Glocker Winfrid: Seite 201-211
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"Die Verwandten der Ottonen und ihre Bedeutung in der
Politik"
XIII. Mathilde, Äbtissin von Quedlinburg (955-7.2.999),
mit einem Anhang zu Sophie von Gandersheim (Spätsommer 975-27./30./31.1.1039)
und Adelheid von Quedlinburg (5.977- 14.1. 1043)
5. Anhang: Sophie, Äbtissin von Gandersheim und Adelheid,
Äbtissin von Quedlinburg
In einem Anhang gehen wir jetzt kurz auf die beiden Vertreterinnen
der ottonischen Familie ein, die zu
einer Zeit, als mit dem Tod HEINRICHS II.
die OTTONEN-Dynastie schon ausgestorben
war, noch politische Funktionen wahrnahmen. Die Rede ist von den zwei Schwestern
Kaiser OTTOS III., von
Sophie
und Adelheid, die in den beiden ottonischen
Familienklöstern Gandersheim und Quedlinburg die Äbtissinnenwürde
bekleideten.
Sophie,
die älteste Tochter OTTOS II.
und der Theophanu, ist im Bild der
Geschichtsbücher ganz und gar durch ihre Rolle im "Gandersheimer Streit"
bestimmt, was auch stark auf die Charakterisierung durch die zeitgenössische
Historiographie abgefärbt hat: in Schriften der Gegner wird Sophie
als
überaus ehrgeizig und hoffärtig, als eitel und stolz charakterisiert.
Während eine ihr freundlich gesonnene Quellenschrift sie als außerordentlich
fromm und tugendhaft apostrophiert.
Sophie wurde im Spätsommer
des Jahres 979, also im Alter von etwa vier Jahren, dem Stift Gandersheim
übergeben, das von ihrer Cousine Gerberga,
einer Tochter Herzog Heinrichs von Bayern,
des Bruders OTTOS DES GROSSEN, geleitet
wurde. Wahrscheinlich acht Jahre später kleidete man sie dort als
Kanonissin ein. Über die Vorgänge bei dieser Einkleidung sind
wir durch die Lebensbeschreibung der Bischöfe Bernward und Godehard
von Hildesheim unterrichtet; beide Viten sind aber nur mit Vorsicht zu
lesen, da sie stark gegen Sophie Stellung
beziehen. Es ging hierbei um die Frage, welchem Bischofssprengel das Stift
Gandersheim zuzurechnen sei, ob dem Erzbistum Mainz oder dem Bistum Hildesheim,
das seinerseits ein Suffraganbistum von Mainz war. Sophie
soll
bei ihrer Einkleidung darauf bestanden haben, daß nicht Bischof Osdag
von Hildesheim, sondern Erzbischof Willigis von Mainz ihre Einkleidung
vornehmen solle. Es kam bei der Weihe zum Streit zwischen Willigis und
Osdag, der schließlich mit einem Kompromiß vorläufig beigelegt
wurde: beide Kirchenfürsten nahmen die Weihe von Sophie
gemeinsam vor. Die Spannungen blieben jedoch weiter bestehen und kamen
bei der Nachfolge
Sophies als Gandersheimer
Äbtissin wieder ungezügelt zum Ausbruch.
Sophie hielt sich
die auf ihre Einkleidung folgenden Jahre nicht nur ständig an ihrem
Stift auf, sondern begab sich für längere Zeit an den Hof ihres
Bruders, des jungen, soeben selbständig regierenden Königs
OTTO III. Sophie begleitet den König auf dem ersten Romzug
996 und ist während dieser Zeit in mehreren Urkunden als "dilecta
soror nostra" bezeichnet, während sie bei früheren Interventionen
mit dem Epitheton "sanctimonalis" ausgezeichnet wurde. Der Priester Eberhard
beschreibt in seiner Gandershofer Reimchronik die Stellung der Kanonissin
Sophie am Hofe als "einer königinnen
gelike". In der Funktion einer "consors imperii" dürfte Sophie
zudem an der Kaiserkrönung ihres Bruders in Rom am 21.5.996 teilgenommen
haben.
Kurz vor dem zweiten Italienzug verschwindet Sophie
ebenso überraschend wieder aus den Urkundeninterventionen, wie sie
dort aufgetreten ist. Aus der Zeit, in der sie mit dem Hof mitreiste, können
wir eigentlich nur feststellen, dass auch Sophie
als
eine der Schwestern OTTOS III.
in irgendeiner
Form eine Teilhaberschaft an der königlichen Herrschaft innegehabt
zu haben scheint.
Am Ende der Regierungszeit OTTOS
III. flammte der alte Gandersheimer Streit wieder auf, als nach
dem Tod der Äbtissin Gerberga am
13./14. November 1001 Sophie die Nachfolge
in dem ottonischen Hauskloster antreten
sollte. Es ging wieder wie schon bei der EinkleidungSophies
um
die Frage, welcher der beiden Kirchenfürsten, Bischof Bernward von
Hildesheim oder Erzbischof Willigis von Mainz, die kirchlichen Handlungen
in Gandersheim vornehmen dufte. Sophiehatte
im Jahr 1000 zur Weihe der neuerrichteten Stiftskirche nur den Mainzer
Erzbischof gebeten und hiermit einen Streit mit Bernward von Hildesheim
geradezu heraufprovoziert. Der Streit war noch nicht entschieden, die Stiftskirche
demzufolge weiterhin ungeweiht und Sophie noch
nicht in die Nachfolge Gerbergas eingewiesen,
als Kaiser OTTO III. in Italien verstarb.
Sophie und ihre Schwester
Adelheid,
die Äbtissin von Quedlinburg,nahmen
an der Versammlung der Großen Sachsens in der Pfalz Werla teil, auf
der die Haltung der Sachsen zur Regelung der Thronfolge geklärt werden
sollte; Thietmar erachtet bei seinem Bericht über diese Versammlung
außer Herzog Bernhard nur die beiden Schwestern des verstorbenen
Kaisers für so wichtig, um sie namentlich zu erwähnen. Die Versammlung
von Werla entschied sich für den Bayern-Herzog
Heinrich IV., den Sohn des Zänkers,
und Markgraf Ekkehard von Meißen, der - ebenfalls
ottonenblütig
- seinerseits Anspruch auf die Nachfolge erhoben hatte, erweckte den Anschein,
aufzugeben. Doch als man am Abend in der Pfalz von Werla die Abendtafel
für die Herrinnen hergerichtet hatte, setzte sich Ekkehard an die
Tafel und speiste dort mit seinen Freunden.
Die beiden Schwestern Sophie
und
Adelheid hatten
für die Versammlung der Sachsen nach dem Tod des Kaisers durchaus
eine zusätzlich legitimierender Funktion, die aus ihrer hohen Würde
als Angehörige der OTTONEN-Familie
resultierte. Diese Stellung Sophies und
Adelheids
wurde
durch die Wahl der Königspfalz Werla noch unterstrichen.
Nach der Huldigung der Sachsen für den neugewählten
König
HEINRICH II. traf dieser mit seinen
Cousinen, Sophie und Adelheid,
zusammen; die beiden nahmen noch an der Krönung der Königin
Kunigunde in Paderborn teil. HEINRICHsetzte
in Paderborn auch Sophie als neue Äbtissin
in Gandersheim ein; sie wurde jetzt von Erzbischof Willigis von Mainz geweiht.
Doch endgültig beigelegt wurde der Streit zwischen Willigis von Mainz
und Bernward von Hildesheim erst 1007 bei der Weihe der neuen Stiftskirche
von Gandersheim, wobei Willigis seinen Verzicht erklärte.
Nachdem KONRAD II.
auf der Wahlversammlung zu Kamba zum Nachfolger HEINRICHS
II. gewählt worden war, nahm auch dieser neue König
sogleich Kontakt mit den ottonischen
Äbtissinnen auf. KONRAD kam in
das Stift Vreden, wo Sophie zwischenzeitlich
ein zusätzliches Äbtissinnenamt übernommen hatte, und traf
dort mit Sophie,
Adelheid
und
der Äbtissin Mathilde von Essen,
der Tochter des aufständischen Herzog Liudolf
von Schwaben, zusammen, was dazu beitrug, "dem König die
Wege in Sachsen zu ebnen".
Auch König HEINRICH III.
traf bereits kurze Zeit nach seiner Erhebung mit der noch lebenden Schwester
Kaiser
OTTOS III., Adelheid von Quedlinburg,
zusammen. Diese Begegnung war freilich dadurch (mit) motiviert, dass nach
dem Tod der Äbtissin Sophie über
deren Nachfolge im Amt der Gandersheimer Äbtissin zu entscheiden war.
Der Konvent hatte sich für Adelheid von Quedlinburg
ausgesprochen.
König
HEINRICH III. bestätigte diese Wahl, übertrug freilich
das Amt der Essener Äbtissin, das die verstorbene Sophie
ebenfalls innegehabt hatte, nicht an Adelheid,
sondern an Theophanu, eine der zahlreichen Töchter des Pfalzgrafen
Ezzo und der Mathilde, der dritten
Schwester Kaiser OTTOS III.