22. Graf Hermann (+ 1086)
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Neben Herzog
Ordulf tritt sein Bruder Graf Hermann sowohl im allgemeinen
wie besonders in den Kämpfen der Sachsen gegen
HEINRICH
IV. öfter entscheidend mit auf. Schon beim Tod Bernhards
II. wird er von Adam von Bremen mit den Worten "post cuius obitum
filii eius Ordolf et
Hermannus
hereditatem patris acceperunt."
[1 Adam III, 43 (42) Seite 185.] sogleich in Beziehung gesetzt zu
dem väterlichen Erbe und zwar in demselben Maße wie Ordulf.
Auch Bruno läßt in seinem Buch vom Sachsenkrieg
Hermann Klage
erheben, daß der König ihm die von seinen Vätern ererbte
Feste Lüneburg listig überfallen habe [2 Bruno,
De bello Saxonico c. 26 Lohmann Seite 30.], nachdem er von der Besprechung
HEINRICHS IV. und Sven Estridssons
im Beisein des Bremer Erzbischofs in Bardowick berichtet hatte. HEINRICH
habe dabei den Wunsch geäußert, die nahegelegene Feste Lüneburg
als
Hauptstützpunkt an sich zu bringen, während diese doch seit jeher
den Vorfahren des Herzogs
Magnus angehört habe und nach Erbrecht an diesen und an seinen
Oheim Hermann gekommen sei [3 Bruno c. 21 Seite 26]. Jene
Zusammenkunft wurde von den verschiedenen Forschern auf Grund der unterschiedlichen
Quellenstellen - Bruno nennt, wie gesagt, Bardowik Adam Lüneburg [4
Adam III, 60 Seite 206.] - verschieden lokalisiert, obwohl Meyer von
Knonau wohl mit Recht Adam als Hauptquelle vorzieht [5 Meyer von
Knonau Jbb. H. IV. Band II Seite 72ff.].
Eine Synthese versuchte Köster [1 Köster,
Sachsen unter Herzog Magnus Seite 17.], indem er annahm, daß sowohl
in Lüneburg als in Bardowick eine Zusammenkunft gewesen sein müsse,
und zwar die erstere im Jahre 1071, wie ja allgemein angenommen wird und
wie es auch aus Adam ohne weiteren hervorgeht, die letztere aber erst im
Jahre 1073, eine These, die im Einblick auf die politische Situation, wie
Meyer von Knonau schon dartat [2 Meyer von Knonau, Jbb. H. IV. Band
II Seite 74 Anmerkung 62.], unwahrscheinlich anmutet. Daß es sich
bei der Unterredung gewiß auch um die sächsischen Angelegenheiten
handelte, steht außer Zweifel. Und Adam berichtet auch ganz offen,
daß zum Ruhme des Erzbischofs im Jahre seines Konsulats die Aussprache
des Kaisers mit dem Dänen-König zur Schmach des Herzogs in Lüneburg
stattgefunden habe, und daß dort unter dem Deckmantel eines Bündnisses
Waffenhilfe gegen die Sachsen gelobt worden sei [3 Adam III, 60
Seite 206.]. Otto
von Northeim und Magnus hätten sich nach einer niedergeschlagenen
Verschwörung auf den Rat des Erzbischofs hin in die Gewalt des Königs
begeben [4 Adam III, 60 Seite 206.]. Nun der Haupwiderstand anscheinend
gebrochen war, fiel es HEINRICH IV. auch
nicht schwer, die Feste Lüneburg in seine Hand zu bringen.
Hermanns Wagemut und kriegerische Tüchtigkeit gelang es jedoch
sie durch einen Handstreich wieder zurückzugewinnen, und die Besatzung
- die sprichwörtlich gewordenen 70 Schwaben - längere Zeit gefangen
zu halten, um mit ihrer Herausgabe endlich die Freilassung seines Neffen
Magnus zu erzwingen [5 Bruno, c. 21 Lohmann Seite 26.]. Nach
Lampert von Hersfeld wurde der Freilassungsbefehl am 15. August 1073 erteilt
[6 Lampert Seite 161 (Holder-Egger)]. Im Jahre 1078 wurde allerdings
Hermann selber nach der Schlacht bei Mellrichstadt der Gefangene
HEINRICHS IV. [7 Annalista Saxo
VI, 713 "Herimannus, nobilis quidam comes in praecedenti belle
Saxonico captus ac Heinrico traditus."],
der ihm aber dann im Jahre 1080, nachdem Hermann wahrscheinlich
als Unterhändler bei den Friedensverhandlungen mit den Sachsen gedient
hatte, die Freiheit wiedergab [8 Eine Vermutung von Meyer von Knonau,
Jbb. H. IV. Band 3 Seite 190, die sich allerdings quellenmäßig
nicht genau belegen läßt.].
Gerade im Hinblick auf das Verhalten Hermanns
werden die in dem BILLUNGER-Geschlecht schon oft beobachteten Züge
von Verwegenheit und Stolz deutlich, besonders, wenn es sich um Angelegenheiten
der Familie oder des Besitzes handelte. Denn hinsichtlich des letzteren
scheint er, wie aus der Geschichte seines Bündnisses mit dem Bremer
Erzbischof hervorgeht, sehr empfindlich gewesen zu sein. Adalbert hatte
ihm, in der Absicht, die ihm gefährlich erscheinenden Brüder
zu trennen, wie Adam sehr offen mitteilte [1 Adam III, 44 (43) Seite
185f.], als Lehnsmann angenommen und sich seiner auf dem ungarischen Feldzug
des Jahres 1063 bedient. Doch als der Erzbischof später den Wünschen
Hermanns
auf ein größeres Lehen nicht nachkam, wandte sich dieser mit
einem Heer gegen Bremen und hielt sich durch Raub und Plünderung im
ganzen Bereich des Bistums schadlos [2
Adam III, 44 (43) Seite 186.]. Der Erzbischof, der zu
jener Zeit die erste Stelle am Hofe innehatte, erreichte daraufhin, daß
Hermann
mit dem Bann belegt und außer Landes verwiesen wurde.
Nach Ablauf eines Jahres erlangte er die Gnade des Königs wieder und
konnte zurückkehren, mußte aber der Kirche zur Genugtuung 50
Hufen Landes überlassen, die ihm und seinem Bruder Ordulf gehörten
[3 Adam III, 45 (44) Seite 187 (mit dem weltlichen Bann).].
Mehrfach begegnet uns Hermann dann, wie schon
erwähnt, in den Händeln des Sachsenkrieges. Während der
Zeit der Gefangenhaltung seines Neffen Magnus hat er tatkräftig
die Belange des billungischen Hauses vertreten [4 Meyer von
Knonau meint sogar (Jbb. H. IV. Band 2, Seite 261 Anmerkung 122), daß
Hermann
anscheinend
auch noch nach Magnus Rückkehr jene Stellung eingenommen habe,
da Bruno von des letzteren Tätigkeit wenig vermelde.]. Immer wieder
setzte er sich mit Bitten und Vorschlägen für die Freilassung
des Haupterben und eigentlichen Nachfolgers und Verwalters des gemeinsamen
Erbes ein [5 Bruno c. 22 Seite 27 "patruus suus inaestimabili
praediorum sive pecuniarum pretio redimere non valuit (Magnus
gemeint)".].
Nach dem schon genannten Treffen von Mellrichstadt, das
im Jahre 1078 stattfand, ließ der König nach Aussage Brunos
die Nachricht bekanntgeben, daß Otto von Nordheim und der BILLUNGER
Hermann die einzigen Freien seien, die mit dem Leben davongekommen
wären [1 Brunoi c. 103, Seite 92.]. Es muß sich in der
Tat um eine gefährliche Lage gehandelt haben. Das geht auch aus dem
Magdeburger Annalen hervor [2 Ann. Magd. SS. XVI, Seite 175.]. Der
Schreiber der Stederberger Chronik, der sich an die in jenen Annalen gegebene
Notiz: "Hermannus comes, eiusdem Magni patruus, et Adalbertus
Wormaciensis comprehensi ac plurimi de militibus Saxonicis interempti sunt"
hielt, glaubte, diese mißverstehend, den Tod des Grafen Hermann
zu jenem Jahre (1078) mit den Worten "Albertus Wormaciensis Hermannus
comes patruus Magni ducis occiduntur" vermelden zu können
[3 Chron. Stederburgense SS. XVI, Seite 202 zu 1078.]. In Wirklichkeit
erfolgte dieser aber erst erheblich später, nämlich im Jahre
1086,
wie die Rosenfelder Annalen [4
Ann. Ros. SS. XVI, Seite 101.] und
der Sächsische Annalist [5
Annalista Saxo SS.VI, Seite 724.]
berichten, letzterer mit dem Zusatz "sine legitimus liberis". Ob
Hermann überhaupt verheiratet war, wissen wir nicht; von einer
Gemahlin ist in den Quellen nirgends die Rede. Über sein Alter läßt
sich nichts Bestimmtes sagen, vermutlich wird er nach 1020 geboren
sein. Wenn er seinen Bruder Ordulf um rund 15 Jahre überlebte,
und sein Neffe Magnus zwei Jahrzehnte nach ihm im vorgerückten
Alter aus dem Leben schied, wird er selber zumindest ein nicht geringes
Alter, schätzungsweise 60 Jahre oder darüber erreicht haben.
Wedekind kam auf Grund verschiedener Anzeichen
zu der Vermutung, daß Hermann sich nach jenen erschütternden
Ereignissen des Sachsenkrieges vom weltlichen Treiben zurückgezogen
und als frommer Bruder im Michaeliskloster in Lüneburg seine letzten
Jahre verbracht habe [1 Wedekind, Noten II, Seite 78ff.]. Zur Begründung
führte er die Aussagen zweier Nekrologien an. Im Necr. S. Mich. Lun.
heißt es nämlich unter dem 31. Mai: "Hermannus
conversus frater noster" [2 Necr. S. Mich. Lun. Wedekind Noten
I.]. Außerdem ist dabei zugleich von einer Schenkung die Rede [3
Necr. S. Mich. Lun. Wedekind, Noten III, Seite 40 "O. .. Hermann
conversus fr. nr. V sol. et IIII denaries in domo Gemynge ad dextram manum
in sartagine que dicitur Ghvapa.], so daß man auf einen nicht
unbemittelten Bruder schließen muß. Zur Bestätigung der
Vermutung dient vor allem der Vermerk im Möllenbecker Nekrologium,
in dem sich am gleichen Tage, also am 31.Mai, der Todesvermerk eines
Grafen Hermann befindet [4 J.F. Schannat, Vindem. lit. coll.
f., 139.]. Allein der Bremer Kirche wird er nicht im besten Angedenken
geblieben sein. Von Hermann bringt Adam ebenso wie Ordulf
an verschiedenen Stellen zum Ausdruck, daß sie eingedenk des alten
Hasses, den ihre Väter insgeheinm gegen die Bremer Kirche hegten,
nicht aufgehört hätten, diesen offen zu bekämpfen und auf
jegliche Art und Weise zu schädigen [5 Adam III, 8 Seite 149.].