Als der Graf von Sizilien um die 50 war, vermählte
er sich mit der kaum 15-jährigen Adelheid
del Vasto (1089/90). Zwei Schwestern Adelheids
wurden mit zwei Söhnen Rogers
verheiratet bzw. verlobt: die eine mit dem trotz seiner unehelichen Geburt
zunächst als Nachfolger betrachteten Jordan,
die andere mit Gottfried, der jedoch vor der Hochzeit starb. Adelheids
Bruder Heinrich bekam eine Tochter des Grafen zur Frau. Durch dieses
komplexe Heiratsbündnis verband Roger I. seine Familie eng
mit den ALERAMIDEN, einer mächtigen
Adelsfamilie aus N-Italien, die in Ligurien und Piemont beheimatet waren.
Aus der Ehe mit Adelheid gingen
zwei Söhne hervor, Simon
und Roger II., und wahrscheinlich auch
mindestens eine Tochter. Die junge Frau des Grafen verstand es, die aus
früheren Ehen geborenen Söhne von der Erbfolge ausschließen
zu lassen. Im Juni 1101 starb Roger I. Seine Gemahlin ließ
ihn in einem antiken römischen Marmorsarkophag beisetzen, über
den ein aus Porphyrstein errichteter Baldachin angebracht wurde.
Adelheid war beim
Tode ihres Mannes 1101 etwa 26 Jahre alt. Da der zur Nachfolge bestimmte
Simon noch ein Kind war, übte sie für ihn die Regentschaft
aus. Über diese Zeit ist wenig bekannt. Der normannische Mönch
Ordericus Vitalis (1075-1142) erzählt, Adelheid
habe die Regentschaft einem Sohn des Herzogs von Burgund anvertraut. Als
Roger
II. volljährig wurde, habe sie den nun überflüssigen
Regenten vergiftet. Davon weiß aber keine andere Quelle etwas.
Sicher ist, dass die Gräfin einige Rebellionen von
Vasallen mit harter Hand unterdrückte. Spätere griechische Quellen
sprechen in diesem Zusammenhang von einem "Aufstand der Barone im ganzen
Lande Kalabrien und Sizilien", von der Zerschlagung der Rebellen "wie Töpfergeschirr".
Die junge Regentin stützte sich vor allem auf ihren Bruder Heinrich
sowie auf die Mitarbeiter Rogers I.
Die griechisch-byzantinische Kultur und Religiosität
scheinen auf Adelheid, die nicht mehr
in Troina, sondern hauptsächlich in Messina residierte, einen großen
Einfluß ausgeübt zu haben. Besonders nahe stand der Regentin
der Abt Gregor von San Philipps di Fragala im Val Demone. Als der kleine
Roger
an
den Ohren erkrankte, vielleicht hatte er Mumps, wandte sich
Adelheid
an
Abt Gregor. Dieser führte eine baldige Genesung herbei (1101). Zum
Dank bedachte die Gräfin sein Kloster mit zahlreichen Schenkungen.
Im Alter von zwölf Jahren starb am 28. September
1105 ihr ältester Sohn Simon und Adelheid
übte jetzt die Regentschaft im Namen Rogers
II. aus. Es gelang ihr, ihrem Sohn die Grafschaft von Kalabrien
und Sizilien in geordneten Verhältnissen zu hinterlassen. Ihr Bruder
Heinrich
hatte mit zahlreichen Einwanderern aus N-Italien, die in den süditalienischen
Quellen vereinfachend Lombarden genannt werden, im Gebiet von Paterno und
Butera niedergelassen, das ihm Roger I. als Lehen zuwies.
In die Regentschaft Adelheids
fällt möglicherweise auch die Errichtung einer Niederlassung
genuesischer Kaufleute in Messina, der Anlaufstelle für die Schiffe
auf dem Wege nach Syrien und Alexandria. Kurz vor Ende ihrer Regentschaft,
zwischen März und Juni 1112, traf Adelheid
eine
wichtige Entscheidung. Sie verlegte die Residenz vom vorwiegend von Griechen
bewohnten Messina nach Palermo. Damit wurde eine Großstadt mit überwiegend
muslimischer Bevölkerung zur Hauptstadt eines christlichen Reiches.
Mit der Erreichung der Volljährigkeit Rogers
II. 1112 war Adelheids Aufgabe
beendet. Die etwa 37-jährige Gräfin hätte sich damit in
das Privatleben zurückziehen können. Sie bekam aber bald eine
Gelegenheit, erneut eine wichtige Rolle zu spielen. König
Balduin I. von Jerusalem hielt um ihre Hand an. Er war in verzweifelter
Geldnot und benötigte die reiche Mitgift, um seine Ritter besolden
zu können. Dafür war er bereit, jede Bedingung anzunehmen.
Adelheid
und Roger II. verlangten die Zusicherung,
dass, falls aus der Ehe kein Erbe hervorging, die Nachfolge im Königreich
Jerusalem an Roger
fallen sollte. Balduin
war auch damit einverstanden. In Sizilien wußte man wahrscheinlich,
dass der König eigentlich noch verheiratet war; er hatte zwar seine
zweite Gemahlin, die Armenierin Arda von Edessa,
verstoßen, die Ehe war aber nicht formal annulliert worden. Die Aussicht
auf eine Königskrone schien das Risiko wert.
Adelheid
brachte reich mit Waffen und Soldaten, Proviant und Gold beladene Schiffe
nach Jerusalem mit. Im September 1113 wurde die Vermählung mit großem
Prunk gefeiert. Die Ehe blieb tatsächlich kinderlos. Als Balduin
I. im Winter 1116/17 schwer erkrankte, schienen die Pläne
der inzwischen 40-jährigen Adelheid aufzugehen.
Sie hatte die Rechnung aber ohne die Vasallen des Königs und den Patriarchen
Arnulf von Jerusalem gemacht, die nicht bereit waren, den Grafen von Sizilien
als Nachfolger Balduins zu akzeptieren.
Sie befürchteten, ihre bisherige, auf Kosten des schwachen Königs
erworbene starke Stellung einzubüßen. Der Patriarch brachte
nun das Argument der noch bestehenden 2. Ehe Balduins
vor; der kranke König war also gezwungen, Adelheid
zu verstoßen. Enttäuscht verließ sie nunmehr als Ex-Königin
das Land und schiffte sich im Frühjahr 1117 nach Sizilien ein. Hier
starb sie kaum ein Jahr nach ihrer Rückkehr am 16. April 1118;
im Kloster S. Salvatore in Patti fand sie ihre letzte Ruhe.
Adelheids Plan, ihrem
Sohn die Königskrone von Jerusalem zu verschaffen, war zwar gescheitert.
Durch ihren Aufstieg zur Königin hatte sie jedoch das Prestige des
sizilianischen Grafenhauses erhöht. Als Roger
König werden sollte, wies er in seinen Urkunden darauf hin, dass er
der Sohn einer Königin war.