Das Jahr 895.
Eine große Hungersnoth brach in der ganzen Provinz der Bajoaren aus, dergestalt, daß an sehr vielen Orten Menschen vor Hunger umkamen. Engildieo, Markgraf der Bajoaren, ward seiner Würden entsetzt; an dessen Stelle Liutbold, ein Neffe des Königs, eingesetzt. Hildigardis, Tochter des Franken-Königs Hludowich, des Treubruchs gegen den König angeklagt und deshalb ihrer staatlichen Ehren entsetzt, wurde auf einer Insel Bajoariens in einem Landsee Namens Chiemicse, eingeschlossen. Es versammelten sich nun aus dem ganzen Hlutharischen Reiche, aus Sachsen, Bajoarien und Alamannien in Franken 27 Bischöfe, und es wurde auf dem Hof Tribur eine große Synode gehalten, unter dem Vorsitz nämlich der Metropolitane: Addo, Erzbischofs der Stadt Mainz, Herimann, Erzbischofs der Stadt Cöln, Ratbod, des Trierschen Erzbischofs. Vieles verhandelten sie zum Nutzen der christlichen Religion und setzten diese Bestimmungen zum Gedächtniß für ihre Nachfolger in eigenen Capiteln schriftlich auf. Der königliche Landtag nun wurde in Worms abgehalten. Dort wurde Odo, König von Gallien, welcher zur Huldigung des Königs mit Geschenken kam, ehrenvoll von ihm aufgenommen und kehrte nach wenigen Tagen, wie er gekommen war, freundlich beurlaubt heim. Zuentibald, des Königs Sohn, erhält vom Vater die Inful des Reiches und wurde in Burgund und dem ganzen Hlutharischen Reich, nachdem er die Edlen dieses Reiches empfangen hatte, zum König erwählt.
Das Jahr 898.
Nachher aber, im Jahre der Fleischwerdung des Herrn 898 entstand zwischen zwei Brüdern aus dem Volke der Marahenser, nämlich Moymir und Zentobolch, und deren Volk Uneinigkeit und schwere Zwietracht, dergestalt, daß, wenn Einer hätte den Andern mit seinen Kräften erreichen und fassen können, dieser dem Tode verfallen wäre. Da nun schickte der König Kaiser, welcher darum wußte, durch seine Markgrafen, Liutbald nämlich und den Grafen Arbo, zugleich mit seinen übrigen Getreuen dem Theil, welcher zu ihm Hoffnung und Zuflucht hatte, zu deren Befreiung und Schutz seine bawarischen Edlen ab. Aber mit Feuer und Schwert demüthigten diese nach Kräften ihre Feinde, plünderten und mordeten. Anstifter nun jener Uneinigkeit und des Friedensbruches zwischen obengenannten Brüdern, sowie Verläumder und Verräther war, wie erwiesen ist, Graf Arbo, auf Anstiften seines Sohnes Isanrich; und aus diesem Grunde verlor er seine Präfektur auf eine Zeitlang, die er nicht lange hernach zurück erzielt. Ferner wurde Einer, der einst vornehm unter den obigen Edlen des Volkes der Bawarier gewesen, Namens Erimpert, nachher Empörer gegen den König und die Seinen geworden war, von Priznolaw, einem Sclaven-Herzog, der selber dem König treu erfunden ward, ergriffen und von dem strengen Grafen Liutbald in Ketten und andere Bande geschlagen, vor den König bei Rantesdorf gestellt, als Christi des Herrn Geburtstag das gegenwärtige Jahr endete. Nachdem aber wiederum ein Feldzug zur Winterszeit angeordnet war, drangen die Fürsten der Bawarier mit ihren Leuten tapfer und gewaltig in das Gebiet der Marahabiter, verwüsteten mit starker Mannschaft deren Ortschaften, sammelten Beute und kehrten mit dieser heim.
Das Jahr 900.
Der Kaiser beschloß sein Leben in der Stadt
Radaspona,
und wurde ehrenvoll im Hause des heiligen Emmeramm, des Märtyrers
Christi, von den Seinen begraben. Es folgte in der Herrschaft Luduwich,
sein Sohn, welcher, damals noch
klein, allein von der gesetzmäßigen
Gattin ihm geboren war. Dessen Bruder
von einem Kebsweib, Zuentipold
mit
Namen, behielt das gallicanische Reich für sich, doch weil er
ungezügelt
und grausam das Kirchengut an sich riß, vorzüglich aber
wegen
der Frevelthat, daß er dem Trierschen
Erzbischof Ratpod gegen die
priesterliche Würde mit seinem Stock auf den Kopf schlug, wurde er
von den Seinen, sowohl Bischöfen wie Grafen, allen verlassen. Als
er nun in dem Streben nach Wiederherstellung unvorsichtig mit wenigen
gegen
sie kämpfte, endete er mit der
Herrschaft sein Leben. Die Bajowarier brachen durch
Boemannien,
dessen Bewohner sie an sich zogen, in das Reich der Marahaven ein,
sengten
und verwüsteten drei Wochen hindurch und kehrten
endlich glücklich und wohlbehalten nach Hause
zurück.
Inzwischen aber hatten die Avaren, welche Ungarn genannt werden, ganz
Italien
verwüstet, dergestalt, daß, nachdem sie sehr viele
Bischöfe
umgebracht, von den Italischen, welche sich zum Kampfe gegen sie
erhoben,
in Einer Schlacht an einem Tage zwanzig Tausend fielen. Auf demselben
Wege
nun, auf dem sie gekommen waren, zogen sie auch zurück, Pannonien
zum größten Theil verwüstend. Sie schickten Boten zu
den
Bajowaren, um
unter dem trügerischen Vorwand eines
Friedenswunsches
das Land auszukundschaften. Das hat, o Schmerz! das erste Leid, und
Schaden
wie er in allen vergangenen Tagen nie gesehen ist, dem Bajowarischen
Reiche
gebracht. Denn unversehens fielen sie mit starker Mannschaft und sehr
großer
Heeresmacht über den Fluß Anesus (Ens) feindlich in das
Bajowarische
Reich ein, so daß sie auf 50 Meilen in die Länge und in die
Breite mit Feuer und Schwert alles mordeten, plünderten, und in
Einem
Tage vernichteten. Als dies die entfernten Bajowarier erfuhren,
beschließen
sie, gestachelt von Schmerz, ihnen entgegenzurücken; aber die
Ungarn
erhielten davon Kunde und kehrten mit der Beute zurück, woher sie
gekommen waren, heim nach Pannonien. Inzwischen brach ein Theil ihres
Heeres
von der nördlichen Seite des Danuvius hervor und verwüstete
jene
Gegend. Als dies dem Grafen Liutpald bekannt ward, wollte er es
nicht ertragen, zog einige Edle der Bajowarier an sich und setzte, nur
allein von dem Passauer Bischof begleitet, über den Danuvius, sie
zu verfolgen. Und da sofort ein Treffen mit jenen begonnen wurde,
kämpften
sie rühmlich, aber noch rühmlicher gewannen sie den Sieg.
Denn
bei dem ersten Zusammenstoß wurde den Christen solche Gnade
Gottes
zu Theil, daß 1200 Heiden an Gefallenen, und solchen, welche
im
Danuvius ertrunken waren, erfunden wurden. Kaum einen einzigen Christen
fanden sie in dem Kampfe getödtet. Daselbst kamen sie nach dem vom
Himmel ihnen gegebenen Sieg zusammen, brachten mit großem
Geschrei
zum Himmel Gott Dank, der
nicht durch die Menge der Menschen, sondern in der
Fülle
seines Erbarmens die auf ihn Hoffenden errettet. Endlich froh nach
solchem
Siege zogen sie heim zu den Genossen, woher sie gekommen waren,
und
schleunigst umzogen sie sofort zum Schutze des Reiches, eine sehr
starke
Burg, am Ufer des Flusses Anesus mit Mauern. Als sie das vollbracht
hatten,
zog jeder heim.