Bertold I. war, ehe
er Herzog wurde, Graf. Und zwar verwaltete er nicht nur alsbald nach seines
Vaters Tode die Grafschaften, die sein Großvater gehabt hatte und
die gewiß auch sein Vater später wieder gehabt hatte, obwohl
sich in unseren Quellen keine Gelegenheit mehr bietet das unmittelbar zu
erkennen, nämlich den Breisgau und den Thurgau, sondern
auch seines Vaters sichere Grafschaft, die Ortenau. Ferner war er
Graf im Albgau, aus dessen spärlichen Quellen nicht zu ersehen
ist, wann er an dies Haus kam und vielleicht auch schon in dem später
sicher dem Grafenamt der
ZÄHRINGER unterstehenden Teil der
999 noch einheitlichen Baar, der zugleich einen guten Teil ihres Besitzes
umschloß. Da dieser
Graf Bertold
vor 1056 zum Gedächtnis seines (mütterlichen) Großvaters
einen Mansus in dem Dorf Wiesen im Klettgau an Reichenau vergabte, wird
von der schon früher herangezogenen Urkunde Eberhards des Seligen
von Nellenburg erwähnt.
Die sich fast über ganz Schwaben erstreckenden Ämter
und Besitzungen des zähringischen
Hauses waren es wohl, die ihm auch die Vogtei über die Besitzungen
des Hochstifts Bamberg in Schwaben brachten.
Die Chronik Ekkehards von Aura erzählt, Kaiser
HEINRICH III. habe in einem seiner letzten Jahre Graf
Bertold die Nachfolge im Herzogtum
Schwaben für den Todesfall des dortigen Herzogs Otto von Schweinfurt
versprochen und ihm als Zeichen der Erinnerung an das kaiserliche Wort
den Ring von seiner Hand übergeben. Doch die Regentin
Agnes übergab 1057 Schwaben an Rudolf
von Rheinfelden, den sie mit ihrer Tochter Mathilde
verlobte. Agnes
mochte sich mit Recht
scheuen, Schwaben, das Land, das vor allen der Krone und ihren salischen
Trägern, den Nachkommen
Giselas
bisher in Treuen nahe stand, demjenigen zu überlassen, dessen ohnehin
große Macht und Bedeutung im Lande dasselbe am ehesten dem Kaiserhause
entfremden konnte. Über
Bertolds Verhalten
in den folgenden Jahren gegenüber dem Hofe und Rudolf
verlautet
keinerlei sichere Nachricht, mag nun der planreiche Mann die Zurücksetzung
mit guter Art und fernerer Hoffnung getragen haben. Offenen, feindseligen
Trotz bekundete Graf Bertold nicht,
uns um so eher konnte die Kaiserin an eine Entschädigung für
ihn denken, die auch in dem Interesse RUDOLFS
war, das ihr so sehr am Herzen lag, insofern nämlich, als eine anderweitige
Aufgabe Bertold
von den schwäbischen Dingen abziehen mußte.
Nach dem Tode Konrads III. von Kärnten im Jahre
1061 war das unruhige Land dem schwäbischen Grafen
Bertold übertragen worden.
Und nunmehr, nachdem Berthold
Herzog geworden, ist es gelegene Zeit seiner Gemahlin, Richwaras
zu gedenken. Eine Urkunde im Besitzrodel von St. Peter auf dem Schwarzwalde,
die einzig ihren Namen aufbewahrt hat, verzeichnet, dass Bertold
mit seiner Gemahlin Richwara zugleich einst Güter
im Neckargau (im jetzigen württembergischen Oberamt Kirchheim unter
Teck) an das in der Folge nach St. Peter übertragene Kloster Weilheim
überwiesen habe. Über die von den Quellen im Dunkel gelassene
Herkunft der Herzogin ist aber neuerdings die sehr zu beachtende Vermutung
aufgestellt worden, "Richware, erste Gemahlin Bertolds
I., sei höchst wahrscheinlich eine Tochter des 1039 verstorbenen
Herzogs Konrad II. (von Kärnten) "gewesen und durch
sie seien von der Seite ihrer Großmutter, der schwäbischen
Herzogs-Tochter Mathilde (der Mutter ihres Vaters, eben des Herzogs
Konrad II.) ererbte alaholfingische Güter auf ihren Gemahl
Bertold I. übergegangen. Zu
diesen würde sich auch das von beiden an Weilheim Geschenkte als ein
altes alaholfingisches Gut vortrefflich fügen. Und nun kommt ferner
zur Bestätigung dieser Aufstellung in Betracht der wichtige Kern einer
Mitteilung Ekkehards von Aura, die zwar nicht irrtumsfrei ist, aber nicht
zu denen gehört, welche willkürlich entstehen: der Chronist erzählt
nämlich, dass Kärnten nicht nur an Bertold
I., sondern später auch an dessen Sohn von HEINRICH
IV. übertragen worden sei, er versäumt auch nicht
hinzuzusetzen, dass der spätere Verlust des Herzogtums Vater wie Sohn
betroffen habe. Dieser Hergang scheint mir auf die Weise am natürlichsten
begründet zu werden, wenn man den Sohn Bertolds
und Richwares als Träger gewisser erblicher Ansprüche
auf Kärnten, die durch die Mutter auf ihn gekommen seien, betrachtet.
So glaube ich denn, dass Bertold I.
in eigener Person ordnungsgemäß von der Reichsgewalt mit der
Wahrnehmung des herzoglichen Amtes in Kärnten betraut wurde, ohne
dass am Anfang seine Ehe mit Richwara dazu beigetragen hatte; dass
er danach jedoch zur Verstärkung dieser Stellung gegenüber sowohl
den Kärntnern, wie der Krone, eine mütterliche Anwartschaft als
für seinen Sohn bestehend hervorhob und für den letzteren, Hermann,
innerhalb der nächsten Jahre, wenn nicht ganz, so doch zum Teil auf
jene Erbansprüche hin vom König eine Mitübertragung des
Herzogtums auswirkte, die zunächst in Hermanns Titel eines
Markgrafen (von Verona) zum Ausdruck kam.
Sollte der neuernannte Herzog nun versuchen, worin Konrad
gescheitert war? Bertold hat tatsächlich
keine Truppen versammelt, um mit ihnen nach Kärnten zu ziehen, und
sich keiner Niederlage durch die ihm zugewiesenen Untertanen ausgesetzt;
wir erfahren nicht einmal, ob er überhaupt ernstlich an die Besitznahme
gedacht hat. Ebensowenig hat die Reichsregierung etwas dafür getan,
die Einführung des von ihr eingesetzten Herzogs zu erleichtern. Es
ist aber von der anderen Seite nicht minder natürlich, wenn Bertold
nach 1061 nicht länger Graf schwäbischer Gaue unter dem Herzogtum
des Rheinfelders geblieben ist; schon
für beide Herzöge selbst muß ja ein solches Verhältnis
lästig gewesen sein. Einen Gau, nämlich den Breisgau, hatte Herzog
Bertold seinem Hause gewahrt. So
stand denn nunmehr Bertold als gleichberechtigter
Fürst neben dem RHEINFELDER da,
dem gegenüber er keine Pflichten mehr hatte, währen der darum
doch durch seinen Grundbesitz und das breisgauische Grafenamt seines Hauses
fest in Schwaben wurzelte. Es ist begreiflich, wenn Bertold
in dieser Stellung, im Range eines Herzogs, tatsächlich als großer
Herr ohne Amt in Schwaben lebend, bald dazu gelangte, sich vorzugsweise
um Dinge im Reiche und unter dem Fürstenstande zu bekümmern.
Bertold und Rudolf
von Schwaben waren seit 1062 vertraute Freunde des Erzbischofs
Anno von Köln. Nach der Verjagung des Erzbischofs Adalbert von Bremen
aus der königlichen Nähe folgen die Jahre, die Rudolf
und Bertold immer enger aneinander
schließen und andererseits die innere Entfremdung des Königs
und der Fürsten voneinander zum landkundigen, offenen Bruch zeitigen
sollten. Bertold hatte bis zum Wormser
Ausgleich im Jahre 1072 alles mit Rudolf:
die Unzufriedenheit, die Opposition, das Verdächtigwerden, die Gefahr
geteilt. Aber mit ihm bedurfte es keines besonderen Ausgleichs; der mit
Rudolf
getroffene galt stillschweigend auch für ihn. So steht Bertold
also doch nur im Hintergrunde da, als der Helfer Rudolfs
und sein auf eigene gesonderte Berücksichtigung verzichtender Genosse,
wie es ja der landlose Herzog auch schwerlich anders hätte tun können.
Er hat allezeit in treuer Freundschaft an Rudolf
und an der Richtung festgehalten, die nunmehr längst auch seine innere
Überzeugung für sich gewonnen hatte. Dem Kärntner-Herzog
Bertold soll - so wird erzählt
- wegen desselben Aufruhrverdachts, der Rudolf
traf, der König, als er das Weihnachtsfest 1072 zu Bamberg feierte,
als Abwesenden und ohne ordentliche Verhandlung Kärnten entzogen und
dieses an Markward von Eppenstein gegeben haben.
Doch dieses Vorgehen HEINRICHS,
das ein vielfach anzufechtender Erzähler allein berichtet, kann unmöglich
in dieser Weise stattgehabt haben. Denn Lambert selber muß bei Schilderung
der Vorgänge auf der Harzburg zum August 1073 erzählen, der König
habe sich dort gegenüber Bertold mit den heiligsten Beteuerungen
verschworen, Kärnten an niemand anders übertragen zu haben. Da
vermeidet also schon der Wortlaut überhaupt von einer Entziehung zu
reden, und ferner, wenn eine solche und eine anderweitige Übertragung
auf einem öffentlichen Hoftag stattgefunden hätte, so hätte
es, und wäre er selbst ein aller Wahrheit offen ins Gesicht schlagender
Mann gewesen, der König nicht leugnen, hätte Bertold
sich nicht völlig beschwichtigen lassen können. Diese ganze Harzburg-Angelegenheit
und was alles über dieselbe berichtet wird, zeigt eines deutlich:
wie fremd doch Bertold
gegenüber
den Kärntner Dingen stand und selbst ungenau und nur durch Hörensagen
über sie unterrichtet war.
Überblicken wir noch einmal die ganze Sachlage.
Bertold
war ein alter Mann, der schon seine Enkel auf den Knien wiegte; in all
den Jahren war er, auch unter den Regentschaften, kaum je am Hofe erscheinen.
Er hielt zu Rudolf und galt als beteiligt
bei den Plänen der Unzufriedenen, aber doch nur als Gesinnungsgenosse
und ruhigerer Teilnehmer; nur der kleinere Teil der Annalisten erachtet
es für nötig, wenn vom Fürstenwiderstand die Rede ist, seiner
ausdrücklich zu gedenken; hatte es uns doch einzig der Brief Annos
wissen lassen, dass auch Bertold unter
den Männern von Tribur war. Bei der Aussöhnung von Worms genügte
es, dass Rudolf erschien; auch des
Königs Augenmerk fiel also nicht in erster Linie auf Bertold.
Aber andererseits hatte der König auch am wenigsten Grund hemmend
einzugreifen, wenn des ZÄHRINGERS schattenhaftes Herzogtum
immer mehr zum Gespött wurde; er konnte vielmehr persönlich und
selbst als Oberhaupt des Reiches zufrieden sein, wenn ein anderer, ihm
nahestehender Mann in Kärnten zu wirklicher Herzogsmacht gelangte.
Am Palmsonntag (24. März) 1073 in Eichstätt
wandte der König
Rudolf wieder
seine volle Gnade zu, zugleich auch Bertold und
den Anhängern der beiden. Ob Bertold
auch selber mit zu Eichstätt war, läßt sich nicht ergründen,
ebenso nicht, ob er auf dem Fürstentag Pfingsten zu Augsburg war.
Eines aber läßt beides eher bezweifeln: der Umstand, dass der
Herzog sich im Sommer veranlaßt sah, die weite Reise bis über
den Harz nach Sachsen zu machen, wohin der König im Juni gegangen
war. Bei HEINRICH auf der Harzburg
war gerade kurz zuvor Herzog Bertold
eingetroffen, um eine eigene Angelegenheit am Hofe zu betreiben.
Der König beschloß in das Lager der in drohender
Haltung verharrenden Sachsen eine Botschaft zu senden und wählte zu
ihrem Führer Herzog Bertold "als
einen Mann äußerster Klugheit und volkstümlicher Rednergabe,
dem er zwei geistliche Herren hinzugesellte". Die Gesandtschaft verlief
genauso erfolglos wie eine zweite. In der Nacht des 9. August brachen der
König,
Herzog Bertold, Benno und
Eppo, die Bischöfe von Osnabrück und Zeitz und eine Anzahl vom
königlichen Gefolge auf und verließen heimlich die Harzburg.
Am 13. August trafen der König und Bertold
mit den übrigen im Kloster Hersfeld ein. Es scheint, dass Herzog
Bertold auch während der nun folgenden Ereignisse dem König
treu zur Seite blieb; und wenn er nicht etwa stets in der persönlichen
Umgebung desselben war, so ist er doch nicht für dauernd nach Schwaben
zurückgekehrt. Noch weniger dachte er daran, in dieser aufgeregten
Zeit nach Kärnten zu gehen. Eine Urkunde vom 27. Oktober, weist unter
den Intervenienten den ehrend aufgezählten Befürwortern der betreffenden
königlichen Gnadenverfügung auch Herzog
Bertold auf, und es wird späterhin auch sonst weiter deutlich
werden, dass Bertold, wenn nicht schon
früher, Mitte Oktober bei HEINRICH war.
Herzog Bertold nahm mit anderen süddeutschen Fürsten an
den Verhandlungen von Gerstungen mit dem aufständischen Sachsen teil,
zu dessen Ergebnis wohl vor allem Herzog Bertold
und Herzog Gottfried von Lothringen beitrugen.
Wenig später auf einer Rast des königlichen
Zuges zu Nürnberg glaubten Herzog Rudolf
und Herzog Bertold einem gewissen Regenger,
dass der König sie ermorden lassen wolle. Beide Freunde, Rudolf
und Bertold, glaubten dem Ankläger
alles und ließen, außer sich über den König, diesem
sagen: nun binde sie kein Treueid und kein Unterwerfungsversprechen mehr
an ihn, der ihnen nach dem Leben trachtete.
Durch die Absage der meisten Fürsten zum Reichskrieg
gegen die Sachsen, unter denen sich auch Rudolf
und
Bertold befanden,
mußte
HEINRICH IV. am 2. Februar
1074 den Frieden von Gerstungen schließen. Nach der Schändung
der Königsgräber auf der Harzburg schlossen sich die süddeutschen
Fürsten Rudolf,
Bertold
und Welf dem König an, denn der Krieg gegen Otto von Northeim war
Rudolfs
beste Aussicht, das Haupt der Fürsten und dem König zunächst
unentbehrlich zu bleiben. In der am 9. Juni 1075 stattgefundenen Schlacht
bei Homburg an der Unstrut hat Bertold vermutlich
unter den schwäbischen Truppen Rudolfs
die Mannen und die Gauleute seines Hauses selber geführt. Nach ihrer
Rückkehr von Eschwege, wo HEINRICH IV. die
Truppen entließ, hielten Rudolf
und Bertold 40-tägiges Fasten
ab und gelobten Gott, so wird uns erzählt, nicht fürder gegen
die Sachsen zu kämpfen. Kurz darauf fand in aller Stille eine Zusammenkunft
Rudolfs
und
Bertolds
mit den sächsischen Fürsten statt, denen die Herzöge für
den Fall der Unterwerfung eine nur kurze und milde Haft gewährleisteten.
Zu der auf den 22. Oktober vereinbarten neuen Heerfahrt
gegen die Sachsen erschienen Herzog Bertold,
Rudolf
und Welf von Bayern nicht. Das Verhalten Bertolds
und
Rudolfs
ist nicht zu
betrachten ohne den Rückhalt, den sie an Papst Gregor VII. fanden.
Auch zu dem auf Weihnacht 1075 nach Goslar berufenen Tag, der über
das Geschick der sächsischen Fürsten beraten sollte, erschienen
die süddeutschen Herzöge nicht.
Ende März des Jahres 1076 kamen Rudolf,
Welf, Bertold, Adalbero von Würzburg, Hermann von Metz und
andere Herren zusammen. Nun wurde Hermann von Metz Rudolfs
Genosse, wie der seines Freundes Bertold;
denn vollständig schwamm der alte Herzog in dem mehr und mehr sich
trübenden Fahrwasser des RHEINFELDERS.
Bei den Unzufriedenen im ganzen Reich und zwar mit Einschluß
des Sachsen galten jetzt unbestritten Rudolf
und Bertold als die öffentlichen
Häupter, als die Träger der Anklage und Gegenwehr gegen den König.
Auf dem am 15. Mai nach Worms berufenen allgemeinen Tag fehlten die beiden
Herzöge erneut. Ihretwegen wurde die ganze, zahlreich besuchte Versammlung
nach Mainz auf Peter und Paul (29. Juni) verschoben; ja, HEINRICH
fügte der königlichen Einberufung bei den Herzögen freundliche
dringende Bitten hinzu, aber sie blieben für den bittenden Königsruf
taub und behielten unbeweglich den Aufstand im Auge. Dann folgte Mitte
August die Zusammenkunft der süddeutschen Gegner HEINRICHS
in Ulm; Herzog Bertold, der RUDOLF
begleitete,
traf dort auch Welf und andere süddeutsche Fürsten.
Nebenbei verdient es doch nicht übergangen zu werden,
dass Herzog Bertold nicht, wie es einzelne
der Anwesenden taten, den Triburer Tag benutzte, um für seinen eigenen
Vorteil zu sorgen. Er hat unseres Wissens niemals eine eigene Angelegenheit
in den Kampf gegen HEINRICH IV. mit
hineingezogen. Bertold sollte Papst
Gregor, der in Augsburg dabei sein wollte, am Fuße der Alpen erwarten.
Die drei Herzöge und ihre Anhänger waren schon
in größte Bestürzung geraten, als sie des Königs Alpenübergang
vernahmen, den sie vergeblich zu hindern gesucht hatten. Nun zogen sie
die Wachmannschaft an den Pässen zurück und zugleich das Geleit,
das Gregor an den Alpen erwarten sollte. Eine neue Zusammenkunft nach Ulm
ward ausgeschrieben, die um Mitte Februar dann stattgefunden haben muß;
hier kamen Rudolf, Welf, Bertold,
sodann die Bischöfe von Mainz, Würzburg und Metz zusammen, aber
im ganzen war der Tag nicht in gehoffter Weise besucht. Hier traf dann
auch die erste Botschaft des Papstes über die am 28. Januar geschehene
Absolution HEINRICHS ein. Um jeden
Preis aber mußte Gregor VII. die deutschen Fürsten für
sich erhalten. So machte er denn in dem Schreiben, das sein getreuer Rapoto
an die Fürsten überbrachte, Aussicht auf sein Kommen. So waren
denn die Wenigen, die mit Rudolf und
Bertold
versammelt waren, doch ziemlich getröstet; sie klammerten sich an
den Gedanken der Königswahl, der der Sorge um die eigene Sicherheit
zur Deckung diente. Nach Forchheim luden sie auf den 13. März die
Sachsen, Lothringer und Bayern zur Königswahl und mahnten sie bei
der beschworenen Bündnistreue in beweglichen Worten. Der festgesetzte
Termin, der 13. März, vereinigte vor allem die Großen der Sachsen
und Schwaben, unter denen die Quellen es für unnötig erachte,
Bertold
mit seinem Namen hervorzuheben; mit Recht, denn nur das Fehlen dieses Mannes
zu Forchheim hätten sie besonders berichten müssen. Mit Bertold
hatte
dem Anschein nach der eine seiner beiden noch lebenden Söhne, der
junge
Bertold, die Fahrt zur Königswahl getan. Am 14. März schritt
man nach der Abreise der päpstlichen Legaten zur Entscheidung. Sie
deckten sich einfach hinter des Papstes jetzt doch veralteter Weisung und
sprachen HEINRICH die Krone ab. Damit
hatten sie den Vertrag von Tribur, unbekümmert um die geschehene Lösung
HEINRICHS
vom Banne, beiseite geschoben und konnten mit der Neuwahl beginnen. Der
von der Bischofsversammlung vorgeschlagene Schwaben-Herzog
Rudolf wurde auch von der Versammlung der weltlichen Großen
angenommen. Wie Bertold
selbst
über die etwaige Annahme der Krone gedacht hat, darüber fehlt
jeder positive Anhaltspunkt, nur nach einigen Späteren hätte
gerade er Rudolfs Wahl besonders betrieben;
dass er sich jedenfalls nicht zurückgesetzt fühlte, geht aus
dem Weiteren und ganz insbesondere aus seinem sogleich zu erzählenden
Anerbieten hervor. Ihm fehlte der Ehrgeiz, der Rudolfs
Schritt für Schritt auf jener Bahn vorwärts geführt hatte,
in der auch seine besten Freunde noch vor einem Monat nur einen Notweg
gesehen hatten. Nach der Krönung RUDOLFS
in Mainz, bei der es zu einem Aufstand der Stadtbevölkerung kam, kehrte
Bertold und Welf auf ihre schwäbischen
Besitzungen zurück. Zu der von
RUDOLF und
dem ZÄHRINGER
geführten Partei gehörten in Schwaben
die Grafen von Bregenz, Dillingen-Kyburg, zwei von Achalm und Wülfingen,
dann Hugo von Tübingen, Burkard von Nellenburg - dessen Bruder Eberhard
für
HEINRICH IV. stritt und fiel
- Adalbert von Calw und Manegold von Veringen. Das waren Verbündete
RUDOLFS und Bertolds, die
mit ihrem Anhang deren eigentliche militärische Macht verstärkten.
König
HEINRICH kam mit wenig Leuten, aber vielem lombardischen Geld;
der EPPENSTEINER Liutold war ihm entgegengeeilt und hatte ihn durch Kärnten
geleitet und nun zögert HEINRICH
nicht länger, dem zähringischen
Scheinherzogtum in Kärnten auch den letzten Rest des leeren Titels
zu nehmen. Mit bayrischen, böhmischen und kärntnischen Truppen,
die durch die gegen RUDOLF kämpfenden
Bischöfe und Herren in Burgund und in Alemannien verstärkt wurden,
fiel HEINRICH verheerend in Schwaben
ein. In Ulm hielt König HEINRICH
auf einem Hoftag "nach schwäbischen Volksrecht" Gericht über
RUDOLF,
Bertold,
Welf und die schwäbischen Vornehmen, die zu ihnen standen: des Gerichtes
Spruch erkannte sie des Todes schuldig und sprach ihnen ihre
Würden und ihre Lehen ab. Wir wissen nicht, wer die Richter gewesen
sind, die den Achtspruch über Bertold gefällt haben, Liutold
von Kärnten und Wratislaw von Böhmen
begleiteten von Bertolds Standesgenossen
die königliche Heerfahrt, auch der Bischof von Osnabrück und
der Bischof von Zeitz (Naumburg) waren noch und Embricho von Augsburg und
andere waren vielleicht schon beim König; dazu waren schwäbische
Grafen anwesend.
Seit der kläglichen Fahrt des Gegen-Königs
von Mainz nach Schwaben hatte sich Bertold zurückgehalten,
an RUDOLFS Tagen und Zügen nicht
teilgenommen und ruhig auf seinen Burgen gesessen. Ob eine Ladung zu des
Königs Gericht an Bertold
gelangt ist, wissen wir nicht; es scheint kaum so. Nun also
brachte man dem Herzog, wie RUDOLF
und Welf, die Kunde vom Ulmer Spruch: Sein Herzogs-, sein Grafenamt war
ihm genommen und anderen teils gegeben, teils zugedacht, nur seines Hauses
Eigengut hatte man ihm gelassen und über seinem eigenen grauen Haupte
schwebte weitere vernichtende Kriegsnot. Das hat den alten ZÄHRINGER
noch einmal aufgerüttelt aus der Zurückgezogenheit und Untätigkeit,
aus dem Stillverhalten und Abwarten; war doch RUDOLFS
fast aufgegebene Sache jetzt für ihn selber das Einzige geblieben.
An Unterwerfung knüpfte er keine Gedanken und keine Hoffnung; er war
entschlossener denn je, an RUDOLFS
Seite zu kämpfen, mit ihm zu bestehen oder zu fallen. Er sammelte,
was er konnte, an Mannen und Reisigen und führte sie dem Gegen-König
zu; dasselbe tat Welf. Aber was die beiden und RUDOLF
selbst zusammenbringen konnten, es reichte doch kaum an 5.000 Kämpfer
heran und deshalb bestanden alle darauf, dass RUDOLF
den ebenso törichten wie kleinlichen Kampf in Schwaben aufgeben und
nach Sachsen gehen solle. RUDOLF nahm,
als er nach Sachsen ging, die 5.000 nicht mit, sondern ließ sie in
Schwaben, dessen Schutz er den Zurückbleibenden, an erster Stelle
Bertold anvertraute. Nach der Übereinkunft
von Würzburg zwischen den beiden streitenden Parteien hatten Bertold
und Herzog Welf ihre schwäbischen Truppen beurlaubt und
mußte tatenlos zusehen, wie König HEINRICH
Schwaben
erneut verwüstete. Nach dem Scheitern des Fürstentages zu Worms
(1. November) ging der Krieg in Schwaben weiter. Bertolds
Sohn, Markgraf Bertold II. besiegte das Heer der Bischöfe von
Straßburg und Basel und ließ die Bauern, die an der Schlacht
teilnahmen und nicht zu fliehen vermochten, entmannen.
Der alte Bertold
selbst war mit Welf nach dem königstreuen Franken gezogen, wo ihre
Truppen durch Sengen und Plündern für die Leiden Schwabens Rache
nahmen; bei ihnen befand sich der päpstliche Legat Abt Bernhard von
Marseille, der ihren ganzen Feldzug bis zu Ende mitmachte. Die Herzöge
beschlossen, von Franken aus den Weg zu RUDOLF
fortzusetzen. Doch König HEINRICH
verlegte ihnen den Weg und zwang sie zur Errichtung eines Lagers, das er
von 12.000 Bauern bewachen ließ und zog selbst RUDOLF
zur Schlacht von Mellrichstadt entgegen (7. August). Inzwischen aber waren,
sobald sich der König entfernte, die beiden Herzöge mit ihrem
Heer zum offenen Kampf gegen die zahlreicheren Bauern vorgegangen und hatten
- zufällig ebenfalls am 7. August - den Sieg, jedoch nicht ohne härtestes
Ringen erfochten. Zum Schluß waren die Bauern völlig zersprengt
und nun verhängte Herzog Berthold
über die Gefangenen dieselbe Strafe für ihr Waffentragen, die
schon sein Sohn auf dem Siegesfeld vollstreckt hatte. Sie plünderten
das Gebiet und kehrten froh und hoffnungsvoll über den eigenen wirklichen
und den von RUDOLF gemeldeten Sieg
nach Schwaben zurück. Anschließend fielen König
HEINRICHS Truppen zum dritten Mal in Schwaben ein und plünderten
überall. Vor allem auf Welfs und Bertolds
eigene
Besitzungen stürzte sich der wilde Schwarm, der wohl auch die von
Bertold gegründete und mit Hirsauern
besetzte junge zähringische Hauspropstei
Weilheim zur raschen Vernichtung kurzen Gedeihens gebracht hat.
Krank und todesmatt lag in diesen Tagen Herzog
Bertold hinter den Mauern seiner Limburg. Der Brandrauch der
Dörfer nahe umher, der Jammerruf seiner Treuen drangen zu dem gebrochenen
Manne auf dem kriegsumringten Bergkegel empor und beschleunigten sein Ende;
er bestellte sein Haus und befahl sich seinem Gott. Aber kein sanftes Hinscheiden
ward ihm beschieden: zu grauenhaft verwirrend waren auf das Gemüt
des Kranken die alles vernichtenden Ereignisse seiner letzten Lebenstage
eingestürmt; in wilden Fieberphantasien lag er, bis dann am siebenten
Tage seit der gefährlichen Wendung seiner Krankheit, am 5. oder
6. November 1078 der Tod ihn erlöste. Seinen Leichnam, der in
Weilheim keine Stätte der Ruhe mehr hätte finden können,
brachten die Seinigen in dasjenige Kloster, das den Lebenden oft als Freund
gesehen hatte, nach Hirsau und hier hat Herzog
Bertold nun auch im Tode Gastfreundschaft gefunden.
Folgenden Nachruf hat Bertold von Reichenau dem der Gregorianer-Partei
entrissenen Herzog gewidmet: "Er war der christlichen Frömmigkeit
ein Freund und eifriger Verteidiger, einer, der in mäßiger und
geordnet ehrenvoller Lebensführung von nicht durchschnittlicher und
in Gerechtigkeit und Frieden, Demut, Barmherzigkeitspflege und Eifer für
Gott von dienstwilliger Haltung befunden ward, ein sehr unterrichteter
Hüter der Rechte und der väterlichen Würden, in großer
Beratung ein Mann weisester Art und schlechthin ein Mensch von jeglicher
Ehrbarkeit der Sitte von rechter Mannestüchtigkeit".
Bertolds erste Gemahlin
ist Richwara, mit welcher gemeinschaftlich er das Klösterchen
Weilheim mit Gütern im Neckargau ausstattete. Sie ist die Mutter seiner
Söhne, nämlich Hermanns, Gebhards und Bertolds
und
muß nach Maßgabe der für die beiden ersten anzusetzenden
Geburtsjahre, wenn nicht etwa noch früher, in den 40-er Jahren des
Jahrhunderts, also zur Zeit, als Bertold
noch schwäbischer Graf war und unter HEINRICHS
III. Regierung, von ihm als Gattin heimgeführt worden sein.
Ihre Herkunft bleibt in den Quellen dunkel; vereinigte Kombinationen, die
hauptsächlich, jedoch nicht allein auf die Besitzverhältnisse
gestützt sind, haben sie als eine kärntnische Herzogs-Tochter
erkennen lassen, an die von der Seite ihrer Großmutter, Mathilde,
das heißt der Mutter Konrads II. von Kärnten und Tochter
Herzog Hermanns II. von Schwaben ein ansehnliches Gut aus dem Erbe der
- neuerdings als "ALAHOLFINGER" in die Geschichte eingeführten - alten
alamannischen Herzogsfamilie gekommen war. Die sonst bekannt gewordenen
alaholfingischen Güter aber liegen keinem geschlossenen Güterkomplex
so benachbart, wie gerade den zähringischen
Besitzungen an der Alb im Osten des Neckarsbug (das heißt der später
Treckschen Herrschaft), während diese ihrerseits von dem alt-zähringischen
Gut im Breisgau und in der Ortenau und auf der begleitenden Ostabdachung
des Schwarzwaldes bis an den oberen Neckar heran, also von den einheitlich
um den damals unbesiedelten inneren Schwarzwald herum gelagerten Gebieten
abgeschnitten waren durch das sich dazwischen schiebende alte ZOLLERN-Gut.
Ferner: bei der einzigen Verfügung über einen Besitz aus diesem
isolierten ZÄHRINGER-Gut, die wir von Bertold
I. kennen, bei der Stiftung und Ausstattung der Propstei Weilheim
verfügt der Herzog mit Richwara
zusammen und die Klostertradition
hält es sorglich fest, dass sie Mitvergaberin gewesen sei. So fügt
sich denn alles zusammen, um über Richwaras Abkunft und das
von ihr Bertold I.
zugebrachte Gut mit einer recht hohen Sicherheit entscheiden
zu lassen.
Richwara
starb vor ihrem Gemahl. Der verwitwete
Herzog entschloß sich noch zu einer zweiten Heirat und führte
die "Schwester des Markgrafen Friedrich,
Beatrix" heim. Sie war
die Tochter Ludwigs, des Grafen vom burgundischen Elsgau (Mömpelgard)
und lothringischen Baargau (Mousson) und Sophies, der Tochter des mosellothringischen
oder oberlothringischen Herzogs Dietrich II., dessen andere Tochter Beatrix
sich mit Markgraf Bonifaz von Tuszien vermählt hatte, so dass also
deren Tochter Mathilde und Herzog Bertolds
I. zweite Gemahlin rechte Cousinen waren. Von einer besonderen
Bedeutung würde es sein, die Zeit der zweiten Heirat Bertolds,
die ihn mit der gregorianischen Partei durch ein Familienband verknüpfte,
genauer bestimmen zu können.
Wenn Beatrix mit ihrer Cousine Mathilde ungefähr
gleichaltrig war, dürfte sie frühestens in den 60-er Jahren mannbar
geworden sein.
Beatrix überlebte Bertold,
vermählte sich aber nicht wieder. Sie ging in die Heimat ihrer Mutter
zurück und lebte bei letzterer und zwar ohne erkennbare nähere
Beziehung zu den Stiefsöhnen, nur dass Bischof Gebhard, das
heißt wohl durch diesen sein Vertrauter, der Chronist Bernold von
ihrem Ableben zu seiner Zeit erfuhr. In ihren letzten Jahren war sie durch
langwierige Krankheit heimgesucht, von der sie der Tod am 26. Oktober 1092
erlöste. In Toul ward sie von dem dortigen Bischof zu Grabe geleitet.