Das normannische Königreich Sizilien
"Die Eroberung S-Italiens und Siziliens durch die Normannen
war vielleicht nicht nur die beeindruckendste, sondern auch die romantischste
ihrer politischen Leistungen... Das Unternehmen lief unter den Augen und
in Reichweite der vier größten Mächte der damaligen Christenheit
ab - des Byzantinischne Reichs im Osten, des deutschen Kaiserreiches im
Westen, des Papsttums und der arabisch-islamischen Reiche - und war
im Gegensatz zur Eroberung Englands das Ergebnis rein privater Initiative:
Einzelne Ritter und Rittergruppen zogen von der Normandie aus, um ihr Glück
im Süden zu machen." So sieht Richard Allen Brown die Entstehung der
normannischen Fürstentümer in Süditalien. Und in der Tat
ist der Aufstieg der Normannen eine kaum glaubliche und abenteuerliche
Erfolgsgeschichte. Der Legende nach kam 999 eine Gruppe von 40 normannischen
Pilgern auf dem Rückweg vom Heiligen Land nach Salerno und erlebte
dort, wie kopflos die Bevölkerung auf einen sarazenischen Angriff
reagierte. Sie bewaffneten sich und schlugen die Sarazenen zurück.
Zuhause in der Normandie erzählten sie von Süditalien und von
der Möglichkeit, die es beherzten und tatkräftigen Kämpfern
bieten könnte. In den folgendne Jahrzehnten kamen die jüngeren
Söhne normannischer Barone in kleinen Gruppen ins Land, verdingten
sich als Söldner, gewannen an Macht und konnten sich als Landbesitzer
etablieren. Sie kämpften mit den Byzantinern gegen Sarazenen und Langobarden,
mit den Langobarden gegen Byzanz und Sarazenen. 1030 wurde der Normanne
Rainulf Graf von Aversa, und sein Sohn Richard 1058 Fürst von Capua.
Eine besondere Rolle dabei spielten die Söhne des
Tankred von Hauteville, eines wenig begüterten, aber kinderreichen
normannischen Adligen. Der erste, Wilhelm mit dem Beinamen Eisenarm,
weil er im Zweikampf den Emir von Syrakus getötet hatte, erwarb die
Bergfestung Melfi, der zweite, Drogo, erreichte 1047 von HEINRICH
III. die Bestätigung als Graf der Normannen in ganz Apulien
und Kalabrien, und der dritte, Humfried, war der Sieger in der Schlacht
bei Civitate 1053, in der Papst Leo IX. in normannischer Gefangenschaft
geriet. Die Normannen behandelten ihn durchaus ehrerbietig, denn sie waren
christlich fromm im Sinn der westlichen Kirche, und sie wollten ihre Eroberungen
lieber als Lehen vom Papst als etwa von Byzanz oder vom Reich. In den Jahren
des Investiturstreits waren sie die Verbündeten des Papstes und konnten
ihre Herrschaft in S-Italien ungehindert und mit päpstlichem Segen
ausbauen. Der größte Held der Familie, Robert Guiskard, kam
1046 allein und mittellos an. Er war der erste Sohn der zweiten Frau Tankreds,
und seine Halbbrüder unterstützten ihn nicht. Robert unterwarf
sich Kalabrien und gewann nach dem Tod seiner Brüder auch die Herrschaft
über Apulien. 1071 fiel mit Bari die letzte byzantinische Festung,
und 1081 besiegte er bei Durazzo in Alanien den byzantinischen
Kaiser Alexios Komnenos. Byzanz
war sein Endziel, aber 1085 starb er auf der Insel Kephannonia am Typhus.
Er wurde in der Kirche von Avosa bei Melfi begraben, die er selbst als
Grablege für seine Familie gegründet hatte. Aber Robert
hatte nicht nur nach Byzanz geblickt. Auch die Eroberung des sarazenischen
Sizilien stand auf seinem Programm. Erleichtert wurde diese Aufgabe durch
die Uneinigkeit der Emire, die sich ihre Machtbereiche gegenseitig streitig
machten und dabei auch nach Verbündeten suchten. Diese Aufgabe übertrug
er seinem jüngeren Bruder Roger,
der 1056 angekommen war. Von den Byzantinern hatten die Normannen Schiffe
erobert und übernommen, und mit ihnen setzten sie unter Führung
Rogers 1061 zum ersten Mal nach Sizilien
über.
Mit 440 Rittern eroberte er im Handstreich Messina. 1072
wurde die Hauptstadt Palermo eingenommen, und Robert ernannte Roger
zum Grafen von Sizilien. 1087 fiel Syrakus, und 1091 wurde die
letzte sarazenische Festung genommen. Die Normannen unter Roger
hatten nicht nur ihre Fähigkeiten im ritterlichen Kampf bewiesen,
sondern auch eine bemerkenswerte Geschicklichkeit bei der Logistik und
der Organisation von Flotten entwickelt. Weder in Unteritalien noch in
Sizilien traten die Normannen in großer Zahl auf. Sie waren eine
kleine Schicht grundbesitzender Barone, die sich in gewissem Maß
mit dem vorhandenen Adel langobardischer und anderer Herkunft vermischten
und das Land und die übrige Bevölkerung kontrollierten. Unter
ihrer Herrschaft existierten die verschiedenen Bevölkerungsgruppen
mit ihrem unterschiedlichen kulturellen und religiösen Hintergrund
weiter, die Berührung, Gegnerschaft und gegenseitige Durchdringung
griechischer, lateinischer und islamischer Traditionen. Die Normannen brachten
ihre französische Sprache, ihr fränkisch geprägtes Christentum
und eine rigide Auffassung vom Lehensstaat mit, in dessen normannischen
Ausprägungen den Rechten des Lehensmannes, vor allem der Erblichkeit,
ein hartes Zugriffrecht des Lehensherren bei irgendwelchen Verstößen
gegenüberstand. Den periodisch wiederkehrenden Aufständen der
Barone entsprach das blutige Strafgericht, mit dem der Lehensherr die abtrünnigen
Barone immer wieder überzog. Rechtssätze und Konstitutionen,
Güter- und Leistungsverzeichnisse, Rechtsschulen und Kanzleien gehörten
zum Instrumentarium des Lehensfürsten, damit er seine Barone besser
kontrollieren konnte.
Roger, der "große
Graf", starb 1101. Seinem Sohn und Nachfolger, dem erst 1095 geborenen
Roger II. gelang
es in den folgenden Jahren, die süditalienischen Besitzungen der Nachkommen
Robert Guiskards in seinen Besitz zu bringen. Im Schisma der Päpste
von 1130 verlieh ihm Anaklet II. auf der Suche nach Verbündeten im
Kampf gegen Innocenz das Recht, sich König von Sizilien zu nennen
und sich in Palermo krönen zu lassen. So war der Enkel des Tankred
von Hauteville zum Herrn des jüngsten Königreichs aufgestiegen.
Papst Anaklet endete schließlich als nicht anerkannter schismatischer
Papst, und Innocenz wollte durch einen Feldzug gegen Roger
alles wieder rückgängig machen. Aber er wurde mit seinem Heer
geschlagen und fiel in normannische Gefangenschaft, und 1139 anerkannte
auch er Roger II. als König von
Sizilien, Herzog von Apulien und Graf von Capua. In S-Italien waren die
normannischen Barone stärker und der lateinische Einfluß größer.
In Sizilien waren weniger Normannen, der größte Teil des Landes
war Krondomäne, vom König direkt bewirtschaftetes Gebiet. Die
Griechen hatten dort die Normannen als Befreier begrüßt und
spielten in der neuen Verwaltung eine große Rolle. Aber auch die
Sarazenen standen unter dem Schutz des Königs und konnten ihrer Reichslehen
nachgehen und ihre Berufe weiter ausüben. Griechisch, lateinisch und
arabisch wurden in Kanzlei und Verwaltung gebraucht, in S-Italien auch
das normannische Französisch.
Roger II. hatte
ein Gespür für wirtschaftliche Entwicklungen. So verschleppten
die Normannen 1147 die Seidenweber aus Theben und Korinth nach Palermo,
um diese Luxusindustrie unter ihre Kontrolle zu bekommen. Insgesamt wurden
Handel und Gewerbe gefördert, und der sizilische Seehandel wurde zu
einer ernsthaften Konkurrenz für die großen italienischen Seestädte
Genua, Pisa und Venedig. Mit seiner Militärmacht und seiner starken
Flotte war Roger II. ein gewichtiger
Machtfaktor im Zentrum des Mittelmeers, der sich gegen Byzanz wie gegen
das Reich oder die islamischen Küstenstaaten richten konnte. So hatte
Roger
II. 20 Jahre lang Tunis unter seiner Kontrolle.
Dem Papst hatte der König abgerungen, dass er als
päpstlicher Legat die Oberaufsicht über die Kirche in Sizilien
und Süditalien ausüben konnte. Damit war er berechtigt, die Bischöfe
auszuwählen und zu investieren. Demgegenüber machte es wenig,
dass der Papst als oberster Lehensherr anerkannt war, denn bei der strikten
Erblichkeit und der starken Betonung der Königsrechte hatte er wenig
Gelegenheit, seine Oberherrschaft anzumahnen. Die normannischen Könige
statteten ihre Bistümer großzügig aus und gründeten
und beschenkten viele Klöster. Aber die Kirche mit ihrem ganzen Reichtum
war ein sicheres Instrument in der Hand des Königs, solange er auch
die päpstlichen Rechte für sich in Anspruch nehmen konnte. Auch
für die Wissenschaften interessierte sich Roger. Salerno wurde zu
einer bedeutenden Hochschule für Medizin. Der Astronom Aristippus,
der auch Texte griechischer Philosophen ins Lateinische übertrug,
war der Lehrer des Kronprinzen, und der arabische Geograph al-Idrisi arbeitete
im königlichen Auftrag 15 Jahre lang an seinem Buch über die
Beschaffenheit der Länder und Weltteile.
Konstanzes Herkunft und Familie
Roger II. war von
1117 bis 1135 verheiratet gewesen und hatte aus dieser Ehe vier Söhne.
Der älteste, Roger, galt als Kronprinz.
Der zweite Sohn starb schon 1139, der dritte 1144. Der junge Roger
starb 1149, hinterließ aber aus einer nichtehelichen Verbindung einen
Sohn Tankred, der zwischen 1130 und
1134 geboren worden war. Aber die legitime Nachfolge des Hauses
HAUTEVILLE ruhte jetzt nur noch auf dem jüngsten Sohn Wilhelm.
Deshalb entschloß Roger II. sich
1149 zu einer zweiten Ehe und, als die junge Frau ohne Kinder starb, 1152
zu einer dritten. Die dritte Frau war Beatrix
von Rethel, eine Französin aus der Champagne in der Nähe
von Reims. Etwa zur gleichen Zeit heiratetet Rogers
Sohn Wilhelm eine Margarethe
von Navarra. Als Roger II.
am 26. Februar 1154 starb, war sein Enkel Wilhelm
gerade
geboren und seine Frau Beatrix
schwanger.
Die nach dem Tod ihres Vaters geborene Tochter wurde auf den Namen Konstanze
getauft. Sie war also die Schwester des neuen Königs
Wilhelms I. und die Tante des vielleicht ein halbes Jahr älteren
Kronprinzen
Wilhelm und eines später geborenen jüngeren Bruders
Heinrich. Ihre Mutter, ihr Bruder und
dessen Frau stellten am neuen Hof die ältere Generation, Konstanze
und
ihre Neffen die jüngere. In diesem familiären Rahmen wuchs Konstanze
auf. Das Fehlen des Vaters machte sich vielleicht nicht so bemerkbar, weil
ihr Bruder in etwa diesen Platz einnahm. Wir wissen von diesen Jahren überhaupt
nichts. Aber allen Gepflogenheiten nach hatte die Königin-Witwe
Beatrix einen kleinen selbständigen Hofstaat innerhalb
des Hofes, zu dem Konstanze gehörte.
Hier und mit ihrer Mutter sprach sie vor allem französisch. Roger
II. hatte bei seinen Kindern Wert auf eine gute Bildung gelegt,
und Wilhelm war von den besten Gelehrten
unterrichtet worden, vor allem von jenem Heinrich Aristippus, der unter
ihm in höchste Regierungsämter aufstieg. Allem Anschein nach
achtete er bei seinen Kindern genau so auf eine umfassende Erziehung und
Bildung, und Konstanze nahm mit dem
gleichaltrigen Wilhelm an allem teil.
Dazu gehörten die im Königreich Sizilien gängigen Sprachen,
Griechisch, Latein und Arabisch, und später die Texte, die in diesen
Sprachen wichtig waren, neben den Klassikern auch Gesetze und Verwaltungsmaterialien,
aus denen der komplizierte Hintergrund dieses aus so verschiedenen Traditionen
bestehenden und noch keineswegs zusammengewachsenen Königreichs verständlich
wurde. Konstanze
schöpfte aus
ihrer Jugend wohl nicht nur einen beachtlichen Hintergrund an Wissen und
Kenntnissen, sondern entwickelte auch genuines Interesse für politische
Fragen und ein Gefühl der Verantwortung für das Schicksal dieses
Königreichs, das ihr Vater Roger geschaffen hatte und das ihr zur
Heimat geworden war.
Ganz im Unterschied zum deutschen Hof führte der
Hof von Palermo ein äußerlich ruhiges und behagliches Leben,
meistens im königlichen Palast, und in den Monaten der großen
Hitze in einer Sommerresidenz in den Bergen. Solche Bedingungen waren auf
jeden Fall für die Entwicklung der Kinder günstiger als die "Heimatlosigkeit"
des deutschen Hofes. Diese größere Ruhe bedeutete jedoch nicht
eine Abschottung vom wirklichen Leben und von den grundlegenden politischen
Fragen. Denn dazu lag das Königreich Sizilien zu sehr im Mittelpunkt
der Schnittlinien zwischen den islamischen Staaten, Byzanz und dem Reich
und im Konkurrenzkampf zu den See- und Handelsmächten von Pisa, Genua
und Venedig. Auch der äußere Bestand war noch keineswegs gesichert.
Apulien und Kalabrien waren vorher byzantinisch gewesen, Sizilien hatte
zum Islam gehört. Und beide Mächte hatten darauf nicht grundsätzliche
verzichtet und strebten unter günstigen Bedingungen eine Rückeroberung
an. Dazu kam das Unabhängigkeitsstreben der normannischen Barone vor
allem in S-Italien, die nach dem Tod des starken Königs
Roger im Bund mit Byzanz und dem Papst eine große Aufstandsbewegung
auslösten. Aber Wilhelm I. reagierte
rasch und hart. Die Byzantiner wurden vertrieben und die Barone bestraft.
Der Papst hatte auf einen geschwächten Normannen-König gehofft,
aber jetzt stand ihm ein Sieger gegenüber, und 1156 mußte er
dem neuen König dieselben Rechte zugestehen wie vorher seinem Vater,
also auch die Verfügung über die Bistümer und Abteien.
Wilhelm, Konstanze und die Heiratsprojekte
Nach der Niederwerfung des ersten großen Aufstandes
regierte Wilhelm mit einer Mannschaft
von Beamten, Beratern und Günstlingen, die vom Volk und vom Adel gehaßt
wurden. Das führte 1160 und 1162 zu Aufständen, bei denen der
Palast von Palermo geplündert und sogar der Königssohn Heinrich
getötet wurde. Aber Wilhelm
konnte diese Aufstände blutig niederschlagen und seine Stellung befestigen.
Im Gegenzug baute er die verwaltungsmäßige Gliederung und Organisation,
die systematische Erhebung von Steuern und Zöllen und die juristische
Ausgestaltung der Regierungstätigkeit weiter aus. Die fortdauernden
inneren Schwierigkeiten führten allerdings dazu, dass das von Roger
eroberte Tunis aufgegeben werden mußte. Eine Bewährungsprobe
für dieses Regierungssystem war der plötzliche und unerwartete
Tod des Königs 1166. Ihm folgte sein 11-jähriger Sohn Wilhelm
II. unter der formalen Regentschaft seiner Mutter Margarethe
von Navarra. Tatsächlich führte ihr Vetter Stephan
von Perche als Kanzler die Regierung. Allein das Gerücht, Stephan
wolle Konstanze heiraten und sich mit
dieser Legitimation zum König aufschwingen, reichte zu einem neuen
Aufstand aus. Dieses Mal standen die alten Beamten Wilhelms
I. und die Barone auf der gleichen
Seite. Stephan von Perche mußte fliehen, und die Regierung
lag von da an bei einem "Familienrat" unter der Führung des Kanzlers
Matheus von Ajello und des Erzbischofs Walter von Palermo.
Wilhelm trägt
in der Geschichte den Beinamen "der Gute". Er kümmerte sich
weniger um die fortlaufende innere Politik, und er war den Baronen gegenüber
nachsichtiger. Unter ihm konnten sie ein Stück Selbständigkeit
zurückgewinnen. Auch bei den Steuern und Abgaben verzichtete auf manches,
was dem Staat zwar rechtlich als Einnahme zustand und bisher erhoben worden
war, aber letztlich doch bei den Steuereinnehmern verschwunden war. Nach
der harten Unterdrückung jeder Opposition durch seinen Vater trug
seine Großzügigkeit zum besseren Funktionieren des Staatsapparates
bei, und zu größeren Aufständen kam es nicht. Dennoch vollzog
sich in diesen Jahren ein bedeutender Wandel. Das Gleichgewicht aus griechischer,
islamischer und lateinischer Tradition, auf dem Roger
seinen Staat aufgebaut hatte, verschob sich zum Lateinisch-Romanischen,
im kirchlichen und kulturellen Bereich wie in der Verwaltung. Den Sarazenen
gegenüber kam es sogar schon zu ersten Verfolgungen und Pogromen.
Wilhelms indirektes Regierungssystem mit einem gut eingespielten Verwaltungsapparat
brachte dem Land eine ruhige Weiterentwicklung und ließ dem König
freie Zeit zum Planen und Träumen. Dabei stand ihm vermutlich Konstanze
sehr
nahe. Sie war zwar dem Verwandtschaftsgrad nach seine Tante, aber die beiden
waren wie gleichaltrige Geschwister miteinander aufgewachsen und hatten
wohl auch eine ähnliche Art. Für Henry Benrath, der in seinen
historischen Romanen sehr viel Gefühl für psychologische Situationen
und Wahrscheinlichkeiten entwickelt, verbindet Konstanze
mit Wilhelm
eine Seelenverwandtschaft,
die in einem gemeinsamen familiären und kulturellen Hintergrund ihre
Wurzeln hat und zu weitreichenden Zukunftsvisionen führt. Allerdings
sind diese bei Benrath sehr humanistisch-ideal.
Konstanze
war
die Tochter Rogers II., das Königreich
Sizilien war das Ergebnis der konsequenten politischen Anstrengungen ihres
Großvaters und ihres Vaters. Aber für den Ehrgeiz der HAUTEVILLE
war
das nie das Ziel gewesen. Robert Guiskard wollte Byzanz erobern
und oströmischer Kaiser werden, und Wilhelm
II. nahm diese Pläne später wieder auf. Man kann sich
schon vorstellen, dass die beiden Halbgeschwister in ihren politischen
Träumen davon sprachen, das Kaisertum im Osten durch Eroberung für
ihn und das Kaisertum im Westen durch Heirat für sie zu gewinnen und
so den Rang der HAUTEVILLE
weiter zu
erhöhen.
Auffällig ist in jedem Fall, dass Konstanze
und
Wilhelm
an dem hochfürstlichen Spiel der Allianzen und Heiratsprojekte keinen
Anteil hatten, das die STAUFER mit
den ANJOU-PLANTAGENET und den regierenden
Häusern von Aragon, Kastilien oder den Kreuzfahrer-Dynastien verband.
Die verschiedenen Verlobungen etwa der Kinder des deutschen Kaiserpaares
BARBAROSSA
und Beatrix zeigen das deutlich. Die
Kinder wurden einander versprochen, aber ihr Tod oder noch häufiger
ein politischer Richtungswechsel ließen das Projekt wieder in Vergessenheit
geraten. Dagegen ist offenbar über eine Verlobung Konstanzes
nie verhandelt worden, und Wilhelm II.
stand nur einmal, im Jahr 1173, in Gespräch mit dem deutschen Hof
wegen der Verlobung mit einer BARBAROSSA-Tochter.
Der Plan scheiterte, weil er politisch eine Wendung gegen den Papst bedeutet
hätte, und das wollte Wilhelm
nicht.
1177 heiratete er Johanna von Anjou-Plantagenet,
eine Tochter des englischen Königs Heinrich
und der Eleonore von Aquitanien. Deren
Schwester Mathilde war die Frau Heinrichs
des Löwen, aber zu der Zeit war der Bruch zwischen BARBAROSSA
und dem WELFEN noch nicht vollzogen.
Diese Heirat war also noch nicht vollzogen. Diese Heirat war also nicht
Teil eines anti-staufischen Bündnisses.
Sie gehörte aber zur diplomatischen Vorbereitung eines Krieges gegen
Byzanz.
Im Oktober 1184 wurde in Augsburg die Verlobung Konstanzes
mit
dem BARBAROSSA-Sohn
HEINRICH
bekanntgegeben. Diese Verbindung galt lange Zeit als ein Geniestreich
der deutschen Politik, weil sie in Italien ganz neue Dimensionen eröffnete
und den Papst in die Defensive zwang. Von welcher Seite die Initiative
ausging und was im Zusammenhang damit verhandelt wurde, ist nicht bekannt.
Aber die Verlobung machte auch von Sizilien aus Sinn. Zum einen gab sie
Wilhelm die notwendige Rückendeckung
für seine Pläne gegen Byzanz, die in den folgenden Jahren zu
aktiven Kriegshandlungen führten. Zum andern war sie eine Weichenstellung
in der Erbfolge. Denn Wilhelms
Ehe
mit Johanna war nach sieben Jahren
immer noch kinderlos, und er war der letzte legitime HAUTEVILLE.
Ganz offenbar wollte Wilhelm durch
diese Ehe auch die Erbfolge für Konstanze
sichern.
Diese "Eventualerbfolge" war ein Bestandteil des Abkommens, das
mit der Verlobung geschlossen wurde. König
Wilhelm ließ die Erbfolge Konstanzes
und ihres zukünftigen Gatten auch auf einem Hoftag von seinen Beratern
und Baronen beschwören. Diese Regelung war ein wichtiges Anliegen
Wilhelms,
und sie konnte sich nur gegen die Ansprüche eines anderen Bewerbers
richten, den er damit ausschalten wollte. Dieser Bewerber war Tankred
von Lecce, der illegitime Sohn des ursprünglichen Kronprinzen
Roger. Tankred
war
20 Jahre älter als Konstanze
und
Wilhelm, ein Vetter
Wilhelms
und wie dieser ein Neffe Konstanzes.
Angesichts der Kinderlosigkeit Wilhelms hatte
er vermutlich zum ersten Mal Ansprüche auf die Nachfolge erhoben,
und Wilhelm hatte Konstanze
zur Heirat gedrängt, um mit ihrem Mann und ihren möglichen Kindern
eine Alternative zu diesem Nachfolger zu haben.
Der Bräutigam
Konstanze war bei
ihrer Verlobung 30 Jahre alt. Ihr Bräutigam, den sie noch nie gesehen
hatte, war im November 1165 geboren worden, also elf Jahre jünger.
Er war der zweite Sohn BARBAROSSAS
und Beatrix und bekam den Leitnamen
der SALIER, auf die sich die STAUFER
ja beriefen. Nach dem Tod seines älteren Bruders
Friedrich,
eines kränklichen Kindes, das dem Namen nach Herzog von Schwaben gewesen
war, wurde um 1170 der dritte Sohn von Konrad
in Friedrich umbenannt und zum Herzog
von Schwaben gemacht. HEINRICH war
als Nachfolger im Reich vorgesehen und wurde schon im Juli 1169 zum König
gewählt und zwei Monate später als vierjähriger in Aachen
gekrönt.
HEINRICH wuchs am
deutschen Hof im Zentrum der politischen Entscheidungen auf und wurde wohl
auch schon früh von seinem Vater einbezogen und beteiligt. Er war
klug und frühreif, und seine von Anfang an herausragende Stellung
bestärkte ihn in der hohen Vorstellung, die er von sich und seiner
Begabung und Bedeutung hatte. Die Autorität seines Vaters erkannte
er rücksichtslos an, im Unterschied etwa zu den Söhnen Heinrichs
II. von England, die sich immer wieder gegen ihren Vater stellten.
Auch in seinen persönlichen Leidenschaften und Eigenheiten war er
sehr gemäßigt. Sein großes Engagement galt der Politik,
und es ist schwer zu trennen, wie weit er sich für die Größe
des Kaisertums, die Rolle seiner Familie oder seinen persönlichen
Platz in der Geschichte einsetzte. Aber von einer Sendung als großer
Kaiser war er zutiefst überzeugt, und er war auch bereit, Widerstände
dagegen rücksichtslos zu unterdrücken.
Schon von FRIEDRICH BARBAROSSA
heißt es etwas einschränkend, er sei von Statur kleiner als
die Größten und größer als die Mittelgroßen
gewesen, aber HEINRICH war offenbar
wirklich klein, kränklich und schwächlich, also keiner, der durch
körperliche Kraftakte Aufsehen erregte. Beim Mainzer Pfingstfest 1184
empfing er zusammen mit seinem Bruder Friedrich
von Schwaben die Schwertleite, aber er glänzte sicher nicht
durch Turniersiege. Er war intellektuell überragend und hochgebildet,
aber auch anspruchsvoll und hochfahrend. Eine andere Seite seines Wesens
könnten seine Minnelieder zeigen, die zusammen mit seinem Bild die
Manessische Liederhandschrift eröffnen. Sie besingen eine Geliebte,
die ihm wichtiger ist als Macht und Herrlichkeit:
"Mir sind die Reiche und die Länder untertan,
sooft ich bei der Liebenswerten bin;
sooft ich aber da Abschied nehme,
ist all meine Macht und meinem Reichtum
dahin."
In den Gedichten kommen starke Gefühle zum Ausdruck,
aber es gibt keinen Beleg dafür, dass HEINRICH
in seiner Lebensführung je ein solches Gefühl über seine
politische Natur hätte die Oberhand gewinnen lassen. So sind sie entweder
aus einem inneren "ennui" entstanden, aus einer unerfüllten Sehnsucht
nach etwas anderem als Macht, oder aber sie waren ein Spiel, mit dem er
seine geistigen Fähigkeiten und seine intellektuelle Begabung unter
Beweis stellte, wenn er schon in Turnieren und Ritterspielen nicht glänzen
konnte.
Auf jeden Fall galten solche Gefühle nicht Konstanze.
Die Braut war für ihn ein Teil eines politischen Handels, der ihm
große Möglichkeiten eröffnete. Die Erbfolge in Sizilien,
für Wilhelm und Konstanzedie
Abwehr der Ansprüche Tankreds von Lecce und
die Sicherung der Zukunft des Königreiches, bedeutete für HEINRICH
den
Ansatz zu einer Neugestaltung der politischen Basis seiner Macht und seiner
Familie. Zur Sicherung dieser neuen Dimension war allerdings ein Sohn und
Erbe aus dieser Verbindung notwendig. Darüber hinaus hatte er vermutlich
an Konstanze kein menschliches und
persönliches Interesse. In der Familie BARBAROSSASstanden
der Vater mit den Söhnen und die Söhne untereinander in einem
engen und vertrauensvollen Verhältnis, auch wenn sicher Rivalitäten
vorhanden waren. Aber BARBAROSSA bezog
seine Frau Beatrix hier nicht ein,
und dieses Vorbild färbte auf die Söhne ab. HEINRICH
sah
in Konstanze die Erbin Siziliens
und die mögliche Mutter seiner Kinder, aber nicht die Partnerin oder
die "consors regni", die Teilhaberin an der Regierung.
Hochzeit und erster Deutschlandaufenthalt
Die Verlobung von Konstanze
und
HEINRICH war für die Kurie
eine Katastrophe. Deshalb gewannen dort die Gegner einer Verständigung
mit BARBAROSSA die Oberhand, und einer
ihrer Vertreter wurde 1185 als Urban III. neuer Papst. Die Hochzeit sollte
deshalb eine Demonstration der neuen politischen Machtverhältnisse
werden, und FRIEDRICH hätte gern
aus diesem Anlaß seinen Sohn HEINRICH zum
Kaiser krönen lassen. Aber das lehnte der Papst ab. So wurde als Ort
für die Hochzeit Mailand ausgewählt, die Stadt, die FRIEDRICH
1162 räumen und zerstören hatte lassen. Sie war inzwischen
aus den Ruinen prächtig wieder auferstanden und stand im Bund mit
dem deutschen Kaiser.
Im Sommer 1185 brach Konstanze
in Palermo aus zu ihrer Hochzeit auf. Ihre Mutter starb in diesem Jahr,
vor oder nach ihrer Abreise. Konstanze
war noch nicht viel gereist, hatte vielleicht Sizilien und auf jeden Fall
das Königreich noch nie verlassen. König
Wilhelm, ihr Neffe und Vertrauter, geleitete sie bis an die
Grenze. Konstanze sollte keine arme
Braut sein. Deshalb wurde sie von einer gewaltigen Karawane begleitet,
die Schmuck, Gold, Kleider, Stoffe und andere Wertgegenstände mitführte.
In Rieti wurde sie von einer kaiserlichen Delegation in Empfang genommen.
Sie hatte von fast allem, was ihr bisher lieb und vertraut war, Abschied
nehmen müssen, auch wenn sie natürlich einen kleinen Hofstaat
mitnahm. Jetzt war sie unter Deutschen. Zwar war Latein immer noch Staats-
und Bildungssprache, aber das Mittelhochdeutsche hatte sich nicht nur als
Umgangssprache weitgehend durchgesetzt, sondern war auch die Sprache der
modernen Dichtung. Die Deutschen fühlten sich den Italienern überlegen,
und ein Ausdruck dieser Überheblichkeit war der selbstbewußte
Gebrauch ihrer Sprache. Konstanze hatte
vielleicht neben ihren anderen Sprachen auch gewisse Kenntnisse des Langobardischen,
aber davon war das Mittelhochdeutsche doch deutlich unterschieden. Zur
übrigen Fremdheit kam also noch eine Sprachbarriere.
In Foligno traf Konstanze mit
BARBAROSSA
zusammen. Ihr Bräutigam HEINRICH
war nicht dabei, er hatte den Sarg mit seiner im November 1184 gestorbenen
Mutter Beatrix zur Beisetzung nach
Speyer gebracht und war auf dem Rückweg.
FRIEDRICH
I. war zu dieser Zeit über 60 Jahre alt und im 34. Jahr
König. Wie kein Kaiser vorher hatte er den Schwerpunkt seiner politischen
Aktivität nach Italien verlegt und dort mit den lombardischen Städten,
den Bischöfen und Adelsherren und der Kurie um Macht und Einfluß
gestritten. Er war eine imponierende Persönlichkeit und machte sicher
auch auf Konstanze großen Eindruck.
Aber vermutlich gab er sich große Mühe, dieser nicht mehr ganz
jungen und von der Art her wohl eher spröden und zurückhaltenden
Schwiegertochter den Weg in die Fremde durch persönliche Annäherung
leichter zu machen.
Im Gefolge BARBAROSSAS reiste
Konstanze
über Piacenza und Pavia nach Mailand weiter und traf im Januar 1186
in Mailand ein. Dort trat ihr auch zum ersten Mal ihr Bräutigam HEINRICH
gegenüber. Am 27. Januar, einem Montag, fand der große Festakt
statt. Die Eheschließung war verbunden mit einer zeremoniellen Festkrönung
BARBAROSSAS
durch den Erzbischof von Vienne, der staatsrechtlich unerheblichen
Krönung
HEINRICHS zum König
von Italien durch den Patriarchen von Aquileja und der Krönung
Konstanzes
zur
Königin durch einen deutschen Bischof. Die Erhebung
Konstanzes
zur
Königin war im Rahmen der ganzen Veranstaltung ein Randereignis, und
es ist nicht einmal überliefert, welcher Bischof die Weihe vollzog.
Die Veranstaltung war eine Selbstdarstellung des
staufischen Reichsgedankens, und weil der Papst sie nicht mit
einer Kaiserkrönung
HEINRICHS
verbinden wollte, hatte man Mailand als Ort und die Abfolge von Krönungen
als Form gewählt. Der große Schritt wurde noch nicht getan,
aber die Tendenz zu einem von der Weihe durch den Papst unabhängigen
Kaisertum war da.
Die Hochzeit selber war also ein großer Akt staufischer
Politik und Konstanze dabei nicht viel
mehr als eine Statistin. Und in der folgenden Zeit erging es ihr nicht
besser. Bis Mitte 1188, also noch zweieinhalb Jahre lang, blieb HEINRICH
in Oberitalien, und auch Konstanze mußte
sich dort aufhalten. Aber wir haben keinen Anhaltspunkt dafür, wo
sie gelebt haben könnte, ob sie eher mit HEINRICH
mitzog oder, was wahrscheinlicher ist, in einer Pfalz lebte und auf seine
sporadischen Besuche wartete. Denn 1187 führte HEINRICH
Krieg im Kirchenstaat. Die so lange ungelösten Fragen der
weltlichen Herrschaft des Papstes, der mathildischen Güter und des
imperialen Anspruchs auch auf die Kontrolle des Kirchenstaates schienen
jetzt reif für eine endgültige Lösung im staufischen
Sinn. Diplomatisch war diese Aktion gut vorbereitet, denn seit
Mai 1187 gab es ein Bündnis der STAUFER
mit dem französischen König Philippe
Auguste, das sich zwar gegen die ANJOU-PLANTAGENET
und
Heinrich den Löwen richtete, aber den Papst auch ohne Hoffnung auf
französische Hilfe ließ. Die andere große Aufgabe, mit
der BARBAROSSA
seine
kaiserliche Führungsrolle zum Ausdruck bringen wollte, war der Kreuzzug,
den die westliche Christenheit unter seiner Führung unternehmen sollte,
um im Osten zu einer endgültigen und dauerhaften Sicherung der Heiligen
Stätten und der Kreuzfahrerstaaten zu kommen.
Die Nachrichten aus dem Heiligen Land waren schlecht,
denn im Juli 1187 hatte Sultan Saladin
die Kreuzfahrer geschlagen und im Oktober Jerusalem zurückerobert.
Das erleichterte dem neuen Papst Clemens III., von einigen Positionen seines
Vorgängers abzurücken, um zu einem Ausgleich zu kommen. So konnte
HEINRICH
in der 2. Jahreshälfte 1188 nach Deutschland zurückkehren, um
sich von seinem Vater die gesamten Regierungsgeschäfte übertragen
zu lassen. KONSTANZE zog auch hier
mit. Sie intervenierte zweimal für Verwandte ihrer Mutter aus der
Champagne, aber sonst ist über ihren Aufenthalt nichts bekannt. Soweit
sie nicht im Gefolge HEINRICHS mitzog,
dürfte sie vor allem im staufischen
Kernland zwischen Hagenau und Speyer residiert haben. Ihre von den
STAUFERN aus wesentliche biologische
Funktion, einen Erben auf die Welt zu bringen, hatte sie noch nicht erfüllt.
Auf einem Reichstag in Mainz im März 1188, der als
"Hoftag Jesu Christi" bezeichnet wurde, nahmen der Kaiser und sein zweiter
Sohn
Friedrich von Schwaben das Kreuz,
und viele folgten ihrem Beispiel. Als Aufbruchstag wurde der 23. April
des kommenden Jahres bestimmt, der Tag des Heiligen Georg, und die Kreuzfahrer
sollten sich in Regensburg versammeln. Doch vorher war noch einiges zu
klären. In Goslar traf sich BARBAROSSA erneut
mit Heinrich dem Löwen, und er stellte ihn vor die Wahl, auf seine
Ansprüche zu verzichten, mit auf den Kreuzzug oder noch einmal drei
Jahre in die Verbannung zu gehen. Der WELFE
entschied sich für die Verbannung und ging wieder nach England. Auch
für seine Kinder traf
BARBAROSSA
klare Regelungen. Haupthelfer HEINRICHS wurde
sein dritter Bruder Konrad, dem die
fränkischen Besitzungen und die Vertretung in Schwaben übertragen
wurde. Konrad war loyal zu HEINRICH
und ein unentbehrlicher Helfer, aber gewalttätig und skrupellos. Dem
nächsten Bruder
Otto wurde Burgund
übertragen, der jüngste PHILIPP,
war für den geistlichen Stand bestimmt. Aber noch gab es aus der Reihe
der Söhne keine Kaiserenkel.
Die Katastrophe von 1191
Im April 1189 sammelten sich die Kreuzfahrer in Regensburg
und zogen dann der Donau entlang nach Osten. Der riesige Zug - die Quellen
sprechen von 100.000, aber auch die 12.000 mit denen man heute rechnet,
stellten ein erhebliches organisatorisches Problem dar - erreichte im Spätherbst
den Balkan und überwinterte dort nach Verhandlungen mit dem byzantinischen
Kaiser. Im Frühjahr 1190 setzten die Kreuzfahrer nach Kleinasien über,
und dort fand BARBAROSSA im Juni 1190
im Fluß Saleph den Tod. Sein Sohn Friedrich
führte den Kreuzzug weiter, aber er starb im Frühjahr 1191 bei
der Belagerung Akkons. Dafür erreichten englische und französische
Verstärkungen unter dem neuen englischen
König Richard Löwenherz den Kreuzzug. Aber der große
von BARBAROSSA
erhoffte Erfolg blieb
aus.
Seit April 1189 stand also HEINRICH
in
der alleinigen Verantwortung für das Reich. Alles war gut vorbereitet
worden, er war seit langem an der Gestaltung der kaiserlichen Politik beteiligt
und davon überzeugt, dass er sie genau so fortführen könnte.
Aber der Wegfall der väterlichen Autorität machte sich sofort
bemerkbar. Schon im Oktober 1189 kehrte Heinrich der Löwe nach Deutschland
zurück. Heinrich II. von England,
sein Schwiegervater, war im Sommer 1189 gestorben, und von seinem Schwager
Richard
Löwenherz erwartete er sich keine Hilfe. An das Versprechen
gegenüber BARBAROSSA fühlte
er sich nicht mehr gebunden, auch wenn er dieses Argument erst nach dem
Tod des Kaisers benutzen konnte. Er fand bei einer Reihe von Fürsten
Unterstützung, die nach der langen Regierungszeit BARBAROSSAS
gern wieder etwas mehr die fürstliche Unabhängigkeit betont hätten.
Das war eine Herausforderung, auf die HEINRICH
reagieren mußte.
Bevor HEINRICH sich
aber gegen den WELFEN wenden konnte,
erreichten ihn bestürzende Nachrichten aus Italien. König
Wilhelm
II. von Sizilien war überraschend am 18. November 1189
gestorben. Die Adligen und Barone, die fünf Jahre vorher in Troia
die Erbfolge
Konstanzes und
HEINRICHS
beschworen hatten, wollten den Deutschen nicht als König. Der Führer
der antideutschen Richtung war der Kanzler Mattheus von Ajello. Papst Clemens
III. entband die Herren von ihrem Schwur, und sie entschieden sich für
den Grafen Tankred von Lecce, der am
18. Januar 1190 in Palermo zum König gekrönt wurde. Die Nachricht
muß bei HEINRICH und
Konstanze
sehr verschiedene Reaktionen ausgelöst haben. Konstanze
trauerte
um ihren Neffen Wilhelm, der ihr menschlich
so nahe gestanden hatte, und das umso mehr, weil sie in Deutschland oder
gar in ihrem Mann keinen Ersatz gefunden hatte. Den Kampf um das Erbe empfand
sie als Vermächtnis und Verpflichtung. HEINRICH
dagegen
hatte keinerlei emotionale Bindung zu diesem Königreich, das er noch
nie betreten hatte. Er empfand nur ohnmächtigen Zorn darüber,
dass hier seine großen imperialen Träume gestört und vielleicht
zerstört wurden. Für ihn war es eine Rebellion, die mit Gewalt
zerschlagen werden mußte. Ob und wie weit HEINRICH
Konstanze über seine Pläne informierte oder gar ihren
Sachverstand und ihre Kenntnis der führenden Persönlichkeiten
nutzte, ist nicht bekannt, aber die Art seines Vorgehens spricht dagegen.
Die Situation in Deutschland verhinderte eine sofortige
Reaktion. Aber Heinrich der Löwe erschien jetzt als sekundäres
Problem. Im Juli 1190 wurde in Fulda ein Frieden geschlossen, auf dessen
Grundlage Heinrich der Löwe im Land bleiben und einen Teil seiner
Rechte zurückerhalten konnte. Zwei Söhne sollten als Geiseln
im Gefolge König HEINRICHS mit
nach Italien ziehen, um den Löwen an seine Versprechungen zu binden.
Die Nachricht vom Tod BARBAROSSAS,
die bald danach eintraf, verhinderte den sofortigen Italienzug. Erst im
Januar 1191 erschien HEINRICH VI. mit
einem Heer und mit Konstanze im Gefolge
in der Lombardei. Er wollte sich in Rom zum Kaiser krönen lassen und
dann in seiner neuen Würde den Kampf um Sizilien aufnehmen.
Im März starb Papst Clemens III., und die Kardinäle
wählten den Ältesten aus ihren Reihen zum Nachfolger. Coelestin
III. war ein zäher Gegner. Zuerst schob er seine Konsekrierung hinaus,
denn erst nach seiner Weihe zum Papst konnte er einen Kaiser krönen.
Um Druck auf ihn auszuüben, mußte HEINRICH
sich mit den Römern verständigen. Er lieferte ihnen die kleine
Stadt Tusculum, die die Römer als Konkurrenz empfanden und die immer
kaisertreu gewesen war, zur Plünderung und Zerstörung aus. Dafür
wurde er am Ostersonntag von dem neuen geweihten Papst zum Kaiser gekrönt.
Konstanze
war
vermutlich anwesend, aber sie wurde nicht mitgekrönt. Von Rom aus
begann HEINRICH die Eroberung S-Italiens
mit der Belagerung Neapels, das von der See her durch pisanische Schiffe
blockiert wurde. Mit der steigenden Sommerhitze nahmen Durchfallerkrankungen,
Ruhr und Malaria im deutschen Heer dramatisch zu, und HEINRICH,
der sich selbst eine Malaria zuzog, von der er sich nie mehr ganz erholen
sollte, mußte die Belagerung ergebnislos abbrechen.
Konstanze wollte
der Kaiser in seiner Nähe haben, weil ihr Erbanspruch je sein Rechtstitel
war. Sie hielt sich in Salerno auf, das sich für HEINRICH
und
Konstanze
erklärt
hatte. Als die Nachricht vom Zusammenbruch der kaiserlichen Macht eintraf,
schlug die Stimmung in der Stadt um. Konstanze
konnte
nur den freien Abzug ihrer deutschen Begleitung erreichen, sie selber wurde
gefangengenommen und dem König Tankred
übergeben. Wilhelm und
Konstanze
waren Gegner Tankreds gewesen, und
nicht alle, die sich gegen HEINRICH und
für ihn als König ausgesprochen hatten, waren seine unbedingten
Anhänger. Wahrscheinlich eher wegen der Sympathien, die Konstanze
überall entgegengebracht wurden, als aus innerer Vornehmheit behandelte
Tankred
seine
20 Jahre jüngere Tante und Konkurrentin zuvorkommend. Sie erhielt
das Kastell von Neapel als Haftort zugewiesen.
Tankred wurde Mitte
1192 von Papst Coelestin als König anerkannt und offiziell mit Sizilien
belehnt. Dafür übergab er seine Gefangene Abgesandten des Papstes,
die sie nach Rom bringen sollten. Wahrscheinlich wollte der Papst sie dann
in einer großen Geste an HEINRICH
zurückgeben und damit gleichzeitig Verhandlungen einleiten. Aber unterwegs
traf die Reisegruppe auf eine bewaffnete deutsche Schar, die die Gemahlin
des Kaisers aus den Händen der Päpstlichen "befreite" und sie
an Rom vorbei nach Deutschland zurückbrachte. HEINRICH
hatte Italien schon Ende 1191 verlassen. Die großartig in Angriff
genommene Eroberung des sizilischen Erbes war kläglich gescheitert,
der Papst hatte seine Oberlehensherrschaft über Sizilien neu zum Ausdruck
bringen können, und Tankred war
fest etabliert und konnte seinen Sohn Roger zum
Mitkönig einsetzen lassen. Die Bilanz der ersten Jahre HEINRICHS
VI. war von spektakulären Mißerfolgen gekennzeichnet.
Zweiter Deutschlandaufenthalt
Der zweite Deutschlandaufenthalt
Konstanzes dauerte von Herbst 1192 bis Pfingsten 1194. Er war
noch unerfreulicher als der erste. Denn Konstanze
war für
HEINRICH nicht nur eine
Art Geisel, ein Wechsel auf eine bessere politische Zukunft, in der er
Sizilien wieder für sich reklamieren konnte, sondern auch die Zeugin
seines Versagens, die Vertreterin des Landes, das ihn zurückgestoßen
hatte. Dazu kam der wachsende Druck, wenn ihren sicher nur sporadischen
Begegnungen nicht die langerwartete Schwangerschaft folgte, die Vorwürfe,
dass die Familie König Rogers zur
Unfruchtbarkeit und zum Aussterben verurteilt sei. Wenn die Ehe kinderlos
blieb, und das war wahrscheinlich, denn sie waren seit acht Jahren verheiratet
und Konstanze inzwischen 38, dann war
Konstanze
nur
noch der Rechtsgrund, mit dem HEINRICH
Sizilien dem STAUFER-Reich einverleiben
konnte. Konstanze hatte sich auf die
Ehe mit HEINRICH eingelassen, um die
Erbfolge Tankreds zu verhindern, aber
in ihrer jetzigen Lage mußte ihr Tankred
als König noch lieber sein als die Übernahme ihres
väterlichen Reiches durch die STAUFER.
Konstanze wird in
dieser Zeit nur einmal erwähnt, und zwar anläßlich einer
Begegnung mit dem englischen König
Richard Löwenherz in Hagenau. Richard
war ein großer Ritter und Kämpfer, aber gleichzeitig auch grenzenlos
selbstüberzeugt, anderen gegenüber unverschämt und in seinen
Zielen und Wegen skrupellos. So konnte es nicht ausbleiben, dass er sich
überall, wo er auftrat, auch persönliche Feinde machte. Kaiser
HEINRICH und der französische König hatten sich abgesprochen,
ihn auf dem Rückweg vom Kreuzzug abzufangen. Das hätte einer
früheren Generation noch als unritterlich und unchristlich gegolten,
aber die Zeiten hatten sich geändert. Richard
versuchte, von Aquileja aus in Verkleidung über die Alpen zu kommen,
aber er fiel mit seinem Benehmen aus der Rolle und wurde erkannt. Den BABENBERGER
Leopold von Österreich, der ihn Ende 1192 in Haft nahm, hatte er auf
dem Kreuzzug schwer beleidigt, seine Fahne heruntergerissen und in den
Dreck getreten. Leopold lieferte ihn gegen eine Beteiligung am mutmaßlichen
Lösegeld an Kaiser HEINRICH aus.
Richard Löwenherz saß dann
auf dem Trifels ein, nicht im tiefen Kerker, sondern in ritterlicher Haft,
während die Verhandlungen über das Lösegeld liefen. Richards
Bruder Johann wollte die Auslösung
verhindern, weil er dann König geworden wäre, aber die englischen
Städte und Grafschaften brachten gegen seinen Willen die riesigen
Summen auf. Am 4. Februar 1194 wurde Richard Löwenherz
entlassen,
nachdem er HEINRICH für England
den Lehenseid geschworen hatte. Bei dieser Gelegenheit trafen sich Richard
und Konstanze, die beiden Faustpfänder
für seinen Wiederaufstieg.
Denn mit dem englischen Geld konnte HEINRICH
einen neuen Angriff auf Sizilien planen. Auch die Lage dort
entwickelte sich zu seinen Gunsten. 1193 waren der vertraute Kanzler Mattheus
von Ajello und Tankreds Sohn und Mit-König
Roger gestorben, und im Februar 1194 folgte ihnen Tankred
selbst.
Sein Nachfolger wurde der unmündige Wilhelm
III. aus Tankreds
zweite
Ehe mit Sibylle von Acerra, die die
Regentschaft führte. Die süditalienischen Barone hatten sich
Tankred nur formal gebeugt und alles
versucht, um ihre frühere Selbständigkeit wiederzugewinnen. Schon
Tankred hatte eine Reihe von Zugeständnissen
machen müssen, um überhaupt König zu werden, und die Schwächung
der königlichen Gewalt durch seinen Tod bestärkte die Auflösungstendenzen
in S-Italien. Die Verhältnisse luden zu einem Eingreifen geradezu
ein, und mit dem englischen Lösegeld waren auch die Mittel dazu vorhanden.
Geburt des Sohnes und Rückkehr
Im Mai 1194 brach HEINRICH vom
Trifels
aus nach Italien auf, und Pfingsten feierte er in Mailand. Dort wurde das
Heer noch verstärkt und der Krieg politisch vorbereitet. Denn um Sizilien
zu erobern, brauchte man eine Flotte, und die stellten die Handelsstädte
Genua und Pisa, natürlich um den Preis von Zugeständnissen, denn
sie sahen im Königreich Sizilien vor allem die unliebsame Konkurrenz.
Von da aus ging es im Sommer nach S-Italien. Salerno, das 1191 die Kaiserin
an Tankred
ausgeliefert hatte, wurde
zur Strafe zerstört. Auch sonst wurde die neue königliche Macht
unerbittlich zur Geltung gebracht. Mit der vom Reichstruchseß Markward
von Annweiler befehligten Flotte gelang die Einnahme von Palermo, und am
20. November hielt der Kaiser dort feierlichen Einzug. HEINRICH
sah sich als von Anfang an legitimen König und die Regierung Tankreds
nur
als zeitweilige Usurpation, und er handelte entsprechend.
Die Anhängerschaft Tankreds
wurde blutig verfolgt und vernichtet. Die Königin-Witwe
Sibylle und ihr Sohn Wilhelm
kamen nach Deutschland ins Exil. Wilhelm wurde
später auf Befehl HEINRICHS geblendet.
Die königlichen Festungen ließ HEINRICH
mit
deutschen Truppen belegen, und wichtige Positionen übertrug er Vertrauten
vor allem "schwäbischer" Abkunft, Angehörigen des kleinen Adels
oder Ministerialen, die hier zu hohen Ämtern aufstiegen. Sie stammten
überwiegend aus dem
staufischen
Kernbereich links und rechts des Rheins, aber da die STAUFER
in Italien und Frankreich als das Schwäbische Haus bezeichnet wurden,
galten ihre Dienstleute eben als Schwaben. Den Schatz der Normannen-Könige,
den ihm die Königin-Witwe Sibylle
übergeben hatte, ließ HEINRICH zur
Finanzierung weiterer Unternehmungen nach Deutschland auf den Trifels überführen.
Am 25. Dezember wurde er in Palermo zum König gekrönt.
Die blutige und gewalttätige Übernahme und
Festigung der Macht fällt vielleicht insgesamt nicht aus dem im normannischen
Königreich üblichen Rahmen, denn nur mit Härte und Brutalität
war es überhaupt möglich gewesen, dieses Königreich zu errichten
und zu stabilisieren. Und HEINRICH
verstand sich nicht als vorläufiger Regent, sondern das war für
ihn eine endgültige Besitznahme. Er hatte durchaus eine Vision von
der weiteren Entwicklung seines Hauses und seines Reiches. Neben den staufischen
Komplex aus Hausgut und Reichsgut in SW-Deutschland, der meistens pauschal
als Herzogtum Schwaben bezeichnet wird, sollte das Königreich Sizilien
als zweite direkt von den STAUFERN
kontrollierte Provinz treten. Dazwischen lag dann der Kirchenstaat und
die Lombardei, wo mit Hilfe der kaiserlichen Rechte die tatsächliche
Machtstellung ausgebaut werden konnte. Im übrigen deutschen Königreich
wie in Burgund war die kaiserlich-königliche Gewalt deutlich eingeschränkter.
HEINRICH
war hier durchaus zu großen Lösungen bereit. Mit dem Papst führte
er Verhandlungen, die die Verfügung über den Kirchenstaat wie
über die mathilidischen Güter endgültig klären sollten,
und zwar im Sinn eines Ausgleichs, der die Herrschaftsausübung beim
Kaiser ließ, der Kirche aber ein regelmäßiges Einkommen
sicherte. Ebenso verhandelte er mit den deutschen Fürsten, denen er
größere Selbständigkeit in ihren Territorien anbot, wenn
sie dafür der Erblichkeit des Königtums in der STAUFER-Familie
zustimmten. Der Besitz des Königreichs Sizilien wie der normannische
Staatsschatz spielten in diesen Plänen eine herausragende Rolle.
Konstanze war bei
der Eroberung ihres Königreichs nicht dabei. Sie war mit dem Heer
nach Mailand gekommen, und ausdrücklich bezeugt ist der Aufenthalt
der schwangeren Kaiserin im Kloster S. Vittore in Meda. Das zu dieser Zeit
nicht mehr erwartete Ereignis der Schwangerschaft war sicher ein Grund,
warum sie nicht mit dem Heer nach Süden ging, sondern sich den Sommer
über noch in Oberitalien aufhielt und erst bei nachlassender Hitze
langsam nach Süden zog. Aber vielleicht wollte sie auch bei der ersten
Inbesitznahme nicht dabei sein, aus einem Gefühl der Ohnmacht, weil
sie wußte, wie HEINRICH vorgehen
würde, und weil sie selbst anders vorgegangen wäre oder manche
der Opfer kannte. Am 26. Dezember 1194, einen Tag nach HEINRICHS
Krönung in Palermo, brachte sie in der kleinen Stadt Jesi bei Ancona
ihr Kind zur Welt. Ob der Ort Zufall war oder sie ihn bewußt ausgewählt
hat, weiß man nicht. Die Legende sagt, sie habe das Kind auf dem
offenen Marktplatz bekommen, um vor aller Welt zu zeigen, dass es wirklich
ihr Kind war. Aber das stimmte wohl nicht, und es war auch nicht nötig,
denn solche Geburten fanden immer in einer gewissen Öffentlichkeit
und unter Zeugen statt, um allen möglichen Gerüchten vorzubeugen.
In einer späteren Quelle wird berichtet, dass sie
den Sohn ROGER KONSTANTIN genannt habe,
also nach dem Namen ihres Vaters und ihres eigenen. Aber das ist keineswegs
sicher und sogar eher unwahrscheinlich, denn Petrus von Eboli, ein Kleriker
und Arzt, der 1195 ein Gedicht zum Lob HEINRICHS
und Konstanzes abschloß, nannte
das Kind ROGER FRIEDRICH,
mit
den Namen der beiden Großväter. Konstanze
war 40, als sie dieses Kind bekam, und die späte Schwangerschaft nach
achtjähriger Kinderlosigkeit war natürlich der Anlaß für
eine Reihe von Gerüchten, vor allem als dieses Kind später als
FRIEDRICH
II. in der päpstlichen Propaganda zum Antichrist und zur
Ausgeburt der Hölle umgedeutet wurde. Aber zeitgenössisch waren
diese Zweifel nicht. Konstanze schickte
offenbar eine Art "Geburtsanzeige" an verschiedene Städte, etwa nach
Lucca. Von HEINRICH ist ein Brief an
den Erzbischof Walter von Rouen vom 20. Januar 1195 enthalten, in dem er
seinen "geliebten Freund" nicht nur von der glücklichen Inbesitznahme
des Königreichs Sizilien berichtet, sondern auch die Geburt des Sohnes
mitteilt und ihn auffordert, sich mit ihm darüber zu freuen.
Konstanze behielt
den Sohn nicht lange bei sich. Sie überließ ihn schon nach wenigen
Wochen der Fürsorge der Herzogin von Spoleto. Der Herzog war ein schwäbischer
Ritter, Konrad von Urslingen, der im Gefolge des Kaisers Karriere gemacht
hatte und zu den Vertrauten HEINRICHS VI. gehörte.
Seine Frau hatte er vielleicht aus Schwaben mitgebracht, aber wahrscheinlicher
entstammte sie einer italienischen Adelsfamilie, mit der er sich verbunden
hatte. Die Familie residierte in Foligno, wo
Konstanze
vor neun Jahren zum ersten Mal mit
BARBAROSSA
zusammengetroffen war. Dort blieb das Kaiserkind drei Jahre, und Konstanze
sah den kleinen FRIEDRICH ROGER vermutlich
nur einmal bei der offiziellen Taufe, die Ende 1196 oder Anfang 1197 in
Anwesenheit beider Eltern stattfand.
Konstanze reiste
allein nach Bari weiter und traf dort mit HEINRICH
zusammen.
Auf dem Reichstag von Bari an Ostern 1195 wurden weitreichende Entscheidungen
gefällt. Der jüngste Bruder des Kaisers, PHILIPP
VON SCHWABEN, hatte 1193 auf seine geistliche Karriere verzichtet
und wurde jetzt zum Herzog von Tuszien ernannt und damit eine Art Vertreter
HEINRICHS
für N-Italien. Konrad von Urslingen war für Mittelitalien
verantwortlich.
Konstanze, die sich
mit der Geburt des Erben im staufischen
Sinne "bewährt" hatte und jetzt auch wieder als zuverlässig galt,
weil sie ja ihr väterliches Erbe für den Sohn erhalten wollte,
wurde Regentin für HEINRICH im
Königreich Sizilien und zur Königin gekrönt.
HEINRICH hatte die Angelegenheiten
in Italien in seinem Sinn geordnet und konnte nach Deutschland zurückkehren.
Konstanze residierte
wieder in Palermo. Mit PHILIPP VON SCHWABEN
arbeitete sie vermutlich gut zusammen, er war der angenehmste und umgänglichste
der BARBAROSSA-Söhne und mehr
auf Ausgleich aus als auf gewalttätiges Durchsetzen. Auch mit Konrad
von Urslingen hatte sie keine Probleme. Konstanze
vertrat die kaiserliche und königliche Politik als "imperatrix
semper augusta et regina Sicilie". So protestierte sie 1195 beim Papst,
weil er sich in kirchliche Angelegenheiten eingemischt und damit gegen
die alten Abmachungen verstoßen hatte. In der großen Linie
gab es keine Differenzen, wohl aber in der Beurteilung der Lage in Sizilien.
In wichtigen Spitzenstellungen saßen hier Deutsche, die die Regentin
mißtrauisch beobachteten und immer Verschwörungen witterten,
wenn nur irgendwo italienisch gesprochen wurde, und erst recht, wenn Konstanze
andere als sie zu Beratungen oder Entscheidungen heranzog. Dabei wäre
eine gewisse Vermittlung notwendig gewesen, denn die harte Unterdrückung
der Gegner eines deutschen Königs, die landfremde Verwaltung und das
Ausplündern des Staatsschatzes hatten große Erbitterung hervorgerufen.
Konstanze
versuchte
vielleicht, an die Traditionen ihres Neffen Wilhelms
II. anzuknüpfen, aber in dieser Situation mußte jeder
Versuch einer Abmilderung sie in den Verdacht der Zusammenarbeit mit der
jeweils anderen Seite bringen.
In der Verantwortung für den Sohn
Ende 1196 kehrte HEINRICH VI.
nach Italien zurück. Seine großen Pläne hatte er bis jetzt
nicht durchsetzen können, aber immerhin war sein zweijähriger
Sohn FRIEDRICH in Deutschland zum König
gewählt worden. Bei der Taufe des Sohnes war die Familie wohl zum
ersten Mal vereinigt. HEINRICH hatte
eigentlich eine großartige Feier mit gleichzeitiger Taufe und Salbung
durch den Papst gewollt. Das hatte nicht geklappt, so wurde die Taufe im
kleinen Rahmen vollzogen und nicht einmal der Tag und der Ort sind überliefert.
In Sizilien wollte
HEINRICH jedoch
nicht nur die Familie sehen, sondern noch einmal hart durchgreifen, um
jeden Widerstand zu brechen. Auf einem Hoftag in Capua im Dezember 1196
wurde der Bruder der Königin Sibylle,
Graf Richard von Acerra, verurteilt und hingerichtet. Gleichzeitig ließ
HEINRICH
eine
neue Steuer und eine Überprüfung aller bisherigen Schenkungen
und Verleihungen ankündigen. Das führte zu einer Verschwörung.
HEINRICH
sollte
auf der Jagd gefangengenommen werden, aber er wurde gewarnt und konnte
nach Messina entkommen.
Von der Seite der deutschen "Besatzer" aus wurde Konstanze
offen
verdächtigt, an der Verschwörung beteiligt gewesen zu sein. HEINRICH
wird das wohl nicht geglaubt haben, denn die Verschwörer wollten einen
der Ihren zum neuen König machen. Aber es gab sicher eine tiefergehende
Auseinandersetzung um die richtige Behandlung des Königreichs, wobei
Konstanze
die Linie ihres Neffen Wilhelms "des Guten" vertrat
und für mehr Autonomie eintrat. Die Differenzen wurden auch im Rat
diskutiert und ausgetragen und waren allgemein bekannt.
Damit war ein guter Nährboden für Gerüchte
und Denunziationen gegeben. Insbesondere Markward von Annweiler scheint
ein spezieller Feind
Konstanzes
gewesen
zu sein. Immerhin sind sich die Quellen darüber einig, dass die Kaiserin
gezwungen wurde, bei den Hinrichtungen anwesend zu sein. Das war HEINRICHS
Strafe für ihre hartnäckige Widersetzlichkeit, und in ihren persönlichen
Beziehungen war ein Tiefpunkt erreicht, als der Kaiser sich Ende Juli in
Palermo verabschiedete. Er wollte sich in der Nähe von Messina erholen,
bevor er von Messina aus zu dem geplanten Kreuzzug aufbrach. Aber ein Ausbruch
der seit 1191 nie ganz ausgeheilten Malaria warf den 32-jährigen aufs
Krankenbett, und am 28. September 1197 starb er in Messina.
Der Tod HEINRICHS VI. ist
einer der tiefen Einschnitte in die deutsche und europäische Geschichte.
Ob ihm die Verwirklichung seiner Pläne gelungen wäre, wenn er
20 Jahre mehr Zeit gehabt hätte, ist eine müßige Frage.
HEINRICH
hatte zwar wegen des geplanten Kreuzzugs einige Vorkehrungen
getroffen, aber die Nachfolge war noch nicht klar geregelt. PHILIPP
VON SCHWABEN war beauftragt, den kleinen FRIEDRICH
zur Krönung nach Deutschland zu holen. Auf die Nachricht vom Tod des
Kaisers hin brachen in Mittelitalien überall Aufstände gegen
die Deutschen los. PHILIPP kam nicht
nach Foligno durch. Konstanze gab zwei
Vertrauten den Auftrag, ihren Sohn nach Sizilien zu holen. Mit dieser Entscheidung
setzte sie einen klaren Akzent. Sie hätte versuchen können, die
erheblichen deutschen Kräfte in Italien zusammenzuziehen und gemeinsam
mit PHILIPP VON SCHWABEN die Lage zu
stabilisieren, um dann als Kaiserin-Witwe im Schutz ihres Schwagers in
Deutschland zu erscheinen und dort für ihren Sohn das
staufische Erbe und die Königswürde in Besitz zu nehmen.
Aber sie holte den kleinen
FRIEDRICH
nach Sizilien und brach den politischen Kontakt zur STAUFER-Familie
ab.
Diese Entscheidung Konstanzes
ist in ihrer Tragweite nicht immer ganz gewürdigt worden. Konstanze
ließ die große Vision HEINRICHS
fallen, der seine Reich auf der Basis von Schwaben und Sizilien hatte aufbauen
wollen. Vielleicht hielt sie den Plan unter den neuen Umständen für
nicht mehr realisierbar, oder sie hatte ihn immer für einen Traum
gehalten. Auf jeden Fall fühlte sie sich nicht als deutsche Königin,
ihre Erinnerungen an die Jahre in Deutschland waren nicht glücklich,
und die Verantwortung, die sie empfand, galt ihrem Königreich, dem
Erbe ihres Vaters, das sie ihrem Sohn erhalten wollte. Dafür verzichtete
sie faktisch auf seinen deutschen Anspruch und brachte ihren Schwager PHILIPP
in
eine schiefe Lage. Denn der Erzbischof von Köln, einer der hartnäckigen
Widersacher
HEINRICHS, nutzte die Gelegenheit,
um gegen die STAUFER einen eigenen
König aufzustellen. Nachdem andere Fürsten sich geweigert hatten,
wurde schließlich mit Hilfe von Richard
Löwenherz dessen Neffe OTTO VON
BRAUNSCHWEIG, ein Sohn Heinrichs des Löwen, zum König
gewählt und im Juli 1198 in Aachen gekrönt. OTTO
war
in Frankreich aufgewachsen und von Richard
zum
Grafen von Poitou ernannt worden. PHILIPP VON
SCHWABEN mußte dieses Gegen-Königtum im Namen eines
noch nicht gekrönten Kindes bekämpfen, das unter der Obhut seiner
Mutter in Sizilien lebte und auf Anfragen nicht reagierte. Weil die Situation
für den staufischen Anhang unhaltbar
war, ließ sich PHILIPP
im März
1198 zum König wählen. Er wurde im September in Mainz mit den
richtigen Reichsinsignien gekrönt, aber welcher Gewählte und
Gekrönte nun der richtige König war, blieb offen. Der Thronstreit
in Deutschland dauerte zehn Jahre, die viel Kraft kosteten und eine aktive
Politik in Italien verhinderten.
Konstanze ließ
ihren Ehemann wie einen normannischen König im Dom von Palermo beisetzen,
in einem eigens angefertigten Porphyrsarg. Seit Dezember stellte sie die
Urkunden gemeinsam mit ihrem Sohn FRIEDRICH aus.
Dem von HEINRICH eingesetzten deutschfreundlichen
Kanzler Walter von Pagliara entzog sie das Siegel und ließ ihn einsperren.
Alle von HEINRICH eingesetzten deutschen
Berater und Beamten wurden abgesetzt und des Landes verwiesen. Auch diese
Maßnahmen zeigen deutlich ihre Absage an eine Weiterführung
der gemeinsamen Politik und ihre Konzentration auf Sizilien.
Konstanze
wollte
ihrem Sohn die normannische Königsmacht ziemlich unbeschädigt
erhalten und weitergeben, und dafür setzte sie ihre ganze Kraft ein.
Der Verzicht auf das Bündnis mit Deutschland hatte die Lage in Sizilien
entspannt, und sie nahm die Regierungsgewalt nach innen und außen
mit großem Erfolg wahr.
Die schwierigste Frage war die Verständigung mit
dem Papst, der der Oberlehnsherr von Sizilien war und den neuen König
anerkennen mußte. Konstanze fühlte
vielleicht, dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb, und dann konnte ihr unmündiger
Sohn nur mit Zustimmung und Billigung des Papstes das Königtum halten.
Der alte Papst Coelestin, der HEINRICH
so zäh widerstanden hatte, überlebte ihn nur um wenige Monate.
Sein Nachfolger seit Dezember 1197 war Innocenz III., ein italienischer
Adliger und Kirchenjurist, der in der Verbindung von Deutschland und Sizilien
eine große Gefahr für die Kirche und ihre Machtstellung in Italien
sah. Mit ihm mußte
Konstanze
unter dem Zeitdruck ihrer nachlassenden Gesundheit verhandeln. Sie verzichtete
schließlich auf die besonderen Rechte, die der sizilische König
als päpstlicher Legat bisher gegenüber seiner Kirche gehabt hatte,
und für ihren Sohn verzichtete sie auch auf dessen Rechte in Deutschland.
Dafür anerkannte der Papst FRIEDRICH
als König von Sizilien. So konnte
Konstanze
ihren
Sohn am 17. Mai 1198 im Dom von Palermo krönen lassen. Unter großen
Opfern hatte sie ihr Ziel erreicht. Ob sie in diesen Monaten viel Zeit
für den vertrauten Umgang mit dem Kind und für seine Unterweisung
als König hatte, ist nicht klar. Möglicherweise hat sie ihn doch
zu vielen Verhandlungen und Staatsakten mit zugezogen. Auf jeden Fall hat
FRIEDRICH
seiner Mutter und Königin immer mit großer Ehrfurcht und Dankbarkeit
gedacht. Konstanze starb am 27.
November 1198. In ihrem Testament übertrug sie dem Papst die Vormundschaft
für den knapp vierjährigen König. Sie wurde wie ihr Mann
in einem Porphyrsarg im Dom von Palermo beigesetzt.