CV. LANFRANC
erlebte in seiner politischen Laufbahn einen ähnlichen Aufstieg
wie
sein Vater Giselbert I.; zuerst
begegnet er uns als königlicher
Vasall,
dann erscheint er als Graf und
schließlich auch als Pfalzgraf.
Wie der
Vater, der als homo novus auf
der politischen Bahn erschien und auch
alle für einen Emporkömmling bezeichnenden Mittel der
Intrige, der
Verschwörung und der geringen Gefolgsmannentreue in Stunden echter
Gefahr anwandte, um sich hochzukämpfen, so scheint auch Lanfranc sich
verhalten zu haben. Auch bei ihm ist die wichtigste Stufe des
Aufstieges mit dem Wechsel einer politischen Machtkonstellation,
nämlich mit dem Übergang der Macht von Hugo und Lothar auf Berengar II.,
Hand in Hand gegangen.
Lanfranc erscheint zum ersten
Mal in dem am 12. Mai 935 in Pavia
ausgestellten Diplom der Könige Hugo und Lothar. Auf
Bitten „ihres
edlen Vassus und lieben Getreuen
Lanfranc" schenken diese an Garibert,
einen Vasallen Lanfrancs, die Magd Walperga mit ihren Söhnen,
welche
bislang zur königlichen curtis
Burscanti gehörten [1
SCHIAPARELLI, I dipl. di Ugo e di Lothario Seite 111, nr. 37. Ob eine
Identifizierung mit dem Lanfrancus iudex
dominorum regum vorgenommen
werden darf, der am 25. April 931 in Pavia eine Urkunde des Markgrafen
Berengar von Ivrea
unterzeichnete und dabei auch zwei eigene Vasallen
unterschreiben ließ (CdL Seite 915, nr. 537), wage ich nicht zu
entscheiden.]. Und gleichfalls
ist er wohl identisch mit dem
königlichen Vasallen Lanfranc, der bei
dem am 18. September 935 zugunsten des Bistums Parma in Pavia
abgehaltenen Placitum vor dem Pfalzgrafen
Sarilo und den Königen Hugo
und Lothar
zugegen war, ja der neben dem Pfalzgrafen und den Bischöfen
Atio und Batericus
sowie
den 6 Königsrichtern als einziger der noch anwesenden
Königsvasallen und
anderen hohen Personen das Urteil mit unterzeichnet [2
SCHIAPARELLI, a.a.O. Seite 115, nr. 39 (= MANARESI, I placiti Seite
506,
nr. 136). Zur Frage der Echtheit dieser Urkunde vgl. vorläufig C.
MANARESI, Alle origini del potere dci vescovi Seite 238ff.].
945 sehen wir Lanfranc zum
ersten male als Grafen. In der am 29.
März dieses Jahres ausgestellten Urkunde Hugos und Lothars [3
SCHIAPARELLI, a.a.O. Seite 230, nr. 79.],
interveniert er
als comes
zusammen mit dem Grafen Aledram
für die Überlassung von
Besitzungen in der Grafschaft Torrona und von 3 Mühlen bei Pavia
an
seine Mutter [4 LIUDPRAND,
Antapod. lib. 1V, cap. 14, Seite 112, berichtet, daß
König Hugo
neben anderen auch Rozam,
Walperti decollati
filiam, die nach dessen
eigenen Angaben (lib. III, cap. 39, Seite 92) schon Gileberto (=
Giselberto)
comiti palatii
ehelich verbunden war, zur Buhle
auserwählt
hatte und daß diese ei
mirae pulcritudinis peperit natam. Die
Rotlind,
welche Hugo
in unserer Urkunde (Anm. 3) als
filiam nostram bezeichnet,
muß dieses von LIUDPRAND als „wunderhübsch" bezeichnete
Mädchen sein;
und beachtet man noch weiter die schon bei Giselbert I. zitierte
Urkunde von 959/Juli/13 (CdL Seite 1089, nr. 634), in der es
heißt: ego
Rotruda que et Roza
comitissa bone memorie Wlalperti judicis filia
et relicta quondam Giselberti comes
palatio ... pro remendium anzme
nree reu suprascripii vir meur ei quondam Lanfranki ftlio meo ... do,
tralla ..., dann muß die hier erwähnte Rotruda Lanfrancs Mutter und Rotlind
Lanfrancs Stief-Schwester gewesen sein, obwohl
es in der Urkunde selbst nicht ausgesprochen wird. Ungerechtfertigt
erhebt gewisse Zweifel an dieser Identifizierung E. ODAZIO, I conti del
comitato bergamasco.] Rotruda und an seine Stief-Schwester Rotlinda (Tochter König
Hugos) mit ihrem ersten Gemahl Graf Elisiard.
Welcher Grafschaft
Lanfranc vorstand,
läßt sich daraus allerdings nicht
entnehmen. Da aber
sein Vater, Giselbert I., die Grafschaft Bergamo
verwaltete und auch
sein Sohn, Giselbert II., als Graf von Bergamo nachweisbar ist,
dürfte
bei der sich ausbreitenden Sitte, daß die Söhne in der
Grafschaft des
Vaters nachfolgen [5
Vgl. Exkurs: Supponidengenealogic Anm. 22.],
anzunehmen sein, daß auch er Graf
von Bergamo
war.
- Ob er schon längere Zeit vor 945 Graf war, das heißt ob er
die
Grafenwürde durch freien Willensentschluß König Hugos
erlangte, oder ob
er erst bei dem zu Anfang 945 eingetretenen Übergang der
Regierungsgewalt von Hugo auf Berengar II.
sein Amt durch des letzteren
Gunst erhielt, ist nicht zu sagen. Sicher ist nur, daß er mit
Berengars
Hilfe bald zum Pfalzgrafen
aufstieg. Er trat damit an die Stelle
Huberts, eines illegitimen Sohnes Kg. Hugos, der dieses Amt im Zuge der
ersten harten Eingriffe Berengars verlor [6 Vgl. A.
HOFMEISTER, Markgrafen Seite 408 wie auch LIUDPRAND, Antapod.
lib. V, cap. 29 und 30, Seite 148f. und die Skizzen Hubert und Bonifaz.
Antapodosis lib. V, cap. 30, Seite 148f.].
„Obgleich die Italiener
damals Hugo
und Lothar
wiederum als Könige anerkannten, so war
doch
Berengar
nur dem Namen nach Markgraf, in Wahrheit aber König; jene
dagegen hießen Könige, galten aber in der Tat nicht einmal
soviel wie
Grafen" - sagt LIUDPRAND [7 Antaposidosis
lib. V, cap. 30, Seite 148f.] über die Zustände
zwischen 945 und
950. Wenn deshalb Lanfranc am
13. April 945 an Huberts Statt
als
Pfalzgraf erscheint, dann
muß er sich vorher zusammen mit dem Veroneser Grafen Milo, dem Erzbischof Manasse von Mailand und
den vielen anderen Großen um den zu Anfang 945 durch den
Vintschgau heranziehenden Berengar
verdient gemacht haben und damit in dessen Gunst gelangt sein, - ganz
einerlei, ob er damals schon Graf war oder noch nicht; und es muß
die Gunst
Berengars gewesen sein, die ihn zur höheren Würde
führte. Ist doch auch Berengar II.
mit dem Begünstiger seines Aufstieges - Milo - und anderen Großen bei
diesem Paveser Gerichtstag vom 13. April 945, bei dem Lanfranc zum ersten Male als Pfalzgraf auftritt, neben dem gerade
noch geduldeten König Lothar zugegen gewesen [8
SCHIARAPELLI, I dipl. di Ugo e di Lothario Seite 232, nr. 80
(= MANARESI, I placiti Seite 551, nr. 144): dicat iste domnus
Berengarius marchio filius
bone memorie Adelberti marchio senior
meus, qui ic adpresens est.
- G. FASOLI, I re d'Italia Seite 161,
schreibt: „Lanfranco ... era rimasto fino all'ultimo acconto al
sovrano, e trovarlo conte palatino di Lotario, e vedergli conservar la
carica fino alla fine de giovane re, fa credere che egli fosse stato
elevato a quel posto non da Berengario, ma dal partito rimasto fedele a
Ugo e alla sua memoria ...". Dieser Auffassung kann ich mich nicht
anschließen.].
In drei Urkunden von 947, 949 und 950 gibt Lanfranc als comes palatii
Notaren die Erlaubnis zur schriftlichen Ausfertigung und Beglaubigung
getätigter Rechtshandlungen [9
CdL Seite 991, nr. 580 und CdL Seite 997, nr. 584. - Die zweite
Urkunde nicht, wie angegeben, zu 948/Februar, sondern zu 949/Februar. -
Wenn die dritte Urkunde vom Februar 950 (CdL Seite 1005, nr. 589 -
falsch
zu 949/Februar) per data licentia
Lanfranchi comes ausgestellt
ist,
dann scheint das auf einen Abschreibfehler für das richtigere comes
palatii zurückzugehen. Zur Datierung der Urkunden vgl. C.
SANTORO,
Rettifiche Seite 243.]. Mit einem Diplom vom 20.
August 949 schenkt dann noch König
Lothar interventu ac petitione Lanfranci comitis palatii dem
iudex
Nazarius den von der porta
Sancti Laurentii usque ad pusterulam quae dicitur Fontescandia
reichenden Teil der Stadtmauer von Como mit einem jeweils 6 Fuß
breiten Landstreifen innerhalb und außerhalb derselben [10
SCHIAPARELLI, I dipl. di Ugo e di Loth. Seie 280, nr. 13.].
Der Name und die Herkunft der Gemahlin
Lanfrancs sind uns unbekannt; wir kennen nur zwei Kinder, - den späteren Pfalzgrafen Giselbert II.
[11 Vgl.
Skizze Giselbert II.]
und eine Tochter Franca [12 GLORIA,
Padua I Seite 61, nr. 42. - Zur ganzen Familie
der GISELBERTE vgl. E. ODAZIO, I conti del comitato bergamasco.].
Beide suchten ihre Ehepartner in Adelsfamilien mit fränkischem
Herkommen. Giselbert II. heiratete
Alsinda, die Tochter des Markgrafen Arduin Glabrio,
und Franca den marchio et dux
Almericus ex genere Francorum.
Sie selbst bekannten das langobardische Recht, was somit auch die
Zugehörigkeit Lanfrancs
zum Stamm der Langobarden erweist.
In der Urkunde Amelrichs und Francas vom 30. Januar 954
bezeichnet sich Franca als filia bone memorie Lanfranci comes palacii [13 Vgl. Anm.
12.]; Lanfranc
muß deshalb damals schon verstorben gewesen sein.
Höchstwahrscheinlich dürfte sein Todestag auch noch vor dem
23. Juni 953 liegen, an dem Otbert I.
bereits als Pfalzgraf, das heißt als Amtsnachfolger Lanfrancs, fungiert [14 Vgl. F.
GABOTTO, I marchesi Obertenghi fino alla Ante di Luni Seiteq 153.].