Herausgeber: Geschichtsverein Wetter e.V.
Wanderweg: Wanderfreunde Treisbach
Vorwort
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Wer kennt sie nicht, die Historienfilme und Romane über
stolze Ritter in stets blanken Rüstungen, über keusche Edelfräulein
in bunten Gewändern, die im Turmzimmer die Laute schlagen und auf
ihren Helden warten ?
Das ist ein Mittelalter, wie man es mag, mit beeindruckenden
Burgen, hohen Türmen und mächtigen Mauern, heldenhaft, sauber
und edel. Mit der Wirklichkeit hat dies aber nichts zu tun.
Die wissenschaftliche Bearbeitung befaßt sich dagegen
meist mit Teilaspekten der Geschichte und entzieht sich leider oft durch
eine Fülle von Fachausdrücken oder durch unkommentierte Verwendung
lateinischer Quellen einem größeren Publikum. So erhält
der Interessierte zwar eine Reihe von Puzzlestücken in die Hand, die
ihn beim Zusammensetzen aber zu keinem Ganzen führen. Er stößt
auf Widersprüche und Ungereimtheiten und erwartet doch von der Geschichtsschreibung
eigentlich ein
geschlossenes Bild.
Lücken und Unklarheiten bewertet der Leser als Makel
und vergißt dabei, daß die Epoche des Mittelalters den Zeitraum
von etwa 500-1500 n.Chr. umfaßt, im Durchschnitt also ungefähr
1000 Jahre zurückliegt.
Familienforscher haben eine realistischere Einstellung
dazu. Sie wissen, daß es schon schwierig ist, komplette Daten zu
finden, wenn man nur zwei oder drei Jahrhunderte zurückblickt.
Der Zeitabschnitt, der hier behandelt werden soll, das
10.-13. Jahrhundert, kann mit Materialfülle und lückenlos geführten
Urkundensammlungen nicht dienen. Gründe dafür liegen sowohl in
der geringen Verbreitung der Schreibkunst, als auch in der damaligen Bedeutung
schriftlich abgefaßter Verträge.
Handschlag und Wort, feierlich vor Zeugen, erfüllten
alle Voraussetzungen für die Rechtsgültigkeit eines Vertrages.
Eine angefertigte Urkunde diente lediglich dem Erinnern an diese mündliche
Absprache und war daher eher die Ausnahme. Eine sichere Quelle ist sie
nicht, zumal, insbesondere in der Zeit der Kreuzzüge, eine große
Zahl gefälschter Dokumente fabriziert wurden, um Besitzansprüche
an Ländereien und Nutzungsrechten anzumelden. Solche Rechte endeten
eben nicht mit dem Tode der
Vertragspartner, sondern wurden in der Regel im Mannesstamme
vererbt.
Erst Kaiser Friedrich I. Barbarossa(*1125,
+ 1190) verlangte bei Schenkungen, Lehnsverträgen,
u.ä. die allgemeine, sofortige Beurkundung und Besiegelung
und schuf dadurch erst eine gewisse Rechtssicherheit.
Beschränken wir uns nun auf die „Wiege Hessens“
und schauen dem Kinde einmal in die Windeln, so stoßen wir auf die
Konradiner
und die Sachsen, auf die Geschlechter der Werner und
Giso, die Ziegenhainer und das Erzbistum Mainz. Wir stolpern
über Lehen und Allodien, entdecken unklare Erbfolgen, Kriege, Intrige
und Meuchelmord. Wir erkennen die Bedeutung von Amöneburg, Wetter,
Gudensberg, Hersfeld, Fulda und Mainz und finden die alten Burgen wieder.
Kern dieser Arbeit soll das Geschlecht der Gisonen bilden, zumal
in unserer Gemarkung mit der Burgruine Hollende das Zentrum ihrer Herrschaft
liegt, die sogenannte „ STAMMBURG DER GRAFEN VOM OBERLAHNGAU “.
Kay-Hubert Weiß
Das Mittelalter, der Oberlahngau und die Gisonen
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Eine Einführung
Mit Heinrich I. bestieg
nach seiner Wahl in Fritzlar im Jahre 919 der erste sächsische Herzog
als König den deutschen Thron, 115 Jahre nach dem Ende der Sachsenkriege,
die unter Kaiser Karl dem Großen
zur Unterwerfung und Zwangsbekehrung der sächsischen Stämme geführt
hatten.
Heinrichs Sohn Otto
I., der Große (936-973), folgte seinem Vater auf
den Thron. Sein
politisches Ziel aber, die Machtfülle seiner Herzöge
zu beschneiden und so die eigene Position zu stärken, führte
zu erheblichen Widerständen.
Auch Herzog Eberhard von Franken aus dem Hause
der Konradiner und Herr über unsere
Region erhob sich gegen den König. Er wurde im Jahre 939 bei Andernach
von Königstreuen überfallen und fand den Tod. Das Herzogtum erlosch.
Nach und nach verloren auch die letzten Konradiner
ihre
Grafschaften und wurden durch königliche Verwalter, Amts- oder Titulargrafen,
ersetzt. Dieser Umstand erklärt, warum in unseren Landen bis etwa
ins Jahr 1000 keine Grafendynastien nachgewiesen werden können.
Erst 1008 findet sich ein Giso in „Amena“ in der
Grafschaft des Grafen Giso („in comitatu Gisonis comitis“),
1018 ein Graf Richmund in Leidenhofen und 1065 ein Graf Werner in
Homberg, der gleichzeitig als Werner III. Graf in Niederhessen und
an
der mittleren Lahn ist. Ob der oben erwähnte Graf Giso
nun der Stammvater der Gisonen ist, wurde bisher bestritten. Hier
gibt es eine Reihe diffuser Vermutungen und eine führt uns nach Wetter.
Nach alter Überlieferung stifteten Kaiser
Heinrich II. und seine Ehefrau Kunigunde
von Luxemburg im Jahre 1015 das Jungfrauenstift auf dem Königshof
in Wetter und statteten es großzügig mit Reichsgütern aus.
Dazu gehörten alle Ländereien in der Umgebung, der Wollenberg
sowie der westliche Teil des Burgwaldes zu ihrer Nutzung. [Henseling, ORO,25
ff. ]
Kirchlichen Einrichtungen dieser Art stellten die königlichen
oder kaiserlichen Stifter einen Vogt zur Seite, der die Interessen seines
Herren zu wahren, die weltlichen Angelegenheiten zu regeln hatte und für
den militärischen Schutz des Klosters und des Vogteibesitzes zuständig
war.
Die Grafen Giso gelten unbestritten als Vögte
des Kanonissenstiftes Wetter. Ihren Sitz hatten
sie auf der Hollende, einer Burg, die bereits vor der
Nennung des ersten Giso erbaut worden war und die ebenfalls auf
Reichsgut stand. Sie muß folglich den Grafen als Reichslehen übertragen
worden sein. Einen weiteren Beweis für den Rechtsstatus der Hollende
liefert das Burgenregal des Reiches im 11. Jahrhundert, ein Hoheitsrecht
über alle Befestigungen. Danach durften sie nur als „Lehen“ verliehen
werden, aber nicht Familienbesitz, ein „Allod“ sein. [ Diefenbach 118 ff
]
Der Ursprung des Geschlechtes der Gisonen ist
unbekannt. Diefenbach vermutet, sie wären keine im Hessengau seit
alters ansässige Macht, sondern vielmehr von außen eingedrungen,
kaum aus der Ohm– Gegend, eher aus Niederhessen. Er belegt dies mit dem
engen Kontakt der Grafen Giso zu den Grafen Werner in Niederhessen,
die über Jahrzehnte gemeinsam auf Dokumenten erscheinen und beide
als enge Berater und Gefolgsleute der salischen
Kaiser, ,Heinrich III.– Heinrich
V., nachgewiesen sind.
Eine gisonische Grafschaft ist nicht eindeutig
gesichert. Es gibt für sie, so lautet die vorherrschende Meinung,
keinen Raum, denn es finden sich keine Orte, die als zur Grafschaft der
Gisonen
gehörig bezeichnet werden. Auch gräfliche Amtshandlungen sind
nicht aktenkundig. [Diefenbach 115 ff ]
Woher kommt aber dann ihr Grafentitel ?
Die Vermutung liegt nahe, die Gisonen folglich
als Amts- oder Titulargrafen ohne umfangreiches Familiengut, also ohne
allodiale Grafschaft, einzuordnen. Ihre enge Bindung an das Königshaus
stützen die Ansicht, sie hätten lediglich in Reichsdiensten gestanden.
Doch haben sie nicht unerheblichen Besitz erworben und es verstanden, durch
Beseitigung aller Rechte anderer, auf ihrem Grund und Boden eine grafengleiche
Stellung einzunehmen. Die politisch-strategische Bedeutung ihres Herrschaftsbereichs
ist schwierig zu beurteilen. Ihr Vogteienbesitz dagegen ist von großem
Wert, verleiht er ihnen doch eine gesellschaftlich herausragende Stellung.
Verwandtschaftliche Beziehungen zu anderen Grafengeschlechtern sind ebenfalls
nicht ohne Belang, nur, das wird das folgende Kapitel zeigen, nicht problemlos
nachzuweisen.
Das Geschlecht der Gisonen
Eine Familienchronik
Familienforschung, die Genealogie, befaßt sich mit
dem Auffinden und Dokumentieren
verwandtschaftlicher Zusammenhänge. Sie versucht,
mit Hilfe der Familiennamen aus Kirchenbüchern und in Standesämtern
die Geburts-, Heirats- und Todesdaten zusammenzutragen und aus dem Material
dann Stammbäume und Ahnentafeln zu erstellen, die so Sippenverbreitung
und Erbgänge erklären können. So einfach ist das für
das Mittelalter nicht. Familiennamen waren unbekannt - damit sind
allein die Vornamen die Träger der gewünschten
Information.
Giso I.
Eine Urkunde König Heinrichs
II. an das St. Stephansstift in Mainz aus dem Jahre 1008 gilt
als früheste Erwähnung eines Gisonen. Der Text findet
sich in den Monumenta Germaniae Historica Diplomata, Teil 3, Nr. 178 und
lautet:
„ ( ) , quod nos habuimus in loco Amena dicto, et
quicquid ad illam curtem pertinet in pago
Oberenlongenahe nominato in comitatu Gisonis comitis,
per kartam nostram pro tali
commutatione traderemus, ( ) nos ( ) susciperemus.“
dt.: „ ( ) , was uns in der benannten Ortschaft Amena
gehört und alles, was sich in der Nähe jenes Hofes befindet,
im Gau namens Oberlahn in der Grafschaft des Grafen Giso, haben
wir durch unser Pergament als Austausch ( für einen Hof in Buchenbach
....der Kirche des Heiligen Stephan zu Mainz ) anvertraut. ( ) Dies bezeugen
wir. “
Die Urkunde ist von Heinrich
II. abgezeichnet und von Eberhardus, dem Kanzler und Vertreter
des Erzbischofs Willigis von Mainz verfaßt worden und auf den 18.
Mai 1008 datiert. Die Regeste, die deutsche Kurzinhaltsangabe, bezeichnet
das Dokument als Beleg für den Tausch eines Gutes in Niederohmen mit
einem Hof in Büchenbach. Diefenbach leitet in seinem Buch über
den Kreis Marburg den Namen AMENA über den Flußnamen AMENAHA
nach OHM ab und kommt dadurch zu OHMEN. Daraus folgert er, daß Graf
Giso im Gebiet NIEDER-OHMEN, also zwischen Grünberg und Gemünden,
Güter verwaltete oder besaß. Aufgrund der großen Entfernung
zu Wetter und zur Hollende schließt er dann diesen Giso als
Stammvater
der Gisonen aus. [Diefenbach 33 ff, 196 ] Diese Deutung ist nicht überzeugend.
Die Gisonen sind als Sachwalter des Reiches bis in den Westerwald
hinein als zuständig belegt; sie also in dem Gebiet um Ohmen nicht
zeitgleich anzunehmen, entbehrt der Logik. Diefenbach liefert keinen Beweis,
warum Amena zwingend zu Nieder – Ohmen wird. So existiert auch ein Ober-Ohmen,
doch liegt dieser Ort nicht im Oberlahngau. Kommen die Besitzrechte des
St. Stephansstiftes zu Mainz an Gütern in Amoenau erst aus der Zeit
nach 1118 ?
Wilhelm Buchenauer präsentiert in seinem Buch „Warzenbach
“ ein Mainzer Dokument, das
er in die Zeit vor oder um 1130 datiert. Darin heißt
es:
„ He sunt uille et uici decimationibus pertinentes
ad prebendam fratrum in curtu Ebelezdorf:
( ) Amenowa et Amenowa, Wolmar media pars, Asepho,
(
), Ernesdehusun, Munechhusun,
Warzbach, Brungozeshusun, Cagerenbach, ( ) .“
dt. : „ Dies sind die Höfe und Dörfer mit Zehntpflichtigen,
zur Pfründe der Brüder in Ebsdorf gehörend: ( ) Amoenau
und Oberndorf ( = Oberamoenau ), halb Wollmar, Asphe, ( ), Ernsthausen,
Münchhausen, Warzenbach, Brungershausen, Kernbach, ( ).“
Es erscheint in keiner Weise abwegig, den genannten Giso
als
Stammvater der Gisonen anzusehen und ihn der Burg Hollende, auch
zu Beginn des 11. Jahrhunderts, zuzuordnen.
Ein weiteres Indiz liefert der nachgewiesene Reichsgut-Charakter
des Burgwaldes und des Wollenberges, der seit karolingischer
Zeit
als königlicher Reichsforst, später „silva forst“,
belegt ist und seinerzeit noch ungeteilt war. [Boucsein
47 ff; Henseling, Me, 13 ]
Die angesprochene Stiftsgründung in Wetter mit der
Notwendigkeit, diese auch militärisch zu
schützen, liefert ein drittes Argument für
die zwingend gebotene Grafenpräsenz und führt zu
den gisonischen Grafen und Vögten.
Giso II.
Eine Geschichte von Verschwörung und Tod
Im Jahre 1049 ist in einer Fuldaer Kaiserurkunde ein Graf
Giso im Gefolge Heinrichs III. bezeugt.
Es ist anzunehmen, daß es sich hier um jenen Grafen Giso handelt,
der auch zum engeren Kreis um Heinrich IV.
gezählt wird [Diefenbach 120 f.], und der am Königshof als Drahtzieher
einer aufsehenerregenden, hinterhältigen Machenschaft in Erscheinung
trat. Diese Intrige aber sollte ihn am Ende das Leben kosten. Nach dem
Tode seines Vaters bestieg Heinrich IV.
als Sechsjähriger den Thron. Die Regentschaft für den jungen
König übernahm seine Mutter, Kaiserin
Agnes von Poitou. Als Folge ihrer Politik, sie belehnte Rudolf
von Rheinfelden mit dem Herzogtum Schwaben und Otto von Nordheim mit dem
Herzogtum Bayern, hatte sie wichtige Kronlande an am Ende unsichere Gefolgsleute
aus der Hand gegeben und den politischen Spielraum ihres Sohnes massiv
beschnitten.
Das Königshaus besaß nun kein Herzogtum mehr
und Heinrich versuchte, nachdem er
im Jahre 1065 die Amtsgeschäfte übernommen hatte, die Grundlage
seiner Herrschaft durch „Abrunden“ seines verbliebenen Besitzes zu verbessern
und auch die Herzogtümer zurückzugewinnen. Er hatte hierbei insbesondere
die sächsischen und thüringischen Gebiete ins Auge gefaßt,
die seinen Ländereien benachbart waren.
Als er gegen die Besitzungen und Lehen Ottos von Nordheim
am West- und Südrande des Harzes vorging, die seinem Ziel dabei unmittelbar
im Wege standen, kam es zum offenen Konflikt. Otto widersetzte sich. Heinrich
IV. hielt sich über die Pfingstfeiertage des Jahres 1070
in Fritzlar auf. Dort erschien Egeno, ein niederer Adliger von zweifelhaftem
Ruf, und erhob Anklage gegen Otto. Er berichtete, er sei von Otto von Nordheim
angeworben worden, um in dessen Auftrag den König zu erschlagen. Zum
Beweis präsentierte er den Anwesenden das Schwert, das man ihm angeblich
für diese Tat übergeben hatte.
Dieser Vorwurf wog schwer, und obwohl der Beklagte seine
Unschuld beteuerte, wurde Otto zu einem klärenden Zweikampf, einem
Gottesurteil, mit Egeno aufgefordert und mußte vor seinem König
erscheinen. Der Bayern-Herzog stand bei den Reichsfürsten in hohem
Ansehen. Die Aufforderung, durch ein Duell mit einem „gemeinen Strauchdieb“
seine Ehre wiederherzustellen, sich so vom Vorwurf reinwaschen zu müssen,
erregte allgemein böses Blut.
Als Otto für die Durchführung seines Kampfes
unerfüllbare Forderungen stellte [Gebhard 251] und nicht erschien,
verhängte Heinrich die Acht, setzte
ihn als Herzog ab und zog seinen Besitz ein. Schon seit fränkischer
Zeit war dies die rechtliche Konsequenz für jene Art der Verweigerung.
Der Bestrafte verlor seinen Anspruch auf Schutz, wurde vogelfrei, ein „Wolfsgenoß“,
und konnte nun wie ein Vogel oder Wolf von jedem straflos erschlagen werden.
Otto griff zu den Waffen, verbündete sich mit Magnus
Billung, dem Sohn des Sachsen-Herzogs, und zog in den Kampf. Bereits Anfang
1071 mußten sie sich geschlagen geben und der Gnade des Königs
unterwerfen. Sie wurden in Haft genommen. Als Anstifter und Urheber des
Komplotts werden Graf Giso von Hollenden und Graf Adalbert von Schauenburg
bezeichnet. Sie sollen, wohl mit Wissen oder gar auf Befehl des Königs,
den Plan geschmiedet, die Anklage formuliert und durch ihr gekauftes Werkzeug
Egeno an die Öffentlichkeit getragen haben. Ziel war die vollständige
Entmachtung des Bayern-Herzogs, sowie die Enteignung seines gesamten Besitzes.
Auch der direkte Zugriff auf sächsische und thüringische Gebiete
wäre Heinrich IV. dann leicht
gefallen. Auf Fürsprache Erzbischofs Adalbert von Bremen wurde Otto
von Nordheim nach einem Jahr begnadigt. Er mußte der Krone einen
Teil seiner verbliebenen Reichslehen abtreten, erhielt aber seinen Familienbesitz,
sein Allodialgut, zurück. Nur Magnus Billung blieb weiter in Haft.
Der Konflikt war damit in keiner Weise beigelegt. In der Auseinandersetzung
mit den Sachsen bedeutete dieser Friede lediglich einen Waffenstillstand.
„ Als der König 1073 zu einem Feldzug gegen Polen aufbot, machten
die sächsischen Fürsten ihre Teilnahme davon abhängig, daß
vorher ihre Beschwerden berücksichtigt wurden. Da der
König dies ablehnte, kam es zu einer förmlichen
Verschwörung der sächsischen Fürsten, deren Führer
immer mehr Otto von Nordheim wurde. Als der König einer neuen Gesandtschaft
abermals eine hinhaltende Antwort gab, zog man mit einer Heeresmacht vor
die Harzburg, auf der sich der König aufhielt. Heinrich
mußte nach Hessen flüchten, da er den Sachsen militärisch
nicht gewachsen war. Die Aufstandsbewegung erfaßte ganz Sachsen und
Thüringen, auch ein Teil der Burgen fiel in die Hand der Gegner.“
[ Gebhard 251 ]
Der Chronist Lampert von Hersfeld erwähnt für
das selbe Jahr dann folgende Begebenheit: „Giso quoque comes
et Adalbertus cum quatuor filiis suis ( ) ob hostibus suis ob privatas
quasdam inimicicias occisi sunt in castello ipsius Gisonis Hollenden.“
[ Reuling 416 ]
dt.: „ Graf Giso und Graf Adalbert (von Schauenburg
) mit dessen vier Söhnen ( ) sind von Feinden aufgrund gewisser persönlicher
Feindschaften in Gisos Burg Hollende erschlagen worden.“
Otto von Nordheim hatte sich mit dieser Bluttat offenbar
gezielt der Auslöser seines Unglückes auf endgültige Art
und Weise entledigt. Auch Egeno, dem Ankläger Ottos, blieb ein unrühmliches
Ende nicht erspart. Er wurde, so Lampert von Hersfeld, nach einem weiteren
Straßenraub ergriffen und geblendet und soll danach als Bettler von
Haus zu Haus gezogen sein.
Giso von Hollenden ist durch seinen literarisch
belegten Tod der erste Gisone, dem die Hollende als Sitz zweifelsfrei
zugeschrieben werden kann und gilt damit kritischen Autoren als eigentlicher
Namensgeber des Grafengeschlechtes. [Diefenbach 115 ]
Giso III.
Mit Giso III. folgte wohl sein Bruder dem Ermordeten
in der Ahnenreihe, doch ist dies umstritten. Den einzigen Anhaltspunkt
für diese Vermutung liefert ein Abschnitt der Annales Rodenses [Monum.
Germ. Hist. XVI. 696 ], einer rheinischen Chronik, die über die Witwe
des Grafen Adalbert von Saffenberg an der Ahr, der am 16. Dez. 1109 verstarb,
ausführt:
„Mathildis vero conjunx illius obiit II nonas
Decembris aput Hollendin ultra Rhenum, ubi propria eius sedes erat priore
videlicet marito, et sepulta est ibi juxta aput Wettreh in monasterio sanctimonialum
(
).“
dt.: „ Mathildis aber, seine Gattin, starb am
4. Dezember (1110) zu Hollendin, jenseits des Rheins, wo sie ihren ersten
eigenen Wohnsitz von ihrem ersten Gatten her besaß. Sie wurde dort
in Wettreh (= Wetter) im Kloster der Sanctimonialen (= der geistlichen
Frauen) beigesetzt.“ [Wenckebach 8 f. ]
War nun aber Mathilde die Gattin des 1073 erschlagenen
Giso
II. oder die Witwe Gisos III.? Diese Frage läßt sich
nicht eindeutig beantworten. Der Hinweis, Mathilde sei in Jahre
1104, als sie mit ihrem zweiten Ehemann das Kloster Rath bei Herzogenrath
stiftete, schon bejahrt gewesen, sagt dazu wenig Greifbares aus.
Die Nutzung der Hollende als Witwensitz, als Wittum,
läßt nun die Vermutung zu, die Burg wäre ein Allod gewesen,
doch ist es nicht auszuschließen, daß auch Reichslehen in dieser
Weise genutzt werden konnten. Ebenfalls kommt eine Übersiedlung Mathildes
in das Dorf Hollende in Betracht, bietet doch die Burg kaum ausreichend
Platz. [Reuling 419 f.]
Giso IV.
Ab 1099 tritt ein Graf Giso, der Sohn der Gräfin
Mathilde, als Vogt des Klosters Hersfeld in Erscheinung. Durch
seine Vermählung mit Kunigunde von Bilstein, einer Tochter
Graf
Ruckers II., war Giso an diesen Besitz gelangt. Gleiches gilt
für die Vogtei über das Kloster (Stift ) St. Florin in Koblenz,
ebenso eine Erbschaft aus Bilsteiner Hand, wo er 1110 bezeugtist.
Giso IV. gehörte zu den Fürsten aus
der Umgebung Kaiser Heinrichs IV.,„die
mit ihm alles berieten“ (1108). Häufig taucht sein Name mit dem Werners
IV. von Grüningen, ebenfalls ein für seine Kaisertreue gerühmter
Graf, zusammen in Urkunden auf. Es ist stets eine Erklärung für
die auffällig enge Beziehung der Werner und der Gisonen
gesucht worden. Waren beide Familien aus salischem Hause, oder gab es andere
verwandtschaftliche Beziehungen ?
Man hat vermutet, eine Tochter Werners hätte
Giso
IV. geheiratet. Dieser Weg führt aber ins Leere, denn von Werner
IV. ist lediglich eine Tochter bekannt, die 1116 einem Adalbert von
Kisslau angetraut wurde und vor 1121 erbenlos starb.
Möglich erscheint hingegen eine ebenfalls unbewiesene
Behauptung, eine Tochter Graf Werners III. hätte Graf Rucker
II., also den Vater der Kunigunde von Bilstein geehelicht. In
der Auseinandersetzung zwischen dem Erzbischof Adalbert von Mainz (1111-1127)
und Kaiser Heinrich V. (1106- 1125)mag
der Schlüssel liegen, der den späteren Erbgang an das Haus
Thüringen erklärt. Noch im Jahre 1114 zog
Giso als
Anhänger des Kaisers gegen den Erzbischof Friedrich von Köln,
einen Parteigänger Adalberts, und fügte dabei dem Kloster Grafschaft
beträchtlichen Schaden zu. Danach finden sich keinerlei Hinweise auf
kaiserliche Gefolgschaft mehr. Es muß ein Frontwechsel stattgefunden
haben. Die Gründe sind unbekannt.
Ein von Diefenbach und Henseling angenommener Gefolgschaftswechsel
schon im Jahre 1070 durch Giso II. scheint dagegen abwegig, hätte
dies doch für den kaisertreuen Gisonen den Lehensentzug durch
Mainz während der Auseinandersetzung Adalberts mit
Heinrich V. zur Folge haben müssen.
Sicher ist, daß durch Giso und Werner
etwa im Zeitraum zwischen 1115 und 1118 alle Reichsgüter in Ober-
und Niederhessen dem Erzbistum Mainz als Lehen angetragen wurden und damit
Adalbert zufielen. Dieser eigenmächtige Wechsel der Oberherrschaft
war ein Affront gegen das Königshaus. Eine militärische Kraftprobe
blieb jedoch aus. Erzbischof Adalbert war damit seinem Ziel, ein möglichst
geschlossenes, bischöfliches „Kirchenland“ zu bilden, einen großen
Schritt näher gekommen. Als eindeutiger Kaisergegner und Parteigänger
Mainz‘ ist Giso 1121 belegt. In diesem Jahr
bezeugt er die Verleihung des Mainzer Stadtprivilegs
durch den Erzbischof. 1110 heiratete Hedwig, Tochter Gisos
und Kunigundes, den Grafen Ludwig von Thüringen.
Am 22. Februar 1121 (bei Landau 322 am 25.1.1122) starb
Werner
IV. von Grüningen kinderlos und damit auch ohne männlichen
Erben. Noch im selben Jahr nennt sich Giso IV. „comes de Udenesberc“,
Graf
von Gudensberg, und tritt so offensichtlich in die Erbfolge ein. Ob
nun Kunigunde, die Gattin Gisos, durch die Bilsteiner
Ansprüche
die Grafen Werner beerbte, also das Amt des Reichsbannerträgers
und die Grafschaft Maden-Gudensberg an
Giso brachte, ist
ebenso ungeklärt, wie der Hinweis auf Mainzer Besitzansprüche
aus einer Schenkung des letzten Werner.
Am 12. März 1122 verstarb schließlich
auch Graf Giso von Gudensberg, Giso IV.
Giso V.
Umstritten ist, ob es sich bei dem in der Literatur erwähnten
Giso
um einen unmündigen Sohn Gisos IV. handelt. Der Name könnte
auch zu einem Vizegrafen Giso gehören, der seit 1109 als Vogt
über das Kloster Hasungen auftrat. [Diefenbach 155 ff; Brunner 116;
dagegen: Demandt 170 ]
Es handelt sich bei ihnen, so führt Landau [Ritterburgen,
Band IV, 191 ff ] aus, um Stellvertreter der Grafen, die ebenfalls ihren
Sitz in Gudensberg hatten. Merkwürdig ist nur, daß sie beinahe
200 Jahre hindurch den Namen Giso führen.
Der erste bekannte Untergraf starb im Jahre 1137 auf
dem Italienfeldzug Kaiser Lothars gegen
die Normannen in der Nähe der Stadt Palestrina,
unweit von Rom. Im Text des Chronisten
Saxo lautet die Passage:
„ aput Preneste defunctus ac sepultus est Giso
comes Hassiae.“ [Schenk zu Schweinsberg 49]
dt.: „Der Graf Giso des Hessenlandes ist in der
Nähe von Palestrina gestorben und auch
beerdigt worden.“
Die doppelte Hedwig
Der weitere Lebensweg der Gräfin Kunigunde von
Bilstein, der Witwe Gisos IV., hat immer wieder Anlaß
zu phantastischen Spekulationen gegeben und beeinflußt bis heute
die Geschichtsschreibung Thüringens und Hessens. Ursache sind lateinische
Quellen, die sich in Chroniken und Urkunden finden. Die wichtigsten lauten
wie folgt:
„ Henricus, qui minor erat, huius ecclesiae
advocatiam tenuit. Sed et Hodewingam (Hedewigam),comitis
Gisae viduam, frater vero eiusdem nominis filiam conjugem duxit
.“ [ Chron. Gozec. SS X, 154; Patze 196 Anm. 32 ]
dt.: „ Heinrich, der der Zweitgeborene war, besaß
die Vogtei über die Kirche. Er hatte aber Hedwig, die Witwe
des Grafen Giso, geehelicht, der Bruder gar die Tochter gleichen
Namens vor den Altar geführt.“
„ Cunigunda nomine de Bilstein, que fuerat
uxor Gisonis comitis ( ) predium aput Brubach ( )
dominus Ludowicus comes de Thuringia cum uxore
sua, filia predicte Cunigunde.“ [Landau
315; Patze 195 Anm. 30 ] datiert 1138/39.
dt. : Gräfin Kunigunde von Bilstein, die
die Ehefrau des Grafen Giso gewesen war, (hat auf ihrem Krankenlager
zum Heile ihrer Seele und um im Kloster Siegburg beigesetzt zu werden,
diesem Kloster) ein Landgut im Gebiet Brubach (übertragen. ..... .Nachdem
dann aber) Herr Ludwig, Graf von Thüringen, mit seiner
Gattin, der Tochter der oben genannten Kunigunde, (eintraf, ist
die Bestattung vollzogen worden.)“ [nach Landau s.o.]
Es steht fest, daß Hedwig von Hollende die
Tochter eines Grafen Giso und der Gräfin Kunigunde vonBilstein
war. Sie hatte um 1110 den Grafen Ludwig von Thüringen geheiratet,
starb als Landgräfin - Ludwig wurde 1130 zum Landgrafen erhoben
- im Jahre 1148 und wurde in Reinhardsbrunn beigesetzt. [Patze 196 Anm.
31]
Demnach kann aber Heinrich Raspe I. niemals ihre
Mutter „gleichen Namens“ geehelicht haben.
Hatte nun Heinrich überhaupt eine Ehefrau
? Die Gosecker Chronik bejat es. Trifft dies zu und heiratete er wirklich
die Schwiegermutter seines Bruders Ludwig, so müßte sie
aber eindeutig Kunigunde heißen.
Kunigunde wird nun in der zweiten Urkunde nicht
als Ehefrau Heinrich Raspes I., sondern nur als Witwe Gisos
benannt. Die Urkunde aber, so erklärt Landau, wurde zwar in der Amtszeit
des Erzbischofs Arnold von Köln (1138-1151) angefertigt, beschreibt
jedoch Begebenheiten unter seinem Vorgänger Friedrich (1099-1131).
Da Heinrich im Jahre 1130 verstarb, hätte
er folglich entweder als ihr Ehemann, oder Kunigunde auch als seine
Witwe bezeichnet werden müssen. Beides trifft nicht zu. Heinrich
hat weder die Witwe Gisos zur Gemahlin gehabt, noch hat dieselbe
Hedwig
geheißen. [Landau 315]
Das bedeutet, daß die bei Demandt und Patze veröffentlichten
Stammbäume der Thüringer unweigerlich falsch sind. Das bedeutet
ebenfalls, daß Demandts Versuch, Heinrich Raspe als Verwalter
der Erbschaft für seinen angeblichen, unmündigen Stiefsohn (Giso
V., siehe dort) einzusetzen, fehl geht.
Sollte nun Heinrich wirklich irgendeine Hedwig
geheiratet haben, so kann ihn diese Verbindung niemals zum Grafen von
Gudensberg, als der er 11?? bezeugt ist, und auch nicht zum Reichsbannerträger,
beides aus Wernerschem Erbteil, gemacht haben. Es darf nicht vergessen
werden, daß die Raspes als Zweitgeborene bis zum Ende des
12. Jahrhunderts stets als Sachwalter Thüringens in Hessen gelten
und nicht als dessen Eigentümer.
Hedwig von Hollende, Gräfin von Thüringen,
gilt demnach als einzige erbberechtigte Person. Als Tochter des letzten
Grafen
Giso stand ihr nun der gesamte gisonische Familienbesitz zu.
Nach mittelalterlichem Erbrecht gingen diese Allodien jetzt an ihren Vormund,
wahrscheinlich an ihren Ehemann über, der sich dann darum bemühen
mußte, auch die kirchlichen oder königlichen Lehen als Rechtsnachfolger
übertragen zu bekommen. Gelang das nicht, wie dies bei der Hollende
der Fall war (s. dort), fielen die Lehen heim, d. h. sie wurden eingezogen
und von der Oberherrschaft neu vergeben oder aber eigenständig verwaltet.
Diese Regelung kann Aufschluß darüber geben,
welche Güter bei einem Erbgang Allodien und welche Lehen waren. Sie
zeigt auf, in welchem Umfang Erwerbungen, Entfremdungen, Abtretungen oder
Schenkungen stattgefunden haben und welche Ansprüche zukünftige
Generationen stellen konnten.
Die gisonischen Besitzungen
Von Reichsgut, Lehen und Allodien
Die Hollende
Bau, Funktion und Untergang.
„Am letzten Ausläufer des Rothaar- oder Lützlergebirges,
eingeengt zwischen Lahn und Treisbach, liegt an dem nach Norden streichenden
Gebirgszuge die Koppe. Ihr ist nordöstlich ein kleiner Bergkegel vorgelagert;
zu beiden Seiten ist die Koppe von herrlichen Wiesentälern begleitet,
südlich dehnt sich das Eschtal, nördlich das Hollende- oder Auetälchen
aus. Gleichsam wie aus dem Fuße aufgewachsen, so liegt der kleine
Bergkegel Hollende vor der Koppe. Allseitig steil abfallend, bis auf eine
schmale Stelle, die beide Berge miteinander verbindet, doch auch diese
ist noch tief genug, um den Hollendeberg als steilen Hügel zu kennzeichnen,
....“ [ Pez 72 f ]
Hier, wo heute nur noch Ruinenreste zu erkennen sind,
stand im Mittelalter die Höhenburg Hollende. Von einem Graben umgeben,
der im Südwesten am stärksten ausgeprägt ist, steigt der
Hang 10 bis 12 Meter bis zur Nutzungsfläche an.
„Soweit erkennbar, umschließt eine abgerundete
rechteckig verlaufende Ringmauer die Kuppe. Die äußersten Maße
dieses Rechteckes betragen 28 x 22 m. Zieht man eine angenommene Mauerstärke
von 2 Metern ab, so verbleibt für die Innenfläche ein Raum von
wenig mehr als 0,05 Hektar (= 500 m²) Größe, dem im Südwesten
ein kleines Plateau vor der eigentlichen Burg - vielleicht als Eingangsstelle
- vorgelagert ist. Im Innenraum befindet sich ein 10 x 7,5 m großer
Turm von 2,5 Metern Mauerstärke, der lediglich nordöstlich noch
Raum für weitere Gebäudeteile frei läßt. Die umfassende
Mauer zeigt an der Nordecke übrigens den Ansatz einer zu einer älteren
Phase gehörenden abgerundeten Bastion, ( ) Lesefunde ( ) zeigen (
), daß die Anlage wohl schon mindestens im 10. Jahrhundert, also
noch vor der Nennung des ersten Grafen Giso für das Jahr 1008
entstanden sein muß.“ [Gensen171]
Burgen waren in erster Linie Funktionsbauten. Sie dienten
der Grenzsicherung, dem militärischen Schutz der umliegenden Ländereien
und bildeten damit das Zentrum herrschaftlicher Gewalt. Im Mittelpunkt,
und häufig zuerst errichtet, stand der Turm, das „Steinerne Haus“,
der Bergfried. Er war sowohl Wohnung, als auch Stall, Vorratslager und
Waffenkammer und somit wichtigster Teil einer Befestigungsanlage. Die von
Gensen vermessene Mauerstärke von 2 ,5 Metern, um etwa 0 ,5 Meter
mächtiger als die Ringmauer, zeigt eindrucksvoll die Bedeutung des
Turmes als letzte Zufluchtsmöglichkeit im Falle eines Angriffes.
Neben Standort, Mauer und Graben spielte der Zugang zur
Burg eine große Rolle. Mit Blick auf die Hollende schreibt Pez:
„In den allermeisten Fällen bog der Weg, welcher
in dem letzten Abschnitte häufig etwas breiter war, kurz vor dem Tore
scharf rechts um. Durch diese Anlage erreichte der Burgherr, daß
sich nähernde Feinde ihre Rechte, vom Schilde nicht bedeckte Seite
den Burgmannen preisgeben mußten.“ [Pez 69 f.]
Ob nun in der Hollende, wie es Gensen anspricht und es
Hermann Dersch in seinen Zeichnungen darstellt (s. Abb.), neben dem Turm
noch zusätzliche Bauten errichtet wurden, ist unklar. Gleiches gilt
für Zugbrücke und Torposition. Hierfür fehlen die wissenschaftlichen
Belege, zumal es bis heute nicht gelungen ist, detaillierte Untersuchungen
und Grabungen durchzuführen.
Bedenkt man dagegen die lange Nutzungsdauer - der letze
Graf von Hollende ist 1170 bezeugt -, die zwischenzeitliche Funktion als
Wittum der Gräfin Mathilde 1109/10, den Vogteien- und ausgedehnten
Grundbesitz der Gisonen, so spricht vieles für diese Annahmen.
Die Hollende gilt als „Stammburg“ der Gisonen und
war wohl schon um 1008 (s.u. Giso I.) in ihrem Besitz. Erstmals
hier bezeugt ist das Geschlecht im Jahre 1073 (s.u. Giso II.). Die
Burg stand auf Reichsgut [Boucsein; Henseling,ORO ] und war damit ein königliches
Lehen. Sie wurde um das Jahr 1118 durch Giso IV. (s. dort) an Mainz
zu Lehen gegeben. [Diefenbach 121; Reuling 417; HOL 135] Mit dem Tode des
letzten Giso 1122 fiel sie folglich nicht als Erbgut an das Haus
Thüringen, sondern an Mainz heim.
Mit Boppo von Ziegenhain-Reichenbach, auch als Poppo
und Poffo bezeugt, nennt sich 1170 - Diefenbach nennt das Jahr 1166 - dann
ein Mainzer Gefolgsmann nach der Burg. Als „comes de Hollinde“, Graf von
Hollinde, hatte Boppo die Aufgabe, die erzbischöflichen Interessen
am Stift Wetter zu wahren, um möglichen Aneignungsversuchen der Thüringer
entgegenwirken zu können. Er war gleichzeitig Burggraf von Amöneburg,
dessen Kloster und Stadt unter der Regentschaft Erzbischofs Adalbert I.
anno 1121 an Mainz gekommen war. Boppo gilt als Stifter des Klosters Haina
im Jahre 1144 auf der Aulisburg bei Löhlbach, das in späterer
Zeit dann an den heutigen Standort verlegt wurde. Eine frühere Inbesitznahme
durch den Ziegenhainer Grafen ist daher wahrscheinlich.
Erst der Chronist Wigand Gerstenberg von Frankenberg
erwähnt dann die Burg wieder. Er setzt in die Zeit zwischen dem 23.8.1247
(Tod des Mainzer Erzbischofs Burckard von Ziegenhain) und Januar/Februar
1249 (Bau des Klosters Georgenberg bei Frankenberg) folgende Begebenheit:
„Alß nu frauwe Sophia sach, das in dem Lande
zu Hessen etzliche nuwe slosße unde veste berge gebuwet woren, dem
lande zu schaden, du czoch sie mit eyme here vor etzliche. Unde sunderlichen
vor den Wißsenstein unde Hoelynden, wilche czwey slosße sie
zu grunde liß abebrechin. (Blatt 269)
Hir sal stehin, wie frauwe Sophia mit herecrafft
czuchet vor die 2 slosße Holinden unde
Wissensteyn, unde zubrichet sie.“ (Blatt 270) [Diemar
214 f ]
dt. : „Als Frau Sophie sah, daß in Hessen
etliche neue Burgen und Befestigungsanlagen errichtet wurden, zum Schaden
des Landes, zog sie mit einem Heer vor etliche. Insbesondere vor den Weißenstein
und vor die Hollende, die sie beide dem Erdboden gleichmachen ließ.
(Bl. 269)
Hier soll geschrieben stehen, wie Frau Sophie
mit militärischer Gewalt gegen die Burgen Hollende und Weißenstein
vorging und sie zerstörte. (Bl. 270)“ Damit geriet die Burg in die
Auseinandersetzungen Sophie von Brabants mit dem Mainzer Erzbistum
um die Anerkennung ihrer Erbansprüche an Thüringer Besitz in
Hessen nach dem Tode Heinrich Raspes IV. im
Jahre 1247.
Hatte ihr Bruder Hermann II. schon die Vogtei
und die Stadt Wetter besetzt, so drohten jetzt, nach dem Ableben des letzten
Ludowingers,
alle Ländereien wieder an Mainz zurückzufallen. Gegen jedes Erbrecht
forderte Sophie diese Güter ein und, so sagt die Überlieferung,
belagerte und zerstörte alle Burgen, deren Herren ihr nicht folgen
wollten. Die Suche nach dem genauen Zerstörungsdatum der Hollende
hat viele Autoren dazu verleitet, das Jahr 1247, also die früheste
Anknüpfungsmöglichkeit aus der Wigandschen Chronik, als Zeitpunkt
dafür anzusehen. Diese Vorgehensweise ist sowohl einleuchtend, als
auch fraglich. Liest man dagegen die Chronik, so zeigt sich eine Datierungslücke
von nahezu 17 Monaten. Hier aber liegen die beschriebenen militärischen
Aktionen der Sophie von Brabant und damit auch der Untergang der
Hollende. Es erscheint daher zwingend, das Niederlegen der Burg in das
Jahr 1248 zusetzen.
Die Sage vom Goldborn
Ruine Hollende im Lützlergebirge
Im engen Wiesengrunde, der sich am Fuße des Burgberges von Hollende hinzieht, befand sich einst ein tiefer Brunnen. Der letzte Ritter auf Hollende lebte mit seinen ritterlichen Nachbarn in steter Fehde. Er war ein steinreicher, habgieriger Kauz. Lüstern nach seinen Schätzen, bestürmten die Feinde seine Burg, drangen durch das zerbrochene Tor und dachten den alten Fuchs in der Falle zu haben. Er war aber durch ein geheimes Pförtchen rechtzeitig entschlüpft und mit seinen Schätzen den Berg hinab gelaufen. Unten schwang er sich auf ein Pferd, das auf der Wiese weidete, und dachte sich auf ihm mit seinem Schatze zu retten. Doch die Feinde hatten ihn bemerkt, jagten hinter ihm her und holten ihn bald ein. Zähneknirschend stand er ein Weilchen unschlüssig. Aber er wollte sein Geld nicht lassen, und mit verzweiflungsvollem Aufschrei stürzte er samt den Schätzen in den unergründlich tiefen Brunnen hinein. Darin ist er noch jetzt und hütet seinen Schatz. [ex Emil Schneider, Sagenbuch in: Heimat an Lahn und Eder, S. 27 ; Ffm. 1955 ]
Die Burg Weißenstein
U. Reuling führt in seinem Beitrag über die
Burg aus, „daß das Umland des Weißenstein im 11. und beginnenden
12. Jahrhundert unmittelbar ( ) (im Einflußbereich der Gisonen) gelegen
hat, wobei der Standort der Burg dieser sogar eine räumlich verbindende
Funktion zwischen den beiden Hauptkomplexen des gisonischen Herrschaftsbereiches
in Oberhessen, im Raum Wetter und um Marburg, zuweisen ließe. Infolgedessen
liegt die Vermutung nahe, daß es die Gisonen selbst gewesen sind,
die in dieser Zeit die Burg besessen haben.“
Als Zeitpunkt für die Inbesitznahme kommt das beginnende
11. Jahrhundert in Frage und würde damit „etwa mit der letzten Ausbauphase
dieser Burg, dem Bau des zweiteiligen Wohngebäudes, korrespondieren.“
„Der strategisch günstig gelegene Weißenstein
(könnte) in jedem Fall eine wichtige Ergänzung zur Hollende darstellen,
was die Existenz weiterer gisonischer Burgen im Marburger Raum aber nicht
ausschließt.“
Ob die Burg, wie es Wigand Gerstenberg von Frankenberg
beschreibt, durch die Truppen Sophie von Brabants um 1248 geschleift
wurde, ist unwahrscheinlich. Möglicher ist aber eine Zerstörung
der Anlage im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen Giso II. (s.
dort) und Otto von Nordheim im Jahre 1073.
Die Sage liefert dagegen einen weiteren Anhaltspunkt.
Hiernach wurde die Burg Weißenstein durch die aufgebrachte
Wehrdaer Bevölkerung in Brand gesetzt und der Burgherr, Ritter Kuno,
erschlagen. Es könnte sich hierbei um einen der Wehrdaer Kunos handeln,
dessen Tochter mit Graf Boppo von Ziegenhain-Reichenbach, einem Mainzer
Gefolgsmann, verheiratet war. Die Verbindung würde auch diese Burg
in die Nähe des Erzbistums rücken, sofern der Weißenstein
um 1118 (s.u. Giso IV.) überhaupt noch gestanden hat.
Die Sage von der Zerstörung der Burg
Der Weißenstein
Auf dem Weißenstein bei Marburg wohnte früher
ein grausamer Ritter namens Kuno. Der plagte die Leute von Wehrda und anderen
Dörfern der Umgegend sehr. Sie mußten ihm Zins und Zehnten zahlen
und dazu noch Frondienste leisten. Einmal bewachte ein junger Mann aus
Wehrda nachts sein Feld und schoß ein Reh an. Dabei wurde er von
den Männern des Ritters ertappt und auf die Burg geschleppt. Dort
brannte man ihm das Zeichen eines Wilddiebes, ein Hirschgeweih, auf die
Backe. Dann wurde er zum Tor hinausgepeitscht. Da beschlossen die Wehrdaer,
sich zu rächen. Das Schloß war sehr fest und wurde stark bewacht.
Sie wußten aber, daß der Ritter seine größte Lust
an dem Schwertertanze hatte. Deshalb baten sie ihn um die Erlaubnis, diesen
Tanz vor ihm auf der Burg aufführen zu dürfen. Sie erhielten
Einlaß. Kaum aber hatte der Tanz begonnen, als die Bauern den Ritter
und seine Mannen überfielen und alle erschlugen. Darauf wurde die
Burg gänzlich zerstört. Das Edelfräulein warf ihr goldenes
Spinnrad nebst anderen Schätzen den steilen Berghang hinab in die
Lahn. Alle sieben Jahre steigt das Rad vom Grunde empor, und wer dann das
Glück hat, kann es sehen
und herausziehen. [a.a.O., 28 f ]
Marburg, Marcpurc, Grenzburg
Das Geschlecht der Gisonen gilt als Vorbesitzer
der landgräflichen Rechte an großen Teilen des heutigen Stadtgebietes.
[Reuling 416] Man vermutet ein gisonisches Allod, sind doch diese
Besitzungen nach 1122 offenbar direkt an die Thüringer übergegangen.
[Dersch 53 ff]
Dazu werden neben Marburg (1138/39 erstmals erwähnt,
s.u.) die Hausdörfer Wehrda, Marbach, Ockershausen und Cappel und
die Ortschaften, spätere Wüstungen, Willmannsdorf (Schülerpark),
Zahlbach (hinter Weidenhausen am Kirchhainer Weg), Ibernhausen (östlich
vom Südbahnhof), Walpertshausen (hinter der Kläranlage der 50er
Jahre) und Aldenzhausen gezählt. [Marburger Land und Leute 70,107]
Als frühe Befestigung wird die „Lützelburg“
oder „Augustenruhe“, „Auf der Minne“ benannt, die bei der Elisabethquelle
stand.
„Ihr Kern war vielleicht eine kirchliche Grundherrschaft
mit den Gisonen als Vögten. Dann wäre eine solche von
Fulda zu vermuten, die hier begütert war.“ [Diefenbach 120 Anm. 44]
Ob es sich bei der Lützelburg bereits um die angeblich
zwischen 1050 und 1100 erbaute „Marcpurc“ (= Grenzburg) handelt, ist ungewiß.
Auch eine Errichtung im Bereich des heutigen Schlosses erscheint möglich.
Kirchlich gehörte Marburg zum „sedes“ (= Kirchspiel)
Oberweimar, das in der Grafschaft Ruchesloh (= Reizberg und Lohra) lag.
Die Abspaltung Niederweimars, Cappels und Marburgs aus
Reizberger Besitz durch die Gisonen vermutet Diefenbach [119] aufgrund
einer Urkunde aus dem Jahre 1138/39, in der als Begleiter des Landgrafen
Ludwig von Thüringen auch Thammo de Wimere, Ludewicus de Capela
und Ludewicus de Marburg benannt sind.
„Darum ist es am wahrscheinlichsten, daß bereits
den Grafen Giso die Abspaltung von Reizberg gelang.“ [Diefenbach
119]
„Sie könnte etwa um 1100 erfolgt sein, vielleicht
in Ausnutzung der Schwächung der Gleiberger Grafen, der Herren von
Ruchesloh, durch Zerstörung ihrer Burg 1103 sowie mit Hilfe ihrer
Beziehungen zum Reiche.“ [Diefenbach 119 Anm. 42 ]
„( ) mit Hilfe der Erbauung der Marburg auf der Grenze
zwischen Reizberg und der Zehnt Michelbach, in der die Gisonen begütert
waren.“ [a.a.O], könnte dann diese Abtrennung militärisch gesichert
worden sein.
Burgwald und Wollenberg
Die Hundeburg
Zum Reichsgutcharakter von Wollenberg und Burgwald siehe
unter Einführung und Giso I. Jakob Henseling schreibt in seinem
Buch „Die Geschichte von Oberrosphe“: „Um das „königliche Kloster“
und das gesamte „Vogteigebiet“ vor äußeren Feinden zu schützen,
ließen die Gisonen ( ) ringsum auf den Bergen bereits vorhandene
Burgen neu befestigen ( ) oder neue Burgen errichten und mit ihren „Rittern“,
d.h. gewappneten und berittenen Dienstleuten, besetzen. ( ) So wurde von
ihnen wohl um 1050 n.Chr. auf der felsigen Spitze des „Hohen Berges“ über
dem Rosphetal bei Oberste Rosphe ( ) die neue „Hun-Burg“, d.h. Hohenburg,
heute Hundeburg genannt, errichtet, mit einem „festen Haus“ in der Mitte,
einem steinernen Wachturm, - von dem man bis nach Amöneburg, Hollende
und nach
Battenberg hinüberschauen konnte - und mit festen
Mauern ringsherum, die zum Teil heute noch dort zu sehen sind.“ [s. 25]
Die Ritter von Rosphe waren nun über 200 Jahre lang
Herren der Burg. Um 1100 baute, so Henseling, ein Ritter Wetzel unweit
der ersten Befestigung eine Nebenburg, die sogenannte „Wetzel- oder Weißelburg“,
ohne Turm, doch mit festem, steinernem Haus. Im Zuge der Zerstörung
von Hollende und Weißenstein sollen dann, so führt er aus, im
Jahre 1248/49 durch Sophie von Brabant und Rittern aus Marburg,
Nordeck und des Deutschen Ordens auch diese beiden Burgen zerstört
worden sein.
Die Zehnt Michelbach
Nach Diefenbach waren die Gisonen hier begütert.
[118 ff] Wehrda und die Augustenruhe (s.u. Marburg) waren vermutlich eine
Abspaltung aus der Zehnt und damit wohl gisonisches Allod.
Gericht Caldern und Burg
Diefenbach [119] und Patze [199] bezeichnen das Gebiet
als gisonischen Besitz, Dersch [53 ff] als Allod. Möglicherweise
ist in der Ruine Burg eine einstige gisonische Befestigung zu sehen.
Reichslehen bis in den Westerwald hinein
Herborner- und Haigerer Mark
Kalenberger Zehnt
Herrschaft zum Westerwald [Diefenbach 118 ff;
Reuling 416]
Als Sachwalter des Reiches übten die Gisonen
die Herrschaft über weite, meist zusammenhängende Waldgebiete,
u.a. auch über Wollenberg und Burgwald, aus.
Besitzungen am Rhein
Als Allode aus Bilsteiner Hand, durch Gräfin
Kunigunde an Giso IV. gekommen, gelten nach Patze [207 f]:
Gut in Braubach, 1138/39 an das Kloster Siegburg geschenkt;
Grundherrschaft Rosbach an der Sieg;
Neuenburg; Altenwied; Bilstein;
Grundherrschaft am Nordufer der unteren Lahn, westlich
des Selbach- Unterlaufes.
Nach Henseling [ORO 25 ff] besaßen die Gisonen
die
Burg Windeck an der Sieg und das umliegende Gebiet, da er hier Rosper
Gefolgsleute als Burgmannen Gisos IV. vermutet.
Die Vogteien
Stift St. Florin in Koblenz
Es handelt sich um Erbgut der Gräfin Kunigunde
von Bilstein; Giso IV. ist 1110 hier als Vogt bezeugt.
Kloster Hersfeld
Im Reichskloster Hersfeld ist Giso ab 1099 bezeugt;
es stellt nach Patze [195] einen Teil des Bilsteiner Erbes dar.
Die Ludowinger (= Haus Thüringen) sind hier ab 1133
belegt und gelten
als Erben dieses gisonischen Besitzes. [Patze
205]
Klöster Hasungen und Breitenau
1121 als Wernersches Erbe an die Gisonen
gekommen (?). Die Ludowinger als Vögte dann 1123 in Breitenau
und 1130 in Hasungen bezeugt. [Patze 205]
Fritzlar
Gisonischer Besitz ungewiß, doch um 1123
sind Ludowinger als Vögte belegt. [Patze 205]
Stift Wetter
Die Gisonen gelten seit 1015, dem Gründungsjahr
des Kanonissenstiftes, als seine Vögte. (s.u. Giso I.) Patze
vermutet aus dem Umstand, daß Gräfin Mathilde hier im
Jahre 1110 beigesetzt wurde, im Stift die allgemeine Grablege der Gisonen.
[197]
Die Vogtei, wohl schon um 1115/18 durch die Gisonen an
Mainz gekommen, wurde nach 1122 den Ludowingern vom Erzbistum zu
Lehen gegeben.
Gudensberg, Grafschaft Gudensberg- Maden und Gaugericht
Maden
Giso IV. führt ab 1121 den Titel „comes
de Udenesberc“, Graf von Gudensberg. [Patze 195]
Ob er aber hier das gesamte Wernersche Erbe in
Niederhessen antreten konnte, ist unklar. So ist laut Patze [196 ff] das
Gericht Maden unter Werner IV. bereits an Mainz gekommen. Die Gisonen
besaßen
folglich nur die Burg und das Amt des Reichsbannerträgers.
Sie hätten versucht, von dieser Basis aus, ihre Herrschaft in Niederhessen
erst auszubilden. Die Ludowinger hätten mit Heinrich Raspe
I. dann Maden als Lehen erhalten und Gudensberg erheiratet (?). [Patze
197 Amn. 41]
Das Amt des Reichsbannerträgers, in dessen Besitz
Heinrich
noch war, blieb nach seinem Tode jedoch nicht beim Hause Thüringen.
Besitzungen, die den Gisonen nicht ohne große
Zweifel zugeschrieben werden können, in der Literatur jedoch vereinzelt
zu finden sind:
Gericht Homberg/Ohm
Ursprung in der Vogtei über Hersfeld, von Thüringen
erst 1146 erworbenes Reichsgut. Dersch [53 ff] spricht von gisonischem
Allod.
Teile von Kirchhain
Ursprung in von Thüringen erworbenem Reichsgut.
(s.o.)
Gericht Grünberg
Durch Bau der Burg erst im Jahre 1186 für Thüringen
errungen. [Diefenbach 118] Dersch (s.o.) spricht von gisonischem Allod.
Großenlinden und Weilburg im Niederlahngau
Ehemals Wernerscher Besitz, nicht an Gisonen
vererbt, sondern (Vogtei Weilburg) an die Grafen von Laurenburg gegangen.
Burg Nordeck (?)
Literaturliste:
----------------
Heinrich Boucsein: ,Der Burgwald' 1955
Hugo Brunner: ,Geschichte der Stadt Gudensberg und des
Landgerichtes Maden' in: Mitteilungen d. Vereins f. Hessische Geschichte
Jg.1897 Seite.89-131,147
Wilhelm Buchenauer: ,Warzenbach - Mein Dorf - meine Heimat'
(Selbstverlag) 1986
Carl E. Demandt: ,Geschichte des Landes Hessen' ²1972
Wilhelm Dersch: ,Oberhessische Heimatgeschichte' 1925
Heinrich Diefenbach: ,Der Kreis Marburg' ²1963
H Diemar: ,Die Chroniken des Wigand Gerstenberg von Frankenberg'
VHKH (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen)
7,1 ²1989
A. Eckhardt: ,Klosterarchive; Die Oberhessischen Klöster;
Regesten und Urkunden' 1967
Edith Ennen: ,Die Frauen im Mittelalter' 1984
Bruno Gebhardt: ,Handbuch der deutschen Geschichte' Bd.
1, ³1957
Rolf Gensen: ,Christenberg, Burgwald und Amöneburger
Becken' in: Nationes Bd. 2 (Althessen im Frankenreich)
August Heldmann: ,Zur älteren Geschichte des Stiftes,
der Kirche und der Stadt Wetter und
der Burg Mellnau' in: ZHG XXXIV, 1901
Jakob Henseling: ,Die Geschichte von Oberrosphe' 1976
Ders.: ,Die Geschichte der Burg Mellnau' 1963
Carl Heßler: ,Hessische Landes- und Volkskunde'
Bd. 1.2 , 1907
Historisches Ortslexikon des Landes Hessen (HOL) Heft
3
Georg Landau: ,Ritterburgen in Hessen und ihre Besitzer'
Bd. IV, 1832/39
Ders.: ,Der Übergang der gisonischen und wernerischen
Besitzungen aus die Landgrafen von Thüringen' ZHG IX , 1862
Ludwig Büff: ,Nachtrag zu Dr. Landaus Abhandlung'
(s.o.), ZHG XIII ,1871
H. Patze: ,Die Entstehung der Landesherrschaft in Thüringen'
1. Teil, (= Mitteldeutsche Forschungen 22 ),1962
Hans Pez: ,Zur Geschichte des Oberlahngaues' 1922
Ulrich Reuling: ,Burg Weißenstein in landesgeschichtlicher
Sicht' in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte, 39 /89
Emil Schneider: ,(Sagen)', in: Konrad Tönges (Hrsg)
,Heimat an Lahn und Eder', 1955
G. Schenk zu Schweinsberg: ,(Genealogische Daten zu den
Gudensberger Gisonen)' in: ZHG XII,1869 (Ss. 49 ff)
Karl Wenckebach: ,Zur Geschichte der Stadt, des Stiftes
und der Kirche zu Wetter', 1966 Monumenta Germaniae Historica. Diplomata
T. 3, (MGH)
Marburger Land und Leute, Darmstadt 1956
Div. Grenzegangsfestschriften ex 1939- 94
Die Geschichte des Dorfes Hollende
(nach Hans Pez „Zur Geschichte des Oberlahngaues“ von
1922)
Zwischen der Koppe und dem Laiseberg, in westlicher Richtung
von dem Dorfe Treisbach gelegen, schiebt sich ein schmales Wiesengründchen
von etwa 2 Kilometer Länge ein, an dessen südwestlichem Rande
sich der steil emporsteigende Bergkegel Hollende erhebt, der ehedem das
feste Schloß derer von Hollende trug. Von dem Burgberge aus erstreckt
sich das Wiesental noch etwa 300 Meter nach Westen und gabelt sich auch
gleichzeitig am Fuße des Schlosses in zwei Arme, in einen nordwärts
gerichteten kreisförmigen kleineren Teil und den zungenartigen westlichen
Grund. Das Wiesental führt den Namen Hollende, wahrscheinlich nach
dem Dörfchen Hollende, das in seinem letzten Teile sich ehedem ausbreitete.
Das Wiesental der Hollende führt in einem mittleren Teile wohl auch
den Namen Aue. Nachdem die Ritterburg Hollende, die Feste der Gisonen,
wahrscheinlich um 1248 durch Sophie von Brabant zerstört wurde,
hat das Kirchdorf Hollende noch lange danach bestanden. Zwar ist uns über
den Ausgang des Kirchdorfes nichts Genaueres bekannt, ob es gewaltsam zerstört
worden ist, oder allmählich von seinen Bewohnern verlassen wurde,
um sich in den günstiger gelegenen Nachbarorten anzusiedeln, doch
ist es wohl sehr wahrscheinlich, daß der Ort erst um die Mitte des
siebzehnten Jahrhunderts wüste geworden ist. Funde von kleinen Hufeisen
im Hollendetal lassen wohl auf fremdländische Truppen schließen,
da die einheimische Bevölkerung diese kleine Pferderasse nicht kannte.
Wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir die Zerstörung des Ortes in den
mittleren Abschnitt des
dreißigjährigen Krieges legen, jedenfalls
wird Hollende zu gleicher Zeit wie der Nachbarort Bannebach durch Truppen
der Liga vernichtet worden sein, die nach der unglücklichen Schlacht
von Nördlingen gemeinsam unser Heimatland brandschatzten. Vor allem
gibt uns das gänzliche Verschwinden der Kirche von Hollende zu denken.
Da diese unmöglich so verfallen sein konnte seit der Zeit, aus der
uns noch Urkunden von ihrem Vorhandensein Kunde bringen bis auf unsere
Tage, so kann nur ein gewaltsamer Eingriff das Gotteshaus bis auf den Grund
vernichtet haben.
Eine Urkunde, die aus dem Jahre 1362 stammt besagt uns,
daß Hermann von Falkenberg vom Erzstifte Mainz das Gericht zu Bannebach
und zu Hollende zu Lehen erhielt und dazu die Zehnten von den beiden Dörfern,
Güter, welche später an die von Hatzfeld und im Jahre 1570 käuflich
an die hessischen Landgrafen kamen. Wigand Gerstenberg (1457-1522) erzählt
in seiner Chronik vom Jahre 1247-1248 folgendes: „Als nun Frau Sophie
sah, daß in dem Lande Hessen etliche neue Schlösser und feste
Berge gebaut waren, dem Lande zu Schaden, da zog sie mit einem Heer vor
etliche. Und sonderlich vor den Weißenstein und Hollende, die beiden
Schlösser ließ sie abbrechen“. Aber etwa 112 Jahre nach diesem
Ereignis bringt uns eine Urkunde vom Jahre 1362 noch die sichere Nachricht,
daß das Dorf Hollende dem Hermann von Falkenberg als Lehen vom Erzstifte
Mainz überlassen wurde und dann im Jahre 1570 an die Landgrafen von
Hessen kam. Von dieser Zeit fehlen weitere Dokumente und somit bleibt der
endgültige Ausgang des Dorfes Hollende in Dunkel gehüllt.
Wohin sich die Einwohner wanden. Da die einzelnen Parzellen
des Hollendetales heute noch die verschiedensten Namen führen, läßt
sich von diesen aus ein Schluß auf die ehemalige Besiedelung ziehen.
Wir finden heute noch folgende Wiesennamen; Salzacker, Hasengarten, Schaf-
und Kuhstall, Totenhof, Tor auf Platz u.s.w. Genau dieselbe Erscheinung
finden wir im Bannebachtal wo ehedem das Dorf Bannebach lag. Die Wiesennamen
geben uns die ehemaligen Hausnamen wieder. Da das Gelände heute nur
einigen Bauern aus Treisbach gehört, z.B. den Herren Achenbach (Schärns),
Schäfer (Opperschmieds), Erkel (Lipps) und Peter (Deis),so liegt klar
auf der Hand, daß die letzten Siedler von Hollende wohl nach Treisbach
gezogen sind und sich auch dort niederließen. Ihr Ackerland
konnten Sie von dem neuen Ort ebenso leicht bestellen
wie vom Dorf Hollende aus, ja wohl noch
leichter. Der Hausname „Opperschmieds“ läßt
darauf schließen, daß ein Stammahn, nach dem das
Dorf benannt wurde, in einem Kirchdorfe ansässig
gewesen sein muß, was in Bezug auf Hollende
ja auch zutrifft. Etwa 80 Schritte vom Fuße des
Burgberges abgelegen finden wir in nordwestlicher
Richtung in einem Dorngestrüpp den Friedhof des
Dörfchens Hollende, heute „Totenhof“ genannt.
Obwohl dieser als die Begräbnisstätte der Bewohner
des Dorfes anzusehen ist, wird er vom Volke
für die Ruhestatt der letzten Ritter von Hollende
gehalten. Die einzelnen Hügel sind noch schwach
zu erkennen. Heute ist der Friedhof Eigentum der Interessentengemeinde
Treisbach, also ist er aus
der Hand der Gemeinde Hollende in die Treisbachs übergegangen,
da ehedem alle Ortsbürger Anteile der Interessentengemeinde hatten.
Der Elternstein, ein vorgeschichtliches Denkmal.(nach Hans Pez)
Wir wenden uns nun vom Hollendetal aus in nördlicher
Richtung zum Laiseberg und verfolgen den Weg, welcher über den rechten
Wiesenarm über den Sattel des Berges führt. Nach etwa 15 Minuten
erreicht man bequem auf einer Waldblöße den Distriktstein 11.
Von hier aus führt ein Weg von etwa 20 Minuten um den Kopf des Laiseberges
herum zu dem Elternstein, vom Volke kurz Aeltestein genannt. Der Stein
ist 1,15 Meter lang und 1,14 Meter hoch. Er bildet einen Quader mit dachartiger
Abschrägung. „Die hohe Vorderseite zeigte bis 1905, wo ihn Holzhauer
aus der Erde hoben, genau nach Norden.“ Die Vorder- und Dachfläche
sind im großen und ganzen glatt. Doch zeigt die Vorderfläche
noch nahe dem Boden eine Wölbung, ein Beweis dafür, daß
das Richtscheit bei einer eventuellen Bearbeitung nicht verwendet worden
ist. Die beiden Seitenflächen sind rauh. Die linke Fläche scheint
grob bearbeitet zu sein. Die Vorderkante der dachförmig, einseitig
abgeschrägten Kopffläche ist abgerundet. Irgend eine Inschrift
oder Schriftzeichen weist der Stein nicht auf. Nach der Ansicht eines Prähistorikers
kann der Elternstein sogar vorgeschichtlicher Natur sein. Seine Bearbeitung,
wenn man überhaupt davon sprechen kann, und Aufstellung als Malzeichen
eines bedeutenden Geschehens, würde alsdann weit vor den Beginn unserer
Zeitrechnung, also Jahrhunderte vor der Geburt unseres Herrn und Heilandes
zu setzen sein. Die Sagen, welche sich an den Elternstein knüpfen,
wären alsdann des Bodens entkleidet; denn nach der sagenhaften Überlieferung
liegen unter dem Grabdenkmal ein Ritter von Hollende, Graf Giso, nebst
seinen Söhnen begraben. Eine andere Sage berichtet, daß hier
Graf Giso von Hollende auf einer Jagd vom Pferde stürzte, tödlich
verunglückte und dann am Unglücksort seine letzte Ruhestätte
fand. Später wurde auf Wunsch auch seine Gemahlin dort beigesetzt,
daher der Name Elternstein. Eine weitere Sage meldet, daß die Bauern
vom nahen Orte Treisbach vor langer Zeit, als dort die Kirche erbaut wurde,
den Elternstein in dieser aufstellen wollten. Mit großer Mühe
hatte man ihn glücklich bis vor den Dorfeingang gebracht, da kam die
Nacht herein. Man ging nach Hause, um den Stein am folgenden Tag weiter
zu schaffen. Doch in
der Nacht kam der Teufel und trug den Elternstein unter
Ächzen und Stöhnen, Rauschen und Gepolter wieder auf den Laiseberg
auf den alten Platz zurück. Das ereignete sich mehrere Male, bis die
Bauern von ihrem Plane Abstand nahmen und den Stein auf seinem Orte beließen.
Wieder eine andere Sage erzählt, die Bauern wollten den Stein mit
ihren Wagen in das Dorf schaffen, doch brach ihnen allemal der Wagen, so
oft sie den Stein aufluden, und der Stein fiel herunter. Am anderen Morgen
stand er jedes Mal wieder auf seinem alten Platze. So mannigfaltig die
Sagen auch sind und so verschieden, einen Grundgedanken schließen
sie alle in sich, nämlich den, der Stein bedeckt ein hochwichtiges,
heiliges Etwas, einen bedeutenden Ritter des frühen Mittelalters oder
gar einen heidnischen Stammeshelden. Er ist ein Denkmal eines ehedem bedeutenden
Ereignisses unserer engeren, vielleicht auch weiteren chattischen Heimat,
ein stummer Zeuge längst vergangener, altgersgrauer Zeit und Geschehens.
Wenn wir auch von keiner Chronik je Aufschluß über seine Bedeutung
bekommen werden, so verstehen wir doch die Sprache, welche das Monument
zu uns redet und die den Gedankengang derer wiederspiegelt, die den Stein
einstmals hier errichteten: Irgend ein großes Ereignis lag vor, das
nie vergessen werden sollte. Liebe und Dankbarkeit werden für den
Schlummernden gefordert für Jahrtausende, solange der Stein noch steht.
Er, der wohl Großes und Gutes für seine damalige Mitwelt tat,
ist wert, geehrt zu werden!
Der Taufstein am Laiseberg. (nach Hans Pez)
Wir wenden uns nun in nördlicher Richtung etwas
talwärts zu dem Taufstein hin. Nach etwa 10 Minuten vom Elternstein
aus erreichen wir ihn. Der Taufstein liegt im Buchengestrüpp, hart
am
Waldweg, der zur „dicken Eiche“ hinabführt. Nach
der Sage wurde auf diesem etwas muldenförmig ausgewaschenen Steinteller
der erste Ritter von Hollende getauft, und er diente hinfort allen nachfolgenden
Grafen von Hollende als Taufstein. In Wirklichkeit haben wir es hier wohl
mit einem mächtigen erratischen Blocke, d. h. einem Findling zu tun,
an den sich wegen seiner eigenartigen, immerhin auffallenden Gestalt die
Sage leicht anknüpfte. Der Taufstein ist ein sechseckiger, 70 Zentimeter
hoher, platter Steinteller, dessen Kantenlängen durchweg 1 Meter betragen.
Als Taufbecken konnte er schlechterdings kaum verwendet werden, weil er
eine kaum merkbare Mulde zeigt und auch reichlich weit vom Schloße
Hollende entfernt liegt. Vom Elternsteine aus in östlicher Richtung
liegt in geringer Entfernung ein Steinkranz, der eine ovale Figur darstellt
von etwa 6 Meter Länge und 3 ½ Meter Breite. Wahrscheinlich
haben wir es hier mit einem Hünengrabe zu tun, wie in der Gemarkung
Warzenbach die beiden Hünengräber, Lübbertfelde und Erbesland,
nur daß diesen der typische Steinkranz fehlt.
Die dicke Eiche von Treisbach. (Text aus der OP
vom 4. April 1911)
Die Treisbacher Eiche vernichtet.
Die allen Touristen bekannte „Dicke Eiche“ bei Treisbach
ist gestern angezündet worden und fast
vollständig verbrannt. Die Overh. Ztg. erhält
hierzu folgende Nachricht aus Treisbach, 3. April 1911. Heute morgen gegen
10 Uhr verbreitete sich plötzlich im Dorfe die gemüterregende
Nachricht, daß das Nationalheiligtum des oberhessischen Landes, „die
dicke Eiche“, das Ziel vieler Touristenausflüge, von ruchloser Hand
angezündet sei. Einer Meldung nach sollen es zwei Männer gewesen
sein, die Hand an die Greisin legten. Es ist zu bedauern, daß gerade
Naturfreunde es sind, die das herrliche Erzeugnis der Natur auf so brutale
Weise zerstören. Vielleicht war „die dicke Eiche“ der stärkste
und schönste Eichbaum unseres ganzen Vaterlandes. Jedenfalls wird
der am Boden 14 Meter Umfang starke Baum, auf mehr denn zwei Jahrtausende
zurückblicken können. Schon die Ureltern kannten die Eiche so,
wie sie sich auch den heutigen Generationen zeigte. Bei einer Höhe
von 25 Metern, maß der Stamm 1 Meter über dem Boden noch 12
Meter Umfang. Die vernichtende Macht des Feuers konnte trotz eifrigen Bemühens
der Feuerwehr zu Treisbach nicht auf den Herd beschränkt werden, da
Stamm und Zweige im inneren hohl waren und die Spechtwohnungen als Zuglöcher
wirkten, so daß die Flammen wie in einem Schornstein rasch und mit
Gewalt nach oben schlugen. Heute abend war nur noch ein Stumpf von etwa
4 Meter Höhe vorhanden. Es wäre zu wünschen, daß die
Vernichter jenes Wahrzeichens alten Lebens ermittelt würden.
- Ende Zitat OP vom 4. April 1911 -
Einige Jahre später wurde von Treisbacher Bürgern
eine neue Eiche an dieser Stelle gepflanzt.
Bemerke: Erste lobende Erwähnung der Treisbacher
Feuerwehr in der Overhess. Ztg. am 4. April
1911.