Kapitel 5
Welches aber der Grund gewesen sein mag, der jene bewog,
ein solches Verbrechen zu begehen, kann ich nicht zuverlässig angeben.
Einige sagen, Heinrich sei auf Ekkihards Betrieb einst vom Kaiser
mit Geißelhieben bestraft worden, und habe darum dem Markgrafen die
erwähnte Rache von jeher zugedacht. Andere vermuthen, sie hätten
die That unternommen wegen der oben geschilderten Beschimpfung, welche
Ekkihard in Werlu den beiden Schwestern angethan habe, denen sie dann
gern sich dienstfertig bewiesen, oder auch wegen der Drohungen, die der
Markgraf gegen sie bei jenem Mahle ausgestoßen hätte. Ich aber
weiß nur soviel, daß Markgraf Ekkihard von Meißen
eine Zierde des Reichs, eine Stütze des Vaterlandes, eine Hoffnung
derer, die ihm anvertraut waren, ein Schrecken seiner Feinde und überhaupt
ein vollendeter Mann gewesen wäre, hätte er nur in der Demuth
verharren wollen. Wie beifallswürdig war nicht sein Betragen gegen
seinen Lehnsherrn, den Kaiser, da er von demselben den größten
Theil seines Lehens zum Eigenthum erhielt! Die Milzienter beraubte
er ihrer altangebornen Freiheit, und zwang sie unter
das Joch der Knechtschaft. Den Böhmenherzog Bolizlav, der den Beinamen
des Rothen führt, gewann er zum Vasallen, und den andern Bolizlav
[den von Polen], zu seinem vertrauten Freunde: das bewirkte
er theils durch Güte, theils durch Drohungen. Ueber ganz Thüringen
erlangte er durch gemeinsame Wahl des Volkes die Herzogsgewalt. Auf die
Grafen im Osten aber konnte er mit wenig Ausnahmen rechnen, und so hoffte
er auf die Königskrone.
Alle diese Umstände aber führten ihn zu einem
so kläglichen Ende. Die Kunde von demselben verbreitete sich alsbald
weithin, rief Frau Suonehilde [seine Gemahlin] herbei, und trübte
den Frohsinn seines Sohnes Heriman. Dieser nämlich hatte
auf Befehl seines Vaters den Grafen Willehelm, einen in jeder Beziehung
ausgezeichneten Greis, um den Tod des von dem Sohne desselben erschlagenen
Widikind und Heriman zu rächen, mit einer starken Schaar in Wimeri
[Weimar] belagert, und den alten hochverdienten Krieger zu der eidlichen
Verpflichtung gezwungen, vor dem Markgrafen erscheinen und was jener von
ihm verlangen würde erfüllen zu wollen. Als nun aber der Sohn
von dem unvermutheten Tode seines Vaters Kunde bekam, eilte er mit der
Mutter der Leiche sofort entgegen, empfing des Vaters sterbliche Ueberreste
mit außerordentlicher Trauer, und ließ sie in einer Burg Namens
Geni bestatten. Nachdem aber der dreißigste Tag vorüber war,
reiste Frau Suonehilde mit ihren Söhnen nach Misni [Meißen].
Kapitel 36
Indeß erhoben Graf Heriman und Markgraf
Guncelin [von Meißen] gegen einander Fehde und kämpften
auf eine in diesen Gegenden ungewohnte Weise mit einander. Guncelin
nämlich, der die Burg Strela, welche von Heriman's
Truppen beschützt war, zu erobern versuchte und nichts ausrichtete,
befahl die Burg Rocholenzi an der Milde, welche nicht wohl verwahrt
war, in Brand zu stecken. Außerdem stand er (da ja Oheime gegen ihre
Bruderkinder immer hart und gewaltthätig sind) durchaus nicht an,
seinem Neffen alles Ungemach zuzufügen, was nur immer in seiner Macht
stand. Aber auch Heriman und sein Bruder Ekkihard rissen
ein Schloß an der Saale, welches dem Guncelin ausnehmend werth
war, und das er mit Ringmauern und einer Besatzung versehen und einer unbeschreiblichen
Menge von Vorräthen und Gütern angefüllt hatte, nachdem
sie es mit einem starken Heerhaufen unvorhergesehen umzingelt und erobert
hatten, von Grund aus nieder und steckten es in Brand; die ganze vorgefundene
Masse von Gütern aber vertheilten sie. Das kam dem Könige zu
Ohren; sogleich eilte er nach Merseburg, dies zu untersuchen. Und als er
dort nun die Aussprüche der beiden Grafen vernommen hatte, maß
er die ganze Schuld dem Guncelin bei, der ihm selbst schon früher
bei mancher Gelegenheit Geringschätzung bewiesen und ob des ihm von
Heriman angethanen Schimpfes nicht in ihm, dem Könige, einen
Rächer erwartet hatte. Er setzte hinzu, daß Guncelin
die
Familien vieler Leibeigenen, die ihm das geklagt hätten,
an die Juden verkauft, und sich weder auf sein, des Königes, Gebot
um die Freigebung derselben, noch auch darum bekümmert habe, den
Räubereien Einhalt zu thun, die in seinem Namen
vielen Menschen Schaden und Gefahr brächten. Zudem klagte Heinrich,
Guncelin stände bei seinem Bruder Bolizlav
[von Polen] mehr in Gunst, als ihm
zieme oder dem Könige gefallen könne. Auch waren solche anwesend,
die ihn anzuklagen bereit waren, daß er mit ihnen selbst zusammen
sich des Hochverraths schuldig gemacht habe. Bei so vielen obwaltenden
Beschwerden und den dagegen von Seiten seiner und der Seinigen vorgebrachten
Entschuldigungen wurden die Fürsten des Reichs vom Könige um
einen gemeinsamen Rath ersucht, und thaten nach langer geheimer Erwägung
den Ausspruch: "Wir wissen, daß Guncelin's Betragen gegen
euch nicht ohne Entschuldigungsgründe ist; unser Gutdünken geht
dahin, daß er sich alles Widerstreben bei Seite setzend, unbedingt
eurer Gnade unterwerfe. Euer Herz aber rühre der Allgütige in
seiner Barmherzigkeit, daß ihr nicht nach dem Maße seines Verdienstes,
sondern nach der ganzen Größe eurer gränzenlosen Milde
an ihm thun möget, auf daß dies zur Richtschnur diene allen
denen, die sich an euch wenden." Diesen Rath genehmigend, empfing der König
den Markgrafen und übergab ihn dem Bischof Arnulf von Halberstadt
zu sicherer Haft; seine Stadt Misni [Meißen] aber ließ er
fortwährend gegen feindliche Angriffe besetzt halten und überwies
die Obhut derselben einstweilen dem Grafen Fritherich [von Eilenburg].
Im folgenden Sommer zur Erntezeit aber verlieh er die Stadt,
auf Verwendung der Königin und auf Antrieb des lieben
Tagino, dem Rathe und der Beipflichtung derselben Fürsten gemäß
dem Grafen Heriman.
Kapitel 54
Indeß kam der König, indem er Alstidi [Alstädt]
verließ, wo er die Erscheinung des Herrn gefeiert [Jan. 6], und vom
Herzog Bolizlav [von
Polen] Gesandte empfangen hatte, welche um Frieden baten und
versprachen, Misico, der Sohn Bolizlavs,
werde denselben abschließen, nach Merseburg. Dort erfuhr er das ebenerwähnte
Absterben des Erzbischofs Lievizo, und klagte ob des zeitlichen Nutzens,
der ihm und dem Reiche durch dasselbe entgangen war, wünschte sich
aber auf der anderen Seite auch Glück wegen der künftigen Verwendung
des Seligen für ihn, und feierte sein Gedächtniß mit dem
größten Eifer. Darnach verließ er uns und beging das Fest
der Reinigung Mariä [Febr. 2] zu Magadaburg. An demselben Tage erschien
nun der erwähnte Oddo, begleitet von Geistlichen und Laien, demüthig
bittend, und flehte, wie schon früher, indem sich treue Freunde für
ihn verwandten, um des Königs Gnade in Betreff der Vollziehung seiner
Wahl. Der König aber erhörte sie gar nicht, sondern verlieh seinem
Caplan Unwan das Erzbisthum unter dem freilich nicht aus eigenem Antriebe
hervorgegangenem Beifalle derer, die dorthin gekommen waren, indem er den
Oddo in seine Dienste nahm und ihn durch Versprechung großer Liebesbeweise
beschwichtigte. Darauf ward auf Befehl und in Gegenwart des Königs
Unwan vom Erzbischofe Gero von Magadaburg, unter Beihilfe der Bischöfe
Ekkihard [von Schleswig] und Thurgat zum Erzbischofe gesalbt. Wenige Tage
nachher erschien Misico, Bolizlav's
Sohn, mit großen Geschenken, huldigte dem Könige und bekräftigte
seine Treue mit einem Eidschwur. Dann ward er mit großen Ehren entlassen
und auf das beste unterhalten, damit er bald wiederkommen möchte.
In jenen Tagen erhob sich nach Sonnenuntergang ein großes
Unwetter und setzte uns alle sehr in Bestürzung. Denn es zerstörte
die Kirche außerhalb der Stadt, die unter Otto's
I. Regierung aus rothem Holze aufgeführt war. Auch verzehrte
eine Feuersbrunst viele Güter des Erzbischofes.
Ferner kam es dem Könige zu Ohren, daß mein
Vetter, Markgraf Wirinhari, mit Ekkihard, dem Bruder des
Markgrafen Heriman [von Meißen], ohne dazu Erlaubniß
vom Könige erhalten zu haben, zum Bolizlav sich begeben, und dort
viele, die königliche Gnade verwirkende Reden geführt, auch von
demselben zu Hause oft geheime Boten empfangen habe. Das alles sehr übel
vermerkend, befahl der König beiden, vor ihm zu erscheinen. Da sie
es nun nicht wagten, diesem Gebote zu gehorchen, so ward ihre sämmtliche
Habe in Beschlag genommen und sie als gegen den König widerspenstige
Unterthanen geächtet. Mein Vetter erkaufte zuletzt doch noch des Königs
Gnade und sein Heimatsrecht mit seinem Landbesitze und Gelde. Der andere
aber ward erst lange nachher durch die Verwendung treuer Freunde wieder
eingesetzt.
In demselben Jahre, am 18. März, starb auch Wonlef,
ein Eremit und wahrhaftes Kind Israels.
Kapitel 14
Als der Kaiser diese traurige Botschaft vernahm, wollte
er wieder umkehren, um die Leichname der Erschlagenen wegzubringen; allein
durch den Rath Vieler in seinem Vorhaben gehemmt, unterließ er es,
obwohl mit Widerstreben, und sandte nur den Bischof Aeid [von Meißen],
welcher ihnen mit Erlaubniß des unglückseligen Herzogs ein Begräbniß
besorgen und des Markgrafen Gero Leichnam sich erbitten sollte.
Der ehrwürdige Vater, der willig dem Kaiser beipflichtete, eilte schleunigst
zurück, und als er nun die klägliche Niederlage erblickte, da
erzitterte er und weinte und betete auf seinen Knieen für sie. Als
die Sieger, die noch immer mit dem Plündern beschäftigt waren,
ihn von ferne
erblickten, flohen sie zuerst aus Furcht vor den, wie
sie meinten, Nachkommenden, dann aber, als er näher herankam, begrüßten
sie ihn und gestatteten ihm, ohne alle Kränkung weiter zu gehen. Er
erlangte denn auch von dem über unser Verderben
gar hoch erfreuten Bolizlav, was er
wünschte; worauf er unverzüglich zurückkam, nachdem er die
Leichname der Kampfgenossen mit großer
Mühe, doch aber von den Feinden unterstützt,
bestattet hatte. Die Leichen des Markgrafen und seines Genossen Widred
aber ließ er bis nach Mysni [Meißen] zurückfahren. Daselbst
nahm sie Markgraf Heriman voll Trauer in Empfange und geleitete
sie mit seinen Brüdern Gunteri und Ekkihard nach Nienburg,
wo der Erzbischof Gero von Köln und Markgraf Thietmar,
sein Bruder, Herimans Stiefvater und des eben erschlagenen Grafen
Vater, zu Ehren der heiligen Muttergottes und des heiligen Märtyrers
Cyprian unter der Regierung Otto's II.
eine Abtei erbaut hatten. Darauf übergab Erzbischof Gero die
beiden Leichname der Erde und tröstete seine Wittwe, Frau Aethelheid,
und seinen Sohn Thietmar, so wie seine trauernden Freunde und Vasallen.
Kapitel 10
Zur selbigen Zeit erlitt die mir unwürdigem
anvertraute Kirche meinetwegen (denn meine Schuld erheischte Strafe) große
Verluste. Der barmherzige und geduldige Gott wollte nämlich
nicht länger ungerächt lassen was durch wiederholte gelinde Züchtigung
nicht hatte gehindert werden können, indem er sie bisher immer nur
nach dem Maße seiner Milde, nicht nach Entgeltung seines Grimmes
behandelt hatte. Sie verlor gar brauchbare und nützliche Diener, und
seufzt alltäglich ob meiner Missethat. In besagtem Monate nämlich
ward ihr und mir große Schmach angethan von dem Bastard Aethelbert,
der in mein Landgut einfiel und dasselbe mit einer Rotte von Knechten
zu zerstören bemüht war. Was aber diese Buben zu solchem Unterfangen
bewog, will ich der Wahrheit gemäß berichten. Die verschwenderische
Freigebigkeit Otto's II., welche Allen
in vollem Maße zulächelte, hatte unserer Kirche einen Forst
geschenkt, der zwischen den Flüssen Saale und Milde [Mulde] und den
Landschaften Siusili und Plisni liegt. Dies war geschehen zu Zeiten Bischof
Gisilers und Markgraf Gunter's [von Thüringen]. Nach
der traurigen Zertrümmerung unseres Sitzes aber unter der Regierung
Otto III. erwarb Markgraf Ekkihard
[von Meißen] den Forst bei Sumeringe, und tauschte gegen denselben
den unsrigen ein. Allein der Erneuerer unserer Würde, König
Heinrich, stellte uns in Gegenwart aller Großen des Reichs,
und ohne daß die Gebrüder Heriman und Ekkihard
sich dessen erwehren konnten, denselben im Wege Rechtens wieder zu. Und
nachdem derselbe dann länger als zwölf Jahre unter der Herrschaft
unserer Kirche gestanden hatte, und Graf Heriman durchaus nicht
im Stande gewesen war, ihn, wie es ihm zustand, um sechzig Hufen von mir
einzulösen, so fiel es ihm ein, aus denselben für sich und seinen
Bruder, in Folge des Besitzes zweier Burgwarden, Rochelinti [Rochlitz]
und Titibutziem [Teitzig] laut kaiserlicher Urkunden Anspruch zu machen,
in der Meinung,
daß unsere ältere Besitzbestätigung längst
verjährt sei. Als er mir aber dies eröffnete, merkte er bald,
daß es nichts half. Denn in Magadaburg in Gegenwart unseres Kaisers
wurden beiden die Urkunden gezeigt und erwiesen, daß unsere Schenkungen
durchaus den Vorrang hätten. So sagte zuletzt in Gegenwart seines
zu dem Zwecke anwesenden Bruders und so daß dieser es vernahm, Graf
Heriman folgende Worte: "Alles, was wir bisher
in dieser Angelegenheit gethan haben, haben wir nicht ohne Grund auf Gerathewohl,
sondern weil wir ein Recht dazu zu haben glaubten, unternommen. Jetzt aber
wollen wir die Sache aufgeben."
Nicht lange nachher legte Ekkihard, der noch ein
junger Mann und darum noch gar unerfahren war, auf Antrieb seines Lehnsmannes
Budizlav in seinem Burgward Rochelenzi [Rochlitz] hohe Gehege an, um in
dieselben das Wild einzufangen. Als ich dies nachher erfuhr, ertrug ich
es vorläufig geduldig und ließ durch einen Mittelsmann, nämlich
seinen eigenen Bruder, ihn anhalten, daß er doch das nicht thun möchte.
Auch bei seinem Bruder Heriman ließ ich alsbald Klage führen,
richtete aber mit dem allen nichts aus. So stand es bis Ostern. Weil da
das heitere Wetter und die Wegbarkeit der Straßen es gestatteten,
und ich in diese Gegenden meines Bisthums nie gekommen war, so bekam ich
Lust, mich dorthin zu begeben und die mir bis dahin unbekannten Verhältnisse
sorgfältig zu untersuchen. Am 2. Mai, an einem Freitag, kam
ich nach Chorun [Kohren] und firmte das dort zusammenströmende Volk.
Als ich darauf das erwähnte Werk, durch Stricke und große Netze
zusammengebunden, am Wege selbst stehen sah, stutzte ich und dachte nach,
was ich dabei anfangen sollte. Endlich ließ ich, weil ich doch jenes
Geräth auf keine Weise mitnehmen konnte, einen Theil desselben zerhauen
und von da
gerades Weges nach Rochlitz gehend, firmte ich dort einige.
Indem ich dann die mir ungerechter Weise angethane Schädigung meines
Zehntens und Forstes bei Strafe des Bannes Allen untersagte, überwies
ich das alles unserer Kirche und gebot Frieden. Darauf ging ich wieder
zurück nach meinem Gehöfte und als ich dort sieben Tage
gewesen war, hörte ich, daß Ekkihards Mannen die meinen
bedrohten. Dort übernachtete gerade der Kanzler bei mir, und gab,
als er die Sache von mir hörte, genügenden Bescheid. Darnach
versammelten sich die erwähnten Vasallen wiederholt und versuchten
mir zu schaden, allein unsere Wachen kamen ihnen immer zu rechter Zeit
zuvor. Unterdeß sandte ich einen Abgeordneten an den Kaiser nach
Mainz und bat ihn flehentlich um Herstellung des Friedens.
Obwohl nun denselben Ekkihard seinerseits gelobte
und sein Bruder, dessen Rückkunft ich lange ersehnt hatte, mir, aus
Polen heimkehrend, gleichfalls darauf seinen Handschlag gab, so hielten
sie doch beide nicht Wort. Denn sechs zerschlagene, schimpflich geschorene
Menschen nebst ihren schmählich beschädigten Wohnungen bezeugen,
wie man sich vor solchen Herren hüten muß. Ihre Lehnsleute haben
übrigens in ihrer Weise nicht allein an mir ihren Grimm geübt,
sondem auch anderen, viel besseren, als ich bin, geschadet. Denn sie haben
den Erzbischof Gero in Wirbini [Werben] und den Grafen Sigifrid in Nicici
angegriffen und daselbst weggenommen, was ihnen gefiel.