Kapitel 3
Indeß hatte Berengar
das Reich Luthuvig's an sich gerissen,
und Ethelheid, die Wittwe desselben,
zu Cumä am 20. April gefangen genommen, die er nun mit Haft und Hunger
auf eine beweinenswerthe Art quälte. Von ihrer gepriesenen Schönheit
und Sitte hörte Otto, und indem
er vorgab nach Rom zu reisen, kam er auf dem Wege in die Lombardei, warb
um die damals der Haft entronnene Fürstin durch Bevollmächtigte,
und bewog sie, die durch reiche Geschenke günstig gestimmt war, seinen
Wünschen nachzugeben; auch gewann er zugleich mit ihr Pavia. Ueber
diese Ereignisse aber ward Dudo, sein
Sohn, gar düster und unzufrieden, und eilte hin zu den Unsern, und
verbarg sich in der
Umgegend von Saleveldun [Saalfeld] an einem zum Hinterhalt
passenden Orte. Der König kehrte darauf, nachdem er Pavia mit einer
Besatzung versehen und die nöthigen Anordnungen daselbst getroffen
hatte, nach Deutschland zurück. Dahin folgte ihm
Berengar nebst dem Herzoge Konrad [von Lothringen]
auf dem Fuße nach, und Berengar erlangte
durch seine und seines Sohnes Unterwerfung zu Augsburg vom Könige
Begnadigung, beschwichtigte auch durch demüthige Bitte den Zorn der
Königin, und kehrte dann in gutem Frieden heim. Otto
aber entdeckte, wie er als Regent Franken durchzog, den heimlichen Hinterhalt,
der ihm von seinem Sohne und seinem Schwager Hugo
bereitet war, und befahl ihnen alsbald durch Abgesandte mit zornigen Worten,
sie sollten ihm die Urheber eines solchen Verbrechens zuschicken oder gewiß
sein, daß sie als Empörer gegen die Gewalt des Königs angesehen
werden würden. Da sie indeß sich dieser Botschaft nicht fügen
wollten, so zog Otto ein Heer zusammen,
setzte sich durch Sturm oder Uebergabe in Besitz aller Burgen, die sein
Sohn inne gehabt hatte, und verfolgte ihn bis nach Mainz. Dies schloß
er mit großer Macht ringsum ein, und ermattete durch unablässigen
Kampf die Rebellen sehr. Darnach hatte, nachdem von beiden Seiten Geißeln
gestellt waren, der Vater mit seinem Sohne eine Unterredung, und versprach
ihm Begnadigung, wenn er seine Genossen, welche diese Empörung ins
Werk gesetzt hätten, angeben und zur Bestrafung ausliefern würde.
Das aber wollte und konnte der Jüngling nicht; denn er wollte sein
eidlich beschworenes Wort nicht brechen. Geschmäht von seinem Oheim
Heinrich,
kehrte Dudo
darauf in die Stadt zurück,
um den Kampf zu erneuern, und verband sich mit dem Grafen Ekbert
nebst vielen Rittern seines Oheims. Dann verließ er mit allen den
Seinigen heimlich in der Nacht die Stadt und eroberte in Baiern außer
den übrigen festesten Burgen die Hauptstadt Ratisbona oder Reinesburg
[Regensburg], indem er die Herzogin Juuthita [Judith], der
er nur ihre Söhne ließ, aus dem Lande vertrieb. Dann versuchte
er, den Herzog Thiedrich und den Grafen Wigmann, die, während
sein Vater ihm nachzog, sich anschickten, Mainz wieder in Besitz zu nehmen,
von ihrem Plane abwendig zu machen; Thiedrich aber ging gar nicht
darauf ein, den Wigmann indeß gewann er schnell durch Schmeichelreden
und Lockungen. Der König aber, der mit Heeresmacht in Baiern einfiel,
fand die Thore aller Städte verschlossen, und kehrte heim, nachdem
er das Land geplündert und verheert hatte. Darnach nahm Dudo,
am Widerstande gegen seinen König und Vater verzweifelnd, die bogenkundigen
Avaren als Bundesgenossen in Sold. Dies erfuhr der König alsbald,
und eilte den anrückenden Empörern mit fliegenden Fahnen entgegen.
Allein es ging ihm leider anders, als irgend jemand vermuthen konnte. Denn
die Avaren fielen, durch feindlich gesinnte Führer einen andern Weg
geleitet, in Franken ein und verwüsteten dasselbe furchtbar. Fragt
aber Einer in seinem Innern oder laut, woher einem fremden Volke eine solche
Kühnheit komme, daß es so bevölkerte, von ihnen so fern
gelegene Gegenden zu bedrängen unternahm: so vernehme er, was ich
als Ergebniß dessen, was ich aus Schriften je erlernt habe und auch
aus mir selber weiß, ihm antworte: Mit Gottes Zulassung werden diese
durch unsre Missethaten hervorgerufen als Geißeln Gottes, und
wir fliehen in gewaltigem Schrecken, weil wir feige sind ob unserer Ungerechtigkeit,
und so kommt es, daß wir, die wir im Glücke die Furcht Gottes
verschmäht haben, nun mit Recht die Zuchtruthe des Herrn fühlen
müssen, und daß wir, Ihn anrufend, kein Gehör finden, weil
wir in keiner Weise versucht haben, seinen Zorn zu sühnen. Aus diesen
Gründen also geschah es, daß Germania, schwächer als die
anderen, ihr benachbarten Länder Europa's, diesen Schaaren erlag,
denen schon für eine Mauer gilt, was ihren Pfeilen zu widerstehen
vermag.
Endlich ließ Gott sich bewegen durch das Verdienst
der Gerechten und den Jammer der Elenden, und trieb den Schwarm der Treulosen
in die Flucht, und als sie dann nach einer anderen Richtung, als der König
gedacht hatte, sich hinwandten, zog er ihnen noch einmal nach und fiel
wieder in Baiern ein. Nun begannen sie über den Frieden zu unterhandeln
und baten um Waffenstillstand, den sie auch erlangten. Jene aber, immer
unzuverlässig und ihren Herren untreu, warfen sich, nachdem sie sich
beim Könige nicht hatten rechtfertigen können, mit ihrem Führer
Liudulf
umher
schweifend, wieder in die ihnen wohl bekannte Veste Reinesburg [Regensburg].
Der König aber folgte ihnen sogleich mit starker Heeresmacht und belagerte
sie daselbst, zwang auch, obwohl erst nach lange schwankendem Kampfe, zuletzt
durch große Hungersnoth seinen Sohn und dessen Anhänger, um
Frieden zu bitten. Darauf warf sich Dudo
reuerfüllt nebst Hugo dem Vater zu Füßen: er flehte um
Verzeihung für das Vergangene, um Verbesserung seiner Lage für
die Gegenwart, und bot auch für die Zukunft Sicherheit. Der König
gab endlich dem Rathe seiner Großen nach, und nahm ihn an, verzieh
ihm seine Vergehungen und gewährte ihm die feste Zusicherung seiner
Gnade. Darauf stellte
Otto seinem Bruder
die lange verlorene Herrschaft wieder her und kehrte, als er alle Widerwärtigkeiten
überwunden glaubte, als Sieger nach Sachsen zurück.
Kapitel 15
Obwohl man mir hier mit Recht die Abweichung von der Ordnung
zum Vorwurfe machen dürfte, so ist es doch der Mühe werth, hier
noch mit zu berichten, daß der Kaiser seinem Bruder, dem Prinzen
Bruno,
das durch den Tod des Bischofs Wigfrid erledigte Erzbisthum Köln
sammt dem Herzogthum des Reiches Lothringen gab. Dieser Bruno
war
nach dem Herzoge Bruno von Sachsen, seines Vaters Bruder, benannt,
der von König Ludwig auf einen
Zug gegen die Dänen ausgeschickt, mit zweien Bischöfen, Thiedrich
und Markward, und den übrigen Kriegern am 2. Febr. (880) durch die
Ueberschwemmung eines Flusses umkam. Otto's
Bruder
also, der Erzbischof Bruno von Köln,
sonst ein sehr weiser Herr, sann doch, durch böse Rathgeber verleitet,
darauf, seinem König und leiblichen Bruder Gutes mit Bösem zu
vergelten. Er lud nämlich seinen Schwager
Hugo zu sich, der, wie wir oben erzählt haben, dem Kaiser
nur zu ungetreu war, und gedachte ihm, uneingedenk seines Eides und der
Bande des Bluts, die reich mit Edelsteinen geschmückte Krone aufzusetzen
und ihm so das Reich zu verleihen. Wie er nun am nächsten Tage, nämlich
am heiligen Ostermorgen, als alle Zeichen der
königlichen Hoheit bereit lagen und Hugo
mit weibischer Lüsternheit auf die Erfüllung seines Versprechens
harrte, im Begriff stand, die Krönung zu vollziehen, da hatte Gott
in seiner Barmherzigkeit ihm die Gnade erwiesen und in seiner alles
lenkenden Weisheit es so gefügt, daß sein Haß etwas nachgelassen
hatte und er nun sein Vorhaben schamerfüllt bereute. Darum berief
er
heimlich seinen Geheimschreiber Volkmar zu sich, entdeckte
ihm die verborgene Wunde seines Herzens, und bat ihn dringend um Rath,
wie sie zu heilen sein möchte. Und Gott, der denen, die sich zum Guten
bekehren, in allem zu helfen bereit ist, gab demselben durch seine himmlische
Einwirkung ein, durch welche Antwort er seines Vorgesetzten Sorge lindern
könnte. Er antwortete nämlich: "Der
heilige Geist, theuerster Herr, hat dir ins Herz gegeben,
daß der böse Feind, der Anreger dieses so großen Verbrechens,
über uns weiter keine Gewalt mehr haben soll; durch folgendes Mittel,
denke ich, kann derselbe zu Schanden werden und du deine Ehre bewahren:
die Krone, die du deinem Schwager zu verleihen versprechen hast, werde
ich, wenn ihr versammelt da sitzt, herbeitragen, so daß deine Treue
im Halten deines Worts allen klar sein wird; dann aber werde ich scheinbar
unwillkürlich hinfallen, und so die Krone zerbrechen, damit die jetzt
erkaltete Bruderliebe in Zukunft wieder an Wärme zunehme." Das gefiel
dem Erzbischof, und im inbrünstigen Gebete flehte er demüthig
zum Herrn um Erhörung. Als nun dernächste Morgen kam, und jene
Worte zur That wurden, stellte sich der Erzbischof sehr betrübt; Hugo
aber und die seinen, in ihrer so großen Hoffnung getäuscht,
waren
untröstlich in ihrem Schmerze; indeß kehrte
er nach dem Ende des Festes mit andern Geschenken, als er erwartet hatte,
beehrt heim. Nach dieser Zeit aber söhnten sich die beiden Brüder,
der König und der Erzbischof, wieder mit einander aus, und indem sie
gegenseitig nicht nachließen in Ausübung brüderlicher Liebe,
sorgten sie fortan, einen jeden Anlaß zur Störung ihrer Freundschaft
aus dem Wege zu räumen. Der Erzbischof aber, der sich in geistlichen,
wie in weltlichen Dingen glänzender Erfolge erfreute, schied im 13ten
Jahre seiner Einsetzung, eingehend in den Schlaf des ewigen Friedens, von
dem trauernden Bruder, am 11. October.
Diesen und mehreren ähnlichen Schlingen der Arglist
entging der ebengenannte Otto glücklich
während der 40jährigen Dauer seiner Königs- und Kaiserherrschaft,
indem Christus ihn in allem schützte. Uebrigens habe ich von denjenigen
unzähligen Thaten eines solchen Mannes, wie Bruno
war,
(Thaten, welche edel und besser waren als die erwähnte) nur so wenig
gesagt, weil ein eigenes Werk, das sein ganzes edles Leben vollständig
behandelt, mir etwas weiteres hinzu zu fügen verbietet.
Nach dieser Zeit aber söhnten sich die beiden Brüder,
der König und der Erzbischof, wieder mit einander aus, und indem sie
gegenseitig nicht nachließen in Ausübung brüderlicher Liebe,
sorgten sie
fortan, einen jeden Anlaß zur Störung ihrer
Freundschaft aus dem Wege zu räumen. Der Erzbischof aber, der sich
in geistlichen, wie in weltlichen Dingen glänzender Erfolge erfreute,
schied im 13ten Jahre seiner Einsetzung, eingehend in den Schlaf des ewigen
Friedens, von dem trauernden Bruder, am 11. October.
Diesen und mehreren ähnlichen Schlingen der Arglist
entging der ebengenannte Otto glücklich
während der 40jährigen Dauer seiner Königs- und Kaiserherrschaft,
indem Christus ihn in allem schützte. Uebrigens habe ich von denjenigen
unzähligen Thaten eines solchen Mannes, wie Bruno
war, (Thaten, welche edel und besser waren als die erwähnte) nur so
wenig gesagt, weil ein eigenes Werk, das sein ganzes edles Leben vollständig
behandelt, mir etwas weiteres hinzu zu fügen verbietet.
Kapitel 7
Graf Gero, von Waldo beim Kaiser verklagt, ward
an einem Orte Namens Sumeringe auf Anhalten des Erzbischofs Aethelbert
[von Magadaburg] und des Markgrafen Thiedrich verhaftet und
meinem Vater und Oheim zur Bewachung übergeben. Darauf wurden sämmtliche
Fürsten des Reichs nach Magadaburg berufen, und jene beiden trafen
vor denselben auf einer Insel zum Gottesgerichte im Zweikampfe zusammen.
In demselben wurde Waldo zweimal im Nacken verwundet; er drang indeß
nur um so heftiger auf seinen Feind ein und streckte ihn, indem er ihm
mit einem gewaltigen Streiche das Haupt traf, zu Boden. Darauf war Gero
auf
die Frage, die er an ihn richtete, ob er weiter kämpfen könne,
genöthigt zu bekennen, daß ihm die Kräfte fehlten. Nun
verließ Waldo die Schranken, aber kaum hatte er die Waffen abgelegt
und sich mit Wasser erfrischt, so stürzte er rücklings todt nieder.
Darauf ward Gero nach dem Spruche der Richter und auf Befehl des
Kaisers von Henkershand enthauptet, am 11. August. Dieser Zweikampf gefiel
niemandem, als nur dem Erzbischof Aethelbert und dem Markgrafen
Thiedrich, und Otto, Herzog
von Baiern, Liudulfs Sohn, der
an demselben
Tage ankam, sowie Graf Bertold machten dem Kaiser bittre
Vorwürfe, daß ein solcher Mann, wie Gero, um eines so
unbedeutenden Grundes willen verurtheilt worden sei. Hier darf ich die
Verdienste des Abtes Liudulf von Corvei nicht unerwähnt lassen, der
ob seiner häufigen Uebung im Wachen und Fasten von Gott mancher Offenbarung
gewürdigt wurde. Als dieser am Tage des Kampfes in der Abenddämmerung
demüthig und andächtig, wie gewöhnlich, Messe las, sah er
über dem Altare das Haupt des Grafen Gero, und sang nach Beendigung
dieser Messe sogleich eine zweite, eine Todtenmesse. Darauf legte er sein
Priestergewand ab und verließ schweigend die Kirche, versammelte
aber dann die Brüder, und zeigte ihnen Gero's Tod an, indem
er sie inständig bat, mit ihm zusammen für die Seele des Verstorbenen
zu beten. Die Enthauptung Gero's aber fand gerade um Sonnenuntergang
statt. Zu seinem Gedächtniß erbauten seine Schwester Tetta
und
seine Gemahlin Aethela ein Kloster an einem Orte, genannt Elslevo
[Alsleben], wo er selbst ruht, und brachten Gott und dem heiligen Vorgänger
Christi den zehnten Theil ihres Erbgutes dar, indem sie für dasselbe
vom Kaiser die Bestätigung und das Vorrecht in der Weise erwirkten,
daß eine daselbst gestiftete reichsfreie Abtei nur unter des
Kaisers und seiner Nachfolger Hoheit und Schutz stehen sollte. Uebrigens
ward des Grafen Körper noch nach drei Jahren, als der seiner Gemahlin
hinzu gelegt ward, sowie die Kleidung vollständig erhalten vorgefunden.
Im 6ten Regierungsjahre Otto's II. kam König Luthar nebst seinem Sohne mit prächtigen Geschenken zu ihm, leistete Abbitte und erwarb nun des Kaisers dauernde Freundschaft.
In diesem Jahre ging der Kaiser nach Italien und sah leider
unsere Gegenden niemals wieder.
Kapitel 10
Die fremden Völker, welche nach Annahme des Christenthums
unsern Königen und Kaisern zinspflichtig und unterthan waren, griffen,
bedrückt von Herzog Thiedrichs Uebermuth, in einmüthigem
Beschlusse zu den Waffen. Dies wurde meinem Vater, dem Grafen Siegfried
in folgender Weise zum voraus offenbart. Er sah im Traume den ganzen Himmel
mit einer dichten Wolke überzogen, und als er staunend forschte, was
das wäre, hörte er eine Stimme, welche also sprach: "Jetzt soll
erfüllet werden die Weissagung: Der Herr lässet regnen über
Gerechte und Ungerechte." (Matth. 4, 45.) Die Frevelthaten der Empörer
begannen am 29. Juni, indem die Besatzung in Havelberg niedergehauen
und der Bischofsitz daselbst zerstört wurde. Nach Verlauf von drei
Tagen aber überfiel die vereinte Macht der Slaven das Bisthum Brandenburg,
welches 30 Jahre vor dem Erzbisthum Magadaburg begründet war. Dies
geschah um die Zeit, wo zur ersten Messe geläutet wurde. Vorher war
der Bischof Wolcmer, der dritte seit der Gründung des Bisthums, entflohen,
und der Vertheidiger der Stadt, Thiedrich, sammt den Kriegern, entkam
nur mit genauer Noth noch am Tage des Kampfes. Die Geistlichkeit daselbst
ward von den Slaven gefangen genommen, und Dodilo, der zweite der brandenburgischen
Bischöfe, der von den Seinen erdrosselt war und nun schon drei Jahre
im Grabe gelegen hatte, wurde aus dem Sarge gerissen und seines Priesterschmucks,
der, so wie der Körper, noch ganz unversehrt war, von den gierigen
Hunden beraubt und dann ohne weiteres wieder hineingeworfen; der ganze
Schatz der Kirche ward verschleudert und viel Blut auf klägliche Weise
vergossen. Statt Christus und seines Fischers, des ehrwürdigen Petrus,
wurden wieder mancherlei Götzen voll teuflischer Ketzerei angebetet,
und diese beweinenswerthe Veränderung nicht allein von den Heiden,
sondern auch von Christen gepriesen.
Kapitel 11
Um diese Zeit ward die Kirche zu Zeiz von einem Böhmenheere
unter Führung des Grafen Dedi [von Wettin] eingenommen und geplündert,
und Hugo, der erste Bischof dort, vertrieben. Darnach leerten sie das Kloster
des heiligen Laurentius in der Stadt Calwo [Calbe] aus, und setzten den
Unseren wie
flüchtigen Hirschen nach; denn unsere Missethaten
erzeugten in uns Furcht und Schrecken, in ihnen Muth und Kraft. Mistui,
Herzog
der Abdriten [Obotriten], verbrannte und plünderte Hômanburg
[Hamburg], wo einst ein Bischofsitz war. Was für
Wunderzeichen aber Christus daselbst vom Himmel herabgesandt, das merke
voll Andacht die gesammte Christenheit. Aus der Höhe herab kam eine
goldene Hand, senkte sich mit ausgestreckten Fingern mitten in die Feuersbrunst,
und schwebte angefüllt wieder zurück in die Wolken. Dies sah
staunend das Heer, dies voll Schreckens Mistuwoi. Mir wurde es von Avico
erzählt, der damals sein Capellan, nachher mein geistlicher Bruder
war. Ich aber bin mit ihm zu der Ansicht gelangt, daß die Reliquien
der Heiligen in dieser Weise von der Hand des Herrn erfaßt zum Himmel
emporgeschwebt sind und die Feinde geschreckt und verjagt haben.
Mistuwoi aber ward
darauf wahnsinnig, so daß er in Ketten gelegt werden mußte,
und als man ihn mit Weihwasser besprengte, schrie er: "St. Laurentius verbrennt
mich!" Er verschied elendiglich, ohne seiner Bande wieder frei zu werden.
Als aber damals bereits alle Städte und Dörfer bis an ein
Wasser, Namens Tongera mit Brand und Plünderung heimgesucht waren,
kamen von den Slaven mehr als 30 Heerschaaren zu Fuß und zu Roß
zusammen, und trugen keine Scheu, unter dem Panier ihrer Götter und
dem Schalle der vorangetragenen Posaunen alles was noch übrig war,
zu vernichten. Zwar kamen sie zuerst wohlbehalten davon, allein das Geschehene
blieb den Unseren nicht verborgen, und zusammen kamen Erzbischof Gisiler
[von Magdeburg] und Bischof Hilliward [von Halberstadt], dazu Markgraf
Thiedrich und die übrigen Grafen, Ricdag [Markgraf zu Meißen],
Hodo, Pinizo, Frithrich, Dudo und mein Vater, Siegfried [von Walbeck],
nebst vielen anderen. Diese hörten, so wie der Samstag anbrach, zuerst
die heilige Messe, rüsteten Seele und Leib mit dem himmlischen Sacramente,
und brachen dann voll sicheren Muthes in die ihnen entgegen
kommenden Feinde ein, die sie auch zu Boden streckten, so daß nur
wenige auf eine nahe Anhöhe entkamen. Die Sieger aber lobten Gott,
der so wunderbar ist in all seinen Werken, und hier erwies sich die Wahrheit
des Wortes Pauli, welcher lehrt: "Es hilft keine Weisheit, kein Verstand,
kein Rath wider den Herrn."
Verlassen sahen sich jetzt die vorher Gott zu verschmähen
sich erfrecht und in ihrer Thorheit Bilder, das eitle Werk ihrer Hände,
ihrem Schöpfer vorgezogen hatten. Mit Anbruch der Nacht aber, während
die Unsern etwas weiterhin ein Lager aufschlugen, entkam leider der oben
erwähnte Ueberrest des Feindes heimlich. Alle Unsrigen aber zogen,
drei ausgenommen, am anderen Tage heim, indem alle, denen sie unterwegs
begegneten oder die sie in der Heimat sahen, ihnen freudig Beifall spendeten.
Kapitel 14
Nachdem ich nun ein wenig vom Wege abgewichen war, will
ich jetzt die angefangene Schilderung zu Ende führen. Alle unsre Fürsten
kamen, als sie die so klägliche Kunde vernahmen, schmerzlich bewegt
zusammen, und baten schriftlich einmüthig, es möge ihnen doch
vergönnt sein, den Kaiser bald bei sich zu sehen. Als dieser ihre
Botschaft vernahm, willigte er von Herzen gern in ihr Gesuch. Es ward ein
Reichstag zu Berna [Verona] angesetzt, zu dem alle Großen berufen
wurden, um daselbst vieles nöthige zu verhandeln. Alle kamen, nur
Herzog
Bernhard [von Sachsen] kehrte mitten auf dem Wege wieder um,
denn eine von seinen Burgen, welche der Kaiser gegen die Dänen mit
Festungswerken und Besatzung versehen hatte, war von denselben
mit List genommen und, nachdem die Vertheidiger niedergemacht waren, in
Brand gesteckt. Im Jahre 983 hielt also der Kaiser zu Verona eine Reichsversammlung.
Dort ward Heinrich der Jüngere der Acht entlassen und zum Herzoge
von
Baiern erhoben.
In diesem Jahre widerstanden die Slaven mit vereinter
Kraft dem Kaiser und dem Markgrafen Thiedrich. In demselben wurde
auch der Sohn Otto's von allen Fürsten
zum Könige erwählt.
Viertes Buch.
Kapitel 1
Im Jahre der Fleischwerdung des Herrn 984 begab sich die Kaiserin Theuphano, die Mutter des dritten und leider letzten der Ottonen, mit einem vom Schmerze der frischen, schrecklichen Wunde erfüllten und über die Abwesenheit des einzigen ohnes blutenden Herzen zur Kaiserin-WittweEthelheid nach Pavia, und ward von derselben tiefbewegt empfangen und liebevoll getröstet.
Herzog Heinrich [von
Baiern] kam mit dem ehrwürdigen Bischofe Poppo, dessen
Aufsicht er lange Zeit untergeben gewesen war, und dem einäugigen
Grafen Ekbert nach Köln, und empfing, wie gesagt, den König
als dessen gesetzlicher Vormund aus den Händen des oben genannten
Erzbischofs Warin, der ihm, so wie alle anderen, deren Gunst der Herzog
zu gewinnen wußte, seinen Beistand fest zusicherte. Als er darauf
alles nach seinem Gefallen geordnet hatte, begab er sich mit jenen nach
Corvei. Hier kamen ihm die beiden Brüder, Grafen Thiedrich
[in der Altmark] und Sicco [zu Merseburg], barfuß entgegen
und flehten um Begnadigung, die er ihnen verweigerte. So verließen
sie ihn mit grimmerfülltem Herzen und suchten nun mit allen Kräften
ihres Geistes ihre Verwandten und Freunde vom Herzoge abwendig zu
machen. Dieser sandte, als er zu Magadaburg den Palmsonntag feiern
wollte, an alle Große der Umgegend das Gesuch und Gebot, daselbst
zusammenzukommen, und unterhandelte mit ihnen, daß sie sich ihm unterwerfen
und ihn zum Herrscher erheben möchten. Auf diesen Plan gingen die
meisten Fürsten mit dem Vorbehalte ein, daß sie von ihrem Herrn
und Könige, dem sie ja früher gehuldigt hätten, die Erlaubniß
einholen müßten; dann könnten sie ruhig dem neuen Könige
dienen. Einige aber gingen aus Unwillen über ihn fort und sannen im
Verborgenen darauf, das Beabsichtigte auf gewandte Weise ganz zu vereiteln.
Kapitel 2
Von Magadaburg begab sich Heinrich
nach Quidilingeburg, wo er die demnächst eintretende Osterfeier beging.
Dort versammelten sich in großer Anzahl die Fürsten des Reiches;
einige aber, die daselbst nicht erscheinen wollten, schickten Abgeordnete,
um auf alles sorgfältig Acht geben zu lassen. Während dieses
Festes ward Heinrich von den Seinen
als König begrüßt und mit kirchlichen Lobgesängen
geehrt. Dorthin kamen die Herzoge Miseco
[von Polen], Mistui [der
Obotriten] und Bolizlav [von Böhmen] mit unzähligen anderen,
und sicherten ihm, indem sie ihm als ihrem Könige und Herrn huldigten,
jeglichen Beistand zu. Viele der anwesenden Fürsten jedoch, die aus
Furcht vor Gottes Zorn nicht wagten, ihre Treue zu brechen, entfernten
sich allmählich und eilten nach Hesleburg, wo ihre Genossen zusammenkamen,
die nun schon eine offene Verbindung gegen den Herzog eingingen. Die Namen
der Verbündeten waren folgende. Aus dem östlichen Theile des
Landes traten mit Herzog Bernhard [von Sachsen] und Markgraf
Thiedrich [zu Thüringen] zusammen die Grafen Ekkihard
[von Thüringen], Bijo [von Merseburg], Esich [von Merseburg],
Graf Bernward, ein Geistlicher, ferner Sigfrith und dessen Sohn [Grafen
von Northeim], nebst den Gebrüdern Fritherich [Graf von Eilenburg]
und Ciazo. Von den dortigen Stammgenossen [den Sachsen] aber erhoben sich
mit gegen Herzog Heinrich die Gebrüder
Thiedrich
und Sibert, nebst den Brüdern Hoico, Ekkihard und Bezeco, und
Brunig und die Seinen, und auf Antrieb des Erzbischofs Willigis [von Mainz]
die Ritter des heiligen Martin, denen die im Westen des Landes zum größten
Theile anhingen. Als das der Herzog erfuhr, entließ er seine Anhänger
reich beschenkt in Gnaden; er selbst aber eilte mit einer starken Schaar
nach Werlu [bei Goslar], um jene Verbindung mit Gewalt zu sprengen,
oder sie auf friedlichem Wege zu beseitigen, und schickte den Bischof Poppo
hin, welcher versuchen sollte, diese seine Gegner zu trennen oder zu versöhnen.
Dieser erlangte, indem er von dem einmal betretenen Wege nicht abließ,
mit Mühe von den verbündeten Gegnern, welche schon bereit waren,
gegen den Herzog vorzurücken, das Versprechen, an einem nach Uebereinkunft
bestimmten Tage an einem Orte, Namens Seusun [Seesen], wegen des Friedens
unterhandeln zu wollen. Während aber der Herzog zu dieser Uebereinkunft,
da er sofort nach Baiern aufbrach, nicht kommen wollte, oder wegen Herzog
Heinrichs, der vom verstorbenen Kaiser mit Baiern und Kärnthen
belehnt war, nicht konnte, so belagerte ein sehr großer feindlicher
Heerhaufe eine Burg des Grafen Ekbert, Namens Ala, und indem sie
nach Zerstörung der Ringmauer in dieselbe einzogen, führten sie
die Tochter Otto's II., Ethelheid,
welche daselbst erzogen ward, nebst vielem dort aufbewahrten Gelde hinweg,
und kehrten erfreut heim.
Kapitel 15
Nachdem ich weiter oben die Zerstörung der Kirche
von Brandenburg besprochen habe, will ich jetzt in kurzem berichten, wie
sie dem Könige auf eine Zeitlang wieder unterthan wurde. In unserer
Nachbarschaft lebte ein angesehener Ritter, Namens Kiza, der vom Markgrafen
Thiedrich nicht zu seiner Zufriedenheit behandelt war. Deshalb ging
er, da er zur Ausübung seiner Bosheit sonst keine Macht hatte, zu
den Feinden über, die ihm, weil sie erkannten, daß er ihnen
völlig treu wäre, die Stadt Brandenburg übergaben,
um uns von da aus desto wirksamer zu schaden. Späterhin aber ließ
sich derselbe wieder durch unser Zureden bewegen, die Stadt sammt
seiner Person in die Gewalt König Otto's
zu liefern. Die Liutizen nun, von gewaltiger Wuth entbrannt, griffen ihn
sofort mit aller Mannschaft an, die sie hatten. Zu der Zeit war der König
zu Magathaburg, und als er von diesen
Ereignissen Kunde bekam, sandte er dahin schnell Alle,
die er gerade bei sich hatte, nämlich den Markgrafen Ekkihard [von
Meißen] und meine drei Oheime [Grafen von Stade], sowie den Pfalzgrafen
Fritherich und meinen Vaterbruder. Als diese mit ihren Mannen daselbst
anlangten, wurden sie durch die Feinde, die hitzig in sie hinein
drangen, von einander getrennt, so daß ein Theil von ihnen in die
Stadt kam, ein anderer aber zurückblieb; dieser letztere kehrte nach
Verlust einiger Leute heim. Darauf zog der König von allen Seiten
seine Kriegsleute zusammen und eilte dahin. Die Feinde aber, welche die
Vertheidiger der Stadt hart bedrängten, brachen, so wie sie dieses
Heer in äußerster Ferne erblickten, ihr Lager ab und entflohen.
Die Unseren aber, die aus der Stadt hervorstürzten, sangen in der
Freude über ihre Errettung "Kyrie eleison" und die Andern, die herankamen
antworteten ihnen einstimmig mit demselben Liede. Der König versah
die Stadt mit einer Besatzung und behielt sie lange in seinem Besitze.
Als späterhin Kizo nach Quidilingaburg sich begab, verlor er seine
Stadt sammt seiner Gemahlin und seinen Dienstleuten. Alle diese erlangte
er, mit Ausnahme der Stadt, nachher wieder. Es hatte sich nämlich
daselbst einer seiner Ritter, Namens Bolibut, auf dessen Betrieb, obwohl
er damals fern war, das Ganze so bewirkt war, zum Herrn aufgeworfen; Kizo
aber, ward in der Folgezeit bei dem Versuche, in jener Gegend heimlich
etwas zu unternehmen, tapfer kämpfend mit den Seinen erschlagen.