Sohn des Grafen
Ekbert der Einäugige im Ambergau
Bork Ruth: Seite 74
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"Die Billunger. Mit Beiträgen zur Geschichte des
deutsch-wendischen Grenzraumes im 10. und 11. Jahrhundert."
Auf Grund einiger Urkunden und anderen Quellenstellen,
in denen die angegebenen Namen und Besitzungen Schlüsse auf billungische
oder sogar Ekbertsche Nachkommenschaft zulassen, hat man auch die
zu Beginn des 11. Jahrhunderts mehrfach bezeugten Grafen Ekbert und
Amelung
zu den Söhnen Ekerts des Einäugigen rechnen wollen [2
Freytag
Seite 151 ff.]. Als Belege hierfür erscheinen
a) eine Urkunde, betreffend die Schenkung OTTOS
III. vom 23. Januar 1001 an das Hildesheimer
Bistum, welches das "castellum
Dalshem nominatum, situm autem infra eiusdem episcopatus
terminos in pago Hastfala sive
Ambargan in comitatu filiorum Ekbrahti comitis et nepotis nostri"
nennt [3 DO III. 390 Es handelt
sich dabei um das heutige Königsdahlum im Regierungsbezirk
Hildesheim, und Freytag (Seite 151)
weist darauf hin, daß dasselbe etwas später im Jahre 1009 in
einer Urkunde HEINRICHS
II. (DH II. 206) als dem Grafen
Wichmann III. gehörig bezeichnet.],
und
b) eine Urkunde, die nun dem Jahre 1013 glaubt zurechnen
zu können [4 DH II. 260.], und in der von
der Praefectur eines
Ekbert
die Rede ist. Ferner finden sich in der Vita Meinwerci zu den Jahren
1015-1031 mehrfach Stellen, in denen
ein Graf Amelung vorkommt, der auch in
Rechtshandlungen der Paderborner Kirche
als Stiftsvogt auftritt [5 Vita Meinw. c. 31 Seite 34, c. 35
Seite 36, c. 45 Seite 40, c.49
Seite 42, c. 50 Seite 43, c. 67 Seite 47, c. 94 Seite 53, c. 128 Seite
63,
c. 213 Seite 125.]. Da als sein Bruder
ein Graf Ekbert zum 14. September 1024 erwähnt wird, den
man für den in den eben zitierten
Urkunden genannten hält, so wird unter Hinweis auf die
verwandtschaftlichen Beziehungen des
Bischofs Meinwerk zu den BILLUNGERN [2 Näheres
unten Seite 109.] daraus die Folgerung
gezogen, daß es sich in den Brüdern um Söhne Ekberts
des
Einäugigen handle, was
Freytag zumindest für Ekbert des gleichen Namens wegen sicher
genug
belegt zu haben glaubt [3 Freytag
Seite 151 ff. Auf die Urkunde vom 23. Januar 1001 (DO III. 390)
nimmt auch Hulshof in der Einleitung
zu seiner Alpert-Ausgabe Bezug, wenn er Ekbert und
Amelung als die Brüder
Wichmanns III. bezeichnet, die nach seiner Meinung aber schon vor
dessen Tod (im Jahre 1016) gestorben
sein müssen.]. Es handelt sich dabei zugleich um den
Versuch, auf Grund annehmbarer Verwandtschaftsbeziehungen
bestimmte Besitzverhältnisse der
Wichmannschen Linie nachzuweisen,
über dessen Verwertbarkeit für unsere Aufstellung schon
gelegentlichähnlicher Fälle
das Nötige gesagt wurde.
Freytag, Hans-Joachim: Seite 54-56
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"Die Herrschaft der Billunger in Sachsen"
Nach einer Urkunde vom 23. Januar 1001 schenkte OTTO
III. dem Hildesheimer Bistum das "castellum Dalehem nominatum,
situm autem infra eiusdem episcopatus terminos in pago Hastfala sive Ambargau
in comitatu filiorum Ekbrahti comitis et nepotis nostri" [1
DO III. 390, vgl. Koch Seite 175.]. Die Ausdrucksweise des Diploms
läßt nicht allein in jenem Ekbert, den Sohn des älteren
Wichmann deutlich erkennen, aus ihr geht auch hervor, daß seine
Söhne nach seinem 994 erfolgten Ableben gemeinsam den väterlichen
Gewaltbezirk verwalteten. Eine wohl an das Ende des Jahres 1001 zu setzende
Urkunde
OTTOS III. berichtet nun, daß
die villa "Lutterun", d.i. Lutter am Barenberg, "in pago Ventsgoi ...
in burgwardio quoque Dalehem atque comitatu Herieldi comitis" gelegen
war. Ihre Zuweisung zum Burgbezirk Königsdahlum zieht den Schluß
nach sich, daß dieses im Januar 1001 in der Grafschaft der Söhne
Ekberts des Einäugigen gelegene castellum sich nunmehr innerhalb
des Komitats des Grafen Herield befand. Letzterer umfaßte also Ende
1001 zumindest einen Teil des zu Beginn des Jahres bestehenden Gewaltbezirkes
der Söhne Ekberts. Und im Jahre 1009 gehörte das gleiche
Königsdahlum im Ambergau zum Komitat des Grafen Wichmann, eines
Sohnes Ekberts des Einäugigen [5 DH II. 206.]. Alle
drei Male handelt es sich um den gleichen Bezirk, der zu Beginn des Jahres
1001 sowie 1009 im Besitz der Wichmannschen Linie bezeugt wird.
Da der Name des Herield diesen nicht als Nachkommen Ekberts des Einäugigen
und damit als Erben von dessen Grafschaft wahrscheinlich macht, liegt die
Vermutung nahe, in ihm einen Lehngrafen zu sehen, der für Wichmann
III. die Verwaltung führte, solange der BILLUNGER mit OTTO
III. in Italien weilte [6 Vita Heinr. II. 3, Seite 684.].
Weiterhin kennt das spurium DH II. 260, das die Zustände von etwa
1013 wiedergibt, eine Grafschaft Ekberts, eines Sohnes Ekberts
des Einäugigen, im Derlingau [7 Im Komitat Ekberts
lagen: Remlingen, Semmenstedt, Mollenstedt, Hachum, Achim, Seinstedt in
Braunschweig Kreis Wolfenbüttel und Isingerode im Regierungsbezirk
Magdeburg Kreis Wernigerode.].
Die angezogenen Urkunden lassen in dem Gebiet an der
oberen Oker und Innerste folgende Herrschaftsverhältnisse vermuten:
Ekbert
der Einäugige gebot als Graf um Goslar. Nach seinem Tode ging
sein Gewaltbezirk in die gemeinsame Verwaltung seiner Söhne über.
Doch muß diese bald ein Ende gefunden haben, denn als
Wichmann
III. den Kaiser nach Italien begleitete, vertraute er seinen Herrschaftsbereich
eine Grafen Herield an, um nach seiner Rückkehr selbst wieder die
gräflichen Rechte wahrzunehmen. Auf den väterlichen Komitat dürfte
aber auch die Grafschaft des jüngeren Ekbert im Derlingau zurückgehen.
Bekannt ist, daß Wichmann III. seine letzten Lebensjahre im
Westen des Reiches verbrachte, hier sehr stark in die politischen Wirren
am Niederrhein verstrickt war. Da legt die Anführung des Komitats
Ekberts im Derlingau um 1013 die Vermutung nahe, da
Wichmann
III. zwischen 1009 und 1013 in dem Gebiet um Goslar seinem Bruder Platz
machte. Wie auch die Herrschaftsverhältnisse im einzelnen gestaltet
gewesen sein mögen, erkennbar wird auf jeden Fall ein umfangreicher
Gewaltbezirk etwa zwischen Braunschweig und Goslar der sich im ausgehenden
10. und beginnenden 11. Jahrhundert in der Hand der Wichmannschen Linie
befand. Dieser zog sich im Süden des in den Gauen Ostfalen und Marstem,
im Loin- und Sturmigau gelegenen Bereich der Hermannschen Linie
hin.
In den Jahren 1015 bis 1031 nennt die Vita des Bischofs
Meinwerk von Paderborn wiederholt einen Grafen Amelung als Zeugen
in Urkunden des Paderborner Hochstifts. Die ungefähre Lage seines
Komitats wird aus zwei Nachrichten ersichtlich. 1015 wurden in seinem Gericht
Güter übertragen, die in Aspe sowie in nicht angeführten
Orten zwischen dem Süntel und dem Osning lagen. Und 1031 befanden
sich Alfen sowie Etteln "in pago Paderga in comitatu Amulungi" [6
Vita
Meinw. Seite 120 c. 206; DK II. 158.]. Sein Gewaltbezirk zog sich
demnach über Teile des Padergaues hin und dehnte sich im Norden bis
in die Gaue Wehsi und Theotmalli. An anderer Stelle dieser Vita erscheint
derselbe Amelung als "comes et advocatus" [7 Vita
Meinw. Seite 50 c. 76.]. In der letzteren Eigenschaft nahm er häufigt
Rechtshandlungen für die Paderborner Kirche vor oder war bei solchen
neben dem Bischof Meinwerk zugegen. Tritt er uns an den angeführten
Stellen der Vita als "advocatus" entgegen, so wird ihm bei seiner letzten
Nennung im Jahre 1031 die Bezeichnung "summus matrisecclesiae advocatus"
zuteil. Da nach 1015 noch drei weitere Stiftsvögte genannt werden,
kann angenommen werden, daß Amelung einer der Vögte des
Paderborner Hochstifts war und erst 1031 zum Hauptvogt dieses Bistums aufgerückt
ist. Doch wird er bereits vordem als Graf im Padergau, in dem die Bischofsstadt
lag, eine bevorzugte Stellung als Vogt eingenommen haben, wie seine häufige
Nennung verrät. Im Kapitel 202 der Vita stellt der Verfasser neben
diesen Amelung dessen Bruder, einen Grafen Ekbert. Diese
Tatsache läßt in ersterem einen Sohn Ekberts des Einäugigen
vermuten, was an Wahrscheinlichkeit gewinnt, wenn wir uns das verwandtschaftliche
Verhältnis Bischof Meinwerks zu den BILLUNGERN sowie deren
enge Beziehungen zu dem Hochstift vor Augen halten. Auch war der Name
Amelung im Geschlecht der BILLUNGER keineswegs ungebräuchlich
Für den Herrschaftsbereich der Wichmannschen Linie würde
sich damit ein Hinübergreifen über die Weser nach Westen sowie
der Besitz der Vogteigewalt im Bistum Paderborn ergeben.
Bei der Feststellung der Herrschaftsbereiches der Söhne
Ekberts
des Einäugigen an der oberen Oker und Innerste erwähnten
wir bereits, daß Wichmann III. seine letzten Lebensjahre im
Westen des Reiche, am Niederrhein, verbrachte, wo er ausgedehnte Rechte
innehatte. Zu Monreberg [1 Gemeinde Altkalkar im Regierungsbezirk
Düsseldorf Kreis Kleve.] besaß er eine Burg, die der Mittelpunkt
seiner Herrschaftsbefugnisse im Düffelgau war. Damit waren seine Besitztitel
jedoch keineswegs erschöpft. Im Jahre 989 bekleidete er die Stelle
des Vogtes des Klosters Borghorst. Und nach einer am 25. Januar 993 ausghefertigten
Urkunde OTTOS III. wurde er vom König
als Vogt des Stiftes zu Metelen eingesetzt. Vermählt war dieser Sohn
Ekberts
mit einer Tochter des 1006 verstorbenen Gottfried, Grafen im Hattuariergau,
die ihm reiche Besitzungen in Nieder-Lothringen zugebracht hatte. Auf diese
Verbindung geht sein Streit mit dem berüchtigten Balderich, Grafen
von Drenthe, und dessen Gemahlin Adela zurück, da
Wichmann
nach dem Tode des Grafen Gottfried schützend seine Hand über
seinen kranken und schwachsinnigen Schwager hielt, für diesen die
Vormundschaft in dem väterlichen Gewaltbezirk im Hattuariergau führte.
Am 5. Oktober 1016 erlag der BILLUNGER einem Anschlag Balderichs
und wurde in der Abtei Vreden im Gau Bursibant "bei seinen Vätern",
wie Thietmar von Merseburg sagt, beigesetzt [7 Thietmar VII, 47,48.].
Die Bemerkung Thietmars gestattet einen Rückschluß auf die Herkunft
seiner Besitztitel am Niederrhein, soweit er sie nicht durch seine Gemahlin
erwarb. Die Königin
Mathilde, Gemahlin HEINRICHS
I., stattete das von ihr gegründete Stift zu Nordhausen
mit zahlreichen bei Gemen und Bocholt gelegenen Allodialgütern aus.
Da erscheint es als sehr wahrscheinlich, daß Besitzungen in und um
das nördlich von beiden vorgenannten Orten befindliche Vreden ebenfalls
aus dem Widukindschen Erbe herzuleiten sind, welche die Gemahlin des älteren
Wichmann diesem Zweig des billungischen Hauses zugebracht hatte.
So wird die Notiz Thietmars dahingehend zu deuten sein, daß Wichmann
III. auf dem von seiner Großmutter übernommenen Erbe seine
letzte Ruhe fand. Als sicher kann weiterhin angenommen werden, daß
die Vogtei dieses Klosters seit dem Übergang auf die Wichmannsche
Linie in deren Händen lag. Die enge Verknüpfung mit der Abtei
kommt auch darin zum Ausdruck, daß sehr wahrscheinlich Hadwig,
Tochter des
älteren Wichmann und Witwe Siegfrieds, des Sohnes
des Markgrafen Gero, die von 959 bis 1014 dem Kloster Gernrode vorstand,
ebenfalls Äbtissin von Vreden war. Nach der Ermordung Wichmanns
III. übernahm
Bernhard
II. die Vormundschaft über dessen noch unmündigen Sohn
Wichmann und dessen
Erbe [12 Thietmar VII, 48; Alpertus II 14 Seite 717.]. Obgleich
seitdem weder Wichmann IV. noch seine möglichen Nachkommen
jemals wieder in unser Blickfeld treten, nimmt Wilmans an, daß sie
in dem Geschlecht der Edlen von Gemen weitergelebt haben.
Literatur:
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Bork Ruth: Die Billunger. Mit Beiträgen zur
Geschichte des deutsch-wendischen Grenzraumes im 10. und 11. Jahrhundert.
Dissertation Greifswald 1951 Seite 74 - Freytag, Hans-Joachim: Die
Herrschaft der Billunger in Sachsen, Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen
1951 Seite 54-56 -