Der bereits erwähnte Annalista Saxo nennt einen gewissen
Siegfried,
Sohn eines Markgrafen, "avunculus" von Esico
[Annalista Saxo zum Jahre 1030 (MGH. SS. VI, Seite 678)]. Wenn wir diesen
Ausdruck mit "Mutterbruder" übersetzen, hätten wir den Quellenbeleg
dafür, daß ein Vertreter des Hochadels Esicos Großvater
war. Dieser Markgraf, der Hodo
hieß, 993 starb und offenbar markgräfliche Rechte
östlich der Elbe im Bereich der Nieder-Lausitz besaß
[R. Köpke/E. Dümmler, Kaiser Otto der Große, Leipzig 1876,
Seite 387 mit Anm. 3. Dort auch die wichtigsten Quellenbelege. Seine Grafschaften
im Nordthüringgau und in Serimunt sollten allerdings nicht zur Mark
gerechnet werden.], wäre der Vater von Esicos Mutter gewesen. Ob sie,
wie Heinemann meint, 1034 noch lebte, ist nicht überliefert und obendrein
zweifelhaft. Denn Markgraf Hodo starb nicht jung [Er ist für
fast 30 Jahre als Graf und Markgraf in den Quellen belegt.], so daß
die Tochter ihn kaum um 40 Jahre überlebt haben wird. Auch ist nicht
gesagt - und wiederum nicht wahrscheinlich - daß Esicos Mutter
die Erbin Markgraf Hodos und ihrer anderen Verwandten
war. Denn sie hatte ja einen Bruder Siegfried, der zumindest 1030
noch lebte [In dem Jahr half er den Polen bei einem Angriff auf die östlichen
deutschen Markengebiete (Annalista Saxo zu 1030; MGH. SS. VI, Seite 678).].
Hinzu kommt, daß Heinemann die Verwandtschaft Hodos mit dem
Geschlecht, dessen Aussterben er in das Jahr 1034 setzt, nicht beweist.
Heinemann sieht nun in dem Markgrafen Hodo, den wir als Esicos
Großvater erkannten, einen Schwiegersohn des älteren
Thietmar. Anfangs gebraucht er noch vorsichtig die Formulierung vom
"mutmaßlichen Tochtermanne", doch wenig später bezeichnet er
ganz definitiv Markgraf Hodo als "Thietmars Eidam" [Heinemann;
Albrecht Seite 5 und 9.]. Gerade das ist aber nicht überliefert und
trifft wohl auch nicht das Richtige, obgleich verwandtschaftliche Beziehungen
zwischen Hodo und der CHRISTIAN-Sippe [So sollen
Christian
und seine Nachkomen fortan bezeichnet werden.] bestanden haben werden.
Das Hauptindiz hierfür sind die enegen Beziehungen
Hodos zu
Kloster Nienburg, das Thietmar der Ältere, der Sohn Christians,
zusammen mit seinem Bruder im Jahre 975 am Westrand von Serimunt im sogenannten
Nordthüringgau gegründet hatte. 983 - und vielleicht auch schon
975, dem Zeitpunkt der Klostergründung - lag Nienburg in Hodos
Grafschaft, sein Sohn Siegfried war dort einige Zeit Mönch
[Nach Thietmar von Merseburg (MGH. SS. III, Seite 785], und schließlich
wurde Hodo selbst im Kloster Nienburg bestattet. Schon zu Lebzeiten
Thietmars des Älteren, der wahrscheinlich 979 starb [K. Uhlirz,
Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Otto II. und Otto III., 1,.
Band: Otto II. 973-983, Seite 245 f. (Exkurs VII)], begegnete er 973 neben
Thietmar
als Markgraf, ohne daß deren markgräfliche Aufgaben territorial
abgegrenzt werden können. Nach dem Tode Thietmars wird dessen
Sohn Gero bis zum Sterbejahr Hodos nicht einmal als Markgraf
bezeichnet, wohl aber ehrfach Hodo [987 (CDA I, Nr. 74), 992 (CDA
I, Nr. 76), 993 (CDA I, Nr. 80)]. Erst 993 erscheint auch
Gero als
Markgraf, und zwar in der Urkunde, die Hodo als verstorben meldet
[CDA I, Nr. 80]. Hier ist deutlich ein Nacheinander erkennbar, wobei sich
ganz offensichtlich die Markgrafschaft beider auf die Nieder-Lausitz bezieht,
also auf die gleichen Gebiete. Es hat demnach den Anschein, als ob Hodo
nach dem Tode Thietmars des Älteren
die gesamte Markgrafschaft
gegen Thietmars Sohn behauptete. Wenn er nun gegenüber der
CHRISTIAN-Sippe
ein Fremder war, wird er nicht gerade Kloster Nienburg als Begräbnisort
gewählt haben, es sei denn, er hätte dieses Kloster der CHRISTIAN-Sippe
entfremdet.
Doch das ist wohl nicht geschehen, denn Markgraf Hodo wird 1015
in Nienburg bestattet. So bleibt der Schluß, daß
Hodo zur
Verwandtschaft gehörte. Da es ihm anscheinend gelang, daß dem
Sohn Thietmars des Älteren die markgräfliche Würde
zunächst nicht übertragen wurde [Für die ersten Jahre könnte
als Grund Geros Minderjährigkeit eine Rolle gespielt haben,
denn bis 981 (CDA I, Nr. 70) wird er als "puer" ("Knabe")
bezeichnet. Eine Erklärung für die Zeit bis 993 ist damit aber
nicht gegeben.], dürfte er mehr als Thietmars Schwiegersohn
gewesen sein. Als Mitglied der Hauptgenealogie der CHRISTIAN-Sippe
müßte er allerdings ausscheiden, da die Quellen mehrfach auf
sie eingehen, ohne Hodo in dem Zusammenhang zu erwähnen. Daher
ist es wohl naheliegend, in Hodo einen Halbbruder Thietmars des
Älteren zu sehen [So auch - ohne nähere Begründung -
W. Trillmich, Übersetzer der Chronik Thietmars von Merseburg (Ausgewählte
Quelen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, Band IX, Berlin o. J.,
Seite 177, Anm. 233).]. Doch scheinen seine Beziehungen zu Thietmar
bzw. zu Gero nicht die besten gewesen zu sein. Dafür spricht
die einseitige Nachfolge in der Markgrafschaft, mehr aber der anscheinend
erzwungene Klostereintritt Siegfrieds, des Sohnes Hodos.
Die Überlieferung erweckt den Eindruck, daß er Hodos
einziger Sohn war, und es ist unwahrscheinlich, daß Hodo unter
diesen Umständen für ihn die Klosterlaufbahn vorgesehen hatte.
Siegfried
selbst
war keinesfalls daran interessiert, denn er brach nach 995 aus dem Kloster
aus und konnte sich trotz kirchlicher Gegenmaßnahmen in der Freiheit
behaupten [Darüber berichtet Thietmar von Merseburg (MGH. SS. III,
Seite 785). Abt
Ekkehard von Nienburg, der 995 diese Würde erlangte, bemühte
sich mit dem Erzbischof von Magdeburg ergeblich um die Rückführung
Siegfrieds ins Kloster.]. Die unmittelbaren Nachkommen Hodos
- und dazu zählt seine Tochter ebenfalls - sind demnach nicht, wie
wahrscheinlich gewünscht, von Thietmars des Älteren Nachkommen
aus Hodos Erbschaft ausgeschaltet worden. Angesichts fehlender Informationen
über Grafenrechte des Hauptstammes der CHRISTIAN-Sippe in Serimunt
in den Jahren nach 1015 und einstiger Grafenrechte Hodos in diesem
Gebiet ist deshalb nicht unmöglich, daß die ASKANIER
dort schon vor 1032/34 Rechte wahrnahmen.
Die CHRISTIAN-Sippe, zu der wir Hodo, Esicos
Großvater, nunmehr rechnen wollen, stand zu dessen Zeit in hohem
Ansehen: Thietmar der Ältere war Markgraf und sein Bruder Gero
Erzbischof
von Köln. Auch Hodo bekleidetet ein markgräfliches
Amt und ein Zeitgenosse verwendet für ihn das anerkennende Adjektiv
"inclitus", das "berühmt", "bekannt" übersetzt
werden könnte. All das macht es nicht gerade wahrscheinlich, daß
Hodo seine Tochter einem Manne aus unteren Adeslkreisen gab, wie
Heinemann es wohl sieht.