Hlawitschka, Eduard: Seite 76,128-130
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"Franken, Alemannen, Bayern und Burgunder in Oberitalien (774-962)"

WIDO zog es vor, nach Italien zurückzukehren, um hier, wo er eines stärkeren Anhanges sicher sein konnte, dem inwischen in Pavia erhobenen BERENGAR, seinem Gegner von 883, die Krone streitig zu machen. Eine große Zahl von westfränkischen Anhängern begleitete ihn dorthin. Dieser Anhang muß immerhin so beachtlich gewesen sein, daß dieses Unternehmen WIDOS als ein neuer Eroberungszug aus Francien angesehen werden konnte, bei dem die Einheimischen aus dem Besitz ihrer Güter und Lehen verdrängt werden sollten. - Da ist zunächst Anscar, der von 879 bis 887 im westfränkischen Gau von Ouche nachweisbar ist und zum Lohn für seinen Einsatz später die Markgrafschaft Ivrea erhielt; mit ihm kam sein Bruder Wido, der im Kampfe fiel. Sie waren ihrem Prätendenten mit 500 Mann gefolgt.

XXVI.      ANSCAR (I.)

war der Stammvater der Markgrafen von Ivrea. Die Gesta Berengarii imperatoris berichten, daß er mit König WIDO nach Italien kam, als dieser von seinem Zug nach W-Franken (888) zurückkehrte. 500 Mann sollen er und sein Bruder Wido, der im zweiten großen Treffen an der Trebbia fiel, in den Kampf gegen BERENGAR geführt haben. Für die Folgezeit ist Anskar einige Male in der Umgebung WIDOS und LAMBERTS nachzuweisen.
Am 21.Februar 891 war er in Rom, um der an der Kaiserkrönung WIDOS teilzunehmen. Zusammen mit dem Bischof Wibod von Parma, einem der gewiegtesten Diplomaten dieser Zeit, intervenierte er für die Überlassung großer Fiskalgüter an die Kaiserin Ageltrude, WIDOS Gemahlin; dilecti consiliarii werden sie dabei genannt. Am 11. Juli 892 ist der strenuissimus marchio Ansker bei WIDO in Pavia. Als ARNULF VON KÄRNTEN sich im Frühjahr 894 zu seinem ersten Romzug rüstete, wegen der Ermattung des Heeres bei Piacenza aber umkehren mußte und über NW-Oberitalien wieder abziehen wollte, verlegte Anskar den abziehenden Truppen beim Kastell Ivrea den Weg, so daß ARNULF erst nach dreitägiger beschwerlicher Umgehung ins Tal von Aosta und dann über den St. Bernhard nach Schwaben gelangen konnte [Schiaparelli, a.a.O. Seite 41, nr. 16 (= Manaresi, I placiti Seite 420, Insert. in nr. 113). - Intervention für die Freilassung des Hörigen Martin aus Vercelli.]. Am 25. Juli 896 trat der dilectissimus marchio noster atque fidelissimus comes Anscharius als Fürbitter für das Kloster Bobbio beim Nachfolger WIDOS, Kaiser LAMBERT, hervor. Nach dessen frühen Tode (+ 15. Oktober 898) hat er sich mit König BERENGAR zu versöhnen vermocht. Der Abt Johannes vom S. Cristinakloster bei Cortelona erwirkte jedenfalls am 1. Dezember 898 per Petrum venerabilem episcopum (von Padua, archicancellarius BERENGARS), Restaldum (königlicher Notar) et per Ascherium illustrem marchionem, summos consciliarios nostros, von dem in Reggio/Emilia weilenden König BERENGAR die Überlassung der curtis Bellamio in der Grafschaft Acqui für sein Kloster [Schiaparelli, I dipl. di Berengario I. Seite 69 nr. 23. - Vgl. auch E. Dümmler, Gesta Berengarii Seite 34, Anmerkung 4. Um diese Zeit scheint auch die Ehe Adalberts, des Sohnes Anskars I., mit Gisla, der Tochter König BERENGARS, zustande gekommen zu sein.].
Im April 902 muß Anskar schon verstorben gewesen sein, denn damals trat bereits sein Sohn als Adalbertus marchio filius quondam Anscherii hervor [Schiaparelli, I dipl. di Lodovico III, Seite 51, nr. 16. - Papst Johann IX. nennt 899 in einem Schreiben an Klerus und Volk von Langres einen Anscharium comitem dilectem filium nostrum als einen Nachrichtenübermittler; Migne PL 131 Seite 30, nr. 3. Hier könnte Anskar von Ivreagemeint sein.].
Markgraf Anskar gehörte dem Stamm der Salfranken an. Nach salfränkischem Recht lebten nicht nur seine Nachkommen, sein Geschlecht läßt sich auch in Burgund zurückverfolgen, wie er selbst vor seinem Erscheinen in Italien dort im Gau Ouche bei Dijon Graf gewesen zu sein scheint.