Der gefährlichste Gegner Kaiser
OTTOS II. war Herzog
Heinrich II. von Bayern - besser bekannt als der
"Zänker" -, ein Vetter des Kaisers (als Sohn Heinrichs,
des Bruders OTTOS DES GROSSEN, und
der Judith, einer Tochter Herzog Arnulfs des Bösen). Nach langen
Kämpfen gelang es OTTO II., den
Bayern-Herzog zu besiegen und in Haft zu setzen.
Nach dem Tode OTTOS II.
ließ sich Herzog Heinrich den
jungen König übergeben und erhob selbst Anspruch auf die Krone.
Erst nach langen Unterhandlungen mit dem Bayern-Herzog gelang es den beiden
Kaiserinnen, Theophanu und Adelheid,
mit Herzog Heinrich dem Zänker
zu einem Ausgleich zu gelangen. Heinrich
erhob sich fürderhin bis zu seinem Tod nie mehr gegen die kaiserliche
Regierung.
1. Das Verwandtschaftsumfeld des Zänkers
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Herkunft und Sippe sind bestimmend für den Rang
eines mittelalterlichen Adligen. Unter Anwendung dieser Kriterien hatte
Herzog
Heinrich II. von Bayerneine hervorragende Stellung in der Adelsgesellschaft
der späteren
OTTONEN-Zeit.
Heinrich,
der in der modernen Geschichtsschreibung als "der
Zänker" bezeichnet wird, war
der Sohn Herzog Heinrichs von Bayern,
des Bruders OTTOS DES GROSSEN, der,
wie wir in dem Kapitel über diesen bereits erfahren haben, der gefährlichste
Gegner für die Herrschaft des neugekrönten
Königs
OTTO I. in dessen ersten Regierungsjahren gewesen war. Nach
zwei Aufständen wurde Heinrich,
der Bruder OTTOS DES GROSSEN, rehabilitiert
und mit Judith, der Tochter Herzog Arnulfs des Bösen von Bayern,
verheiratet. Judith gehörte zur Familie der LUITPOLDINGER,
der seit 900 mächtigsten Familie in Bayern. Durch seine Mutter gehörte
Herzog
Heinrich der Zänker ebenso diesen LUITPOLDINGERN
an, wie er über seinen Vater ein Angehöriger der sächsischen
LIUDOLFINGER
war.
Es sei hier bereits angemerkt, daß aus der Familie der LUITPOLDINGER
in der Zeit
Kaiser OTTOS II. noch ein
zweiter Heinrich in wichtiger Funktion auftritt, der schon in den mittelalterlichen
Quellen als "Heinrich der Jüngere" von dem gleichnamigen Bayern-Herzog
und Gegenspieler OTTOS II. unterschieden
wird: jener war ein Sohn Bertholds, der seinerseits ein Bruder Herzog Arnulfs
des Bösen und durch die Gunst König
OTTOS I. von 938 bis 947 bayerischer Herzog gewesen war. Ein
weiterer Heinrich, der ebenfalls der LUITPOLDINGER-Familie zuzurechnen
ist und ebenfalls in der Geschichte OTTOS II.
und des Zänkers auftreten wird,
wurde noch im ersten Regierungsjahr OTTOS II.
Bischof
von Augsburg (973-982): dieser Heinrich war ein Sohn Markgraf Burchards
von der Ostmark und einer namentlich unbekannten Schwester
Judiths,
der Mutter des Zänkers.
Durch seine Heirat konnte Herzog
Heinrich von Bayern sein Ansehen noch erheblich steigern. Gisela,
seine Gemahlin, war die Tochter König Konrads
von Hoch-Burgund und zudem wahrscheinlich noch karolingischer
Abkunft. Der Zänker trat durch
seine Eheschließung nicht nur in den verwandtschaftlichen Konnex
zu den burgundischen WELFEN-Königen,
sondern auch zu König Lothar vom
westfränkisch-französischen Reich: König
Konrad von Hoch-Burgund, der Schwiegervater des
Zänkers, war in zweiter Ehe mit der Schwester des französischen
Königs vermählt. Die Königin Mathilde,
eine Tochter König Ludwigs IV. und
der Königin Gerberga, war über
ihre Mutter zugleich eine Kusine von Herzog Heinrich
II. Zu alledem war auch noch die Schwester
König
Konrads von Burgund, die
Kaiserin Adelheiddie
Witwe OTTOS DES GROSSEN und Mutter
Kaiser
OTTOS II. Über die Mutter des burgundischen Geschwisterpaares
bestand des weiteren eine Verbindung
des Zänkers
mit
dem Herzogshaus des benachbarten alemannischen Herzogtums. Die Mutter von
Konrad
und
Adelheid
war eine Tochter Herzog Burchards
I. von Schwaben, der 926 vor Novara gefallen war, und somit eine Schwester
des zum Regierungsantritt
OTTOS II. noch
amtierenden Herzogs Burchard II., der seinerseits mit einer Schwester Herzog
Heinrichs des Zänkers, der aus Viktor von Scheffels Roman
"Ekkehard" bekannten Hadwig, vermählt
war.
Wir sehen den Zänker somit
in einem Verwandtschaftsgefüge im Raum des ehemaligen
KARLS-Reiches
stehen, mit dem Kaiser OTTO II. insoweit
nur in einem geringeren Maße konkurrieren konnte, da seine byzantinische
Gemahlin keinerlei Beziehungen zu den Nachbarreichen hatte mitbringen könne,
hingegen sogar als eine landfremde "Griechin" apostrophiert, betrachtet
und wohl auch empfunden wurde.
2. Der Zänker im Bild der modernen Geschichtsschreibung
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Herzog Heinrich II. von Bayern,
genannt "der Zänker", darf als
einer der klassischen Gegner der mittelalterlichen Königsherrschaft
gelten. Schon sein Beiname "der Zänker"
charakterisiert das Bild, wie es die modernen Darstellungen von Herzog
Heinrich zeichnen, zur Genüge; freilich ist dieser Beiname
in den mittelalterlichen Quellen nicht nachzuweisen, sondern findet sich
erstmals bei dem bayerischen Geschichtsschreiber Aventin.
Bei einem kleinen, durchaus nicht systematischen Streifzug
durch gängige Darstellungen können wir entdecken, wie das Bild
des zänkischen, aufrührerischen Heinrich
in bunt schillernden Farben ausgemalt wird. So schrieb Wilhelm von Giesebrecht
in seiner "Geschichte der deutschen Kaiserzeit" (5. Auflage 1881):
"Heinrich war mehrere
Jahre älter als der Kaiser; ihm war bereits ein Sohn geboren, während
OTTO
nach mehrjähriger Ehe noch keinen Erben hatte; es fehlte ihn nicht
an Anhang im Volke, denn er war ein stattlicher Mann, klug und der Rede
im hohen Grade mächtig - was Wunder, daß er sich gleichviel
oder mehr als sein kaiserlicher Vetter dünkte! Überdies
war er unruhigen Geistes, der Vorteil seines Hauses beschäftigte ihn
spät und früh, jede vermeintliche Kränkung desselben empfand
er als schwere persönliche Beleidigung, wie er denn von Natur zu Händeln
geneigt war, so daß man ihm den Beinamen des
Zänkers gegeben hat. Mit einer Keckheit verfolgten er und
die Seinen ihr Familieninteresse, seitdem der große Kaiser nicht
mehr war..."
Siegmund Riezler schloß sich diesem Urteil in seiner
"Geschichte Bayerns" an, und ähnlich äußerten sich auch
Robert Holtzmann, Benno Hubensteiner, Kurt Reindel, Josef Fleckenstein
und jüngst - allerdings bedeutend vorsichtiger - Andreas Kraus.
Bei den Überlegungen, wie sie Kraus in seiner "Geschichte
Bayerns" (1983) vorträgt, wollen wir mit unserer Interpretation der
Ereignisse einsetzen. Kraus meint, sofern es stimme - was wegen der spärlich
fließenden Quellen nicht ausgeschlossen werden könne -, daß
der Grund für die Aufstände Heinrichs
des Zänkers in der bewußten
Förderung einer in Bayern mit dem Herzog konkurrierenden Familie,
nämlich die BABENBERGER, durch Kaiser OTTO
II. zu sehen sei, dann wäre "in der Tat ein verständlicher
Grund für den Aufstand Heinrichs des Zänkers
gegeben,
dann war es nicht bloß ein persönlicher Machtkampf innerhalb
der regierenden Linie, sondern betraf wirklich das Land". Bei dieser These
wollen wir unseren Ansatzpunkt nehmen, die Gestalt
Heinrichs
des Zänkers kritisch zu würdigen und das feste Urteil
der modernen Geschichtsschreibung zu überprüfen.
Befragen wir jetzt die Quellen nach ihren Urteilen über
den Zänker. Prägend für das Bild Herzog
Heinrichs II. in der Forschung hat sicher die Darstellung des
Mönches Richer von St. Remi gewirkt. Richer hat zur Darstellung des
Wesens Heinrichs des Zänkers die
Folie der Charakterisierung des Catilina bei Sallust gewählt und meint
so unter Zugrundelegung dieser Textfolie,
Heinrich
sei
"Vir aeque ut Otto nobilis, corpore eleganti ac valido, honoris cupidus
ac factiosus; animo vasto, sed fallaci. Hic regnandi avidus omnes sacrilegos
aut juditiis convictos, sive etiam pto factis juditium timentes, postremo
omnes flagitiosos qios consius animus exagitabat, sibi proximos et familiares
fecit."
Richer beginnt mit dieser Charakterisierung seinen Bericht
über die Vorgänge im Reich nach dem plötzlichen Tod Kaiser
OTTOS II., und gleich im nächsten Satz finden wir eine
Geschichtsklitterung des Reimser Mönchs. Er läßt Herzog
Heinrich den kleinen König
OTTO III. rauben: "Ottonem parvum
rapuit." Dies entspricht aber nicht dem historischen Ergebnisablauf, wie
wir ihn der Chronik Thietmars von Merseburg entnehmen können: der
Zänker
erhielt den Sohn des verstorbenen Kaisers nach seiner
Freilassung aus der Haft von Erzbischof Warin von Köln "ad nutriendum",
also in der Erfüllung der rechtmäßigen Ansprüche Herzog
Heinrichs als nächstem männlichen Verwandten und hiermit
berufenem Vormund. Richer von St. Remi ist ja bekanntlich immer mit der
nötigen Vorsicht zu lesen, und jede Nachricht muß mit Sorgfalt
geprüft werden.
Über die Person des Zänkers
unterrichten uns außer Richer noch Gerhards Lebensbeschreibung
des heiligen Ulrich von Augsburg, die Annalen von Altaich und diejenigen
von Quedlinburg sowie Thietmar von Merseburg. Bei Gerhard können wir
nicht nur die Vorgänge um die Neubesetzung des Augsburger Bischofsstuhles
nach dem Tode des heiligen Ulrich (ihn folgte der oben schon angesprochene
Heinrich, Sohn des Markgrafen Burchard von der Ostmark und der namentlich
unbekannten Schwester der Judith) nachlesen, sondern auch über
die Beteiligung Bischof Heinrichs am Aufstand der drei Heinriche. Bei seinem
Bericht über das Verhältnis zwischen Herzog
Heinrich II. von Bayern und dessen Vetter Otto,
Herzog von Schwaben
und Sohn des aufständischen Liudolf,
bemängelt Gerhard, die beiden hätten an der Stelle einer verwandtschaftlichen
Verbundenheit nur in Neid und Streit gelebt.
Thietmar von Merseburg kennt Heinrich
den Zänker als reumütigen Sünder, "inclitus"
und "pius", der auf dem Sterbebett bitterlich bereute, "hoc umquam fecisse",
womit Thietmar die Rebellion gegen die von Gott eingerichtete Herrschaft
des Königs meint. Die Kämpfe des Zänkers
gegen
Kaiser OTTO II. sind
bei Thietmar eine von Gott auferlegte Bewährungsprobe für die
kaiserliche Herrschaft und auch für den Kaiser selbst, der in dem
Sieg über den Zänker seine
Bewährung in der Würde des Herrschers zeigt, indem er die Aufgabe,
den Frieden im Innern zu sichern, bravourös löst. Heinrich
dem Zänker
hingegen fehlt die Herrschertugend der "clementia",
wie es Thietmar gleich zu Beginn seines Berichtes über die Vorgänge
am Anfang des Jahres 984 in einem Exemplum zeigt: Heinrich
bestraft die Grafen Dietrich und Siegebert streng, die ihn wohl
früher im Stich gelassen hatten. Für Thietmar ist Heinrich
der Zänker nicht der rechtmäßige Herrscher nach
dem Tode OTTOS II., sondern nur der
berufene Vormund für den unmündigen König. Einen
skrupellosen Machtmenschen machiavellischer Prägung kann man aus den
Worten Thietmars nicht herauslesen, wenn man bei dieser Wertung
des
Zänkers durch den Merseburger Bischof auch immer bedenken
muß, dass der Zänker immerhin
der Vater des von Thietmar hochverehrten
Kaisers
HEINRICH II. war.
Noch positiver sieht der Quedlinburger Annalist den Bayern-Herzog:
es sei eher fremde Anstiftung gewesen, die den
Zänker dazu getrieben habe,
selbst nach der Königskrone zu greifen. Aber noch rechtzeitig habe
er seinen Irrweg erkannt und sei daher von OTTO
III. (bzw. von der vormundschaftlichen Regierung) wieder in
Gnade aufgenommen worden. Für sein Land Bayern habe Heinrich
so
segensreich gewirkt, daß er die Beinamen "pacificus" und "pater
patriae" bekommen habe.
3. Der Zänker bis zum Tode Ottos II.
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Um die Tragfähigkeit des Bildes vom "Zänker"
in der modernen Geschichtsschreibung zu prüfen, wollen wir an Hand
der wohl klassischen Darstellung von Robert Holtzmann quellenmäßig
Belegbares und reine Zutaten zum Bild des
"Zänkers" voneinander scheiden.
Das Vorspiel zu den Aufständen des
Zänkers sieht Holtzmann in den Vorgängen um die Neubesetzung
des Augsburger Bischofsstuhles. "Die beiden süddeutschen Herzöge,
Heinrich
II. von Bayern und der gealterte Gemahl seiner Schwester Hadwig,
Burchard III. von Schwaben [bei uns als Burchard II. gezählt!], beschlossen,
entgegen den Wünschen des Verstorbenen und der Augsburger Geistlichkeit,
einem ihrer Angehörigen, dem HUNFRIDINGER Heinrich, Sohn des Markgrafen
Burchard von der bayerischen Ostmark und einer Schwester der Judith,
einem Vetter mithin des Bayern-Herzogs, dieses wichtige schwäbische,
die Verbindung nach Bayern beherrschende Bistum zu verschaffen, und sie
brachten es in der Tat durch Lug und Trug dahin, daß Heinrich gewählt
und vom überlisteten Kaiser nach einigem Zaudern am Mauritiustag (22.
September) zu Magdeburg investiert wurde." Die Darstellung Holtzmanns orientiert
sich an dem ausführlichen Bericht in Gerhards Vita s. Oudalrici, fügt
aber dieser Quelle etwas Entscheidendes hinzu: im Bericht Gerhards ist
nämlich Heinrich, der spätere Bischof, der zuerst allein Handelnde,
der bei Herzog Burchard II. Unterstützung findet, da er ein Verwandter
von Burchards Gemahlin ist. Bei Gerhard tritt so Herzog
Heinrich bei der Neubesetzung des
Augsburger Bischofsstuhles gar nicht in Erscheinung, sondern im chronologischen
Ablauf erst später, beim Ausbruch des Konfliktes mit Herzog
Otto von Schwaben, dem Nachfolger Burchards II.
Man kann natürlich mit gutem Grund annehmen, eine
Besetzung des Augsburger Bistums, an der Grenze zwischen dem alemannischen
und dem bayerischen Herzogtum gelegen, werde sicherlich zwischen den beiden
Herzögen, die auch auf familärer Ebene miteinander verbunden
waren, abgesprochen worden sein. Andererseits lag aber die Einflußnahme
des alemannischen Herzogs auf die Besetzung des Bischofsstuhles in Augsburg
durchaus in der Tradition und auch in der künftigen Politik des Schwaben-Herzogs
bis ins 11. Jahrhundert, so daß es eher sehr überraschen würde,
wenn die BURCHARDINGER ausgerechnet nach dem Tode Bischof Ulrichs, mit
dem sie überdies verwandt waren, keinen Einfluß auf die Neubesetzung
des Bistums geltend gemacht hätten.
Kurze Zeit, nachdem das Bistum Augsburg an Heinrich gekommen
war, verstarb Herzog Burchard II. Kaiser OTTO
II. ernannte nun seinen Neffen Otto,
den Sohn des aufständischen Liudolf,
zum Herzog. Die Forschung sieht hierin eine Reaktion OTTOS
II. auf die erst wenige Wochen zurückliegenden Vorgänge
um die Nachfolge Bischofs Ulrich von Augsburg. Es ist sicher richtig, dass
Kaiser
OTTO II. versuchte, die Macht des
Bayern-Herzogs einzudämmen, wie wir dies auch bei der Förderung
der BABENBERGER durch den Kaiser beobachten können. Hätte sich
OTTO
II. dazu entschlossen, das Herzogtum Schwaben der Witwe Burchards
als Regentin vorläufig zu überlassen, so wäre es dem Bayern-Herzog
möglich gewesen, zumindest bis zur Neuvermählung der Witwe Burchards,
die ja zugleich eine Schwester
des Zänkers
war, die "Munt" über die Regentin Schwabens auszuüben.
Andererseits ist aber auch zu bedenken, daß der vom Kaiser gewählte
Herzog
Otto ja kein völlig frei aus einer Schar geeigneter Adliger
ausgewählter Kandidat, sondern er war der Sohn Liudolfs,
des aufständischen Sohnes OTTOS DES GROSSEN,
war. Und Otto war nicht nur berechtigt,
als ein Königsenkel Anspruch auf einen rangentsprechenden Aufgabenbereich
zu stellen, sondern hatte gerade auf das Herzogtum Schwaben eine erbrechtliche
Anwartschaft: sein Vater Liudolf war,
bevor er sich zu Saufeld dem königlichen Vater unterworfen hatte,
Herzog von Schwaben, und was wir nicht vergessen dürfen, designierter
Thronfolger gewesen. Otto stand darüberhinaus
über seine Mutter, die Herzogin Ida,
voll in der burchardungisch-konradinischen Tradition
der alemannischen Herzöge: Ida
war die Tochter Herzog Hermanns I. von Schwaben, der, einst als erster
Amtsherzog von König HEINRICH I.
in Schwaben eingesetzt, zur im Rheinfränkischen mächtigen Familie
der KONRADINER gehört hatte, und
der somit nicht als ein willenloses Werkzeug in den politischen PlänenKönig
HEINRICHS I. und OTTOS I. betrachtet
werden darf. Und Ida, die Mutter Ottos
von Schwaben, war zudem eine Tochter der Reginlindis,
in 1. Ehe mit Herzog Burchard I. von Schwaben vermählt und so Mutter
der Königin Bertha (der Gattin
des hochburgundischen Königs Rudolf II.):
über diese Bertha war Otto
von Schwaben eng mit der Kaiserin Adelheid,
der Tochter Rudolfs II. und der Bertha,
verwandt. Wir sehen, was für einen hohen Rang Otto
von Schwaben in der Adelsgesellschaft seiner Zeit eingenommen
haben muß, und daß er in vielfältigen Beziehungen zu zahlreichen
hochgestellten Persönlichkeiten stand. Unsere Darstellung dieses Beziehungsgeflechtes
soll hier mit dem Hinweis auf die einzige Intervention Ottos
vor
seiner Einsetzung zum schwäbischen Herzog abgeschlossen werden: Otto
interveniert
in einer Kaiserurkunde vom 1. Dezember 972 für das Kloster Hornbach,
das alte Hauskloster der WIDONEN, als
deren Nachfolger die SALIER gelten.
Diese Intervention zeigt Otto also
eher in einer konradinischen Familientradition,
als daß wir in ihm nur einem Vertrauten Kaiser
OTTOS II. sehen dürften. Und Otto
von Schwaben war schließlich und endlich ein Neffe des
Königs, also ein Kandidat größtmöglicher Königsnähe,
gegen den somit kaum Einwände möglich waren.
Doch bevor wir den weiteren Gang der Ereignisse verfolgen,
wollen wir erst einen Blick auf die herzogliche Stellung Heinrichs
des Zänkers in seinem bayerischen
Herzogtum werfen. Die Macht des Zänkers scheint
sehr groß gewesen zu sein: sie reichte über die bayerischen
Kernlande, die Gebiete um Isar, Inn und Donau, den sogenannten Nordgau
(die heutige Oberpfalz), die Ostmark (das heutige Österreich), die
Kärntener Gebiete und über die italienischen Marken Aquileia
und Istrien. Bayern war ein "regnum". Doch es zeigten sich auch neue, aufstrebende
Kräfte: so hatte bereits OTTO DER GROSSE
den babenbergischen Markgrafen Berthold von Schweinfurt gefördert;
möglicherweise (die Quellen ermöglichen uns keine genauere chronologische
Einordnung) war die Ostmark, die ständig gegen das ungarische Gebiet
erweitert wurde, schon in den Jahren 973 oder 974 an den nahen Verwandten
Bertholds von Schweinfurt, den Markgrafen Luitpold, übertragen worden.
Vorgänger Luitpolds war übrigens Markgraf Burchard, der Vater
Bischof Heinrichs von Augsburg und zugleich Schwager der Mutter des
Zänkers, gewesen. Wenn nun diese Neubesetzung schon vor
dem ersten Aufstand des Zänkers,
also vor dem Jahr 974, vorgenommen worden wäre, so würde dies
gut erklären, warum Herzog Heinrich II.schon
damals "in oriente" auf Widerstand gestoßen ist. Leider werden wir
diese Frage wegen des spröden Quellenmaterials nicht klären können,
so bedauerlich dies auch sein mag: denn hier wären die Motive
des Zänkers für seinen Aufstand faßbar. Wie wir schon einleitend
angedeutet haben, wären - falls diese Neubesetzung der Ostmark mit
dem BABENBERGER Luitpold schon 973/74 erfolgt sein sollte - die Aufstände
des
Zänkers nicht in einer Gegnerschaft in personellen Fragen
(Otto von Schwaben!), sondern mit dem
Kampf um die Wahrung des eigenen Machtbereiches erklärbar.
Anzeichen für einen Aufstand des Bayern-Herzogs
kam es nun bereits im Jahr 974: Herzog Heinrich
traf
mit dem Böhmen-Herzog Boleslaw und dem Polen-Herzog
Mieszko geheime Absprachen; in Bayern fand er Unterstützung
bei Bischof Abraham von Freising und wohl auch bei dem LUITPOLDINGER
Erzrebellen, Berthold von Reisenburg. Bevor es zu regelrechten Aufstandshandlungen
kommen konnte, bekam Kaiser OTTO II. Wind
von der Sache und beorderte Herzog Heinrich und
seine Bundesgenossen vor das kaiserliche Gericht. Und nun geschieht eigentlich
etwas Erstaunliches: "Enimvero Heinricus dux
illico, ut audivit legationem eorum, Domino opitulante sine ulla dilatione
se praesentavit domino imperatori cum eis omnibus, qui erant in eo consilio,
ut ille ex eis fecisset, quicquid sibi placuisset." Für das Bild des
ständig ränkeschmiedenden Zänkers,
wie
dies in der Forschung als Gemeingut kursiert, ist ein solches Verhalten
des Bayern-Herzogs doch überraschend. Es erinnert an die Argumente
Liudolfs von Schwaben und Konrads des
Roten von Lothringen, die bei ihren Verhandlungen mit König
OTTO I. und
Herzog Heinrich I. von
Bayern im Lager vor Mainz erklärten, "nihil...contra...
regem fecisse"; es erinnert somit an deren starkes Bewußtsein, im
Recht zu sein, wo ein jeder, auch der König, seine Grenze findet.
Wir halten diesen unseren Gedanken einmal fest, und wir werden später
darauf zurückkommen.
Heinrich und seine
Verbündeten wurden in Haft gesetzt. Anfang des Jahres 976 gelang dem
Zänker die Flucht; er begab
sich nach Bayern und fand nicht nur dort, sondern auch in Sachsen Anhänger:
unter diesen sächsischen Gefolgsleuten des
Zänkers war Graf Ekbert der
Einäugige, der Bruder Wichmanns des Jüngeren, der 14 Jahre lang
in der Versenkung unseres historischen Wissens verschwunden war, und wohl
auch Markgraf Gunther von Merseburg; die beiden zählen zum verwandtschaftlichen
Umfeld der OTTONEN-Kaiser.
Kaiser
OTTO II. belagerte Regensburg, wo sich der
Zänker verschanzt hatte, und
konnte die Stadt recht bald einnehmen. Durch Bischöfe, die am Feldzug
beteiligt waren, wurden
der Zänker
und seine Bundesgenossen exkommuniziert. Es gelang aber nicht, Heinrich
wieder in Gefangenschaft zu setzen, der nach Böhmen entkommen konnte.
Die Quellen informieren uns nur wenig über die staatsrechtlichen
Neuregelungen, die in Würzburg beschlossen worden sein müssen.
Einzig die Ernennung Ottos, des Herzogs
von Schwaben (ein Sohn des aufständischen Liudolfund
somit ein Neffe des Kaisers), nun zum Herzog auch in Bayern ist in einigen
Quellen erwähnt. Spätestens jetzt wurde die bayerische Ostmark
an den BABENBERGER Luitpold übertragen; das Herzogtum Bayern wurde
verkleinert: die Mark Kärnten erhob der Kaiser zu einem eigenständigen
Herzogtum und vergab sie an Heinrich den Jüngeren aus der Familie
der LUITPOLDINGER; dieser jüngere Heinrich war als Sohn des
im Jahre 947 verstorbenen Bayern-Herzogs Berthold wohl als Erbe in die
reichen Güter seines Vaters in Karantanien eingetreten. Die Erhebung
Kärntens zum Herzogtum setzte die dortigen Landstriche, die gerade
besiedelt wurden, in eine engere Verbindung untereinander.
Für OTTO II. war
in den kommenden Jahren die wichtigste Aufgabe, den Bund des Böhmen-Herzogs
mit dem flüchtigen Heinrich dem Zänker
zu brechen. Doch die Aktionen gegen Böhmen scheiterten
zweimal; beim zweiten Zug unterwarf sich Herzog Boleslaw allerdings dem
Kaiser. Die Zeit, in der sich der Kaiser in Böhmen aufhielt, nutzte
der
Zänker dazu, die Bischofsstadt Passau im Bunde mit dem
im Vorjahr erhobenen Kärntner-Herzog Heinrich dem Jüngeren zu
besetzen, während der dritten Heinrich im Bunde, der Augsburger Bischof,
die Passauer Aktion durch die Besetzung der Donaustraße unterstützte,
um so Herzog Otto am Rückzug nach
Schwaben zu hindern.
OTTO II. brach eilends
von Böhmen auf und konnte mit der Einnahme der Stadt Passau den "Aufstand
der drei Heinriche" beenden: "...et longa obsidione amicorum suorum invitatione
ad deditionem coegit et in gratiam suam recepit, et sic militem solvit
ipseque ad Saxoniam perrexit."
Wenn wir nun die Quellen danach befragen, welche Motive
hinter der Aufstandsbewegung Heinrichs des Zänkers
und seiner Namensvettern gestanden haben mögen, so stoßen wir
in den Annalen von Altaich auf den Hinweis, der
Zänker und Bischof Abraham von Freising hätten sich
mit Boleslaw von Böhmen und Mieszko von Polen
verbündet, "quomodo imperatori suum regnum disperderent". Der Annalist
berichtet uns weiter, Kaiser OTTO II.
habe Heinrich den
Zänker verfolgt, "eo quod
iniuste vindicavit dominium domini sibi imperatoris". Es ging also um Herrschaft.
Auf der einen Seite können wir darauf verweisen, daß Herzog
Heinrich II.
von Bayern zweimal (974 und 976)
vor dem Gericht des Kaisers erschien, ohne daß wir von irgendeinem
Zwangsmittel wüßten. Es scheint denkbar, hier einen Hinweis
auf ein Bewußtsein Herzog Heinrichs zu
vermuten, er sei im Recht. Ergänzend könnte man noch auf eine
Erzählung der jüngeren Mathildenvita verweisen - freilich erst
in der Zeit Kaiser HEINRICHS II. verfaßt
und somit der Verherrlichung des bayerischen Zweiges der LIUDOLFINGER
dienend!
-, die uns berichtet, wie die beiden Kinder, der künftige
Kaiser
OTTO II. und der kleine bayerische
Herzog Heinrich, bei einem Zusammentreffen der königlichen
Familie miteinander spielten. Der jüngere Vitenverfasser der Königin
Mathilde stellt die beiden "regales pueri" in gleicher königlicher
Würde dar. Und die Kaiserin Adelheid
überlegt im Gespräch mit der Königin
Mathilde, wie sie das Ansehen des kleinen Bayern-Herzogs noch
durch dessen künftige Vermählung mit ihrer Tochter Emma
steigern
könnte.
Wenn wir einmal unterstellen, Herzog
Heinrich II. von Bayern sei nicht etwa durch einen verdorbenen
Charakter zum Aufstand gegen seinen Vetter, OTTO
II., getrieben worden, sondern durch das Empfinden, ihm und
seinem Vater sei der gebührende Anteil an der Macht durch die Großen
des Reichs zuerst 936 und wieder 973 vorenthalten worden, und wenn wir
zu diesen Überlegungen hinzunehmen, wie Kaiser
OTTO II. noch versucht hat, die Macht des Bayern-Herzogs durch
die Förderung aufsteigender Mächte einzuschränken, würde
das gut erklären, warum Heinrich der Zänker
jahrelang versucht hat, in seinen Aufständen ein "dominium domini
sibi imperatoris" zu erlangen. Wir könnten mit gutem Grund im Handeln
des
Zänkers weniger ein psychologisches, sondern eher ein verletztes
Rechtsdenken vermuten, das freilich karolingisch
geprägt sein mußte und die Unteilbarkeit des Reiches noch nicht
anerkannt haben dürfte. Noch deutlicher wird dieses Streben nach der
Herrschaft bei den Vorgängen um die Nachfolge des 983 unerwartet verstorbenen
Kaisers
OTTO II.
Nachdem die Empörung der drei Heinriche 978 endgültig
niedergeworfen war, wurde, wohl in der Karwoche, Gericht über die
Empörer gehalten und diese in Haft geschickt. Heinrich der Jüngere
verlor sein Kärntner Herzogtum, das an den SALIER
Otto kam, einen Sohn Konrads des Roten und der Königs-Tochter
Liutgard. Bischof Heinrich erlangte allerdings bereits wenige
Monate später, noch im gleichen Jahr 978, die Verzeihung des Kaisers
und konnte, nachdem er den Treueschwur gegenüber OTTO
II. erneuert hatte, in sein Bistum zurückkehren. Der abgesetzte
Bayern-Herzog
Heinrich der Zänker wurde erst auf die Nachricht vom Tode
des Kaisers von seinem Hüter, Bischof Folkmar von Utrecht, aus der
Haft entlassen.
4. Heinrich der Zänker und die Regelung der Thronfolge
984/85
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Als der 3-jährige OTTO
III. am Weihnachtstag 983 in Aachen auf Wunsch seines Vaters
zum König gekrönt wurde, war sein Vater, Kaiser
OTTO II., bereits in Rom an der Malaria gestorben, auch wenn
die Fürsten, die dem königlichen Kind huldigten, dies noch nicht
wußten. "Das deutsche Recht kannte keine Regentschaft für einen
minderjährigen Herrscher. Es galt die Fiktion, daß der König
auch als kleines Kind selbst handle... Es handelt sich also bei der Frage
der Reichsregierung zur Zeit eines minderjährigen Königs darum,
unter wessen Einfluß er steht, wer ihn in der Hand hat: das ist dann
der sogenannte Regent, das heißt der tatsächliche Herrscher,
solange der König unselbständig ist." Davon zu unterscheiden
ist die Frage nach dem Vormund, der für die Ernährung und die
Erziehung des Kindes zuständig war. Nach ältestem Recht stand
dies dem nächsten männlichen Verwandten aus der väterlichen
Linie, dem sogenannten Schwertmagen, zu, wohingegen sich schon in der MEROWINGER-Zeit
ein Anspruch der Mutter Anerkennung verschafft hatte. Somit kamen für
den 3-jährigen König an erster Stelle die Mutter Theophanu
und der Schwertmage Heinrich der Zänker
in
Frage.
"Heinrich... ging
sofort mit großer Energie ans Werk, um sich zunächst die Vormundschaft
zu sichern, im geheimen wohl von vornherein entschlossen, die Krone seinem
Mündel zu entreißen. Die Gelegenheit dazu war ja viel günstiger
als vor 10 Jahren..." Als erster Schritt, um die Herrschaft zu erringen,
mußte
Heinrichden kleinen König
in seine Hand zu bringen suchen. Der unmündige König war wichtig,
denn dies leitete alle Ansprüche. Der kleine OTTO
III. wurde denn auch von Erzbischof Warin von Köln an Heinrich
den Zänker übergeben
- die Mutter, die Kaiserin Theophanu,
befand sich zu dieser Zeit ja in Pavia bei ihrer Schwiegermutter, der Kaiserin
Adelheid.
Über die Vorgänge beim Thronwechsel 983/85
in Deutschland unterrichtet uns am ausführlichsten die Chronik Bischof
Thietmars von Merseburg, der einen bewußten Gegensatz zwischen den
Aufenthaltsorten der Kaiserin Theophanu
und Heinrichs des Zänkers zieht:
Theophanu
begab sich nach dem Tod ihres Gemahls zu ihrer Schwiegermutter, der Kaiserin
Adelheid, um dort in ihrer Trauer Trost zu finden, während
der
Zänker zu großen Taten aufläuft: Heinrich
übernimmt
als "patronus legalis" den jungen König "ad nutriendum". Sodann sichert
sich der abgesetzte Bayern-Herzog das "auxilium" all derer, die er zu "sui
gratiam" umstimmen kann. Im Anschluß begibt sich Heinrich
nach Corvey, um dort weitere Anhänger auf seine Seite zu
bringen, und dies mit Erfolg: "plurimos sibi de Saxonibus associavit".
Für den Palmsonntag hatte der Bayern-Herzog einen sächsischen
Landtag nach Magdeburg einberufen, auf dem er in Verhandlungen einzutreten
beabsichtigte, "quomodo se suae potestati aubderent regnique em fastigio
sublevarent". Heinrich versuchte somit
jetzt, die Königswürde zu erringen. Die Fürsten verhielten
sich aber abwartend und sagten, sie müßten erst die Lösung
von dem Eid, den sie am Weihnachtstag 983 König
OTTO III. geschworen hatten, erlangen. Man darf dieses Argument
keinesfalls geringschätzen: eine derartige Begründung war nicht
nur unangreifbar, sondern nach dem Selbstverständnis des feudalen
Systems war die postulierte Lösung der Fürsten von ihrem Treueid
eine Conditio sine qua non. Eine Woche später, bei der Osterfeier
in Quedlinburg (Heinrich wählte
hier wie im Falle Magdeburg traditionelle Feierorte der OTTONEN-Kaiser!),
war der Kreis der Teilnehmer offenbar größer. Während es
sich in Magdeburg eher um einen rein sächsischen Landtag gehandelt
hatte, kam diesmal der "magnus regni primatus" zusammen, und auch diejenigen
Fürsten, die sich von der Osterfeier fernhielten, entsandten doch
wenigsten Beobachter. "Hac in festivitate idem a suis publice rex appelantur
laudibusque divinis attollitue." Neben den deutschen Fürsten waren
auch diejenigen aus Böhmen, Polen und von den Abodriten, Boleslaw,
Mieszko
und Mistui, anwesend. In deren Teilnahme sieht die Forschung jedoch einen
gewichtigen Grund, weswegen
Heinrich
letztlich die Unterstützung der Sachsen nicht habe finden können:
die meisten sächsischen Grafen hätten ein Bündnis mit den
Slawenstämmen, die erst vor kurzem das nördliche Herzogtum des
Reiches überfallen hätten, abgelehnt. So nahmen wichtige sächsische
Große an der Osterfeier in Quedlinburg gar nicht teil bzw. entfernten
sich von der Feier und bildeten einen Gegenlandtag in der Asselburg.
Der Zänker stellte
sich mit der Wahl der traditionellen Feierorte, wie wir ohne Schwierigkeiten
sehen können, ganz in die Tradition der
OTTONEN-Kaiser.
Die Forschung sieht hier eher einen Akt der Usurpation, während sich
durchaus auch an ein Zeichen für die Zugehörigkeit Heinrichs
zur Familie der OTTONEN
denken ließe, wenn man überhaupt die Motive so streng scheiden
will und man nicht eher an ein Bündel mehrerer Beweggründe denken
sollte. Unübersehbar bleibt freilich die Tatsache, daß Heinrichsich
zum König hat proklamieren lassen.
Im weiteren Verlauf der Ereignisse dieses Jahres 984
- teils Verhandlungen, teils Vorbereitungen zu militärischer Aktion
- kristallisierte sich immer mehr heraus, daß die Anhänger des
gewählten Königs, des kleinen OTTO III.,
die stärkere Unterstützung finden werden würden. Heinrich
strebte
nun nach "pax" und Ausgleich mit den Anhängern
OTTOS
III. Man konnte sich darauf verständigen, Heinrich
solle gegen die Herausgabe des kleinen Königs freien Abzug
erhalten. Am 29. Juni 984 trafen der Zänker,
die Kaiserinnen und alle Fürsten des Reiches auf dem Tag von Rara
zusammen. Heinrich übergab vereinbarungsgemäß
OTTO
III. an Mutter und Großmutter, und man schloß Frieden
bis zu einer erneuten Zusammenkunft, um dort wahrscheinlich über die
künftige Stellung des Zänkers zu
beraten. An diesem Treffen von Bürstadt nahm übrigens auch König
Konrad von Burgund teil, der mit beiden Parteien, mit Herzog
Heinrich und mit der Kaiserin Adelheid,
verwandt war und so besondere Eignung zum Vermittler hatte. Die vormundschaftliche
Regierung konnte allerdings erst ein Jahr später, auf dem Hoftag von
Frankfurt, zu einem endgültigen Ausgleich mit Heinrich
dem Zänker gelangen.
Heinrich
wurde
wieder mit Bayern belehnt, das um die Kärntner Mark verkleinert blieb.
Kärnten nun wurde zum Ausgleich dem bisherigen bayerischen Herzog,
Heinrich dem Jüngeren, zugewiesen, der nach dem Tode des Doppelherzogs
Otto
von Schwaben und Bayern in Bayern
eingesetzt und so rehabilitiert worden war, aber nun zugunsten
des
Zänkers Verzicht leistete. Der bisherige Kärntner
Herzog, der SALIER Otto, verzichtete
seinerseits auf Kärnten, behielt aber das Recht, als "dux Wormatiae"
den Herzogstitel weiter zu führen. Bis zu seinem Tod 995 hat
sich Heinrich der Zänker
nie wieder
gegen König OTTO III.bzw. die
vormundschaftliche Regierung der Kaiserinnen erhoben, wohingegen der König,
Theophanu
und Adelheid zu keiner Zeit - mit Ausnahme
beim Königsumritt - den Boden des Herzogtums Bayern betreten haben.
Im Anschluß an den Tag von Frankfurt fand ein Umritt
König
OTTOS III., der Kaiserin Theophanu
und
Herzog Heinrichs des Zänkers
in Sachsen, dem Rheinland und in Bayern statt, und bei der Osterfeier
in Quedlinburg 986 übten die Herzöge
Heinrich
der Zänker und Heinrich der Jüngere die Hofämter
aus, womit die endgültige Unterwerfung
des
Zänkers unter die Regierung
OTTOS
III. vor aller Welt dokumentiert war.
Über die letzten Jahre Heinrichs
von Bayern in seinem Herzogtum nach dem Tag von Frankfurt wissen
wir sehr wenig. Vielleicht gehören in diese Zeit, eventuell aber auch
schon in die Tage seiner versuchten Königsusurpation, die Ranshofener
Gesetze. In diesem ersten territorialen Gesetz Deutschlands wurde eine
"Mediatisierung" der bayerischen Grafen vorgenommen: der Herzog übte
eine weitgehende richterliche Gewalt über die Grafen aus, ohne irgendwelche
königliche Rechte zu berücksichtigen. Diese Amtsgewalt Herzog
Heinrichs dürfte sich freilich
nicht über die alten karolingischen
Grafschaften bezogen haben, die inzwischen erblich geworden waren, sondern
eher auf die dem Herzog unmittelbar unterstellten Unter- und Vizegrafen.
Wichtig ist, daß die Ranshofener Gesetze als höchste Instanz
den bayerischen Herzog setzten, was den Schluß nahelegt, hierin eine
Folge der Usurpationszeit zu sehen.
Auf außenpolitischem Gebiet war Herzog
Heinrich II. ebenfalls aktiv. Wenn Mathilde Uhlirz die betreffenden
Gerbert-Briefe richtig interpretiert haben sollte, so wurde der
Zänker von König Hugo Capet
um Fürsprache und Vermittlung bei der Kaiserin
Theophanu für die CAPETINGER
gebeten. Sicher bezeugt ist der Sieg, den Heinrich
im
Jahre 991 über die Ungarn erzielen konnte, und seine Beteiligung am
Zug
König OTTOS III. gegen Brandenburg
im Jahr 992. Bis zu seinem Tod blieb
Herzog Heinrich
der Zänker der Herrschaft OTTOS
III. treu ergeben, und so wurde er in einem Königsdiplom
als "dulcissimus frater" apostrophiert; allerdings dürfte diese Formulierung
aus einer älteren Vorlage aus der Zeit seines Vaters,
Heinrichs
von Bayern, übernommen worden sein.
5. Zusammenfassende Würdigung Heinrichs des Zänkers
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Wir haben in diesem Kapitel die Ereignisse betrachtet,
die Herzog Heinrich II. von Bayern
in den Augen der modernen Geschichtsschreibung, wie im Ansatz schon bei
den Historiographen des 10. Jahrhunderts, zu "Heinrich
dem Zänker" gemacht haben.
Wir konnten einige Andeutungen und Hinweise sammeln, die für die Beurteilung
der Gestalt des Zänkers eher rechtliche
denn psychologische Ansatzpunkte lieferten. Diese gewisse Berechtigung
Herzog
Heinrichs zu seiner Gegnerschaft gegen die Herrschaft OTTOS
II. scheint freilich gerade aus den Quellen denkbar, die in
der Zeit des Zänker-Sohnes, Kaiser
HEINRICH II., entstanden sind, und die daher nur mit äußerster
Vorsicht benutzt werden dürfen. Doch paßt auch in den Rahmen
unserer Überlegungen die Art und Weise, wie die Kaiserinnen und Heinrich
zu einem Ausgleich kommen, nämlich dem Zänker
eine
weitgehend königsgleiche Stellung zu überlassen; der Ausgleich
erinnert im übrigen stark an die Stellung der bayerischen Herzöge
Arnulf und Heinrich (des Bruders OTTOS
DES GROSSEN).
Insgesamt müssen wir doch festhalten, daß
wir auf der uns tradierten Quellenbasis bei einem Urteil über den
Bayernherzog kaum an einer negativen Stellungsnahme, die aus dem häufigen
Streben des Zänkers nach einer
höheren Machtstellung resultiert, vorbeikommen. Zu überlegen
wäre, ob die negative Charakterisierung
des
Zänkers in den Quellen des 10. Jahrhunderts, insbesonders
bei Richer von St. Remi, in abgeschwächter Form auch bei Alpert von
Metz und in den Quedlinburger Annalen, nicht auch mit dem historischen
Ergebnis, dem letztendlichen Scheitern des Zänkers
in seinem Streben nach einer erweiterten Herrschaft, zu erklären wäre.
Es soll hier beileibe nicht versucht werden, Herzog
Heinrich II. von Bayern zu einem bisher verkannten Kämpfer
für sein legitimes Recht zu machen. Aber man sollte überlegen,
ob die monoklausale Erklärung des "Zänkers"
wirklich
differenziert genug ist, um dieser geschichtlichen Persönlichkeit
gerecht zu werden.