BABENBERGER FEHDE
 

Klauser Heinrich: Seite 30
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"Lexikon deutscher Herrscher und Fürstenhäuser"

902-906, Streit zwischen den Grafen von Babenberg aus dem Geschlecht der POPPONEN und den mächtig gewordenen KONRADINERN um die Vormacht in Mainfranken. Nach der erfolgreichen Belagerung der Burg Babenberg durch den Bischof von Würzburg, den KONRADINER Rudolf (903), wurden die drei Neffen des Grafen Poppo (daher: POPPONEN) nach ihrer Gefangennahme enthauptet. Auf diese "letzten BABENBERGER" führt Bischof Otto von Freising das Geschlecht der österreichischen BABENBERGER zurück.


Offergeld Thilo: Seite 598-606
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"Reges pueri. Das Königtum Minderjähriger im frühen Mittelalter."

5.3.6.2. Konflikte im Inneren: Die Babenbergerfehde

Daß die KONRADINER und die mit ihnen verbündeten Bischöfe relativ großen Rückhalt für die von ihnen geleitete Regierung gewinnen konnten, ist oben bereits dargestellt werden, ebenso allerdings die Tatsache, daß die den KONRADINERN feindlich gesinnten Adelsgruppen an dieser Regierung nicht beteiligt wurden. Die Konfrontation bestand also fort, und die dominante Rolle der KONRADINER in der Reichspolitik mußte zwangsläufig dazu führen, daß die Spannungen zwischen ihnen und ihren Gegnern sich weiter verschärften [993
Vgl. Hauck, Ottonen Seite 49; Becher, Rex Seite 173. Zum Verlauf der im folgenden geschilderten Ereignisse vgl. die Darstellungen bei Stein, Konrad Seite 146-171; Dümmler, Geschichte 3, Seite 522-545; Geldner, Beiträge Seite 15-30; Becher, Rex Seite 173-179; die Quellenbasis hauptsächlich Reginos Jahresberichte zu 902, 903 und 906. Eine abweichende, ebenfalls erwägenswerte Chronologie bei Alfred Wendehorst, Das Bistum Würzburg. Teil 1: Die Bischofsreihe bis 1254 (Germania Sacra N. F. 1: Die Bistümer Kirchenprovinz Mainz. Teil 1), Berlin 1962, Seite. 54.]. Nachdem die LIUDOLFINGER schon 900 in der Auseinandersetzung um das lotharingische Königtum eine empfindliche Niederlage erlitten hatten, verblieben die BABENBERGER, insbesondere die drei mittlerweile volljährigen Söhne des princeps militiae, Adalhard, Heinrich und Adalbert, als die Haupt-Widersacher der KONRADINER. Konfliktstoff gab es zweifellos zur Genüge [994 Die Grafschaften und Güter der BABENBERGER lagen ja großteils in der dem KONRADINER Rudolf unterstehenden Diözese Würzburg. Eventuell hatten sie bzw. die POPPONEN sogar die Vogtei über die Würzburger Kirche, so Franz-Josef Schmale, Das Bistum Würzburg und seine Bischöfe im früheren Mittelalter, in: ZBayLG 29 (1966), Seite 616-661, hier Seite 656; vgl. auch Schmale/Störmer, Franken Seite 139.], und die konradinischen Brüder fühlten sich bald offenbar stark genug, die Heinrich-Söhne endgültig niederzuringen. 902 kam es zur Eskalation: Gebhard, Eberhard und Rudolf belagerten die Burg Bamberg [995 Der Bericht Reginos, Chron. Seite 148 zu 902, scheint mir eindeutig für einen Ausfall der BABENBERGER und damit für die Angreiferrolle der KONRADINER zu sprechen, zumal auf letzteres schon die Anwesenheit Gebhards und Konrads in Ost-Franken deutet. Vgl. auch Stein, Konrad Seite 87 f.; Becher, Rex Seite 174; anders Geldner, Beiträge Seite 19.] aus der die BABENBERGER einen Ausfall wagten, dabei jedoch schwer geschlagen wurden: Heinrich fiel im Kampf, Adalhard geriet in Gefangenschaft und wurde auf Gebhards Befehl enthauptet, vielleicht als Rache für den Tod Eberhards, der seinerseits kurz nach dem Kampf seinen Wunden erlegen war.
Ob die KONRADINER schon bei ihrer Belagerung geradezu offiziell im Auftrag der Regentschaftsregierung handelten, ist nicht sicher zu sagen [996
So Becher, Rex Seite 174; vgl. auch Krah, Absetzungsverfahren Seite 239.], unverkennbar ist jedoch, daß der Königshof sich nach der Schlacht sofort eindeutig auf die Seite der KONRADINER stellte. Es gelang den Regenten auch, die Mehrzahl der Großen des Reiches zur Unterstützung dieser Parteinahme zu bewegen. Im Juni 903 wurde in Forchheim, also im Zentrum des babenbergischen Machtbereiches, ein Hoftag abgehalten, an dem zahlreiche, allein 31 namentlich bezeugte Adlige aus allen Teilen des Reiches teilnahmen [997 Vgl. die 26 Personen umfassende Intervenientenliste in D 20, die mit der bezeichnenden Ausnahme Ottos des Erlauchten alle namhaften Großen des Reiches aufführt. Hinzuzufügen wären noch Salomo als der Empfänger der Urkunde und die zusätzlichen Personen (Bischof Deotoloh von Worms und vier Grafen) aus der echten Intervenientenliste des Spuriums D 82, vgl. Geldner, Beiträge Seite 21 f.]. Durch iudicio Franchorum, Alamannorum, Baiuuariorum, Thuringionum seu Saxonum [998 So in D 23 vom 9. Juli 903, der in Theres ausgestellten Schenkung für Würzburg.] wurde der Besitz Heinrichs und Adalhards konfisziert und wenig später an die Würzburger Kirche, das heißt, an den KONRADINER Rudolf verschenkt. Auch Konrad der Ältere profitierte von den Strafmaßnahmen, denn er erscheint in derselben Urkunde als Graf im zuvor babenbergischen Gozfeld. Andere Große wiederum, besonders die Bayern, scheinen für ihre Unterstützung entlohnt worden zu sein: Das Kloster Fulda erhielt zahlreiche babenbergische Güter zugewiesen [999 Dies scheint der echte Kern des D sp. 82 zu sein; vgl. Geldner, Beiträge Seite 37.-], und in der zweiten Jahreshälfte 903 vergab Ludwig nicht weniger als sieben Schenkungsurkunden an bayerische Empfänger [1000 DD 21,22,24-28.].
Adalbert jedoch ließ sich von der auf der Gegenseite versammelten Übermacht nicht beeindrucken. Noch im gleichen Jahr vertrieb er Rudolf aus seinem Bistum, verwüstete die Güter der Würzburger Kirche und zwang auch Eberhards Söhne und seine Witwe zur Flucht aus ihren ostfränkischen Besitzungen. Erstaunlicherweise blieb der konradinische Gegenschlag aus, so daß Adalbert seine Vorherrschaft in der östlichen Main-Gegend in den folgenden Jahren nahezu unangefochten behaupten konnte. Erst 905 wurde von Reichsseite ein neuer Angriff gegen ihn geführt, den er aber ohne größere Einbußen überstanden zu haben scheint [1001
Die Aktion findet nur in den Annales Alamannici (Cod. Mod.) Seite 186 zu 905 Erwähnung (franci et alamanni ad tarisiam super adalbertum), so daß Geldner, Beiträge Seite 23, ihr keinen Wert beimißt. Doch wäre zu vermuten, daß Regino die Nachricht unterdrückte, um Adalberts Vorgehen im folgenden Jahr als Aggression darstellen zu können.]; der Königshof wagte sich sogar September 906 wieder in seinen Machtbereich vor. Diese jahrelang unentschiedene Situation dürfte darauf hindeuten, daß durchaus nicht alle Großen des Reiches mit der völligen Ausschaltung der BABENBERGER und der Übernahme ihrer Machtpositionen durch die KONRADINER ohne weiteres einverstanden waren, zumindest waren sie wohl nicht für eine militärische Beteiligung an den Kämpfen zu gewinnen [1002 Zu denken ist hier inbesondere an die Bayern, die am Reichsheer von 905 offenkundig nicht beteiligt waren und die aufgrund eigener Ambitionen im babenbergischen Machtbereich auf ein gemeinsames Vorgehen gedrungen haben könnten. 906 ist Luitpold jedenfalls an der Ausschaltung Adalberts beteiligt, siehe unten Seite 603.]. Die Integrations- und Handlungsfähigkeit der Regentschaft erscheint hier also schon in erstaunlichem Maße reduziert, da dem erklärten Feind der Reichsregierung über Jahre hinweg kein entschlossener Widerstand entgegengesetzt werden kann. Der Eindruck wird bestätigt durch die Nachrichten aus anderen Teilen des Reiches: Bayern wird immer wieder von ungarischen Überfällen heimgesucht, ohne daß von Reichsseite Abwehrmaßnahmen ergriffen würden [1003 Für 900,901,903 und 904/05 wird von Zusammenstößen zwischen Bayern und Ungarn berichtet, freilich hatten diese Überfälle wohl noch nicht die Dimension späterer Jahre, siehe unten Seite 607 f.], und Lotharingien wie Alemannien werden von Fehden und Mordtaten erschüttert, die ungeahndet bleiben [1004 In Lotharingien war schon 901 mit der Ermordung des WALAHONEN und MATFRIDINGER-Verbündeten Stephan die Kette der auf den Megingaud-Mord folgenden Racheaktionen fortgesetzt worden (Regino, Chronicon Seite 149 zu 901; vgl. Hlawitschka, Lotharingien Seite 190); in Alemannien wurden 903 die drei Söhne des Grafen Ato erschlagen, eine Bluttat, die nach Arno Borst, Mönche am Bodensee 610-1525 (Bodenseebibliothek 5), Sigmaringen 1978, Seite 73 f., sogar in den weiteren Zusammenhang des BABENBERGER-Kampfes gehören und auf das Konto der KONRADINER-Verkündeten gehen könnte; vgl. Annales Alamannici (Cod. Tur.) Seite 186 zu 903; Hermann der Lahme, Chronicon Seite 111 zu 902; vgl. auch Borgolte, Grafen Seite 63 f. In diesen Kontext der Fehden und Gewalttaten gehört wohl auch die zusammenfassende Wertung der Annales Alamannici (Cod. Mod.) Seite 184 zu 899: arnulfus imp. obiit et hludouuicus filius eius sub quo omnia bong pace disiuncta hunt in regnum elevatur.].
Zerstrittenheit und Führungslosigkeit bestimmen denn auch das Bild, das Salomo von Konstanz von der Lage des Reiches in diesen Jahren zeichnet. In seinem berühmten Briefgedicht an Bischof Dado von Verdun, wohl 904/05 entstanden [1005 Vgl. Wattenbach/Levison/Löwe, Geschichtsquellen Seite 755-759. Zum folgenden vgl. die häufig zitierten Passagen bei Salomo, Carmina Seite 301f., Zeile 116-185, besonders Zeilen 116-118.], beklagt Salomo in eindrücklicher Weise Entzweiung und Hader, die das ganze Volk durchziehen und selbst Mitbürger und Stammesgenossen gegeneinander kämpfen lassen. Gesetzlosigkeit bestimmt das Bild, und gerade die Großen, die als defensores patriae doch zu anderem berufen sein sollten, streiten ebenso wie alle anderen. Den Verwüstungen der furchtbaren Ungarn tritt niemand entgegen, und auch von Westen her bedrohen Feinde das Reich [1006
Salomo, Carmina Seite 300, Zeile 74-88. Bei der Schilderung der Ungarneinfälle hatte Salomo wohl vornehmlich die Verhältnisse in Italien vor Augen, das er 904 besucht hatte. Die Bedrohung durch West-Franken, wahrscheinlich durch Ambitionen Karls des Einfältigen auf Lotharingien, wird allgemein aus der die Reichsklage einleitenden Zeile 115 erschlossen: Sed (te Sulpici, ne Gallus id audiat, affor); vgl. Eckel, Charles Seite 96 Anm. 2; Wattenbach/Levison/Löwe, Geschichtsquellen Seite 756 Anm. 340; Reyroth, Volkssprache Seite 315. Zu widersprechen ist Rexroth allerdings, wenn er aus dieser anderen Bedrohung eine 'nationale' Interpretation des Gedichtes ableitet und (ähnlich wie schon in den 1930-er Jahren Heinrich Günter, Die Bischöfe und die deutsche Einheit im Hochmittelalter, in: HJb 55 (1935), Seite 143-159, hier Seite 143f.) Salomos Klage als Beleg für ein „voll ausgeprägtes ostfränkisch-deutsches Volksbewußtsein" (Seite 313) wertet. Dem unvoreingenommenen Blick bietet der Text keinen echten Beleg für eine solche Deutung, auch der unus populus (Zeile 129) ist hier natürlich kein „Volk im ethnischen Sinne" (Seite 314), sondern der den einzelnen nationes übergeordnete, auf das regnum beizogene Personenverband; vgl. Beumann, Bedeutung Seite 352.]. Den Grund für diesen heillosen Zustand sieht Salomo in dem Fehlen der königlichen Gewalt, die dem haltlosen Volk die rechten Wege weisen und die von außen eindringenden Feinde zurückschlagen würde [1007 Salomo, Carmina Seite 302 Zeile 165 f.: Regia si turmis esset prelata potestas,/Non adeo temere fluitaret mobilis ordo; Zeile 173-176. Barbaries quesita domi censuque coacta/Christicolum populis, cum rex mandaverat illis,/ Coetus catholicos, quia rex nondirigit ipsos,/Infra tecta capit censumque cruore reposcit.]. Von dem kindlichen König, so sein ungeschöntes Urteil, ist in dieser Hinsicht nichts zu erwarten; von der Regentschaft, die die fehlende Autorität offenbar nicht ersetzen kann, ist erst gar keine Rede: „Allenthalben fehlen die Lenker, die Zucht verfällt, und es erhebt sich ihr Gegenteil.... Die Schwäche des Kindes, das nur den Namen des Königs führt, hat uns seit langer Zeit eines Herrschers beraubt. Sein Alter ist weder brauchbar im Kampf noch fähig, die Gesetze zu handhaben, da seine Abstammung ihm Reich und Zepter verliehen hat. Der zarte Körper und die erst spät reifenden Kräfte flößen den eigenen Leuten Verachtung, den Feinden aber Kühnheit ein. Wie fürchte ich mein teures Haupt, wie oft denke ich an die Weissagung desjenigen, der ausrief  'Wehe über das Volk, das unter der Herrschaft eines jungen Königs steht [1008 Salomo, Carmina Seite 302 Zeile 170f.; Seite 177-785.... desunt ubicumque regentes,/Disciplina cadit, huic et contraria surgit. ... Principe destituit multo nos tempore languor/Infantilis adhuc perfungens nomine regis;/Aetas nec pugne est habilis nec legibus apta,/Cui genus indulget regnis sceptroque potiri,/Sed tenerum corpus sereque ad fortia vires/Despectum propriis generant et hostibus ausum,/Quam vereor, mi dulce caput, quam sepe revolvo/Illius eulogium, qui vae portendere genti,/Supra quam iuvenis staret dominatio regis,/Asseruit ... Die Anspielung bezieht sich natürlich auf die oben bereits erwähnte 'klassische' Kindkönigswarnung aus Eccles. 10,16 (Vae tibi, terra, cuius rex puer est). Die obige Übersetzung in Anlehnung an Dümmler, Geschichte 3, Seite 528, und Kölzer, Königtum Seite 291.].
Vielleicht war es sogar eben diese Tatenlosigkeit der Regentschaft, die ihre Gegner Anfang 906 schließlich in die Offensive gehen ließ. Während die MATFRIDINGER in Lotharingien die Abteien der KONRADINER gewaltsam besetzten und so Konrad den Jüngeren mit einem Heer auf sich zogen, griff Adalbert die dadurch geschwächte KONRADINER-Macht in Franken an. Die zeitliche Koinzidenz dieser Attacken legt die Annahme einer Absprache beider KONRADINER-Gegner nahe, die sehr wohl durch Otto den Erlauchten als gemeinsamen Verwandten vermittelt worden sein könnte [1009
Vgl. Büttner/Dietrich, Weserland Seite 143; Becher, Rex Seite 178.]. Im Unterschied zu den bald zurückgeschlagenen MATFRIDINGERN gelangen Adalbert seine Kriegslisten: Er besiegte bei Fritzlar das Heer Konrads des Älteren, der in der Schlacht fiel, plünderte die hessischen Lande und kehrte schließlich in seine Feste Bamberg zurück.
Nach diesen Ereignissen konnte der Hof nicht länger untätig bleiben. Allerdings verdient Beachtung, daß es nicht zu einer sofortigen Straf- oder Racheaktion kam, sondern zunächst offenbar der Konsens der übrigen Großen für das weitere Vorgehen gesucht werden mußte. Im Mai 906 scheinen in Holzkirchen sogar die Möglichkeiten einer Verständigung der feindlichen Lager sondiert worden zu sein, denn hier erschien neben Hatto, Adalbero, Luitpold und zahlreichen anderen Großen auch Otto der Erlauchte zum erstenmal seit Jahren wieder am Königshof. Die KONRADINER selbst waren dagegen nicht vertreten, so daß wohl Hatto und Otto als Verhandlungsführer für die jeweiligen Hauptkontrahenten aufgetreten sein dürften [1010
Vgl. Geldner, Beiträge Seite 24.].
Eine Einigung konnte in Holzkirchen jedoch nicht herbeigeführt werden. Adalbert wurde zu einem Hoftag nach Tribur geladen und, als er dort nicht erschien, von einem Reichsheer in seiner Burg Theres belagert. Als der BAMBERGER sich nach längerer Belagerung zu König Ludwig begab, um Schutz zu suchen und seine Unterwerfung anzubieten, wurde er in Haft genommen, zum Tode verurteilt und schließlich vor versammelter Heeresmannschaft enthauptet. Der Grund für diesen außergewöhnlichen und aufsehenerregenden Vorgang war laut Reginos parteigefärbtem Bericht, daß Anhänger Adalberts dem König die Besserungsversprechen des BABENBERGERS als hinterlistige Täuschung aufgedeckt hätten. Jedoch lassen die kurzen Berichte der anderen Quellen und vor allem der auffallende Gegensatz zwischen dem von Regino dargestellten Verfahren und den in vergleichbaren Situationen sonst üblichen Unterwerfungs- und Verhandlungsgebräuchen diese Deutung ganz unglaubhaft erscheinen. Viel wahrscheinlicher ist demnach, daß Adalbert durch falsche Zusicherungen Hattos von Mainz und wohl auch Markgraf Luitpolds getäuscht und auf diese Weise in eine tödliche Falle gelockt worden war [1011
Wichtig vor allem die Zeugnisse der Annales Alamannici (Cod. Mod.) Seite 186 zu 906: item hludouuicus super adalbertum et ille ficta fide deceptus capite decollatur, der Annales Laubacenses Seite 187 zu 907: adalbertus ficta fide episcoporum deceptus capite decollatus est; sowie Hermann der Lahme, Chronicon Seite 111 f. zu 907: Adalpertus ... perfidia, ut fama est, Hattonis archiepiscopi et cuiusdam Liutpaldi, de quibus plurimum confidebat, ad Ludowicum regem spe pactionis adductus, decollari iussus est; vgl. zur Beteiligung Luitpolds auch Reindel, Luitpoldinger Seite 57-60; Brunner, Gruppen Seite 164 f.]. Um diese spektakulären Ereignisse und insbesondere um die undurchsichtige Rolle des Erzbischofs Hatto sind in der Folgezeit Geschichten gesponnen worden, die zwar legendarischen Charakter haben, jedoch nach der überzeugenden Analyse Gerd Althoffs aus politisch erfahrenen und sehr gut informierten Kreisen hervorgegangen sein müssen [1012 Widukind, Res gestae Saxonicae 1.22, Seite 31-35, erzählt, daß Hatto Adalbert unter eidlichen Zusicherung, ihn unversehrt wieder in seine Burg zurückzubringen, zu Verhandlungen mit dem König bewegt habe. Unterwegs dann habe Hatto Hunger vorgeschützt und gebeten, umkehren und in Adalberts Burg etwas essen zu dürfen. So geschah es, und Hatto konnte sich darauf berufen, seinen Eid erfüllt zu haben. In der jüngsten Fassung der Sachsengeschichte wird das Geschehen nur noch angedeutet und als vulgi rumor bezeichnet, jedoch erscheint die Geschichte in noch stärker ausgeschmückter Form bei Liudprand, Antapodosis II. 6, Seite 37-39, und findet auch in späterer Zeit viel Anklang etwa bei Thietmar, Sigebert von Gembloux und Otto von Freising. Vgl. insgesamt zur Deutung der Geschichten Althoff, Verformungen Seite 438-450.] Diese Geschichten geben für das zunächst Unbegreifliche, die Hinrichtung Adalberts, eine eigene Erklärung, und in ihrem Kern trifft diese Erklärung, nämlich der Verrat des um Vergebung bittenden BABENBERGERS durch Hatto, den listenreichen Verbündeten der KONRADINER [1013 Die Charakterisierung Hattos als eines durchtriebenen und listigen Poliktikers stimmt mit anderen Zeugnissen durchaus überein; zu erinnern wäre an die Hintergehung ARNOLFS bei den Verhandlungen von St. Goar 899 und an das von Täuschung und Verschlagenheit geprägte Bild, das Ekkehard, Casus sancti Galli c. 22-23, Seite 56-60, von der Beziehung zwischen Hatto und Salomo zeichnet. Vgl. auch die durchaus nie polemische, sondern illusionslos-verständnisvolle Beurteilung Hattos bei Widukind, Res gestae Saxonicae 1.22, Seite 33, und die ebd. Seite 33-35 erzählte Geschichte von der goldenen Kette für HEINRICH I.; vgl. Althoff, Verformungen Seite 440-444, 448-450.], sehr wahrscheinlich das Richtige.
Die Enthauptung Adalberts war eine brutale Absage an alle vorherigen Verständigungsbemühungen und ein weiteres überdeutliches Indiz dafür, „wie vollständig die Reichsregierung die Sache der KONRADINER zu der ihren gemacht hatte" [1014
Dümmler, Geschichte 3, Seite 526. Vgl. auch die Bewertung Lintzels, Miszellen Seite 233: „Die Reichspolitik ist in erster Linie konradinische Hauspolitik".]. Otto der Erlauchte war an diesen Vorgängen natürlich nicht beteiligt; da im Juni 906 die Ungarn erstmals Sachsen angegriffen hatten, war der LIUDOLFINGER vor Ort gebunden und hatte keine Möglichkeit, in Tribur oder Theres vermittelnd zugunsten seines Neffen einzugreifen. Man wird sogar vermuten können, daß Hatto und die KONRADINER bewußt den Zeitpunkt seiner Unabkömmlichkeit genutzt hatten, um den Konflikt ohne diplomatische Rücksichten ein für allemal beenden zu können [1015 Vgl. Geldner, Beiträge Seite 25; Becher, Rex Seite 179.]; freilich ist ebensogut möglich, daß Otto schon im Mai die Aussichtslosigkeit der Lage erkannt hatte und sich nun aus politischer Klugheit zurückhielt.
Adalbert blieb jedenfalls ohne alle Unterstützung, denn auch von einer Parteinahme seiner popponischen Verwandten verlautet in den Quellen nichts. Vermutlich waren die POPPONEN schon seit der 899 erfolgten Rehabilitierung Poppos II. aus dem Kreis der unbedingten KONRADINER-Gegner ausgeschieden, Poppo III. erscheint ja schon 906 wieder in mainfränkischen Machtpositionen [1016
Siehe oben Anm. 827 sowie zu Poppo III. D LdK 46 und Metz, Problem Seite 79 f. Der mit Adalbert vermutlich ebenfalls verwandte Graf Egino, den Regino, Chronicon Seite 152 zu 906, als dessen unzertrennlichen Gefährten bezeichnet, fiel wohl nicht erst 906 von ihm ab, sondern steht schon 903 auf Seiten der KONRADINER, so als Intervenient im D sp. 82 und in einem Eintrag des Reichenauer Verbrüderungsbuchs; vgl. Althoff, Amicitiae Seite 66, 270-272.]. Wie diese Rückgewinne eine Gegenleistung für sein Stillhalten in der Fehde gewesen sein könnten, so haben offenbar auch die übrigen Großen des Reiches das Vorgehen der Regentschaft gegen Adalbert unterstützt oder hingenommen und sich dafür, wie schon 903, zumindest teilweise aus den konfiszierten BABENBERGER-Gütern entlohnen lassen [1017 Regino, Chronicon Seite 152 zu 906, berichtet, daß Adalberts Vermögen unter die Großen (inter nobiliores) verteilt worden sei; unter anderem sind DD 46, 53, 60 als solche Vergabungen zu erkennen, von denen hier der Abt von Fulda, Reginar als Abt von Echternach und Hatto von Mainz profitierten. Vgl. insgesamt zur Verteilung des babenbergischen Besitzes, die wohl noch unter KONRAD I. nicht beendet war, Geldner, Beiträge, Seite 36-42.]. Entscheidend dürfte dabei die Verständigung mit Luitpold und den bayerischen Adligen gewesen sein: Da insbesondere Erchanbold und Luitpold ihrerseits Ambitionen im von den BABENBERGERN teilweise beherrschten bayerischen Nordgau hatten [1018 Vgl. Reindel, Arnulf Seite 239 f., der daneben auch die Vorbereitungen für den bayerischen Ungarnfeldzug als Motiv Luitpolds annimmt; das regionale Eigeninteresse Luitpolds betont Uffelmann, Regnum Baiern Seite 108-110. Zu Erchanbold vgl. Reindel, Luitpoldinger Nr. 30, sowie oben Anm. 854.], waren sie für ein gewaltsames Vorgehen, das auch ihnen Machtgewinn bringen würde, zweifellos leicht zu gewinnen. Insgesamt waren demnach das Ausweichen vor der konradinischen Übermacht und die Sorge um eigene Interessen die Motive, welche die anderen Adelsgruppen dazu bewogen, sich der rabiaten Ausschaltung der BABENBERGER zumindest nicht entgegenzustellen. Daß das gesamte Reich sich gegen die babenbergischen
Aggressionen mit den KONRADINERN solidarisiert habe, wird man aus den Vorgängen jedenfalls nicht herauslesen dürfen [1019
Die Deutung Bührer-Thierrys, Eveques Seie 51, die hier die „structure de gouncment par conseil" bewiesen sieht, geht daher fehl, insbesondere wenn sie meint, es sei im Interesse der Gesamtheit der fideles gegen die übermäßige Machterweiterung einer Einzelgruppe gekämpft worden.].
Wenn die KONRADINER nach ihrem Erfolg auch nicht den gesamten babenbergischen Besitz an sich gezogen hatten, sondern ihn zumindest teilweise verwendeten, um sich die weitere Unterstützung der Großen zu sichern [1020
Dietrich, Haus Seite 105-108, stellt fest, daß sich die KONRADINER auch keine weiteren Grafschaften im östlichen Franken übertragen ließen; vgl. auch Stingl, Entstehung Seite 67.], so waren sie doch nach der endgültigen Ausschaltung ihrer wichtigsten Rivalen nunmehr die unumschränkt dominierende Familie im gesamten Zentralrum des ostfränkischen Reiches und hatten ihr Gewicht auch innerhalb der Regentschaftsregierung noch einmal deutlich verstärkt. Ebenso dürfte ihr Verwandter Burchard in Thüringen jetzt einen neuen Machthöhepunkt reicht haben [1021 Siehe oben Seite 560.]. Dennoch aber hatte die gewaltsame Beseitigung Adalberts dem konradinischen Ansehen auf lange Sicht wohl nicht nur Vorteile gebracht, da nicht nur die Chronisten, sondern zweifellos auch viele Große in dieser Strategie der kompromißlosen Härte [1022 Ähnlich skrupellos wie bei Adalbert ist später auch das konradinische Vorgehen gegen Erchanger und Berthold; siehe unten Seite 627; vgl. auch Geldner, Beiträge mit Anm. 138.] alles andere als einen Ausweis politischer Führungsqualität sahen. Daß Adalbert und die BABENBERGER der legendarischen Verarbeitung des Geschehens als die eigentlichen Helden gefeiert, Hatto und die KONRADINER aber als Verräter abgestempelt wurden, ist wohl nicht nur dem Bereich der romantisierenden Volkssagen zuzuordnen, sondern kann durchaus als Indiz dafür gelten, daß die Vorgänge die Stimmung weiterer Kreise zuungunsten der KONRADINER beeinflußt hatten. Von dieser „politisch wirksamen Traditionsbildung" [1023 Wenskus, Stammesadel Seite 465.] konnten letztlich die LIUDOLFINGER als Verwandte der BABENBERGER profitieren; sie entwickelten nicht nur zum Sammelpunkt für die versprengten Reste der konradinischen Gegner [1024 Vgl. Fried, Weg Seite 445 f.; Dietrich, Haus Seite 51. Der Wiederaufstieg der POPPONEN etwa vollzog sich offensichtlich unter dem Schutz HEINRICHS I., hierzu Schmale/Störmer, Franken Seite 140; Friese, Studien Seite 118f. Persönlich erkennbar wird vor allem Heinrich, der mutmaßliche Sohn Adalberts; vgl. Geldner, Seite 31-35; Athoff, Amicitiae Seite 265.], sondern für viele zur auch politisch-moralisch besser legitimierten Alternative als Führungsmacht [1025 Vgl. Wenskus, Stammesadel Seite 465: „Die durch das tragische Geschick der Söhne des BABENBERGERS und berühmten Normannen-Siegers Heinrich für deren Familie eingenommene „Volks"-Meinung, die sich nach mehreren Zeugnissen in Liedern artikulierte, ist sicher nicht unwesentlich für den Mißerfolg KONRADS I. und für die Stabilisierung der Macht des von einer babenbergischen Mutter geborenen HEINRICH I. gewesen".].