete. Die sachliche Antwort
des Kaisers wurde mit einem zweiten Bann beantwortet. Von nun an folgte
ein Angriff nach dem anderen. FRIEDRICH II.,
gelangte, was nie ein Kreuzheer erreicht hatte, auf dem 5. Kreuzzug durch
einen Vertrag mit seinem Freunde el-Kamil von
Ägypten in den Besitz Jerusalems. Als erster europäischer
Herrscher begann er mit politischer Klugheit anstatt mit Blutvergießen
in Palästina ein Reich zu konsolidieren. Dabei versuchte er noch,
sich mit dem Papst zu verständigen, indessen das Morgenland ihn als
den von der Aura der Verheißung umgebenen Kaiser-Erlöser und
Erfüller der Zeit umjubelte, der in die Stadt Gottes als Retter einziehen
sollte. Der Papst jedoch schickte zwei Franziskaner, die überall in
Predigten gegen den Kaiser hetzen sollten. Der Erfolg zeigte sich bald,
die allgemeine Stimmung schlug um. Inzwischen fiel der Papst in die sizilianischen
Erblande des Kaisers ein mit einem Kreuzheer, an dessen Spitze die gleichen
Anführer des Kreuzzugs von Damiette zur Zeit Honorius III.
standen, Johann von Brienne, der eigene
Schwiegervater des Kaisers, und Kardinal Pelagius von Albano.
FRIEDRICH
II., der sich in Jerusalem selber die Krone aufgesetzt hatte,
kehrte eiligst nach Europa zurück. Bald wurde er wieder Herr der Lage,
ohne seine Überlegenheit auszunutzen. Er nötigte den Papst zu
einem 10-jährigen, wenn auch brüchigen Frieden, der in San Germano
und in Ceprano geschlossen wurde. Der Papst hob den Bann auf, der Kaiser
gab die besetzten Gebiete des Kirchenstaates zurück.
FRIEDRICH II. veröffentlichte
bald darauf sein Liber Augustalis als erste Gesetzessammlung der absolutistischen
Monarchie. Der Papst antwortete mit dem Liber extra, das er als gregorianische
Dekretalen durch den später kanonisierten Raymund von Penafort in
Fortsetzung des Decretum Grafiani aus der Zeit Eugens
III. ausarbeiten ließ: die bis zu Pius X. gültige
Grundlage des Codex Juris Canonici. Dann schrieb der Papst dem Kaiser jenen
Brief, in welchem er kirchenpolitische Differenzen zum Anlaß nahm,
um unter Berufung auf die Fälschungen der Constantinischen Schenkung
die uneingeschränkte Weltherrschaft für das Papsttum im Angriff
zu nehmen. Der Augenblick konnte kaum unzeitgemäßer gewählt
und geeigneter sein, Schlag und Schlag neue Angriffe auszulösen. Nach
dem Sieg FRIEDRICHS II. bei Cortenuova
über die vom Papst unterstützten
STAUFER-feindlichen
Lombardischen Städtebund folgte das Lateranbündnis des Papstes
mit den Seemächten Genua und Venedig zum Zwecke eines Angriffs auf
Sizilien; folgten die Manifeste in ihrer apokalyptischen Sprache, wobei
der Papst mit seinen Behauptungen jeden Maßstab aus den Augen verlor;
folgte endlich die Gefangennahme von über 100 Prälaten, die auf
genuesischen Schiffen zu einem Konzil nach Rom reisen wollten, durch den
Kaiser, der sich damit vor aller Welt ins Unrecht setzte. Verstand man
auch seinen Kampf gegen den Papst, so begriff man ebenso die Verhinderung
eines Konzils als Angriff auf die Freiheit der Kirche. Die Tat geschah
einen knappen Monat, nachdem der PIASTEN-Fürst
Herzog Heinrich II. der Fromme von
Schlesien die unter Khan Batu zur
Eroberung Europas einbrechenden Mongolen bei Liegnitz zum Stehen gebracht
und zur Umkehr gezwungen hatte, ungeachtet der völligen Niederlage
des europäischen Heeres.
Der Papst starb, als der Kaiser gegen Rom vorrückte.
Mit der Übertragung der Inquisition an den Dominikanerorden durch
den Papst war, bei neuer äußerer Machtentfaltung, ein geistlich-menschlicher
Tiefpunkt der Entwicklung erreicht. Die neue Institution begann ihr blutiges
Handwerk im zerschlagenen Lande der Albigenser, und den Ausrottungen des
Krieges folgte die Ausrottungen auf dem Scheiterhaufen. Schon zwei Jahre
nach seiner Institutionalisierung der Inquisition verband Erzbischof Gerhard
II. von Bremen und Hamburg, durch eine Bulle des Papstes unterstützt,
Kreuzzug mit Inquisition, um die von ihm ausgesogenen und unterdrückten
Stedinger Bauern auszurotten und zu Tausenden zu verbrennen.
Ebenso zwiespältig wie der Charakter des Papstes
war seine Judenpolitik, die zwischen Mahnungen zur Milde und härtesten
Maßnahmen schwankte, wie seine verschiedenen Bullen zeigen. Auf seine
Anordnung hin erfolgte in Frankreich die erste öffentliche Verbrennung
jüdischer Bücher.
Die Machtvorstellungen Gregors
IX. gipfelten in der These vom
"Imperium der Seelen", das den Päpsten genau so zustehen wie "in der
ganzen Welt der Prinzipat über Dinge und Leiber". Das heißt
nichts anderes, als dass Himmel und Erde gleichsam zum Privatbesitz des
Papstmonarchen, die Christenheit leibeigen geworden war. Nichts ist seither
so betont worden wie das bedingungslose kreatürliche Unterworfensein
unter den Primat von Rom.
Literatur:
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Cawthorne Nigel: Das Sexleben der Päpste.
Die Skandalchronik des Vatikans. Benedikt Taschen Verlag 1999 Seite 111-113
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