Die vor dem 5. Mai 895 erfolgte Absetzung des Grafen Engildeo,
in dessen Prozess auch Hildegard, die
Tochter Ludwigs des Jüngeren,
verwickelt wurde, war für Luitpold der
Beginn seines Aufstiegs. Diese drei Personen müssen in einem merkwürdigen,
nicht klar erkennbaren Verhältnis zueinander gestanden haben. Engildeo,
der mächtigste Mann in Bayern nach dem König und Hildegard,
die maßgeblichen Anteil an der Erhebung
ARNULFS
hatte, wurden auch in einer Urkunde vom 5. Mai 895 gemeinsam erwähnt.
Andererseits scheint auch
Luitpold
Hildegard gekannt zu haben, wie
ihr Besuch in Monheim beweist. Trotz ihrer Verdienste um den König
wurden Engildeo und Hildegard gestürzt.
Für die Abstammung Luitpolds lässt
sich aus dieser Stelle wenig entnehmen. Er wurde nepos regis genannt,
was man wohl am besten unbestimmt mit "Verwandter" übersetzt. Am wahrscheinlichsten
ist, dass sich diese Verwandtschaft mit dem König über Luitswinde,
die Mutter ARNULFS, herleitet. Die
Zugehörigkeit Luitpolds zum mächtigen
bayerischen Geschlecht der HUOSIER, die Riezler annahm, ist nicht
sicher zu beweisen. Die gesamten Machtbefugnisse Engildeos gingen auf Luitpold
über.
Luitpold begegnete
uns 895 zum ersten Male urkundlich als Graf von Kärnten, doch
ist anzunehmen, dass er dieses Amt schon länger verwaltete. Das wird
bestätigt durch die chronikalische Quelle, die ihn bereits zwischen
893 und 895 als Grafen anführte. Vermutlich erhielt er das Amt 893,
in dem Jahre, das für die Familien der Grafen Wilhelm und Engelschalk
den Untergang brachte. Als nun 893 Graf Ruodbert zu Swatopluk
von Mähren floh und hier ermordet wurde, war für Luitpold
der Weg zu seiner Nachfolge frei.
Als der Bruderkrieg in Mähren immer heftigere Formen
annahm, erhielt im Jahre 898 Markgraf Luitpold
und Aribo von Kaiser ARNULF den Befehl,
mit Heeresmacht in das Land zu ziehen. Sie verwüsteten das Gebiet
wahrscheinlich von Moimir, da Swatopluk
im nächsten Jahr auf ihrer Seite stehend genannt wurde.
Mehr noch gibt uns dieser Zug nach Mähren aber Gelegenheit,
einen Blick auf die Stellung Luitpolds
zu werfen. Er begegnete uns bisher als Nachfolger Engildeos im bayerischen
Nord- und Donaugau und dann im ehemaligen Herrschaftsgebiet des Grafen
Ruodbert in Kärnten. Keins dieser Gebiete grenzte unmittelbar an Mähren
und doch nahm er an einem Zug dorthin teil. Zur Erklärung bleiben
drei Möglichkeiten: es kann sein, dass der Zug durch Böhmen führte,
das an den Nordgau grenzte, dem er vorstand; auch bliebe die Vermutung,
dass seine Stellung in Bayern zumindest auf militärischem Gebiet eine
gewisse Oberhoheit über die anderen Grafen und damit auch über
Aribo einschloss; schließlich könnte man annehmen, dass er nach
dem Tode des Grafen Engilschalk dessen Grafschaft, die in Oberpannonien
lag, erhalten hatte. - Mir ist am wahrscheinlichsten, dass die beiden letzten
Möglichkeiten zutreffen. Kaiser ARNULF
brauchte sicher, nachdem er einmal an die Spitze des ostfränkischen
Reiches getreten war, für Bayern eine Art Stellvertreter. Auch
unter der fränkischen Oberherrschaft hatte das Land seine Einheitlichkeit
nicht verloren und fast immer war ein Graf oder karolingischer
Prinz mit herrschaftlichen Befugnissen für das ganze Land, das ja
auch in karolingischer Zeit nach der
Teilung als eigentliches "Königsland" des ostfränkischen Reiches
galt, versehen worden. Die Grafen Gerold, Audulf und Ernst hatten weitgehende
Befugnisse, Ludwig der Deutsche und
schließlich auch ARNULF selbst
residierten hier. Schon unter seinem Vorgänger und auch noch in den
ersten Jahren von ARNULFS eigener Regierung
war Engildeo unter dem König der leitende Mann in Bayern. 895 wurde
Luitpold
mit diesem Posten betraut, der vor allem wohl durch den Besitz
der Grafschaft um die Hauptstadt Regensburg fast herzoglicher Gewalt
gleichkam. Dieses Amt, das natürlich auch die militärische Befehlsgewalt
über die anderen Grafen in sich schloss, wird ein Grund für die
Teilnahme am mährischen Feldzug
Luitpolds
gewesen sein. - Der andere war meines Erachtens der Besitz wenigstens eines
Teiles von Oberpannonien. Auch hier war sein Vorgänger einer der Grafensöhne,
Engelschalk aus der Familie der Grafen Wilhelm und Engelschalk, die bis
zu ihrem Tode im Jahre 871 den Traungau und die mit diesem verbundenen
beiden Grafschaften des norischen Unterlandes verwalteten. Als dann Aribo
die Lehen ihrer Väter erhielt, überzogen ihn die Söhne mit
Krieg und suchten dabei Rückhalt an ARNULF,
der damals über Karantanien gebot. Aribo dagegen nahm Verbindung mit
dem Mährerherzog Swatopluk auf. Drei von den sechs Söhnen fielen
im Kampf. Die anderen entschädigte
ARNULF,
als er zur Herrschaft gelangt war, mit Grafschaften an der Grenze, beließ
aber Aribo in der Verwaltung des ihm ursprünglich übertragenen
Gebietes. Im Jahre 893, das den Grafensöhnen den vollständigen
Untergang brachte, fanden wir bereits Luitpold
als den Nachfolger Ruodberts in Kärnten und es ist wahrscheinlich,
dass er bald darauf auch Engelschalks Lehen, die wohl in Oberpannonien
lagen, erhielt. Wie die Fuldaer Annalen zu 893 melden, raubte Engelschalk
eine uneheliche Tochter
ARNULFS und
floh mit ihr nach Mähren.
Luitpolds Amtsbereich,
der sich nun über den Nord- und Donaugau, über Karantanien und
Ober-Pannonien erstreckte, umklammerte so von drei Seiten das Gebiet Aribos
und diese Tatsache genügt fast schon, um eine gewisse Überordnung
und wohl auch Aufsicht Luitpolds
über ihn wahrscheinlich zu machen.
Am 20. November 900 vernichteten Graf
Luitpold und Bischof Richar von Passau auf dem nördlichen
Donauufer bei Linz eine Schar Ungarn, die in Bayern eingefallen waren.
- Entscheidend für ihren ersten tieferen Einbruch in das Gebiet des
bayerischen Stammes war es wohl, dass sie Kunde erhielten vom Tode Kaiser
ARNULFS (+ 8.12.899), dessen kriegerische Tapferkeit sie offenbar
doch respektiert hatten. Auf die Kunde vom Einbruch der Ungarn über
die Enns versammelte sich sofort der bayerische Heerbann, doch die Hauptmacht
der Feinde hatte mit ihrer Beute das Land bereits wieder verlassen. Lediglich
eine kleine Abteilung war noch plündernd auf dem Nordufer der Donau
zurückgeblieben, und dem Grafen Luitpold
gelang
es gemeinsam mit dem Bischof Richar von Passau, diese zu ereilen. 1.200
der Feinde wurden niedergemacht oder ertranken in der Donau. Der Freisinger
Nekrolog gibt uns das Datum, den 20. November an. Zum Schutz des Landes
erbaute man in der Nähe von Enns aus Trümmern der alten Römerfeste
Lauriacum nach dem Sieg die Ennsburg.
Die Ungarn, die in Kärnten eingefallen waren, erlitten
unter ihrem
König Cussal am 11.
April 901 an der Fischa eine Niederlage. - Die Ereignisse des Jahres 901
werden sich also folgendermaßen abgespielt haben: die Ungarn brachen
vom Osten plündern in Kärnten ein, und wurden an der Fischa,
einem kleinen Nebenfluss der Donau östlich von Wien, gestellt und
geschlagen. Da der Ort der Schlacht außerhalb Kärntens liegt,
befanden sich die Ungarn wohl schon auf dem Rückweg. So lagen die
Verhältnisse ähnlich wie im letzten Jahr: bis sich der bayerische
Heerbann versammelt hatte, befanden sich die schnellen ungarischen Reitertruppen
schon wieder auf dem Abmarsch. Hier wurden sie dann wieder gestellt. Als
Datum kommt der Samstag vor Ostern, für 901 der 11. April, in Betracht.
Als Heerführer der Bayern vermutet Hormayr Ratold von Sempt und Ebersberg,
über dessen Einsetzung in Kärnten zu 896 berichtet wurde, mit
gleichem Recht könnte man aber auch an Luitpold
denken.
Luitpold nahm am
Feldzug gegen Adalbert von Babenberg und an dem Verrat, der zu dessen Gefangennahme
und Hinrichtung (+ 9.9. 906) führte, teil. - Die Belagerung, Gefangennahme
und Hinrichtung Adalberts von Babenberg war der letzte Akt einer langen
und grausamen Fehde zwischen zwei mächtigen fränkischen Geschlechtern,
den KONRADINERN und BABENBERGERN. Die
Reichsgewalt war gegen den BABENBERGER Adalbert, der 905 noch das ganze
östliche Franken in seiner Hand vereinigte, wenn sie auch in ihren
Bemühungen wenig Erfolg hatte. Ende Juni 903 lud eine große
Reichsversammlung in Forchheim Adalbert ergebnislos vor, im Juli 906 wiederholte
ein Reichstag zu Tribur die Vorladung mit dem gleichen Erfolg. Nun aber
zog König Ludwig mit einem Heer
gegen den BABENBERGER und belagerte ihn in seiner Burg Theres am
Main, östlich Schweinfurt. Als Adalberts treuester Anhänger Egino
zum König überging, sah er wohl seine Lage als hoffnungslos an
und ließ sich auf Verhandlungen ein. - Bei diesen nun muss Luitpold,
der sicher als Befehlshaber des bayerischen Aufgebotes am Feldzug
teilgenommen hatte, maßgebend beteiligt gewesen sein. Die zeitgenössischen
Quellen, die nur von einem "Trug der Bischöfe" sprechen, nennen seinen
Namen nicht und auch Liudprand kannte nur Hatto von Mainz als Urheber des
Verrats. Doch ist, wie oben dargelegt wurde, eine verlorene Quelle der
Schwäbischen Weltchronik zu postulieren, die auch Luitpold
damit in Verbindung brachte. Wir müssen also annehmen, dass er gemeinsam
mit dem Mainzer Erzbischof Adalbert von Babenberg durch das Versprechen
der Straffreiheit dazu bewog, die Tore seiner Burg zu öffnen und sich
dem König zu unterwerfen. Das Versprechen wurde gebrochen und Adalbert
wurde am 9. September 906 hingerichtet, auf die Anklage, er werde im Falle
einer Begnadigung sein räuberisches Treiben doch wieder fortsetzen
und nach einmütigem Beschluss des Heeres. Was Luitpold
zu dem treulosen Vorgehen gegen ihn bewogen hat, wurde nicht
gesagt. Der Gedanke, dass ihn der König bei der Verteilung des babenbergischen
Besitzes maßgeblich berücksichtigt habe, ist natürlich
naheliegend.
Am 4. Juli 907 erlitt der bayerische Heerbann
bei Pressburg eine vernichtende Niederlage gegen die Ungarn. An seiner
Spitze fiel Luitpold, mit ihm der Erzbischof
Theotmar von Salzburg und die Bischöfe Udo von Freising und Zacharias
von Seben. - Man muss zunächst festhalten, dass die Niederlage nicht
in der Verteidigung erfolgte, sondern im Verlauf einer bayerischen Offensive
gegen die Feinde im Osten. Wie schon oben vermutungsweise geäußert
wurde, mag die schnelle und harte Beendigung des Kampfes gegen Adalbert
von Babenberg im Jahre 906 mit dem Plan einer solchen Offensive zusammenhängen.
Noch mehr spricht dafür Pressburg als Ort des Treffens, denn dies
liegt soweit im Osten, dass man hier noch nicht einem ungarischen Angriff
hätte begegnen können. Da wir seit 903 nichts mehr von ungarischen
Einfällen in Bayern hören, kann man auch verstehen, dass die
Bayern, durch Erfolge verleitet, ihren Gegner unterschätzt haben.
Sie mochten meinen, durch einen mit starken Kräften unternommenen
Vorstoß, wobei auf fremde Hilfe verzichtet wurde, sich der Ungarngefahr
für immer entledigen zu können.
Luitpold war gefallen
und mit ihm ein großer Teil der geistlichen und weltlichen Würdenträger
Bayerns. So gut er es vermochte, hatte er im Dienste des Königs die
ihm übertragenen Aufgaben in Bayern gelöst. Zugleich hatte er
die Grundlagen für ein neues Stammesherzogtum in Bayern gelegt. Er
vereinigte zwar die meisten Befugnisse eines Herzogs in seiner Hand, doch
war es ihm nicht vergönnt; diesen Titel noch zu Lebzeiten zu führen.
Luitpold war durch
seine Heirat mit Kunigunde, der Schwester
der Grafen Erchanger und Berthold, eine Verbindung mit einem
sehr vornehmen schwäbischen Geschlecht eingegangen. 913 heiratete
nach dem Zeugnis der schwäbischen Annalen KONRAD
I. seine Witwe, die als Gemahlin des Königs auch urkundlich
bezeugt ist. Eine Schenkung, die sie als Königin machte, lässt
erkennen, dass sie bei dem schwäbischen Gingen begütert war.
Zwei Söhne, Arnulf und Berthold, hatte Luitpold
bei seinem Tode zurückgelassen. Dass sie zu dieser Zeit
noch in jugendlichem Alter standen, schloss Büdinger wohl mit Recht
aus der Tatsache, dass sich ihre Mutter noch einmal vermählte.