Nach Welfs III. kinderlosem Tod im Jahre 1055 kam
ein italienischer Neffe, der Sohn seiner Schwester Kunigunde und
des Markgrafen Azzo von Este, nach Deutschland, um hier die reichen
Eigengüter des Geschlechts in Besitz zu nehmen, die im schwäbisch-bayerischen
Grenzgebiet lagen. Welf IV., der diese
jüngere Linie einleitet, war ein kluger, wendiger,
wandlungsfähiger Politiker, der, günstige politische Situationen
rasch erkennend und ergreifend, zu den Fürsten gehörte, die in
den wirren Zeiten des Investiturstreites und der ihn begleitenden innerdeutschen
Kämpfe seinen Vorteil überall zu wahren wußte. Er war vermählt
mit Ethelinde, einer Tochter Ottos von Norheim, schickte
diese aber dem Vater nach dessen Sturz zurück und heiratete die Tochter
des Grafen Balduin von Flandern. Der Parteiwechsel war für
ihn lohnend, denn zu Weihnachten 1070 belehnte ihn König
HEINRICH IV. mit dem bayerischen Herzogtum.
Die Belehnung Welfs war
für Bayern, wie die Zukunft lehren sollte, ein Ereignis von großer
Bedeutung, auch wenn Welf IV. von 1077-1096
das Herzogtum noch einmal entbehren mußte: die Periode der Wechselherzöge
und der Kronlandepoche war jetzt für Bayern abgeschlossen. Sofort
zeigte sich dann auch am Verhältnis Herzog
Welfs zu HEINRICH
IV., dass mit ihm das Herzogtum einer starken Hand anvertraut
worden war. Die Stellung des bayerischen Herzogs in dem 1073 offen ausbrechenden
Konflikt des Königs mit den Sachsen ist nicht ganz klar. Er scheint
einerseits sich geweigert zu haben, dem König bei seinem Kampf gegen
die sächsischen Aufständischen Hilfe zu leisten, mußte
aber andererseits doch befürchten, dass eine Einigung HEINRICHS
IV. mit Otto von Nordheim nur auf seine Kosten gehen
konnte. Nach zwei von einander unabhängigen Nachrichten hätte
HEINRICH
im Oktober 1073 bei den Vorverhandlungen
von Gerstungen Otto das bayerische Herzogtum wieder zugesagt, in
das er dann auch anläßlich des im Februar 1074 endgültig
abgeschlossenen Friedens wieder entsetzt worden sei. Zur Ausführung
dieses Beschlusses, wenn wirklich ein solcher gefaßt worden sein
sollte, ist es jedoch nicht gekommen. Vielleicht war aber die Sorge vor
einer Restitution des Nordheimers die Ursache dafür, dass Welf
IV. sich jetzt aktiv am Krieg gegen
die Sachsen beteiligte: am 9. Juni 1075 nahm er mit bayerischen Truppen
an der für den König erfolgreichen Schlacht bei Homburg teil.
Als auf der 1076 in Rom tagenden Fastensynode der Papst
den deutschen König absetzte und bannte, zeigte die Reaktion auf die
Bannung in Deutschland, dass HEINRICH
die Festigkeit seiner Stellung überschätzt hatte. Blieb auch
von den geistlichen Reichsfürsten der größte Teil auf seiner
Seite, so benützten die weltlichen Fürsten doch überwiegend
die willkommene Gelegenheit, dem Herrscher den Gehorsam aufzusagen. Auf
dem Fürstentag von Tribur im Oktober 1076, der dem König die
Krone absprach, wenn er nicht innerhalb eines Jahres vom Bann gelöst
haben würde, befand sich neben dem ZÄHRINGER Berthold von Kärnten
auch Welf von Bayern. Für HEINRICH
IV. bedeutete die geschlossene Gegnerschaft der drei süddeutschen
Fürsten, Bertholds von Kärnten, Welfs
von Bayern und Rudolfs von Schwaben,
dass ihm die Alpenpässe und damit der Rückweg von Italien gesperrt
worden waren; doch jetzt bewährte sich die Königstreue der EPPENSTEINER,
die ihm den Heimweg über Kärnten ermöglichten.
Auf einem Reichstag in Ulm im Mai 1077, der den aufständischen
Adligen den Verlust ihrer Lehen und Besitzungen brachte, wurde auch Bayern
Welf
IV. abgesprochen, das Herzogtum jedoch nicht weiterverliehen;
es blieb in der Hand des Königs. Nun zeigte sich, dass der Anhang
des WELFEN in Bayern sehr gering, seine
Machtmittel nur beschränkt waren: Welf IV.
war anfangs ein Herzog ohne Land, und Bayern wurde im Investiturstreit
zunächst zu einem wichtigen Stützpunkt der königlichen Macht.
Inzwischen schien sich die Sache des Königs, der
von 1081 bis 1084 mit seinen Feldzügen gegen Rom beschäftigt
war, auch in Bayern zu verschlechtern. Welfs
IV. Bemühungen insbesondere war die Erhebung des Gegen-Königs
HERMANN VON SALM im Sommer 1081 zu verdanken, die von ihm geführten
schwäbischen Truppen errangen im August des gleichen Jahres bei Höchstädt
einen großen Sieg über das königstreue bayerische Aufgebot.
Erst der Tod Ottos von Nordheim 1083 und die Rückkehr
HEINRICHS IV. nach Regensburg im Juni 1084 brachten wenigstens
vorübergehend eine Wendung: in einem erfolgreichen Feldzug nach Westen
gegen Welf konnte
HEINRICH
IV. Augsburg besetzen, während er im Osten den Markgrafen
Luitpold zu erneuter Unterwerfung zwang.
Der abgesetzte Welf IV.
blieb in S-Deutschland HEINRICHS gefährlichster
Gegner; er hatte großen Anteil an dem Sieg von Pleichfeld im August
1086, er konnte Augsburg in seine Gewalt bringen, das bisher die Verbindung
zwischen seinen in Schwaben und Bayern gelegenen Besitzungen behindert
hatte, und "über den größten Teil der baierischen Lande
scheint er damals eine herzogliche Gewalt tatsächlich wieder ausgeübt
zu haben". Vor dem Hintergrund dieser Kämpfe müssen auch wohl
Hinweise auf Bemühungen um einen Landfrieden in Bayern in den Jahren
1093 und 1094 gesehen werden. Welf war durch Papst Urban II. besonders
fest mit den Interessen der päpstlichen Partei verknüpft worden,
da der Papst 1089 eine Ehe zwischen dem Sohn Welfs
IV., dem damals 17-jährigen Welf V. mit der 40-jährigen
Gräfin Mathilde von Tuszien vermittelte, die dem jungen Welf
eine Erbaussicht auf den reichen Besitz der Markgräfin eröffnen
mußte.
Welf hatte die Sache der
päpstlichen Partei völlig zu der seinen gemacht, im Jahre 1093
bezeichnete er sich selbst als Vasall des heiligen Petrus und knüpfte
Beziehungen zu dem von seinen Vater abgefallenen Kaisersohn KONRAD
an.
HEINRICH
IV., dessen Erfolge mit dieser neuen Rebellion wieder zunichte
gemacht worden waren, der weder in Italien eingreifen noch nach Deutschland
zurückkehren konnte, hielt sich in diesen Monaten des für ihn
so schweren Jahres 1093 auf den Burgen der treu gebliebenen EPPENSTEINER
östlich der Etsch auf. Als die WELFEN erfahren
mußten, dass die Markgräfin Mathilde ihre italienischen
Güter schon seit langem St. Petrus vermacht hatte, lösten sie
1095 den Ehebund auf und suchten die Aussöhnung mit dem Kaiser. Nach
20-jährigem Kampf wurde im Sommer 1096 Welf
IV. in Verona wieder mit dem bayerischen Herzogtum belehnt,
und für den Kaiser ergab sich durch die damit verbundene Öffnung
der Alpenpässe die Möglichkeit, nach Deutschland zurückzukehren.
Welf
IV., der hinfort mit dem Kaiser im guten Einvernehmen blieb,
der wohl 1098 von ihm auch noch die Zusicherung der Nachfolge seines Sohnes
Welf V. im bayerischen Herzogtum erhielt, ist im November 1101
auf dem Heimweg vom Kreuzzug in Paphos auf Cypern gestorben.