Lampert von Hersfeld - freilich 'parteipolitisch' befangen
- desillusioniert dieses Herzogseinsetzungsgeschäft mit ungewöhnlicher
Schärfe: "Der König feierte Weihnachten in Goslar. Dort wurde
auf Fürsprache
Herzog Rudolfs von Schwaben
Welf,
der
Sohn Markgraf Azzos von Italien, mit dem Herzogtum Bayern belehnt.
Dieser hatte eine Tochter Herzog Ottos von Bayern geheiratet und
ihr schon zum zweiten Mal eidlich eheliche Treue gelobt. Solange nun Frieden
herrschte und auch solange er hoffte, der leichtsinnig begonnene Krieg
könne ohne große Veränderung der Zustände beendet
werden, erwies er seiner Gemahlin eheliche Liebe und Ehre und förderte
die Sache seines Schwiegervaters nach Kräften durch Waffenhilfe und
gute Ratschläge. Als er aber von dem Urteil gegen diesen erfuhr und
merkte, dass der Krieg und der Zorn des Königs von Tag zu Tag heftiger
gegen diesen anschwoll, brach er alle Abmachungen und alle Bande, mit denen
sie gegenseitig ihre Verwandtschaft aneinander geknüpft hatten, denn
er hielt es für besser, den Vorwurf des Meineids und die Schande des
Treubruchs auf sich zu nehmen, als sich in seiner glänzenden Lage
an dessen hoffnungslose, verlorene Sache zu binden. Zunächst versagte
er ihm die Hilfe, um die er ihn in seiner Not bat, dann schloß er
seine Tochter von der Gemeinschaft des Ehebettes aus und schickte sie ihrem
Vater zurück, und schließlich richtete er sein ganzes Bemühen
darauf, dessen Herzogtum in seine Hände zu bekommen, ohne Rücksicht
darauf, wie viel Gold, wie viel Silber, wie viel seiner Einkünfte
und Besitzungen er verschleudern mußte, wenn er nur erreichte, was
er wünschte. So geriet ihm der Betrug, und er wurde groß und
mächtig, aber alle verabscheuten ihn, weil er die glänzendste
und angesehenste Würde im Reich durch so schmutzigen Ehrgeiz besudelt
hatte. Der König wußte, dass es den bayerischen Fürsten
nicht gerade gefallen werde, was da wider Sitte und Recht und ohne ihre
Befragung geschehen war, und deshalb gedachte er, so schnell wie möglich
nach Bayern zu gehen, um eine Verschwörung, die etwa ausbrechen würde,
persönlich zu beschwichtigen [56 Lampert von Hersfeld (wie
Anm. 53, Seite 118f. Übersetzung: A. Schmidt/W.D. Fritz (Hg.), Lampert
von Hersfeld Annalen (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte
des Mittelalters 13), Darmstadt 1973, Seite 133.].
König HEINRICH IV.
hatte mit der Einsetzung Welfs alte
salische Gepflogenheiten aufgegeben. Mit Welf
IV. kam seit HEINRICH II.
erstmals wieder ein Mann an die Leitung des bayerischen Herzogtums, der
auch in Bayern bereits eine ererbte Interessensphäre hatte [57
J.
Fleckenstein, Über die Herkunft der Welfen und ihre Anfänge in
Süddeutschland, in: G. Tellenbach (Hg.), Studien und Vorarbeiten zur
Geschichte des großfränkischen und frühdeutschen Adels,
Freiburg/Br. 1957, Seite 71-136; K. Jordan, Heinrich der Löwe, München
1979; Seite 4ff.; W. Liebhart, Ida von Öhningen, Irmentrud von Luxemburg
und das welfische Hauskloster Altomünster, in: Oberbayerisches Archiv
109/II, 1984; Seite 233-241.], die er in der Folge ausbauen konnte und
wollte. Als Welf
nach der Aussöhnung
mit Kaiser HEINRICH IV. 1096 wieder
das Herzogtum erlangte, verließ der Kaiser schließlich alle
salischen
Prinzipien bezüglich des Herzogtums, indem er die Erblichkeit zugestand.
Frutolf berichtet: "Welf, neuerlich
Herzog von Bayern, versöhnte seine Söhne, als sie selbst
einen Aufruhr anzuzetteln versuchten, in Gnaden mit dem Kaiser und erreichte,
dass nach ihm einem von ihnen die Herzogsgewalt übertragen werden
sollte [58 Frutolfi Chronica zu 1098: F.-J.Schmale/I. Schmale-Ott
(Hg.), Frutolfs und Ekkehards Chroniken und die anonyme Kaiserchronik (Ausgewählte
Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters 15), Darmstadt 1972,
Seite 110f.]."
Während der aufständische Ex-Herzog Kuno von
Ungarn nach Köln in das Stift Mariengraden überführt wurde
[64 U. Lewald, Die Ezzonen. Das Schicksal eines rheinischen Fürstengeschlechtes,
in: Rheinische Vierteljahresblätter 543, 1979, Seite 120-168, hier
Seite 141f.], hat man auch Herzog Welf I., der auf dem Kreuzzug
in Paphos/Zypern starb, nicht nach Bayern, sondern in das welfische
Hauskloster
Altdorf überführt [65 Historia Welforum, ed. E. König
(Schwäbische Chroniken der Stauferzeit 1), Sigmaringen ² 1978,
Seite 22f.,111.]. Seine Nachfolger in der bayerischen Herzogswürde,
Welf II. und Heinrich der Schwarze, sind ebenfalls in Altdorf
bestattet worden [66
Ebd., Seite 24f., 112.]. Man merkt hier deutlich, wie
Herzogsamt und Dynastiebildung bzw. Dynastiebewußtsein imer mehr
auseinanderdriften.