LXVIII. FRAMSIT
war unter dem SUPPONIDEN Wifred II.
vicecomes von Piacenza, wie uns
eine im September 91 1 in Piacenza ausgestellte Urkunde mitteilt [1
MANARESI, I placiti Seite 459, nr. 123 (= FICKER, Forschungen IV Seite
25, nr. 20).].
Über diesen Vicegrafen scheint zunächst nichts weiter bekannt
zu
sein.
Eine Urkunde vom 2. März 898 zeigt jedoch einen Framsit filio
quondam
Gandulfi bei einem Gütertausch mit einem Presbyter der S.
Marienkirche
von Reggio in Rivalta (6 km südwestlich Reggio) [2 TORELLI, Le
carte Reggiani Seite 71, nr. 27 (=
TIRABOSCHI, Modena I Seite 70, nr. 53).].
Für den Januar 926 ist
dieser Framsit
filio bone memorie Gandulfi wiederum in Reggio
nachgewiesen [3
TORELLI, Le carte Reggiani Seite 117, nr. 47.].
Gegen Überlassung einiger Grundstücke in
Rivalta
erhielt er verschiedene andere Liegenschaften zu Libell. Daß es
sich
hierbei um den in Piacenza hervorgetretenen Vicegrafen Framsit handelt,
geht nicht nur daraus hervor, daß auch drei vassi ipsius Framsit
beim
Vertragsabschluß zugegen waren, was die gehobenere Stellung (-
eben das
Vicegrafenamt -) Framsits
anzuzeigen vermag; die Verbindung dieses
Framsit zu Piacenza wird auch
aus dem Testament des Presbyters
Radovin
deutlich [4
BOSELLI, Delle storie Piacentine I Seite 291 -
Piacenza 927/Juli/31.]. Dieser konnte
nämlich verschiedene Besitzungen in
comitato
Auciense seu et in comitato
Placentino der Piacentiner Kirche
überlassen, die ehemals im Besitze des Framsit filius qd. Gandulfi
standen [5
Zur Lage des comitatu Auciense
im Gebiet von Piacenza, Parma, Reggio
vgl. M. CASELLA, Del comitato Aucense Seite 257ff. Auf eine Urkunde des
Vaters Framsits, des älteren Gandulf, scheint
I.
MALAGUZZI VALERI, I Supponidi Seite 39, Anm. 2 aufmerksam zu
machen: „Ora di Gandolfo, del quale il visconte Fransit si dice figlio,
si ha una carta dell' 878 di compera di beni in Vicolongo (luogo che
comprendeva andre la capella di S. Possidonio della vedova di Suppone
II), la quale carta lo qualifica gastaldo (TIRABOSCHI, Cod. dipl.
Modenese 1, 48)". Eine Nachprüfung bei TIRABOSCHI (= TORELLI, Le
carte
Reggiani Seite 42, nr. 15) zeigt aber einen Raginerius gast.
an der
betreffenden Stelle. (Unkontrolliert ist MALAGUZZI VALERI
übernommen
von C.G. MOR, L'eta feudale I Seite 194, Anm. 13). - Findet sich
hier
also kein Beleg für den (älteren)
Gandulf, so ist die
genannte Urkunde
in unserem Zusammenhang dennoch nicht uninteressant. Denn Raginerius
gast. scheint zu dem Verwandtenkreis
des Vicegrafen Framsit gehört
zu
haben. Ein nepos Framsits hatte
nämlich einen Raginerius
zum
Vater. Am
25. Januar 926 traf ja Framsit
die Bestimmung, daß im Falle
seines
söhnelosen Todes ein gleichnamiger
Framsit, filio quondam
Raginerii,
nepote meo, seinen Besitz in
Rivalta bei Reggio übernehmen sollte
(siehe
oben Anm. 3). Für MALAGUZZI VALERI ist nun
auch diese Erwähnung des
jüngeren Framsit, Sohn Raginers, von Interesse. Weil
nämlich am 8. September 981 in eben genannten Rivalta bei Reggio
wiederum
ein Framsimus filius
quondam Raginerii de commitatu Regense auftritt und dort
Güter zu Libell gibt, dabei aber nicht wie der ältere
(Vicegraf) Framsit das salfräinkische,
sondern das langobardische
Recht bekennt (TORELLI, Le carte Reggiani Seite 185, nr. 71), glaubt er
„uno degli esempi piu antichi e piu interessanti di professioni
contraditorrie" gefunden zu haben. Es ist aber weder belegt, daß
der ältere (Vicegraf) Framsit und Raginer, der Vater des jüngeren
Framsit, Brüder waren, noch bezeugt, daß der 926
bereits verstorbene
Raginer ein Sohn des älteren Framsit war.
Zur Urklärung der "nepos"-Verwandtschaft genügt sowohl die
Annahme einer Verschwägerung
des alteren Framsit und Raginers wie auch die Annahme,
daß der 926
schon verstorbene Raginer eine
Tochter Framsits zur Frau
genommen
hatte. Wegen dieser Möglichkeiten zur Erklärung der
„nepos"-Verwandtschaft liegt hier kein Beweis eines Rechtswechsels vor.
Wenn Raginer Langobarde war
und eine fränkische Frau (Schwester
oder
Tochter des älteren Framsit) geheiratet hatte, so
mußten nach den
Rechtsgewohnheiten der damaligen Zeit die Kinder aus dieser Ehe
selbstverständlich das für den Vater verbindliche
(langobardische)
Recht bekennen. - Vgl. auch Seite 249f. Der ältere Gandulf ist dagegen
wohl mit jenem
Gandulfo gastaldio filio
quondam Mauringi identisch, der in einer Urkunde aus Nonantola
(ca. 872
- arg verstümmeltes Original) genannt wird und dabei Leute ex genere
Francorum um sich hat (TIRABOSCHI, Nonantola II Seite 57, nr.
43). Ob über
Mauring eine Verwandtschaft zu
den salfränkischen SUPPONIDEN
bestand,
kann hier nicht entschieden werden. Ein Mauringus gastaldius
saß
übrigens schon 824 in Reggio zu Gericht; vgl. MANARESI, I placiti
Seite
109, nr. 36 (= TIRABOSCHI, Nonantola II Seite 41, nr. 25).].
Framsit, der als Vater des Grafen Gandulf (von Piacenza) anzusehen ist,
war ex genere Francorum, wie
die zitierten Urkunden bezeugen. Und ex genere Francorum waren auch seine
Vasallen.