Aber mit Hilfe des Kaisers war es hier Dietrich,
dem Markgrafen der Nordmark aus dem Hause HALDENSLEBEN [142
Über dieses Geschlecht und die Familie Dietrichs von Haldensleben
vgl. ausführlich R. Schhölkopf, a.a.O., Seite 93 ff.; ferner
S. Lüpke, a.a.O., Seite 10; und H. Modrzewska, in: SSS, Band 1, Seite
433. Über die Anfänge der Geschlechts, das sicher zu den angesehensten
gehörte und vermutlich mit dem Königshaus verwandt war, vgl.
S. Krüger, a.a.O., Seite 88; und R. Schölkopf, a.a.O., Seite
98; ferner den Hinweis auf die Frauennamen aus der Verwandtschaft der
Königin
Mathilde bei verschiedenen sächsischen Grafengeschlechtern
bei K. A. Eckhardt, a.a.O., Seite 6. Dietrich ist offenbar zunächst
Graf
unter Gero
gewesen (a. 953 dux, Thietmar II, 6) mit Sitz in Magdeburg
(vgl. Widukind III, 55), bevor er nach dessen Tod zum Markgrafen der
Nordmark aufstieg; vgl. G. Labuda, Fragmenty, Band 1, Seite 284; S.
Lüpke, a.a.O., Seite 7, n. 20, und Seite 93.], zu dessen Amtssprengel
das Gebiet um Magdeburg und Havelberg mit Ausnahme der Lausitz gehörten,
gelungen, die wohl schon vor dem Tod Thietmars
(979), des Neffen Geros, eingetretene Schwäche des GERO-CHRISTIAN-Hauses
für den Ausbau seiner markgräflichen Stellung zu nutzen [145
Einen Reflex dieses Gegensatzes zwischen Dietrich von Haldensleben
(im Bunde mit Bischof Gisiler) bildet das damals großes Aufsehen
erregende Verfahren gegen den Grafen
Gero von Alvensleben und seinen Besitz (vgl. Thietmar III, 9).
Über die Hintergründe vgl. H. Wäschke, in: Mitt. d. V. f.
Anhaltinische Geschichte Gesch., Band 14/1, 1922, Seite 69 ff.; sowie R.
Schölkopf, a.a.O., Seite 52 f. und 94; und M. Hellmann, Die Ostpolitik
Ottos II., Seite 58.]. Dietrich ist
damals um 978 im Mittelabschnitt ebenso zur dominierenden politischen Gestalt
geworden wie kurz darauf Rikdag im Süden.
Es ist daher kein Zufall, daß die
PIASTEN - offenbar zur Sicherung eigener politischer Interessen
in diesem Raum - gerade mit diesen Geschlechtern sofort Eheverbindungen
geschlossen haben, sobald diese ihre führende Stellung gefestigt hatten:
Spätestens 978 schloß Mieszko
- sehr wahrscheinlich nach voraufgegangenen kriegerischen Zusammenstößen,
vielleicht noch als Auswirkung der Rebellion Heinrichs
des Zänkers - den Bund mit Oda,
der Tochter Dietrichs von der Nordmark, und nur wenige Jahre darauf
sein Sohn Boleslaw die Ehe mit einer
Tochter Rikdags. Der Lutizenaufstand, den Thietmar als gerechte Strafe
für den Übermut des Markgrafen Dietrich gegenüber
den Elbslaven und die Aufhebung des Bistums Merseburg durch Gisiler ansah,
der Tod OTTOS
II. und die erneuten Thronansprüche Heinrichs
des Zänkers, der wieder die PREMYSLIDEN
und wenigstens vorübergehend auch die PIASTEN
an seiner Seite sah, stürzten die Marken in eine noch ernstere Krise
als die erste Rebellion in den 970-er Jahren.
Heinrich der Zänker
muß anfänglich im sächsisch-thüringischen Raum über
einen starken Anhang verfügt haben. Der mächtige Graf Wilhelm
von Weimar und Markgraf Rikdag zählten neben Gisiler von Magdeburg
offenbar zu seinen Stützen, Dietrich von der Nordmark stand
vielleicht nur ganz kurze Zeit auf seiner Seite [157 Thietmar IV,
2 nennt ihn mit an der Spitze der sächsischen Großen auf der
Versammlung der Gegner Heinrichs in
Hohenassel, ebenso seinen Schwiegersohn Dedi (Ziazo). Seine
Stellung als Markgraf der Nordmark und Schwiegervater Pribislavs
von Brandenburg sowie seine Bindung an die piastischen
Interessen
als Schwiegervater Mieszkos I. dürften
für diesen Schritt entscheidend gewesen sein. Die bei Adam von Bremen
(II, 43, Schol. 31) mitgeteilte Nachricht,
Dietrich sei abgesetzt
worden und 985 im Gnadenbrot der Magdeburger Kirche gestorben, kann
sich nicht auf ihn beziehen (vgl. Adam, ed. B. Schmeidler, 1917, Seite
104, b. 1) oder gehört in den Legendenkranz, der sich um Dietrich
gebildet
hat (vgl. u.a. Hinweise bei H. D. Kahl, Slawen und Deutsche, Seite 617
f.); vgl. auch die ablehnende Stellung bei S. Lüpke, a.a.O., Seite
10 f.; und G. Labuda, Fragmenty, Bd. 1, Seite 229 f.; weder Thietmar noch
die zeitgenössischen Annalen wissen etwas von Dietrichs Absetzung
(vgl. R. Schölkopf, a.a.O., Seite 95.).]; Ekkehard
aber war von Anfang an unter seinen Gegnern.
Da im gleichen Jahr auch Markgraf Dietrich starb,
dessen Macht und Einflußbereich der Lutizenaufstand erheblich geschmälert
hatte [164 Über die Flucht des Bischofs Folcmar und des Markgrafen
Dietrich aus Brandenburg berichtet Thietmar III, 17. Seine Beschreibung
von der hier in erster Linie als Verschulden Dietrichs hingestellten
Katastrophe (seine superbia und sein Versagen in der militärischenAbwehr
werden
getadelt; von Adam II, 42 und 43, Schol. 28 und 31), Ann. Saxo zu a. 983,
a. 988 und a. 1010, und Helmhold I, 16 noch weiter ausgesponnen) ist mit
Vorsicht aufzunehmen, da Thietmars Urteil über
Dietrich durch
die Abneigung und Feindschaft des Hauses WALBECK gegen die HALDENSLEBENER
Grafen beeinflußt ist; so ist auch die in der Forschung weithin
verbreitete Auffassung (vgl. W. Brüske, a.a.O., Seite 39 f), Dietrich
habe daraufhin sein Amt verloren und sei im Gnadenbrot der Kirche 985
gestorben,
durch die neue Forschung verworfen worden (siehe oben Anm. 157). Vielmehr
ist Dietrich - vielleicht nach kurzem Schwanken - schon 984 eindeutig
auf der Seite OTTOS
III. zu finden (Thietmar IV, 2) und 985 gestorben,
von den Quedlinburger Annalen als praeclarus gerühmt,
in dem Fuldaer Nekrolog als
marchio bezeichent. Auch Thietmar berichtet
nichts über eine Absetzung Dietrichs. Die Ansicht, die HALDENSLEBEN-Familie
habe damals und später die Politik
Heinrichs
des Zänkers gegen OTTO III. vertreten,
ist irrig.], und sein Amt anscheinend für einige Jahre überhaupt
nicht mehr besetzt wurde [165 Offenbar ist Dietrichs Sohn
Bernhard
übergangen
worden und das Amt jahrelang unbesetzt geblieben, ehe es Liuthar von Walbeck
erhielt (vgl. S. Lüpke, a.a.O., Seite 14); Bernhard
hat erst
1009 nach der Mordtat Wirinhers, des Sohnes Liuthars, seine Rechte wieder
geltend machen können.], ehe es an Liuthar von Walbeck fiel, war Ekkehard
plötzlich zum mächtigsten Mann im Markengebiet geworden.
Pribislav selbst
war mit Mathilda,
einer Tochter des
Markgrafen Dietrich von der Nordmark, vermählt,
das heißt also einer Schwester der zweiten Gemahlin Mieszkos
I. [278 Pribislav
war also zugleich verschwägert mit Mieszko
I. und dem WETTINER Grafen Dedi (Ziazo), dem Patrizius
von Rom, der mit Thietburga,
einer weiteren Tochter des Markgrafen Dietrich von Haldensleben,
vermählt war (siehe oben Anm. 268; vgl. Thietmar VI, 50; Ann. Saxo
a. 983).]
Dietrich, der Markgraf
der Nordmark, der einem der ältesten und hochangesehensten Geschlechter
Sachsens entstammte, königsnah und mit den Widukind-Nachkommen und
BILLUNGERN versippt,
der besonders unter OTTO II. in hoher
Gunst gestanden und an Ansehen und Einfluß die Nachkommen der GERO-CHRISTIAN-Familie
überflügelt hatte, muß am Ausgang der 970-er Jahre zu den
machtvollsten Persönlichkeiten im Markengebiet gehört haben.
Erweist sich auch das, was schon Adam von Bremen und nach ihm noch bösartiger
Helmond über ihn und seine Schuld am Ausbruch des Lutizenaufstandes
berichteten, als eine frühe Legende, so dürfte doch die Auffassung
richtig sein, dass sein strenges Regiment zum Aufstand gegen die deutsche
Herrschaft und ihre Kirche beigetragen hat. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit
mit Erzbischof Gisiler von Magdeburg hatte sicherlich gleichfalls eine
wichtige Voraussetzung für seine Machtstellung gebildet. Die eine
seiner Töchter, Thietburga, war mit dem Grafen Dedi,
dem späteren Patrizius von Rom, verehelicht, einem nahen Verwandten
Rikdags, in dessen Hand damals - zu Beginn der 980-er Jahre - das Gebiet
der drei Marken im Süden erstmals vereinigt war; eine andere, Oda,
hatte Mieszko sich erwählt. Da
bekanntlich dessen Sohn Boleslaw kurz
darauf die Ehe mit einer Tochter Rikdags einging, waren diese drei beim
Ausbruch des Lutizenaufstandes mächtigsten Geschlechter jener Landschaften
eng durch Familieninteressen verbunden.
Schon daraus ist evident, daß Pribislav
der Fürst der Heveller gewesen ist, mit dem sich Dietrichs
dritte Tochter Mathilda vermählte.
Wann diese Hochzeit stattgefunden hat, wissen wir nicht, sicherlich aber
vor 983; daß diese Ehe in erster Linie den Zweck gehabt haben dürfte,
der Herrschaft, die Dietrich über seine Mark von der Burg
Brandenburg ausübte, ist wohl anzunehmen.
Wenn man aus den Andeutungen in Thietmars Chronik und
Bruns Adalbertsvita Schlüsse ziehen darf, so scheint es hier - vielleicht
im Zusammenhang mit dem ersten Aufstand Heinrichs
des Zänkers - sogar zu größeren militärischen
Auseinandersetzungen der Markgrafen
Hodo und Dietrich mit Mieszko
gekommen zu sein, über deren Ergebnis wir nichts wissen. Die Ehe Mieszkos
mit Oda ist daher jedenfalls ganz gewiß
als Unterpfand eines friedenstiftenden Paktes zwischen den Kontrahenten
aufzufassen.
Der Überfall der Luitizen im Sommer 983 hat Dietrich
zur Flucht und zur Preisgabe seiner Stellung in Brandenburg gezwungen.
Neben Gisiler von Magdeburg finden wir auch ihn - wenn auch nur vorübergehend
- auf der Seite Heinrichs des Zänkers,
den er aber ebenso rasch wie die PIASTEN verließ
, um sich
Theophanu
und dem jungen
OTTO anzuschließen.
Als Markgraf Dietrich 985 starb, wurde
sein Sohn Bernhard
in der Nachfolge übergangen; die Gründe
hierfür sind unbekannt.