PANNONIEN
Lexikon des Mittelalters:
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Pannonien (Pannonia)
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Ursprünglich Territorium der illyrischen Pannonii beiderseits der
Save, umfaßte in der Antike das Gebiet südlich und westlich
der Donau von Cannabiaca (Klosterneuburg) bis zur Savemündung mit
einer ungefähren Westgrenze entlang des Wienerwaldes bis zum
Alpenübergang zwischen Aquileia und Emona (Ljubljana) und einer
Südgrenze ca. 25-30 km südlich der Save bis zur
Savemündung. Seit 12 v. Chr. röm., ab Vespasian
offiziell Pannonia genannt, zwischen 103 und 107 n. Chr. in Pannonia
superior und Pannonia inferior entlang einer Linie von Cirpi an der
Donau bis Servitium an der Save geteilt. Unter der Tetrarchie, an der
Wende zum 4. Jh., wurde eine dioecesis Pannoniarum (Zentrum:
Sirmium) eingerichtet, zu der auch die Provinzen Noricum und Dalmatia
gehörten. Wahrscheinlich 296 wurden die beiden pannonischen
Provinzen entlang der Drau geteilt, die Pannoniasuperior in die
nördliche Pannonia prima und Savia, die Pannonia inferior (seit
214 mit Brigetio) in die Valeria nördlich und Pannonia secunda
südlich der Drau mit dem Territorium von Mursa auch nördlich
von ihr. Poetovio (Pettau) fiel an Noricum mediterraneum. 380 wurden
die Ostgoten, Hunnen und Alanen des Alatheus
und Saphrac in Pannonien
stationiert. Die Hunnen setzten sich in den 30-er Jahren des
5. Jh. in Pannonien fest. Nach dem Tod Attilas wies
der oströmische Kaiser Marcianus den Ostgoten
Wohnsitze in den pannonischen Provinzen zu. Nach ihrem Abzug 473
besetzten die Gepiden Teile von Pannonia II und machten Sirmium zur
Königsresidenz, in der Savia saßen suebische Verbände,
während den Norden Pannoniens die Heruler beherrschten. 504
eroberte der ostgotische Comes Pitzia
Pannonia II und die Savia. Unter Theoderich
wurde Pannonia II zur Pannonia Sirmiensis und die Savia mit der Provinz
Dalmatia vereint. 536 nahmen die Gepiden Sirmium erneut ein.
Mittlerweile setzten sich seit 526 die Langobarden in Pannonia I und
der Valeria entlang der Donau fest und erhielten 547/548 vertraglich
von Byzanz zusätzlich Pannonien südlich der Drau und
Poetovio. 567 zerschlugen die Langobarden im Bündnis mit den
Avaren das Gepiden-Reich von Sirmium. Nach dem Abzug der Langobarden
568 fiel die Vorherrschaft in Pannonien an die Avaren, deren Positionen
574 Byzanz vertraglich bestätigte. 582 eroberten sie auch Sirmium.
Für mehr als 200 Jahre wurde Pannonien mit dem Rest des
Karpatenbeckens zum Zentralraum des Avaren-Reiches. Der Avarenkrieg KARLS DES GROSSEN
788-796 endete mit der Unterwerfung des Khagans und anderer avarischer
Würdenträger. Bereits davor hatte KARL ein
avarisches Tributärfürstentum in Pannonien eingerichtet. Nach
einer Rebellion 799-803 wurde 805 zunächst unter dem christlichen Kapkhan Theodor, dann unter dem Khagan Abraham
zwischen Carnuntum und Savaria ein weiteres abhängiges
Fürstentum mit Oberhoheit über alle Avaren geschaffen.
Für das Gebiet zwischen Enns und Raab wurde kirchlich Passau
zuständig, für das um den Plattensee und zwischen Raab, Donau
und Drau Salzburg, südlich der Drau Aquileia. Zunächst wurde
die Drau, ab 828/830 die Raab zur Grenze zwischen Pannonia superior ab
der Enns und Pannonia inferior bis zur Donau. Nach 799 erhielt das
bayerische Ostland mit Pannonien einen eigenen Präfekten,
während Pannonia inferior unter einem Dux dem Herzog von Friaul
unterstand. 819-823 bedrohte der Aufstand des Dux Liudewit von Siscia die
fränkische Herrschaft in Pannonia inferior und dem ganzen
Südosten. Nach dessen Ende und der Abwehr eines
Bulgareneinfalls bis nach Pannonia superior 828 wurde die
Grafschaftsverfassung auch hier eingeführt. Der gentile Dukat von
Siscia blieb erhalten, das bisher avarische Gebiet wurde dem
Ostland-Präfekten unterstellt. 838/840 wurde der Slaven-Fürst Privina mit seinen Leuten
in Pannonia inferior am Fluß Sala mit dem Zentrum der Moosburg
bei Zalavár angesiedelt. Dort und im Großmährischzen
Reich wirkten Konstantin und Method (bis 879 als Erzbischof von
Pannonien bezeichnet, dann als Erzbischof der Mährischen Kirche).
875 nahm Karlmann
(3. K.) das Gebiet von Moosburg wieder unter seine direkte Verwaltung.
Ab 876 gehörte es zum pannonisch-karantanischen Herrschaftsgebiet seines Sohns ARNULF, der zwar auf das
vom Markgraf Arbo
kontrollierte Gebiet von Traungau bis Pannonia superior verzichten
mußte, aber dafür das Fürstentum von Siscia und die
Grafschaft an der oberen Save erhielt. Die Geschichte Pannoniens in der
2. Hälfte des 9. Jh. ist bestimmt von den Konflikten Karlmanns mit
seinem Vater und einer Abfolge von Kriegen und Bündnissen mit dem
benachbarten Großmährischen Reich, wobei die KAROLINGER
die Hilfe der Bulgaren suchten. Der schwerste Einfall der Mährer
nach Pannonien erfolgte aber 882-884 schon unter KARL III.
und endete mit einem Frieden, der den Mährern den Besitz des
nördlichen Pannonia inferior bestätigte. Das restliche
Pannonia inferior wurde 896 dem Dux
Brazlavo anvertraut. Schon 894 hatten die Ungarn Pannonien
verheert. Um 900 kontrollierten sie bereits Teile von Pannonia
inferior. Mit der bayerischen Niederlage bei Bratislava 907 war
Pannonia inferior endgültig verloren und Pannonia superior bis zur
Enns weitgehend unter ungarischer Kontrolle. Noch bei Otto von Freising, Chron. 6, 15,
findet sich im 12. Jh. die Bezeichnung Pannonia superior für
Österreich, während sich Pannonien allgemein im 11. Jh.
als Synonym für Ungarn findet, etwa gelegentlich als rex Pannoniae (Pannonicorum) für die
Könige von Ungarn.
A. Schwarcz