in: Ehlers/Müller/Schneidmüller "Die französischen Könige des Mittelalters"
LOTHAR 954-986 UND LUDWIG V. 986-987
Lothar
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* im letzten Viertel des Jahres 941, + 2.3.986
Laon
Begraben: St-Remi/Reims
Eltern: Ludwig IV. von W-Franken (+ 954) und Gerberga, Schwester OTTOS I. (+ 968/69)
Geschwister:
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Gerberga (* 940 oder 942)
Mathilde (* 943)
Karl (* 945, + 946)
Ludwig (* 947, + 954)
Zwillinge Heinrich und Karl (* 953), Heinrich
stirbt nach der Taufe, Karl, Herzog von Nieder-Lothringen, stirbt bald
nach 992 als Gefangener Hugo Capets.
Heirat Anfang 966 mit Emma, Tochter Kaiserin Adelheids aus erster Ehe mit König Lothar von Italien
Kinder:
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Ludwig V., König 986-987
Otto ( + 13.11. vor 986), Kanoniker in Reims
Außerehelich:
Arnulf (+ 5.3.1021), 988-991 und 999-1021 Erzbischof
von Reims
Richard
955 Nachfolger des Vaters Ludwig IV.
960 Belehnung der Brüder Hugo
Capet und Otto mit den Dukaten in Franzien und Burgund
965 Teilnahme am ottonischen
Hoftag
in Köln
978 Überfall auf Kaiser
OTTO II. und Kaiserin Theophanu
in Aachen
984/85 Kämpfe in Lothringen
984 Einnahme Verduns
Der völlig unerwartete Tod des erst 33-jährigen
Ludwig
IV. stürzte das westfränkische Reich erneut in
eine schwere Krise. Ludwigs ältester
Sohn Lothar (geboren im letzten Viertel
des Jahres 941) war noch minderjährig und nicht gekrönt, womit
der politischen Erpressung Tür und Tor geöffnet war. Zu allem
Überfluß konnte Ludwigs
Gemahlin Gerberga
zu diesem Zeitpunkt keine Hilfe von ihrem Bruder OTTO
I. erwarten, der in den Jahren zuvor mehrfach zugunsten
Ludwigs eingegriffen hatte. Aber OTTO
war zu diesem Zeitpunkt mit der Niederschlagung des Aufstandes seines Sohnes
Liudolf
in Baiern befaßt, und
Brun,
der jüngste Bruder OTTOS, gerade
erst im Vorjahr (953) zum Erzbischof von Köln und wenige Wochen vor
LudwigsTod zum Herzog Lothringens -
archidux nennt ihn sein Biograph Ruotger - erhoben worden.
Herr der Situation war somit allein Hugo
Magnus. Er unternahm erneut keinen Versuch, sich der Krone zu
bemächtigen. Vielmehr empfing er
Gerberga
(in Paris? in Orleans?), um sie zu "trösten", vor allem aber, um ihr
seine Bedingungen zu diktieren, die hart genug waren: Hatte er sich 936
mit dem Herzogtum (Burgund) begnügt, so forderte er jetzt gleich deren
zwei: Burgund und Aquitanien. Gerberga
blieb gar nichts anderes übrig, als auf Hugos
Bedingungen einzugehen, womit Ludwigs IV.
Plan, Burgund seinem noch in der Wiege liegenden Sohn
Karl
zu überlassen, auf der Strecke blieb.
Die feierliche Krönung und Salbung Lothars
fand am 12. November 954 in Reims durch Erzbischof Artold statt, der schon
936 Lothars Vater in Laon gekrönt
hatte. Hugo Magnus war in Reims anwesend,
Brun
von Köln dagegen nicht. Nach der Krönung begleitete
Hugo
den jungen König nach Laon. Im Juni brachen die vereinten Heere Hugos
und Lothars zu dem von Hugo
schon lange geplanten Feldzug gegen Herzog Wilhelm Werghaupt ("Tete-d-'Etoupes")
von Aquitanien auf. Die Geschichte schien sich zu wiederholen. So wie Ludwig
einst mit Hugo gegen den Herzog von
Burgund gezogen war, so zog nun Lothar
mit
Hugo gegen den Herzog von Aquitanien.
Dieser hatte sich in die schwer zugängliche Auvergne zurückgezogen.
Hugo und Lothar
belagerten
Poitiers vergeblich und mußten den Rückzug antreten, auf dem
ihnen Wilhelm entgegentrat. Hugo beendete
die Schlacht zwar siegreich, war aber nicht imstande den geschlagenen Gegner
zu verfolgen. Der Aquitanienfeldzug erwies sich als ein völliger Fehlschlag.
Dennoch durfte Hugo Magnus mit dem
Gang der Dinge zufrieden sein, denn Herzog Giselbert von Burgund starb
unerwartet am 8. April 956 und hinterließ Hugo
das Herzogtum.
Doch es blieb Hugo
keine Zeit mehr, sich des gewaltigen Machtzuwachses zu erfreuen, der sich
zweifellos auch auf dessen aquitanische Pläne ausgewirkt hätte.
Der Herzog erkrankte schwer und starb am 16. oder 17. Juni 956; in St-Denis
wurde er neben seinem Großvater Odo
bestattet.
Der plötzliche Tod Hugos
Magnus war natürlich ein unerwarteter Glücksfall für
Lothar
und
Gerberga. Sie sahen sich von einer
drückenden Übermacht befreit, zumal Hugos Söhne Hugo,
Otto
und Odo-Heinrich noch minderjährig
waren. Die politisch bisher nie hervorgetretene Witwe Hadwig
rückte, ähnlich wie Gerberga
für Lothar, in die Reihe der Regentin
für ihren ältesten Sohn Hugo
ein, der als Hugo "Capet" in
die Geschichte eingehen sollte.
Der wahre Regent des Reiches war freilich beider Brüder
Brun,
Erzbischof von Köln und Herzog von Lothringen,
der als der "ehrliche Makler" zwischen KAROLINGERN
und ROBERTINERN
fast ein Jahrzehnt hindurch, auch nach Lothars
Volljährigkeit
(seit 956), eine dominierende Rolle in W-Franken spielte. Dies erklärt
auch, warum die früher üblichen Königstreffen fast völlig
zum Erliegen kamen. In Lothars Regierungszeit
begegneten sich der west- und ostfränkische König zwischen 954
und 986 nur zweimal (965 und 980) - gegenüber nicht weniger
als sieben oder acht Treffen zwischen 942 und 950. OTTO
I. wußte allerdings die Angelegenheiten W-Frankens bei
Brun in guten Händen, während
er selbst nach dem Erwerb der Kaiserwürde (962) fast ausschließlich
mit den Geschicken Italiens befaßt war und den Boden O-Frankens nur
noch selten betrat.
Erste Auseinandersetzungen des jungen KAROLINGERS
innerhalb seines Reiches mit führenden Adligen, darunter Hugo
Capet, waren somit in weitere Bezüge eingebunden. Das Osterfest
959 verbrachten Lothar und Gerberga
bei Brun in Köln; bei dieser Gelegenheit
forderte und erhielt Brun von Lothar
eine förmliche Verzichtserklärung auf Lothringen. Diese auf den
ersten Blick befremdlich anmutende Maßnahme Bruns
erklärt sich wohl aus der Tatsache, dass die beiden Söhne des
lothringischen Grafen Reginar
Langhals, Reginar
und Lambert,
an den westfränkischen Hof geflüchtet waren. Das erregte nur
Bruns allzu berechtigtes Mißtrauen.
Das gute Einvernehmen zwischen Brun
und Lothar
zeitigte noch im selben
Jahr seine Früchte: Robert von Troyes hatte Bischof Ansegis aus Troyes
vertrieben und sich überdies Dijons bemächtigt.
Lothar und
Gerberga riefen
Brun
zu Hilfe, der Troyes belagerte. Der König betrieb die Einnahme Dijons,
doch beider Bemühungen waren zunächst vergeblich.
Erst im Herbst 960 erneuerten sie ihre gemeinsamen Anstrengungen,
dieses Mal mit besserem Erfolg. Brun
konnte Ansegis wieder in sein Bistum einsetzen, und
Lothar
gewann Dijon zurück. Vor allem aber gelang Brun
nun endlich die Aussöhnung
Lothars
mit
den
ROBERTINERN:
Hugo und Otto suchten den
König auf, gelobten Treue und wurden von diesem als Herzöge
der
Franken und der Burgunder eingesetzt.
Am 30. September 961 war Erzbischof Artold von Reims
gestorben. Er hatte sich in jahrelangem erbitterten Kampf gegen Hugo von
Vermandois behauptet, der schließlich 948 in Ingelheim abgesetzt
und exkommuniziert worden war. Die Brüder Hugos, Adalbert von Vermandois,
ein Schwager Lothars, Heribert der
Ältere von Vermandois und Robert von Troyes, forderten nun vom König
die Rehabilitierung Hugos und dessen Einsetzung als Erzbischof von Reims.
Ein mit Ressentiments gegen das karolingische
Herrscherhaus aufgeladener Erzbischof von Reims hätte aber angesichts
der schmalen Machtbasis des Königtums eine tödliche Gefahr für
Lothar
bedeutet. Gerberga eilte daher sogleich
zu Brun, um ihn über die erneuten
Ansprüche des Hauses VERMANDOIS zu
informieren.
Doch der weitere Ablauf des Streits spielte sich in wesentlich
ruhigeren Formen ab als in den 40-er Jahren. Eine im Gau Meaux auf Befehl
Lothars
zusammengetretene Synode von 13 Bischöfen der Kirchenprovinzen von
Reims und Sens kam zu keiner einhelligen Auffassung und appellierte daher
an den Papst. Die Antwort Johannes'
XII. ließ nicht lange auf sich warten. Eine römische
Synode unter Vorsitz des Papstes und eine weitere Synode in Pavia im Frühjahr
962 erneuerten die Exkommunikation Hugos von Vermandois, die ein römischer
Legat im Sommer des Jahres in der Reimser Kirchenprovinz bekannt machte.
Auf Empfehlung Bruns wurde der gelehrte
Kanoniker der Kathedrale von Metz, der Lothringer Odelrich zum Erzbischof
gewählt und Ende September oder Anfang Oktober 962 geweiht. Hugo zog
sich zu seinem Bruder Robert nach Meaux zurück, wo er bald darauf
starb.
Rückschläge Lothars
in Auseinandersetzungen mit den Normannen wurden damals durch Erfolge in
Flandern wettgemacht. Graf
Arnulf I. von Flandern, schon zuverlässiger Verbündeter
von Lothars Vater
Ludwig
IV., hatte 958 die Verwaltung der Grafschaft seinem Sohn Balduin
übertragen, der jedoch am 1. Januar 962 verstarb. Arnulf sah sich
gezwungen, Flandern wieder selbst zu regieren, und übergab Lothar
alle seine Lande unter Vorbehalt des Nießbrauchs auf Lebenszeit.
Als Arnulf am 27. März 965 starb, erklärte
sich Lothar zu seinem Erben und besetzte
Arras, Douai und St-Amand. Der flandrische Adel wählte jedoch den
noch minderjährigen Arnulf
II., einen Enkel Arnulfs I., zum Grafen. Durch Vermittlung Bischof
Roricos von Laon wurde rasch ein Vergleich gefunden:
Lothar
erkannte Arnulf II. an, und die flandrischen Großen
unterwarfen sich dem König, der seine Eroberungen behielt.
Im Mai brach Lothar zusammen
mit seiner Mutter Gerberga, seinem
Bruder Karl und Erzbischof Odelrich
von Reims von Laon auf, um das Pfingstfest bei Brun
in Köln zu begehen. In Köln trafen sie
Kaiser OTTO I. und Kaiserin
Adelheid
mit ihrem Sohn
OTTO
II., die Kaiser-Mutter
Mathilde,
Herzog
Heinrich II. von Baiern, den Neffen OTTOS
I., die Herzöge Hermann
Billung von Sachsen und Friedrich
von Ober-Lothringen, wohl auch dessen Gemahlin Beatrix,
die Schwester
Hugo Capets, vielleicht
sogar König
Konrad von Burgund, dazu die Erzbischöfe von Köln
und Trier, neun Bischöfe und viele andere mehr. Es war die größte
Fürstenversammlung des 10. Jahrhunderts; sie zeigte
OTTO
als
den "Familienpatriarchen im gesamtfränkischen Rahmen" auf dem Höhepunkt
seiner Macht.
Wir wissen nicht, welche politischen Entscheidungen man
auf dem Kölner Hoftag traf. Sehr wahrscheinlich wurden hier jedoch
zwei politische Eheverbindungen in die Wege geleitet, zwischen König
Lothar und Emma
sowie zwischen
König Konrad von Burgund
und
Mathilde.
Im folgenden Jahr nämlich erscheint Lothar
als Gemahl Emmas, der Tochter Kaiserin
Adelheids aus ihrer Ehe mit König
Lothar von Italien.
König
Konrad von Burgund schließlich empfing im August 966 bereits
einen Sohn von seiner zweiten Gemahlin Mathilde,
der Schwester König Lothars.
Kaum war Lothar nach
Laon zurückgekehrt, standen auch schon neue Zwistigkeiten mit den
ROBETINERN an. Herzog Otto von Burgund
war am 23. Februar 965 verstorben. Die burgundischen Großen wählten,
ohne sich der Zustimmung Lothars zu
versichern, Ottos Bruder Odo-Heinrich
zum Herzog, obwohl dieser Kleriker war. Lothar
fühlte
sich nicht zu Unrecht in seinen burgundischen Interessen bedroht. Der Konflikt
brach im Spätsommer 965 in aller Schärfe aus. Wie üblich
mußte Brun intervenieren, um
seine Neffen zu versöhnen. Während der Verhandlungen in Compiegne
erkrankte Brun schwer, wurde nach Reims
gebracht und verstarb dort - wahrscheinlich in Gegenwart seiner Neffen
und auf jeden Fall Erzbischof Odelrichs - am 11. Oktober 965. Sein Leichnam
wurde in Köln beigesetzt.
Der Tod Bruns bedeutet
ohne Zweifel einen Einschnitt in der Herrschaft
Lothars.
Weit über die Zeit der formalen Minderjährigkeit Lothars
und später Hugos hinaus hatte
Brun
als ein "Regent" gemeinsam mit seiner Schwester Gerberga
faktisch die Geschicke W-Frankens mitbestimmt und war dabei stets um einen
ehrlichen Ausgleich im Interesse beider Neffen bemüht gewesen. Diese
Zeit war nun vorbei.
Es ist schon immer gesehen worden, dass der Tod Bruns
naturgemäß eine gewisse Entfremdung vom ostfränkischen
Hof mit sich brachte, auch wenn Lothar
nicht daran denken konnte, zu Lebzeiten OTTOS
I. eine diesem nicht genehme Politik zu betreiben. Die Distanz
zum Kaiserhof vergrößerte sich noch durch den Tod Gerbergas
am 5. Mai 968 (oder 969), die in St-Remi/Reims an der Seite ihres zweiten
Gemahls
Ludwigs IV. beigesetzt wurde.
Wenige Monate zuvor hatte sie der Abtei reichen Besitz im Raum Meersen,
also in Lothringen, überlassen mit der Maßgabe, für ihr
Seelenheil und das ihres ersten Gemahls, Herzog
Giselberts von Lothringen, zu beten. Diese enge Bindung Gerbergas
an Lothringen könnte für die spätere Lothringenpolitik
Lothars
durchaus
ein Stimulans gewesen sein.
Das Jahr 965 bedeutet aber nicht nur einen Einschnitt
in der politischen Geschichte W-Frankens, sondern einen mindestens ebenso
wichtigen in der historischen Überlieferung. Der solide, manchmal
fast zu wortkarge Flodoard, der seit 919 ein zwar nicht unparteiischer,
zumindest aber stets zurückhaltender, um sachlichen Stil bemühter
Berichterstatter der politischen Ereignisse vorwiegend im Westen war, legte
im Jahre 966 die Feder für immer aus der Hand. Fortan sind wir über
die Ereignisse in O-Franken zuverlässiger unterrichtet als über
die im Westen.
Der "Nachfolger" Flodoards, der Mönch Richer aus
dem Kloster St-Remi bei Reims, der erst im letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts
schrieb, ist so ziemlich in allem das genaue Gegenteil Flodoards: Eitel
und geschwätzig, siegt bei ihm stets der Literat über den Historiker,
der er im Grunde wohl gar nicht sein will. Der Begriff "historische Wahrheit"
existiert für ihn so wenig wie "historische Fakten". Diese hatten
sich vielmehr seinem frei erfundenen Geschichtsbild, genauer: seiner Gallia-Ideologie,
unterzuordnen. Eine solche Quelle kann natürlich nur mit äußerster
Vorsicht benutzt werden und bedürfte theoretisch stets der Bestätigung
durch glaubwürdige Zeugnisse. Doch das Unglück will, dass Richer
in diesen Jahrzehnten nur allzu oft unsere einzige Quelle ist. Darum wird
selbst in der sogenannten kritischen Geschichtsforschung Richers Darstellung
meist einfach nacherzählt. In der Tat liegt es häufig im Ermessen
des Historikers, ob er Richer in einem bestimmten Punkt für glaubwürdig
halten will oder nicht; verweigert er ihm die Glaubwürdigkeit, so
treten an seine Stelle der von Richer überlieferten "Fakten" Hypothesen,
was gewiß keine befriedigende Lösung ist, aber noch immer besser
als die Phantasien Richers.
Für die Jahre 966 bis 973 stellt sich diese Alternative
allerdings kaum einmal, weil selbst Richer aus diesen Jahren so gut wie
keine Nachrichten zu bieten hat. Hinzu kommt, dass von 970 bis 973 keine
einzige Urkunde
Lothars überliefert
ist. Im Jahre 967 ist Lothar, stets
begleitet von seiner Gemahlin Emma,
die einen großen Einfluß auf ihn ausübte, sowohl in Flandern
(Arras) als auch in Burgund (Dijon) nachweisbar.
Der Tod des kriegerischen, als Kirchenfürst aber
wenig beispielhaften Erzbischof Archembald von Sens Ende August 967 erlaubte
Lothar,
dem wichtigen Metropolitensitz einen würdigeren Nachfolger in Gestalt
des Anastasius zu geben. Nicht viel später, am 6. November 968, starb
auch Erzbischof Odelrich von Reims. Zum Nachfolger bestimmte Lothar
abermals einen Kanoniker des Metzer Domkapitels, dieses Mal ohne Beeinflussung
durch Brun oder Gerberga.
Adalbero, ein Neffe Bischof Adalberos I. von Metz (929-964) und Graf Gottfrieds
von Verdun, hatte seine Ausbildung im Reformkloster Gorze erhalten. Er
sollte der mit Abstand bedeutendste westfränkische Kirchenfürst
des 10. Jahrhunderts werden.
Von Lothar hören
wir in diesen Jahren praktisch nichts; wir wissen lediglich von einer Gesandtschaft
des Archidiakons der Reimser Kirche Gerannus nach Rom im Jahre 972. Auf
der Rückreise begleitete ihn mit Erlaubnis Kaiser
OTTOS der Aquitanier Gerbert, dem eine brillante Karriere beschieden
sein sollte.
Der Tod OTTOS I. am
7. Mai 973 veränderte schlagartig die politische Großwetterlage.
Die Nachfolge
OTTOS II., der bereits
Mit-Kaiser war, vollzog sich zwar reibungslos, doch alle jene Gewalten,
die zu OTTO I. in Opposition gestanden
hatten, witterten Morgenluft. Auch das Verhältnis
Lothars
zum ostfränkischen Hof war plötzlich ein anderes: Aus dem "jungen
Neffen", der den Ratschlägen seiner Onkel OTTO
und
Brun
lauschte, war quasi über Nacht ein "elder stateman" geworden, der
mit knapp 32 Jahren seinen gerade 18-jährigen Vetter
OTTO
II. an Alter und Erfahrung bei weitem übertraf. Der Vorrang
des "Patriarchen des Abendlandes" hatte für Lothar
außer Frage gestanden; der kaiserliche Ehrenvorrang des jungen OTTO
war für ihn schwer erträglich. Die erste Herausforderung des
neuen ostfränkischen Herrschers kam denn auch aus dem Westen: Reginar
IV. und Lambert,
die beiden Söhne des von OTTO I.
958 nach Böhmen verbannten Reginar III. Langhals von Hennegau, verließen
bei der Nachricht vom Tode OTTOS sogleich
den westfränkischen Hof, sammelten ein Heer und fielen in ihre alten
Stammlande ein. Die Grafen Warner und Rainald, denen Brun
965 die Verwaltung des Hennegau übertragen hatte, traten ihnen bei
Peronne entgegen; beide fielen in der Schlacht.
Die Reaktion OTTOS II.
ließ lange auf sich warten. Gleich zu Jahresbeginn 974 belagerte
er die Brüder in ihrer Burg Boussoit (bei Mons), die zerstört
wurde. Reginar und Lambert wurden von OTTO
II.
nach Sachsen exiliert, doch konnten beide entkommen und
erneut an den westfränkischen Hof fliehen. Den Hennegau vertraute
OTTO
den beiden Grafen Gottfried von
Verdun, dem Bruder Adalberos von Reims, und Arnulf von Valenciennes an.
Die Lage in Lothringen schien damit zunächst wieder
stabilisiert, doch Reginar und Lambert waren nicht willens, den Kampf aufzugeben.
War Lothar 973 zumindest nach außen
nicht in Erscheinung getreten und formal streng neutral geblieben, so gilt
dies nicht für den Feldzug von 976. An ihm nahmen sein Bruder Karl
teil in der erkennbaren Absicht, sich ein Territorium in Lothringen zu
erobern, sowie Otto von Vermandois, Sohn Adalberts von Vermandois und Lothars
Schwester Gerberga.
Karl
war inzwischen 23 Jahre alt und nannte noch immer keinen Fußbreit
Boden sein eigen, da sich Lothar nicht
imstande sah, seinen Bruder aus der Krondomäne standesgemäß
auszustatten. Der Feldzug gegen Gottfried und Arnulf begann im Frühjahr
976. Mons, wo sich die beiden Grafen verschanzt hatten, wurde belagert.
Es kam zu einer auf beiden Seiten mit Erbitterung geführten Schlacht,
in deren Verlauf Graf Gottfried eine schwere Fußverletzung erlitt,
während Arnulf sich nach Valenciennes retten konnte. Gottfried wurde
nach Mons zurückgebracht, das der Belagerung widerstand, doch wäre
es falsch, darum von einem Sieg der ostfränkischen Seite zu sprechen.
Nach dem hennegauischen Unternehmen, das kein voller
Erfolg für die westfränkische Seite war, verschlechterte sich
das Verhältnis Lothars
zu seinem Bruder Karl drastisch. Grund
dafür kann nur gewesen sein, dass Karl
nach dem in seinen Augen gescheiterten Unternehmen gegen Mons um so energischer
eine territoriale Ausstattung einforderte, die Lothar
weder gewähren konnte noch wollte. Es ist sehr wohl denkbar, dass
Königin
Emma ihren Gemahl in dieser Richtung bestärkt, ja ihn vielleicht
sogar dazu bestimmt hat. Richer macht daraus eine schmutzige Bettgeschichte:
Karl
habe Emma des Ehebruchs mit dem gerade
erst geweihten Bischof Ascelin (Diminutiv von Adalbero?) beschuldigt und
sei daraufhin von Lothar des Landes
verwiesen worden: In der Tat war Bischof Rorico von Laon am 20. Dezember
976 gestorben, und Lothar hatte noch
im Januar 977 seinen Kanzler Adalbero-Ascelin, abermals einen Lothringer
und offenbar nicht verwandt mit dem Reimser Metropoliten, zum Nachfolger
bestimmt; er wurde zu Ostern 977 in Laon inthronisiert. Lothar
konnte
nicht ahnen, dass er damit jenen Mann in den Sattel hob, der 14 Jahre später
dem karolingischen Geschlecht den Todesstoß
versetzen würde. Dass Gerüchte um Emma
und Ascelin in Umlauf waren, die wahrscheinlich Karl
in die Welt gesetzt hatte, beweist das Konzil vom Saint-Macre, das wohl
in die frühen 80-er Jahre datiert werden muß. Es entlastete
Ascelin - und damit auch Emma - von
allen gegen sie erhobenen Vorwürfen und erhärtet so die Vermutung
von Machenschaften Karls gegen die
ihm verhaßte Königin.
Während man im Westen einen Rachefeldzug OTTOS
II. gegen die Reginar-Söhne erwartete, reagierte dieser
mit einem diplomatischen Schachzug, den die einen als "coup de maitre",
andere als schweren politischen Fehler ansahen. Der Kaiser belehnte Reginar
IV. und Lambert mit der Grafschaft Hennegau mit Ausnahme von Mons, das
Gottfried behalten durfte, der überdies auch noch mit Bouillon entschädigt
wurde; vor allem aber erhob er Lothars
Bruder Karl zum Herzog von Nieder-Lothringen,
der auf diese Weise erstmals über ein größeres Territorium
als Lehen gebot. Der westfränkische Hof mußte in dieser Maßnahme
eine Brüskierung erblicken. Aber genau das war wohl beabsichtigt als
"Dank" OTTOS für die mehr oder
minder offene Unterstützung, die Lothar
976 dem Feldzug der Reginar-Söhne und Karl
gewährt hatte.
Er machte Lothar
damit auch deutlich, dass der Kaiser mit einem Herzogtum belohnen konnte,
während der König seinem Bruder nicht einmal eine Grafschaft
zu bieten hatte. Dass all dies die Gefühle Lothars
für seinen ostfränkischen Vetter nicht gerade erwärmte,
versteht sich. OTTO II. mußte
sich übrigens über die Treue Karls
sowie Reginars IV. und Lamberts während seiner Regierungszeit nicht
beklagen.
Dass Lothar ernsthafte
Ambitionen auf Lothringen hegte, mußte dem ostfränkischen Hof
spätestens seit 976 klar gewesen sein. Brun
hatte
schon gewußt, warum er von Lothar
959 eine Verzichtserklärung eingefordert hatte! Lothar
hoffte, sich in einem Handstreich der Person OTTOS
bemächtigen zu können, der im Juni 978 mit seiner schwangeren
Gemahlin Theophanu
in Aachen weilte. Das Unternehmen scheiterte nur knapp. Es gelang dem kaiserlichen
Paar, im letzten Augenblick nach Köln zu entkommen.
Der Zorn OTTOS war
ungeheuer: Es handelte sich schlicht um einen Überfall, nicht um einen
wirklichen Feldzug, zu dem auch gar kein Anlaß bestand. Richer, nach
dem die Ereignisse meist erzählt werden, hat hier wieder einmal für
Verwirrung gesorgt. Entgegen der Regel, einen Feldzug nicht im Herbst zu
beginnen, sagte OTTO den Beginn seines
Rachefeldzuges auf den 1. Oktober an. Zu diesem Zweck hatte er ein für
die Zeit ungewöhnlich großes Heer aufgeboten. An Widerstand
war gar nicht zu denken. Das kaiserliche Heer zerstörte Compiegne
und Attigny. Laon fiel durch List in seine Hand, der Raum Reims-Laon wurde
niedergebrannt und verwüstet mit Ausnahme allerdings der Kirchen,
die zu schonen OTTO II. befohlen hatte.
Er zog bis vor Paris, das er jedoch nicht einnehmen konnte, da Hugo
Capet den Seine-Übergang besetzt hielt. Auf dem Rückzug
Anfang Dezember, mitten in einer Schlechtwetterperiode, hatte die Armee
bei der Überquerung der Aisne Schwierigkeiten. Das Unternehmen gelang,
doch der Troß fiel in die Hände des nachrückenden Heeres
Lothars.
OTTO
setzte seinen Rückzug unbeirrt fort und war Mitte Dezember wieder
in Lothringen.
Dies ist in dürren Worten der Verlauf der militärischen
Ereignisse dieses Jahres, wenn man sie allen phantastischen Beiwerks entkleidet,
das Richer in reichem Maße bereithält. Natürlich erfordern
diese Vorgänge eine politische Erklärung, die nicht einfach zu
geben ist. Die Interventionspolitik Lothars
besaß keinen konkreten Anlaß, sieht man von den Belehnungen
OTTOS
im
Vorjahr ab. Der Vorstoß wurde nur mit der Rückendeckung und
ausdrücklichen Zustimmung der ROBERTINER
möglich. Und in der Tat war das Verhältnis Lothars
zu Hugo Capet und Heinrich
von Burgund spätestens seit 974 ausgesprochen freundlich.
Die ROBERTINER hatten keinerlei Interessen
in Lothringen, ein mit Annektionsplänen in Lothringen beschäftigter
Lothar
konnte ihre Kreise in Burgund und in der Francia nicht stören und
war damit politisch neutralisiert. Überdies hatte diese Politik
Lothars in den Augen der ROBERTINER
den Vorzug, angesichts der realen Machtverhältnisse so gut wie keine
Aussichten auf einen dauerhaften Erfolg zu bieten. Es gab in Lothringen
keine "westfränkische Partei" mehr, wie dies noch zu Anfang des Jahrhunderts
der Fall war, es gab nur die Absicht Lothars,
Lothringen oder zumindest einen Teil seinem Reich einzuverleiben. All dies
schloß nicht aus, dass der kleine Erfolg Lothars
über die Nachhut OTTOS an der
Aisne in W-Franken ganz unangemessen zu einem großen Sieg hochstilisiert
wurde. Mit der politischen Realität hatte das wenig zu tun, es zeigt
aber, wie sehr man sich im Westen nach einem Erfolgserlebnis gegenüber
dem übermächtigen Osten sehnte.
Der Feldzug von 978 hatte auch noch eine persönliche
Seite in dem Verhältnis Lothars
zu seinem Bruder Karl, dem Herzog von
Niederlothringens, der an OTTOS Feldzug
teilnahm und sich Laons bemächtigte. In der Forschung wurde mehrfach
die Frage erörtert, ob OTTO Karl nicht
zum Gegen-König ausersehen und Bischof Dietrich von Metz diesen auch
tatsächlich in Laon gekrönt - aber nicht gesalbt - habe. Die
Quellenbasis für diese Aussage - eine halbe Zeile in dem von Gerbert
redigierten, haßerfüllten Schreiben Bischof Dietrichs von Metz
an Karl aus dem Jahre 984 -, ist denkbar
schmal. Zunächst einmal wäre zu fragen, warum ein ostfränkischer
Bischof gekrönt haben sollte, was doch Sache des Reimser Metropoliten
gewesen wäre, der einen solchen Eingriff in seine Rechte gewiß
nicht stillschweigend hingenommen hätte. Adalbero rührte zwar
keinen Finger, um Lothar
zu helfen,
aber eine so entschiedene Kampfansage an Lothar
hätte ihm OTTO gewiß nicht
zumuten wollen und wäre für Adalbero auch nicht akzeptabel gewesen.
Pläne für ein Gegen-Königtum Karls
mögen bestanden haben, und es kann sogar sein, dass Karl
sich in Laon im Schmucke einer Krone gezeigt hat, doch ein förmliches
Gegenkönigtum ist 978 nicht ins Leben gerufen worden.
Das Jahr 978 markiert auch insofern einen Einschnitt,
als fortan keine militärischen Eingriffe des ostfränkischen Herrschers
in W-Franken mehr zu verzeichnen sind. Es mag durch die besondere politische
Konstellation des Jahres 978 vorgegeben gewesen sein, verdient aber doch
Beachtung, dass
OTTOS II. einziger
"westfränkischer" Verbündeter, Herzog
Karl, sein eigener Lehnsmann und geschworener Feind König
Lothars war, während die robertinische
Karte dieses Mal aus den angegebenen Gründen nicht stach.
Dies galt auf der anderen Seite allerdings auch für Lothar,
der in Lothringen nicht mehr auf eine "westfränkische Partei" zählen
durfte. So unzweifelhaft daher das Jahr 978 einen Markstein im Auseinandertreten
O- und W-Frankens bedeutet, so gewiß darf dieses Jahr doch nicht
als der Beginn einer "deutschen" und "französischen" Geschichte mißverstanden
werden.
Eine direkte Folge des Jahres 978 war zunächst,
dass Lothar
für seine Nachfolge
Sorge trug, indem er seinen fast schon volljährigen Sohn Ludwig mit
Zustimmung Hugos Capet und anderer
Großer zum König wählen ließ, was in dieser Form
in W-Franken erstmals geschah. Erzbischof Adalbero krönte und salbte
den jungen König am Pfingstfest 979 in Compiegne.
Kaum war klar geworden, dass das Ende der aggressiven
Lothringenpolitik Lothars eingeläutet
war, da brach auch schon wieder das alte Mißtrauen zwischen beiden
Häusern aus. Wohl durch Vermittlung Erzbischof Adalberos begann
Lothar geheime Verhandlungen mit OTTO,
der im Begriffe stand, nach Italien zu ziehen und daher an einem Ausgleich
interessiert war. Lothar, Ludwig
V. und OTTO II. trafen sich
an der Grenze im Juni 980 in Margut-sur-Chiers. Lothar
verzichtete erneut förmlich auf Lothringen, und man schloß ein
Freundschaftsbündnis (amicitia). Bis zu OTTOS
II. vorzeitigem Tod 983 war Lothringen kein Zankapfel mehr zwischen
Ost und West, doch das Treffen von Margut, über das Hugo
Capet nicht unterrichtet worden war, trug sogleich zu einer
Verschlechterung der Beziehungen zwischen KAROLINGERN
und ROBERTINERN bei. Hugo
nahm
sofort Kontakt zu OTTO auf, der sich
bereits in Italien befand, und begab sich selbst zum Osterfest 981 nach
Rom, wo OTTO ein Familientreffen in
der Art des Pfingsttags 965 in Köln abhielt. Anwesend waren neben
den beiden Kaiserinnen Theophanu und
Adelheid OTTOS Schwester Mathilde,
Äbtissin von Quedlinburg,
König
Konrad und Königin Mathilde von
Burgund, Herzog
Otto von Schwaben und Baiern, der Sohn Liudolfs
(gestorben 982), sowie viele Kirchenfürsten O-Frankens und Italiens,
vielleicht auch Adalbero von Reims und Gerbert; im Vergleich zu 965 nahm
Hugo
Capet den Platz Lothars
ein und kehrte als Verbündeter OTTOS
nach W-Franken zurück.
Dort war inzwischen Emma um
eine Heirat ihres Sohnes Ludwig
bemüht gewesen. Nach Richer hätte Gottfried "Graumantel" von
Anjou die Eheverbindung
Ludwigs mit
der Witwe des Grafen Raimund von Gothien, Adelheid,
einer Schwester Gottfrieds, vorgeschlagen. Das klingt zunächst recht
plausibel, doch wird meist vergessen zu betonen, dass Adelheid
etwa das Alter von Ludwigs Mutter Emma
hatte - eher älter als jünger! - und Ludwig
selbst im Jahre 980 bestenfalls 14 Jahre alt war. Die Heirat - wenn sie
denn je stattgefunden hat - war nicht glücklich, was niemand überraschen
konnte. Nach Richer hätte Lothar
982 einen eigenen Aquitanienzug unternehmen müssen, um seinen Sohn
zurückzuholen. Der Aquitanienfeldzug ist urkundlich belegt, den Grund
der Reise nennt nur Richer. Auf jeden Fall blieb das aquitanische Abenteuer,
dessen Historizität fragwürdig erscheint, nur Episode.
Nach dem urkundlich gesicherten Aquitanienfeldzug Lothars
vom Jahre 982 - Ludwig V. wird nicht
ein einziges Mal erwähnt - wurde dessen Interesse wieder ganz von
der "lothringischen Frage" beansprucht, nachdem OTTO
II. am 7. Dezember 983 in Rom verstorben war. Die Nachricht
vom Tode des Kaisers war in O-Franken noch nicht bekannt, als die Erzbischöfe
von Köln und Ravenna den 3-jährigen OTTO
III. am Weihnachtstag 983 in Aachen zum König krönten.
Damit wurde der ostfränkische Thronstreit ausgelöst,
der erst im Sommer 985 nach erbittertem Ringen sein Ende fand und hier
nicht in voller Breite darzustellen ist. Wie wenig noch immer von "deutscher"
oder "französischer" Politik gesprochen werden kann, beweist die Tatsache,
dass der ranghöchste "französische" Prälat, Erzbischof Adalbero
von Reims, die "deutsche", der Trierer Erzbischof Egbert, ein "Deutscher"
also, die "französische" Seite unterstützte, ohne dass ihnen
dafür von irgendeiner Seite Landesverrat vorgeworfen worden wäre
oder ihnen "nationale" Empörung entgegengeschlagen hätte. Der
plötzliche Tod OTTOS II. hatte
die rechtlichen Bande, die er mit Karl von Nieder-Lothringen
und den Reginar-Söhnen geknüpft hatte und die sorgsam beachtet
worden waren, zerrissen. Es war daher kein Treubruch, dass die Genannten
in der neuen Situation die Partei Lothars
ergriffen,
der wie sein ostfränkischer "Partner" Heinrich
der Zänker - beide waren Neffen OTTOS
I. und somit Vettern zweiten Grades
OTTOS III. - die Vormundschaft beanspruchte.
Lothar war natürlich an der Gewinnung Lothringens interessiert,
Heinrich
der Zänker dagegen an der Königswürde in O-Franken.
Eine Allianz der beiden Fürsten bot sich an. Gegen eine Unterstützung
seiner Aspirationen auf die Königsherrschaft in O-Franken wollte Heinrich
Lothringen dem W-Franken-König überlassen (Herbst 984); der Vertrag
sollte am 1. Februar 985 in Breisach, dem "Verräternest" früherer
Tage, unterzeichnet werden, doch Heinrich
blieb dem geplanten Treffen fern.
Der einzige effektive Weg zur Gewinnung Lothringens war
der militärische. Zu einer systematischen Eroberung Gesamt-Lothringens
fehlten Lothar freilich die Mittel.
Auch wäre das militärische Risiko sehr hoch gewesen, denn Beatrix
von Ober-Lothringen, die Schwester
Hugo
Capets und seit Sommer 983 Witwe Herzog Friedrichs von Bar,
stand treu auf der Seite Kaiserin Theophanus,
der Regentin für ihren minderjährigen Sohn OTTO
III. So blieb es bei der Politik der Nadelstiche. Die einzige
wirklich umkämpfte Stadt war Verdun, die Lothar
nach dem gescheiterten Treffen von Breisach im Februar 985 in einem Überraschungscoup
erstmals einnahm, aber bald wieder an eine Koalition der lothringischen
Großen verlor. Lothar
sammelte eine große Armee - nach Richer 10.000 Mann -,
der nicht nur die Wiedereinnahme Verduns gelang, sondern vor allem die
Gefangennahme Graf Gottfrieds von Verdun, des Bruders Erzbischof Adalberos.
Diese Gefangenschaft sollte die Regierungszeit
Lothars
und Ludwigs V. überdauern. Die
militärischen Ereignisse im Kampf Lothars
um Lothringen zeigen, dass Lothar an
die Besetzung Gesamt-Lothringens wohl niemals dachte. In Nieder-Lothringen
war sein Bruder Karl
Herzog, was ihn
von militärischen Abenteuern abhalten mußte, in Ober-Lothringen
stand ihm Herzogin Beatrix entgegen.
Trotz des Friedensschlusses zwischen
Theophanu und Heinrich dem Zänker
im Sommer 985 in Frankfurt, der wahrscheinlich durch ein Abkommen der Kaiserinnen
Theophanu und Adelheid sowie
der Herzogin Beatrix im Juli 985 in
Metz ratifiziert wurde, scheint Lothar seine
aussichtslosen Bemühungen um Lothringen nicht aufgegeben zu haben.
Geplante Angriffe kamen freilich nicht mehr zustande. Am 2. März
986 starb Lothar in Laon, nur 44
Jahre alt, und wurde neben seinem Vater im Kloster St-Remi bei Reims beigesetzt.