STAMMTAFEL im Anhang Band IX des Lexikons des Mittelalters
Lexikon des Mittelalters: Band V Spalte 1008
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KAROLINGER
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Fränkische Adelsfamilie, Königs- und Kaiserhaus, benannt nach Karl Martell, dem ersten Träger dieses Namens.
I. DIE ANFÄNGE
Die Geschichte der aus dem Maas-Mosel-Gebiet stammenden
KAROLINGER
läßt sich bis in das 7. Jh. zurückverfolgen, als Bischof
Arnulf von Metz und der nördlich der Ardennen begüterte
Adlige Pippin im Kampf des austrasischen
Adels gegen die Königin Brunichild
dem neustrischen König Chlothar II. zur
Gesamtherrschaft im MEROWINGER-Reich
verhalfen. Da Arnulf wie Pippin
als Spitzenahnen der KAROLINGER gelten,
verwendet die Forschung für die Frühzeit dieser Familie auch
die Sammelbezeichnung 'ARNULFINGER'
bzw. 'PIPPINIDEN'. Sie gewann fast
ununterbrochen gegenüber dem Königshaus der MEROWINGER
ebenso wie die anderen fränkischen Adelsfamilien an Einfluß
bis zur Erlangung der Königswürde (751). Auf dem Weg dahin war
neben dem infolge geschickter Heiratspolitik wachsenden Reichtum der Familie
vor allem die Ausübung des austrasischen Hausmeieramts durch Pippin
den Älteren (+ 640) und seinen Sohn
Grimoald
I. (+ um 662) maßgeblich
Nach dem Aussterben der PIPPINIDEN
im Mannesstamm gelang es Arnulfs Sohn
Ansegisel
(ooBegga, Schwester Grimoalds),
den Aufstieg der frühen KAROLINGER
fortzusetzen. Der nach dem Großvater mütterlicherseits benannte
Sohn Pippin der Mittlere stieg zum
princeps Francorum auf, nachdem er den neustrischen Hausmeier Berchar 687
bei Tertry geschlagen und damit die Einheit des Frankenreiches unter austrasischer
Führung wiederhergestellt hatte. Durch den Einsatz seiner Söhne
Drogo
und Grimoald II. als dux in der Champagne
bzw. als neustrischer Hausmeier versuchte
Pippindie
Vorherrschaft seiner Familie im Reich zu sichern, beließ aber die
merowingischen Könige in ihrer nominellen Führungsposition.
Nach seinem Tod 714 schien die pippinidisch-karolingischeSukzession
gefährdet, doch gelang es Pippins
Fridelsohn Karl (Martell), sich durchzusetzen und die prinzipatartige
Herrschaft so weit zu festigen, daß er es wagen konnte, von
737 an den
merowingischen Thron unbesetzt
zu lassen und als Hausmeier in quasi-königlicher Stellung selbständig
zu regieren. In der Teilung des Reiches unter seine Söhne Karlmann
und Pippin den Jüngeren ebenso wie in der Beisetzung Karls
in der merowingischen Königsabtei
St-Denis wird die Annäherung der karolingischen
Herrschaft an die MEROWINGER sichtbar.
Nach Karl Martells Tod 741 regierten in Austrasien,
Alemannien und Thüringen Karlmann, in Neustrien, Burgund und
Provence
Pippin; ihr nicht als vollbürtig geltender Halbbruder
Grifo wurde von der Mitherrschaft ausgeschlossen. In der Folgezeit
erhob sich gegenüber den beiden Hausmeiern in den Randgebieten Aquitanien,
Alemannien und Bayern Widerstand von seiten der dortigen duces, welche
die KAROLINGER
nicht als höhere
Instanz anerkannten. Zur Stärkung der karolingischen
Position setzte deshalb Karlmann (und Pippin) 743 den merowingischen
König Childerich III. ein. Vier Jahre später endete
die Samtherrschaft (das heißt gemeinsame Herrschaft) der Brüder,
als Karlmann
der Welt entsagte und sein regnum zusamemn mit seinen
Söhnen, vor allem
Drogo, an
Pippin tradierte.
Pippin, dessen Stellung nicht unumstritten
gewesen zu sein scheint, verschaffte sich infolge seiner Adoption durch
den langobardischen König Liutprand (734)
bereits Königssohn geworden, durch die Hinwendung zum Papsttum (seit
750/51, auf Kosten der traditionellen fränkischen Freundschaft mit
den Langobarden) die Rangerhöhung zum König und wurde damit Begründer
der zweiten fränkischen Dynastie; dies bringt auch die Clausula de
unctione Pippini regis zum Ausdruck
II. DIE ZEIT DER KAROLINGISCHEN EINHEITSHERRSCHAFT
Im doppelten Akt der Wahl durch die fränkischen Großen
und der bischöflichen Salbung zu Soissons 751 sowie die päpstliche
Salbung in St-Denis 754 König geworden, hat Pippin
entsprechend
dem durch Schwurfreundschaft von Ponthion gefestigten
karolingischen
Bündnis mit dem Papsttum 754 und 756 das Langobardenreich erobert
und den Kirchenstaat begründet. Nicht weniger zukunftweisend sind
seine Anstöße zur Kirchenreform und die Kontakte zu Byzanz.
Indem Pippin 754 auch seine Söhne KARL
und Karlmann salben ließ, nahm er das von den MEROWINGERN
vorgegebene Prinzip der geteilten Königsherrschaft auf, variierte
es aber in der vor seinem Tod 768 vollzogenen Gebietszuweisung, da die
Francia nicht mehr westlich-östlich, sondern nordlich-südlich
geteilt wurde; damit sollte der alte Gegensatz zwischen Neustrien und Austrien
überwunden werden.
Diese Lösung hatte nach dem Tod Pippins,
der wie sein Vater in St-Denis bestattet worden ist, allerdings nicht lange
Bestand; denn durch den frühen Tod Karlmanns 771 wurde die
karoligische Einheitsherrschaft unter seinem Bruder KARL,
dem bereits die Zeitgenossen das Attribut 'DER
GROSSE' zuerkannten, wiederhergestellt. Dessen im Kaisertum
von 800 gipfelnde, 46 Jahre währende Regierung läßt Genese,
Eigenart und Selbstverständnis der karolingischen
Dynastie deutlich hervortreten: Während KARL
in den Spuren seines Vaters bis in die späten 70-er Jahre hinein noch
manche hausmeierliche Tradition beibehielt, lenkte er damals in mehrfacher
Hinsicht in merowingischen Bahnen (vgl.die
Namengebung der beiden 778 geborenen Söhne Chlodwig
und Chlothar: "Ansippung" an die MEROWINGER).
Dieses gesteigerte Selbstbewußtsein des inzwischen König der
Langobarden und Patricius Romanorum gewordenen Frankenkönigs spiegelt
sich auch in der neuen herrscherbezogenen Geschichtsdarstellung der karolingischen
Historiographen um und nach 800 im Vergleich zur früheren konsensorientierten
Sehweise. Es verdient allerdings Beachtung, daß für die
KAROLINGER nach KARL DEM GROSSEN
wieder das Konsensprinzip fundamentale Bedeutung für die Auffassung
und Ausübung ihrer Herrschaft erhielt.
Zur selben Zeit fand die karolingische
Dynastie in der Metzer "Commemoratio genealogiae domini Karoli gloriosissimi
imperatoris" ihre erste Deutung: In ihr kommt die doppelte Ansippung der
KAROLINGER
an den senatorischen Adel Galliens ebensowie an die MEROWINGER
zum Ausdruck; der heilige Arnulf galt
als Keim der prosapia regnum Francorum, die Kirche St. Arnulf zu Metz wurde
Grablege von nichtregierenden Mitgliedern des
karolingischen Hauses, allerdings auch Kaiser
LUDWIGS DES FROMMEN. Andererseits fehlt es nicht an Zeugnissen,
die unter Übergehung Arnulfs eine
pippinidische
Herkunftslinie zogen oder in der 2. Hälfte des 9. Jh. einerseits Rom
und die MEROWINGER, andererseits KARL
DEN GROSSEN und LUDWIG DEN FROMMEN
in den Mittelpunkt des Dynastieverständnisses stellten.
Auch in der Heiratspolitik lassen sich die für die
KAROLINGER typischen Besonderheiten ausmachen: Im Unterschied
zu den MEROWINGERN heirateten die KAROLINGER
vorzugsweise adlige Frauen aus dem Frankenreich; auswärtige Verbindungen
blieben selten. Offenbar sahen die KAROLINGER
in der einheimischen Heiratspolitik ein Mittel zur Verklammerung von Königtum
und Adel.
Richtungweisend war ferner die von KARL
DEM GROSSEN betriebene Nachfolgeregelung: Abweichend von der
merowingischen
Gewohnheit hat KARL auf eine gleichmäßige
Teilung des Reiches verzichtet und stattdessen in der Divisio regnorum
von 806 mit der Zuweisung der Francia an seinen ältesten Sohn Karlund
mit der Einrichtung der nichtfränkischen regna Italien und Aquitanien
für die jüngeren Söhne Pippinund
LUDWIGeine
neuartige Lösung angestrebt, durch welche die Einheitlichkeit des
regnum Francorum gesichert werden sollte. Durch den Tod Karls
des Jüngeren und Pippins
811
ergab sich allerdings eine neue Situation: Der aquitanische
König LUDWIG (DER FROMME) rückte in die Position des
Nachfolgers als Frankenkönig und in der Kaiserwürde, die ihm
als Mitherrscher nach byzantinischem Vorbild sein Vater 813 in dem seit
dem Ausgang des 8. Jh. neu geschaffenen Zentrum des Reiches Aachen übertrug.
Hier, wo KARL DER GROSSE, in den letzten
Jahren fast ununterbrochen residierte und in der Marienkirche ein geistliches
Zentrum seines Hofes geschaffen hatte, nicht (wie von ihm ursprünglich
vorgesehen) in St-Denis, ist
KARL 814
beigesetzt worden.
Auch sein Sohn und Nachfolger LUDWIG
DER FROMMEhielt sich vorzugsweise in Aachen auf und setzte hierin
die TraditionKARLS DES GROSSEN fort
ebenso wie in der Erhebung seines ältesten Sohnes LOTHAR
zum Mitkaiser, der in der Namengebung den merowingischen
Traditionsstarng des Königtums KARLS DES
GROSSEN manifestierte. Die beiden anderen Söhne ausLUDWIGS
Ehe mit der fränkischen AdligenIrmingard,
Pippin
und Ludwig (der Deutsche), wurden als
Unterkönige in Aquitanien und Bayern eingesetzt und anders als in
der Divisio von 806 dem älteren kaiserlichen Bruder deutlich untergeordnet.
So regelte es die Ordinatio imperii von 817, die in kühnem Konzept
weitere Teilungen der karolingischen Herrschaft
verbot.
Wesentlich schwerer als die mit größter Härte
bestrafte Empörung Bernhards,
des Sohnes von König Pippin, wog
die Opposition, die sich gegen Kaiser LUDWIGwegen
der auf Betreiben der WELFIN Judith,
seiner zweiten Gemahlin, 829 getroffenen neuen Teilungsordnung wandte.
Die Abweichung von der Ordinatio von 817 und die Zuweisung eines alemannisch-burgundischen
Dukats an den 823 geborenen KARL (DEN KAHLEN),
der programmatisch den Namen des berühmten Großvaters erhalten
hatte, löste eine Hofrevolte aus (Wala von Corbie), die in
einen gemeinsamen Aufstand der Kaisersöhne einmündete (833),
so daß es zur zeitweisen Absetzung des Kaisers und zu einer erzwungenen
Kirchenbuße zu Soissons kam. In der Folgezeit wechselten allerdings
die Interessenlagen und Bündnsisse im karolingischen
Haus häufig; 835 wurde LUDWIG
im Dom der KAROLINGER-Stadt Metz wiedereingesetzt
und teilte 839 - nach dem Tode Pippins von Aquitanien
- das Reich nun unter Beschränkung Ludwigs
auf Bayern zwischen LOTHAR und
KARL.
Gegen den hierauf erfolgenden Widerstand Ludwigs
und des um den gleichnamigen Sohn Pippinsgescharten
aquitanischen Adels zog LUDWIGzu Felde;
schwer erkrankt, designierte er LOTHAR
zu seinem Nachfolger. Nach seinem Tod 840 entbrannte der Bruderzwist im
karolingischen Hause aufs neue, da LOTHAR
die vollen Kaiserrechte beanspruchte. Das gegen ihn gerichtete Bündnis
Ludwigs
des Deutschen und KARLS DES KAHLEN
bewährte sich erfolgreich in der Schlacht bei Fontenoy 841, von den
Zeitgenossen als Kampf zwischen Brüdern und Christen beklagt, und
wurde in den Straßburger Eiden von 42 bekräftigt. Damit war
der Weg für den Vertrag von Verdun (843) bereitet; die hier unter
Mitwirkung der Großen gefundene Teilung des regnum Francorum in einKARLzufallendes
W-Reich, ein Ludwig zufallendes O-Reich
und ein die KAROLINGER-Städte
Aachen udn Rom umfassendes Mittelreich LOTHARS
solte trotz späterer Korrekturen die künftige Herrschaft der
KAROLINGER
in Europa bestimmen.
III. OST- UND WESTFRÄNKISCHE KAROLINGER
In der Folgezeit stand die karolingische
Geschichte einerseits im Zeichen des von brüderlichen fraternitas
und caritas getragenen Bemühens um die unitas imperii, andererseits
in der vor allem von der Kirche beklagten Zersplitterung. Während
KARL
DER KAHLE und Ludwig der Deutsche
zunächst von einer Teilung ihres Gebietes absahen, überließ
gerade der Hauptverfechter des Einheitsgedankens, Kaiser
LOTHAR I., seinem ältesten Sohn
LUDWIG
II. Italien, wo dieser durch den Papst 844 zum König und
850 zum Kaiser gekrönt wurde - eine folgenreiche Rückkehr der
Kaiserwürde nach Rom -, und wies 855 seinem Sohn Karl
die
Rhonelande, seinem Sohn Lothar II. den
nördlichen Reichsteil, die später nach ihm benannte Lotharingia,
zu. Der Tod des söhnelosen
Karl
führte zwar zu einer Aufteilung von dessen Gebiet unter seine Brüder.
Gerade der Rhone-Saone-Raum wurde aber wenig später (879) der Rahmen
für das erste nicht-karolingische
Königtum, des mit den KAROLINGERN verschwägertenBoso
von Vienne, dem 887/88 weitere nicht-karolingische
Herrscher, allen voran der ROBERTINER Odo
in der Francia occidentalis, folgten.
Die Jahrzehnte bis zu diesem Krisenpunkt in der Geschichte
der KAROLINGER waren äußerlich
von der Bedrohung des Reiches durch die Normannen im W und Slaven im O,
innerlich vom wachsenden Einfluß der Großen und der kirchlichen
Autorität geprägt; vor diesem Hintergrund sind die Auseinandersetzungen
der karolingischen Könige um Reichsgebiete,
ihre Nachfolgeregelungen und ihr Bemühen um die Kaiserwürde zu
sehen: Gestützt auf westfränkische Große, die gegen KARL
DEN KAHLEN opponierten, versuchte Ludwig
der Deutsche 856 und 858, die Herrschaft in der Francia occidentalis
zu übernehmen, mußte sein Vorhaben aber wegen des Widerstands
der westfränkischen Bischöfe, voran Erzbischof Hinkmar von Reims,
aufgeben, die sich als Hüter des Heils und der Einheit der Christenheit
verstanden. Kirchlicher Einfluß ist auch bei der Lösung des
Problems der Nachfolge Lothars II.
zu beobachten, der bei seinem Versuch, dem Sohn aus der Friedelehe mit
Waldrada,
Hugo,
als vollbütigen Erben Anerkennung zu verschaffen, letztlich am kirchlichen
Rechtsdenken und am Widerstand seiner beiden Onkel KARL
DER KAHLE und
Ludwig der Deutsche
scheiterte. Diese teilten sich nach Lothars
Tod im Vertrag von Meerssen 870 das regnum Lotharii und setzten sich damit
über das nähere Erbrecht ihres Neffen Kaiser
LUDWIGS II. hinweg. Darüber hinaus richteten sie ihr Interesse
auf die Nachfolge in dessen italienischem Königtum wie in der Kaiserwürde.
Es ist für das politische Denken im karolingischen
Hause bezeichnend, daß hierfür zwei Wege beschritten wurden:
Ludwig
der Deutsche erreichte von LUDWIG II.die
Designation für seinen ältesten Sohn
Karlmann
während KARL DER KAHLE sich die
Kaiserwürde vom Papst in Aussicht stellen ließ. Dieser an der
außerdynastischen Institution der Kirche orientierte Weg führte
nach dem Tode LUDWIGS II. 875 zum Erfolg;
die so erlangte Kaiserwürde, die er als renovatio imperii Romanorum
et Francorum verstand, ließ ihn auch den Plan verfolgen, die O-Hälfte
Lotharingiens seinem Reich zu inkorpieren, da die Francia orientalis nach
dem Tod Ludwigs des Deutschen 876 geschwächt
schien; denn dieser hatte das Reich unter seien drei Söhne Karlmann
(Bayern), KARL III. (Alemannien, Rätien
und Elsaß) und Ludwig der Jüngere (Rhein-
ud Mainfranken und nördliche Gebiete) geteilt. Der Sieg Ludwigs
bei Andernach vereitelte KARLS Plan,
und auch in Italien machte Karlmann
nun seine Herrschaftsrechte erfolgreich geltend.
Nach dem Tod KARLS DES KAHLEN
877 und seines kaum regierungsfähigen Sohnes Ludwigs
des Stammlers (+ 879) entbrannte im W-Frankenreich ein von Fragen
dynastischer Legitimität und von politischer Gruppenbildung geprägter
Kampf, da die Söhne Ludwig III. undKarlmann
aus
der ersten, zwischenzeitlich gelösten Ehe Ludwigs
des Stammlers mit Ansgard nicht
als erbberechtigt galten und Ludwigs Sohn
Karl
(der Einfältige) von der zweiten Frau, Adelheid,
erst postum zur Welt am. In dieser offenen Nachfolgegfrage wurde der ostfränkische
König von einem Teil der westfränkischen Großen zu Hilfe
gerufen, von einem anderen aber mit Aussicht auf das westliche Lotharingien
zum Verzicht bewogen; die beiden älteren Söhne Ludwigs
des Stammlers konnten nun doch die Nachfolge antreten, während
Karlals
illegitim zunächst ausgeschlossen blieb. Was sich 879 momentan als
gesamtfränkische Lösung abzeichnete, wurde 885 für zwei
Jahre eine wenn auch brüchige Wirklichkeit: Von den Söhnen Ludwigs
des Deutschen überlebte KARL III.seine
Brüder Karlmann (+ 880) und Ludwig
den Jüngeren (+ 882), so daß er nicht nur über
die gesamte Francia orientalis, sondern auch über Italien herrschte;
881 empfing er die Kaiserkrone. Der Tod der beiden westfränkischen
Könige (882, 884) und die weitere Ausschaltung Karls
des Einfältigen hatten jetzt zur Folge, daß unter
Kaiser
KARL III. noch einmal das fränkische Imperium unter einer
Krone vereint war, wenn man von dem provencalischen Königtum
Bosos
von Vienne absieht.
Doch führten die außenpolitische Schwäche
(gegenüber den Normannen) und allgemeine Regierungsunfähigkeit
des schwerkranken
KAROLINGERS dazu,
daß 887 der kinderlose KARLvon
den ostfränkischen Großen verlassen wurde, ohne daß er
eine Nachfolgeregelung für seinen illegitimen Sohn Bernhardoder
vielleicht auch für den von ihm adoptierten (?) LUDWIG,
Sohn Bosos, hatte erreichen können.
Sin Nachfolger im O-Frankenreich wurde Karlmanns
illegitimer Sohn ARNULF (von Kärnten),
während in den übrigen karolingischen
Teilreichen nun auch nach dem Beispiel Bosos von
Vienne fränkische Große nach der Königswürde
trachteten, zum Teil in weiblicher Linie von den
KAROLINGERN abstammend (zum Beispiel BERENGAR
I. von Friaul in Italien) oder ihnen seitenverwandt (der WELFE
Rudolf in Hoch-Burgund), zum Teil ohne verwandtschaftliche Nähe
zu ihnen (zum Beispiel der ROBERTINER Odo
im W-Frankenreich, WIDO von Spoleto
in Italien).
In Reaktion auf die Schwächung der karolingischen
stirps regia gegen Ende des 9. Jh. formierte sich ein spät-karolingischer
"Legitimismus"
(E. Hlawitschka), wenn zum Beispiel Regino von Prüm Kaiser
KARL III. als dominus naturalis von den neuen Königen abhob
oder der Poeta Saxo von der gotterwählten stirps in regno sprach,
die schon lange besteht und noch lange bestehen soll. In der um 900 verfaßten
Visio Karoli spiegelt sich der aus der Verwandtschaft mit den
KAROLINGERN gespeiste Anspruch LUDWIGS
DES BLINDEN auf die Nachfolge im karolingischen
Gesamtreich.
Auf seine Weise symptomatisch für das späte 9. Jh. und zugleich
auf das Ende des 10. Jh. vorverweisend ist wiederum das Gegeneinander des
in karolingischer Tradition in Compiegne,
dem Aachen KARLS DES KAHLEN, 888 zum
westfränkischen König gekrönten
ROBERTINERS
Odo, der mit den KAROLINGERN
nicht verwandt war, udn des 893 in Reims gekrönten Karls
des Einfältigen, des illegitimen
Sohnes Ludwigs des Stammlers.
Im Vergleich hierzu war die Stellung ARNULFS
als ostfränkischer König unbestritten. Trotz des Angebots, in
W-Franken einzugreifen, konzentrierte er seine Kräfte auf die Herrschaft
in der Francia orientalis. Für seine illegitimen Söhne Zwentibold
und
Ratold
erlangte
er von den Großen ein Nachfolgerecht, allerdings unwirksam für
den Fall, daß ein vollbürtiger Sohn vorhanden wäre. Nach
der Geburt Ludwigs (des Kindes) 893
setzte ARNULF Zwentibold in Lotharingien
als König ein und nahm damit die letzte karolingische
Reichsteilung vor. 896 beschloß er die Reihe der
KAROLINGER, die die Kaiserwürde erlangten. Nach seinem
Tod setzte sich sein Sohn Ludwig in
der gesamten Francia orientalis - und damit auch gegen
Zwentibold
- durch. Mit seinem Tod 911 erlosch die ostfränkische Linie
der KAROLINGER.
In der Franciaq occidentalis konnte Karl
der Einfältige seine nach dem Tod König
Odos gefestigte Herrschaft nach 911 durch die Einbeziehung Lotharingiens
erweitern, mußte dieses aber wieder an König
HEINRICH I. abtreten; gleichwohl blieb Lotharingien weiterhin
Zankapfel zwischen den westfränkischen und ostfränkischen
(bzw. ottonischen) Königen. Gegen
König
Karl und seine Lotharingienpolitik revoltierte zu Beginn der
20-er Jahre der westfränkische Adel unter Führung von König
Odos Bruder
Robert von Neustrien.
Dieser wurde 922 westfränkischer König, nach seinem Tod 923 sein
Schwiegersohn
Rudolf. 936 kehrte Ludwig
IV. (Transmarinus), der Sohn des in Gefangenschaft verstorbenen
Karls
des Einfältigen, aus englischem Exil nach Frankreich zurück.
Im Zuge der auf Betreiben Hugos des Großen, des Sohnes König
Roberts und Vater Hugo Capets,
bewerkstelligten "Karolingischen Restauration"
(H. Wolfram) herrschten hier Ludwig IV. bis 954, nach ihm sein SohnLothar
(+ 986) und danach für ein Jahr dessen kinderloser Sohn
Ludwig
V. Seine Rolle als Königsmacher ließ Hugo den Großen
zur entscheidenden politischen Kraft im W-Frankenreich (dux Francorum)
werden; auch mit König OTTO I.
schloß er 937 ein durch Heirat gefestigtes Bündnis.Ludwig
IV. sah seinerseits 939 die Chance, gegen OTTO
I. in Lotharingien Fuß zu fassen, mußte aber schließlich
942 den Ausgleich mit OTTO I. und bei
ihm zugleich Rückhalt gegen den bedrängenden ROBERTINER
suchen. Unter Ludwigs Nachfolger Lotharwurde
Lotharingien wieder Streitobjekt. Als Ludwig V.
987 kinderlos starb, übergingen die westfränkischen Großen
unter Führung des Reimser Erzbischofs den Erbanspruch
Herzog
Karls von Nieder-Lothringen und wählten den ROBERTINER
Hugo Capet, dessen Familie bereits zwei westfränkische
Könige gestellt hatte, zum König, ohne daß Karl,
dem der auch damals noch starke karolingische
Legitismus zugute kam, das Feld kampflos räumte. Mit dem Tod von KarlsSohnOtto,
der seinem Vater im Herzogsamt nachfolgte, endete 1012 die westfränkische
Linie der KAROLINGER.
IV. NACHWIRKUNGEN UND BEDEUTUNG
Während ihrer jahrhundertelangen Königs- und Kaiserherrschaft ist den KAROLINGERN gelungen, zur stirps regia von "exklusivem Rang" (G. Tellenbach) in und für Europa zu werden, wie dies auch in der seit dem 10. Jh. belegten Sammelbezeichnung 'KAROLI' (seit dem 12. Jh. 'KAROLINGI') zum Ausdruck kommt. Als reges Francorum die MEROWINGER ablösend und zugleich für sich beanspruchend, haben sie, allen voran der von den Zeitgenossen 'pater Europae' genannte KARL DER GROSSE, in politischer wie kultureller Hinsicht die Grundlagen für die weitere geschichtliche Entwicklung gelegt und sind dabei sowohl für folgende Königsdynastien als such für Fürstenhäuser, die ihren Ursprung auf die KAROLINGER zurückführten, zum legitimierenden Vorbild geworden.
Literatur [allgemeine und übergreifende Darstellungen]
:
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NDB XI, 1977, 284-292 [Lit.] - Nascita dell'Europa ed
Europa carolingia (Sett. cent. it. 27), 1981 - P. Riche, Les Carolingiens.
Une famille qui fit l'Europe, 1983 [dt. 1987] - R. McKitterick, The Frankish
Kingdom under the Carolingians, 1983 - K. F. Werner, Les origines (Hist.
de France I), 1984 [dt. 1989] - H. K. Schulze, Vom Reich der Franken zum
Land der Dt. Merowinger und K., 1987 -
[Einzelthemen]:
-------------------
Braunfels, KdG I [J. Fleckenstein, K. F. Werner, E. Hlawitschka]:
IV [K. Haucke, E. Meuthen, R. Folz] - O. G. Oexele, Die K. und die Stadt
des hl. Arnulf, FMASt I, 1967, 250-364 - E. Hlawitschka, Lotharingien und
das Reich an der Schwelle der dt. Gesch., 1968 (MGH Schr. 21) - I. Haselbach,
Aufstieg und Herrschaft der K. in der Darstellung der sog. Annales Mettenses
priores, 1970 - S. Konecny, Die Frauen des karol. Kg.shauses, 1976 - J.
Semmler, Zur pippinid.-karol. Sukzessionskrise 714-723, DA 33, 1977, 1-36
- G. Tellenbach, Die geistigen und polit. Grundlagen der karol. Thronfolge,
FMASt 13, 1979, 184-302 - B. Schneidmüller, Karol. Tradition und frühes
frz. Kgtm., 1979 - A. Angenendt, Das geistl. Bündnis der Päpste
mit den K.n, Hjb 100, 1980, 1-94 - W. Affeldt, Unters. zur Kg.serhebung
Pippins, FMASt 14, 1980, 95-187 - M. Werner, Der Lütticher Raum in
frühkarol. Zeit, 1980 - Charles the Bald: Court and Kingdom, hg. M.
Gibson-J. Nelson, 1981 - R. Schieffer, Ludwig d 'Fromme'. Zur Entstehung
eiens karol. Herrscherbeinamens, FMASt 16, 1982, 58-73 - J. Fried, Der
karol. Herrschaftsverband zw. "Kirche" und "Königshaus", HZ 235, 1982,
1-43 - J. Hannig, Consensus fidelium, 1982 - J. Jarnut, Chlodwig und Chlothar:
Anm. zu den Namen zweier Söhne Karls d. Gr., Francia 12, 1984, 645-651
- E. Hlawitschka, Zu den Grundlagen des Aufstiegs des K., RhVjbll 49, 1985,
1-61 - W. Wendling, Die Erhebung Ludwigs d. Fr. zum Mitks. im Jahre 813
..., FMASt 19, 1985, 201- 238 - J. Fleckenstein, Die Grundlegung der europ.
Einheit im MA, 1986 - B. Schneidmüller, Nomen patriae, 1987 - M. Becher,
Driogo und die Kg.serhebung Pippins, FMASt 23, 1989, 131-153 - E. Freise,
Die 'Genealogia Arnulfi comitis' des Priesters Witger, ebd., 203-243 -
Charlemagne's Heir., hg. P. Godman-R. Collins, 1990 - Th. Zotz, Palatium
publicum, nostrum, regium. Bemerkungen zur Kgspfalz in der K.zeit (Die
Pfalz, hg. F. Staab, 1990), 71-99 -
Mit dem Tode Ludwigs des Kindes
waren die ostdeutschen KAROLINGER ausgestorben.
Nur noch zwei Töchter Zwentibolds,
des illegitimen Sohns ARNULFS von Kärnten,
waren am Leben; sie waren nacheinander Äbtissinnen im Kloster Süsteren
in Lotharingien, in dessen Kirche ihr Vater bestattet worden war.
Auch von den männlichen Nachkommen KARLS
DES KAHLEN war seit 884 nur ein posthum geborener Sohn Ludwigs
des Stammlers, Karl der Einfältige,
übriggeblieben. Dieser wurde 893 als Nachfolger des Nicht-KAROLINGERS
Odo zum westfränkischen König erhoben, aber 923 nach
wenig glücklicher Regierung abgesetzt. Als er 929 starb, hinterließ
er aus zwei legitimen Ehe 6 Töchter, aber nur einen Sohn, so dass
die männliche Linie der KAROLINGER
weiterhin auf zwei Augen ruhte. Dieser Sohn (Ludwig
IV.) wurde 936 König des W-Frankenreichs und leitete damit
eine nochmalige Restauration der KAROLINGER
ein. Die letzten karolingischen Könige
blieben jedoch schwach, denn sie mußten die tatsächliche Herrschaft
in einem großen Teil des Reiches ihren Hauptrivalen, den ROBERTINERN,
überlassen. Als König Ludwig V.
am 21.5.987 starb, wurde von der Mehrheit der westfränkischen
Großen der ROBERTINER Hugo Capet
zum König erhoben; mit ihm nahm die neue Dynastie der KAPETINGER
ihren Anfang. Der Onkel Ludwigs V.,
Karl
von Nieder-Lotharingien, hat noch die Thronansprüche seiner
Familie vertreten; er konnte sich aber gegen
Hugo
nicht
durchsetzen und wurde nach seiner Niederlage 991 in Orleans eingekerkert,
wo er nach einigen Jahren starb.
Das wenig heldenhafte Erlöschen der
karolingischen Dynastie im Osten und im Westen des Frankenreichs
ist gelegentlich mit einer Erbkrankheit der späteren KAROLINGER
erklärt worden. Wenn wir einen Blick auf das Lebensalter der karolingischen
Könige
und Kaiser werfen, so zeigt sich, dass
KARL DER GROSSE mit
72 bzw. 67,
Ludwig der Deutsche mit
ungefähr 70 und
LUDWIG DER FROMME
mit 62 Jahren das höchste Lebensalter erreichten.
LOTHAR I. starb mit
60,
KARL DER KAHLE wie
früher
Pippin, der Vater KARLS
DES GROSSEN mit 54 Jahren.
Die drei Söhne Ludwigs
des Deutschen erreichten alle ein Alter von ungefähr 50
Jahren.
Der älteste Sohn KARLS
DES GROSSEN, der jüngere Karl,
wurde ebenso wie der zweite Sohn LUDWIGS DES FROMMEN,
Pippin,
ungefähr 40 Jahre,
während der KARLS-Sohn
Pippin
und Ludwig der Stammler nur 33 bzw.
32 Jahre erreichten.
Mit Anfang 20 verstarb Karlmann,
der Bruder KARLS DES GROSSEN;
ein anderer Karlmann,
ein Sohn
KARLS DES KAHLEN, wurde keine
30, und ein weiterer Sohn dieses westfränkischen
KAROLINGERS,
der wie sein Vater Karl hieß,
wurde gar nur 18 Jahre alt.
Jedenfalls kennen wir auch schon unter den Söhnen
Pippinsim
8. Jahrhundert und unter denen KARLS DES GROSSEN
am Anfang des 9. Jahrhunderts einige, die recht jung verstarben. Man kann
also in bezug auf das Lebensalter nicht von einer abnehmenden Vitalität
sprechen. Aus den Angaben der Quellen können wir lediglich die Neigung
zur Arteriosklerose entnehmen, an deren Folgen Karlmann,
der Sohn Ludwigs des Deutschen, und
dessen Sohn ARNULF von Kärnten
gestorben sind.
Das recht ausgebreitete genealogische Nachleben der karolingischen
Familie läuft über ihre weiblichen Glieder, und zwar vor allem
über die Töchter LUDWIGS DES FROMMEN
und KARLS DES KAHLEN. Denn während
KARL
DER GROSSE es bewußt vermieden hatte, seine Töchter
den adeligen Herren seines Reiches zur Frau zu geben, bestanden solche
Vorbehalte bei LUDWIG DEM FROMMEN nicht.
Dagegen hat Ludwig der Deutsche seine
Töchter in Klöster eingewiesen, so dass sie keine ehelichen Nachkommen
erhalten konnten. Der WiderstandKARLS DES KAHLEN
gegen mögliche Ehen seiner Töchter wurde in zwei Fällen
durch Entführung überwunden, mit denen sich der König abfinden
mußte. Aus den Ehen der Töchter der genannten Herrscher mit
dem Adel des Frankenreichs gingen also jene Nachkommen
KARLS
DES GROSSENhervor, die sich bis zum heutigen Tag ihres karolingischen
Blutes rühmen. Für die Geschichte des Mittelalters war dabei
wichtig, dass sich die französischen Könige aus robertinisch-kapetingischem
Geschlecht ebenso wie die deutschen SALIER
und über diese auch die STAUFER
auf die KAROLINGER zurückführen
konnten. Vor allem die kapetingischen
Könige des 12. Jahrhunderts haben versucht, von ihrer
karolingischen Abkunft zu profitieren. Aber auch für die
deutschen Herrscher des 11. Jahrhunderts war es wichtig, dass
Gisela, die Gemahlin des 1. SALIER-Kaisers
KONRAD II., von KARL DEM GROSSEN
abstammte.
Zahlreiche weitere hochadelige Geschlechter können
sich auf die
KAROLINGER zurückführen;
nur wenige von ihnen haben von dieser Abstammung profitiert oder sie herausgestellt.
Daneben ist auch darauf zu verweisen, dass eine große Zahl von gefälschten
Genealogien hergestellt wurde, um eine Abstammung entweder von KARL
DEM GROSSEN selbst oder aber von einem der Helden seiner Umgebung,
die man aus den Chansons de geste kannte, zu belegen. Im 13. Jahrhundert
war KARL DER GROSSE so angesehen, dass
ein Fürstengeschlecht, das wie die WITTELSBACHER
in ihrem bayerischen Territorium sich als Landesherren durchsetzen wollte,
dies am ehesten dadurch erreichen zu können glaubte, dass sie auf
ihre angebliche karolingische
Abkunft
verwiesen.
Die dynastische Geschlossenheit einer Familie zeigt sich
vor allem auf zwei Gebieten, nämlich in der Namengebung und in der
gemeinsamen Grablege, die oft mit dem Stammsitz der Familie identisch ist.
Was die Namen der Nachkommen KARLS DES GROSSEN
anbetrifft, so ist für die aus legitimen Ehen stammenden Söhne
ein eindeutiges Vorwiegen der beiden Namen Ludwig und Karl festzustellen,
die allein schon über die Hälfte (12 und 10) der insgesamt 41
in Frage kommenden Personen trugen. Dazu kommen je 5 Belege für Lothar
und Karlmann, 4 für Pippin und je einer für Drogo und Bernhard.
Bei den illegitimen Söhnen können wir keine so starke Konzentration
auf wenige Namen erkennen, es ergibt sich aber die Merkwürdigkeit,
dass die Namen aus der Frühzeit des Geschlechts, also Arnulf, Hugo
und Drogo am häufigsten gewählt wurden; auch Pippin und Karlmann
finden sich hier. Dazu kommen andere Namen, die vielleicht aus den Familien
der jeweiligen Mütter genommen wurden: Theoderich, Zwentibold, Ratold,
Rorico, Richard.
Auch bei den karolingischen
Frauen können wir eine Konzentration auf einige wenige Namen feststellen,
dabei wurden vor allem die Namen der Frauen um KARL
DEN GROSSEN bevorzugt. Neunmal findet sich der Name Gisla unter
den Nachkommen KARLS DES GROSSEN; so
hieß schon seine Schwester; siebenmal findet sich Hildegard, der
Name seiner für die Nachkommenschaft wichtigsten Gattin. Je fünf
Belege fallen auf den Namen seiner Großmutter Rotrud und seiner Mutter
Bertha. Außerdem kommen die Namen Ermentrud, Ermengard und Adela
je dreimal und die Namen Adelheid, Alpais, Theodrada, Rothild und Hiltrud
je zweimal vor.
Vor allem bei den wichtigsten KAROLINGER-Namen
Ludwig und Karl können wir seit dem 12. Jahrhundert eine große
Verbreitung in allem Herrscherhäusern W-Europas feststellen, die vom
französischen Königshaus ihren Ausgang nahm. Dort griff man zuerst
auf den KAROLINGER-Namen Ludwig zurück,
als die karolingische Tradition auch
sonst wiederbelebt wurde.
Während also bei der Namenswahl tatsächlich
eine große Geschlossenheit festzustellen ist, suchen wir vergeblich
nach einer für alle oder wenigstens einen großen Teil der KAROLINGER
verbindlichen Grabstätte. In St. Denis, der Grabkirche für einige
merowingische
Könige, waren auch
Karl Martell und
Pippin bestattet
worden; KARL DER GROSSE wurde in St.
Marien in Aachen beigesetzt; sein Sohn
LUDWIG
DER FROMMEin St. Arnulf in Metz; Ludwig
der Deutsche und Ludwig der Jüngerein
St. Nazarius in Lorsch, KARL III. in
Reichenau-Mittelzell, ARNULF in St.
Emmeram in Regensburg. KARL DER KAHLE
und zwei seiner Enkel wurden in St. Denis bestattet; damit knüpfte
man wieder an ältere Versuche an, hier eine Familiengrabkirche zu
schaffen. Erst unter den KAPETINGERN
ist aber die Abteikirche von St. Denis auf Dauer zur Grablege der französischen
Könige geworden.