BABENBERGER FEHDE
Klauser Heinrich: Seite 30
**************
"Lexikon deutscher Herrscher und
Fürstenhäuser"
902-906, Streit zwischen den Grafen von
Babenberg aus
dem Geschlecht der POPPONEN und den
mächtig gewordenen
KONRADINERN
um die Vormacht in Mainfranken. Nach der erfolgreichen Belagerung der Burg
Babenberg durch den Bischof von Würzburg, den KONRADINER
Rudolf (903), wurden die drei
Neffen des Grafen
Poppo (daher: POPPONEN) nach
ihrer Gefangennahme enthauptet. Auf diese "letzten
BABENBERGER" führt Bischof
Otto von Freising das Geschlecht
der österreichischen
BABENBERGER
zurück.
Offergeld Thilo: Seite 598-606
*************
"Reges pueri. Das
Königtum
Minderjähriger im frühen Mittelalter."
5.3.6.2. Konflikte im Inneren: Die Babenbergerfehde
Daß die
KONRADINER und die mit ihnen verbündeten
Bischöfe relativ großen Rückhalt für die von ihnen
geleitete Regierung gewinnen konnten, ist oben bereits dargestellt
werden, ebenso allerdings die Tatsache, daß die den KONRADINERN
feindlich gesinnten Adelsgruppen an dieser Regierung nicht beteiligt
wurden. Die Konfrontation bestand also fort, und die dominante Rolle
der KONRADINER
in der Reichspolitik mußte zwangsläufig dazu
führen, daß die Spannungen zwischen ihnen und ihren Gegnern
sich weiter verschärften [993 Vgl. Hauck, Ottonen Seite 49; Becher, Rex Seite 173. Zum
Verlauf der im folgenden geschilderten Ereignisse vgl. die
Darstellungen bei Stein, Konrad Seite 146-171; Dümmler, Geschichte
3, Seite 522-545; Geldner, Beiträge Seite 15-30; Becher, Rex
Seite 173-179; die Quellenbasis hauptsächlich Reginos
Jahresberichte zu 902,
903 und 906. Eine abweichende, ebenfalls erwägenswerte Chronologie
bei
Alfred Wendehorst, Das Bistum Würzburg. Teil 1: Die Bischofsreihe
bis 1254 (Germania Sacra N. F. 1:
Die Bistümer Kirchenprovinz Mainz. Teil 1), Berlin 1962, Seite. 54.]. Nachdem die LIUDOLFINGER
schon 900 in der
Auseinandersetzung um das lotharingische Königtum eine
empfindliche Niederlage erlitten hatten, verblieben die BABENBERGER,
insbesondere die drei mittlerweile volljährigen Söhne des
princeps militiae, Adalhard,
Heinrich und Adalbert, als die
Haupt-Widersacher der KONRADINER.
Konfliktstoff gab es zweifellos
zur Genüge [994 Die Grafschaften und Güter der BABENBERGER lagen ja
großteils in der dem KONRADINER Rudolf unterstehenden
Diözese Würzburg. Eventuell hatten sie bzw. die POPPONEN sogar
die Vogtei über die Würzburger Kirche, so Franz-Josef
Schmale, Das Bistum Würzburg und seine Bischöfe im
früheren Mittelalter, in: ZBayLG 29
(1966), Seite 616-661, hier Seite 656; vgl. auch Schmale/Störmer,
Franken
Seite 139.], und die konradinischen
Brüder
fühlten sich bald offenbar stark genug, die Heinrich-Söhne
endgültig niederzuringen. 902 kam es zur Eskalation: Gebhard,
Eberhard und Rudolf belagerten die Burg Bamberg [995 Der
Bericht Reginos, Chron. Seite 148 zu 902, scheint mir
eindeutig für einen Ausfall der BABENBERGER
und damit für die
Angreiferrolle der KONRADINER zu
sprechen, zumal auf letzteres schon
die
Anwesenheit Gebhards und Konrads in Ost-Franken deutet. Vgl.
auch Stein,
Konrad Seite 87 f.; Becher, Rex Seite 174; anders Geldner,
Beiträge Seite 19.] aus der die
BABENBERGER einen Ausfall
wagten, dabei jedoch schwer geschlagen
wurden: Heinrich fiel im Kampf, Adalhard geriet in Gefangenschaft
und
wurde auf Gebhards Befehl
enthauptet, vielleicht als Rache für den
Tod Eberhards, der seinerseits
kurz nach dem Kampf seinen Wunden
erlegen war.
Ob die
KONRADINER schon bei ihrer Belagerung geradezu offiziell im
Auftrag der Regentschaftsregierung handelten, ist nicht sicher zu sagen
[996 So
Becher, Rex Seite 174; vgl. auch Krah, Absetzungsverfahren Seite 239.], unverkennbar ist jedoch, daß der Königshof
sich nach der Schlacht sofort eindeutig auf die Seite der KONRADINER
stellte. Es gelang den Regenten auch, die Mehrzahl der Großen des
Reiches zur Unterstützung dieser Parteinahme zu bewegen. Im Juni
903 wurde in Forchheim, also im Zentrum des babenbergischen
Machtbereiches, ein Hoftag abgehalten, an dem zahlreiche, allein 31
namentlich bezeugte Adlige aus allen Teilen des Reiches teilnahmen [997 Vgl. die
26 Personen umfassende Intervenientenliste in D 20, die mit der
bezeichnenden Ausnahme Ottos des
Erlauchten alle namhaften Großen
des Reiches
aufführt. Hinzuzufügen wären noch Salomo als der
Empfänger der Urkunde
und die zusätzlichen Personen (Bischof
Deotoloh von Worms und vier
Grafen) aus der echten Intervenientenliste des Spuriums D 82, vgl.
Geldner, Beiträge Seite 21 f.]. Durch
iudicio Franchorum, Alamannorum,
Baiuuariorum, Thuringionum seu Saxonum
[998 So
in D 23 vom 9. Juli 903, der in Theres ausgestellten Schenkung für
Würzburg.] wurde der Besitz Heinrichs und
Adalhards konfisziert und wenig später an die
Würzburger
Kirche, das heißt, an den KONRADINER Rudolf
verschenkt. Auch
Konrad der Ältere profitierte
von den Strafmaßnahmen, denn
er erscheint in derselben Urkunde als Graf im zuvor babenbergischen
Gozfeld. Andere Große wiederum, besonders die Bayern, scheinen
für ihre Unterstützung entlohnt worden zu sein: Das Kloster
Fulda erhielt zahlreiche babenbergische
Güter zugewiesen [999 Dies
scheint der echte Kern des D sp. 82 zu sein; vgl. Geldner,
Beiträge Seite 37.-], und in der zweiten
Jahreshälfte 903 vergab Ludwig nicht
weniger als sieben
Schenkungsurkunden an bayerische Empfänger [1000 DD
21,22,24-28.].
Adalbert jedoch ließ
sich von der auf der Gegenseite versammelten
Übermacht nicht beeindrucken. Noch im gleichen Jahr vertrieb er
Rudolf aus seinem Bistum,
verwüstete die Güter der
Würzburger Kirche und zwang auch Eberhards
Söhne und seine
Witwe zur Flucht aus ihren ostfränkischen Besitzungen.
Erstaunlicherweise blieb der konradinische
Gegenschlag aus, so
daß Adalbert seine
Vorherrschaft in der östlichen Main-Gegend
in den folgenden Jahren nahezu unangefochten behaupten konnte. Erst 905
wurde von Reichsseite ein neuer Angriff gegen ihn geführt, den er
aber ohne größere Einbußen überstanden zu haben
scheint [1001 Die Aktion findet nur in den Annales Alamannici (Cod.
Mod.) Seite 186 zu 905 Erwähnung (franci
et alamanni ad tarisiam super
adalbertum), so daß Geldner, Beiträge Seite 23, ihr
keinen Wert beimißt. Doch wäre zu vermuten, daß Regino
die Nachricht unterdrückte, um Adalberts
Vorgehen im folgenden
Jahr als
Aggression darstellen zu können.]; der
Königshof wagte sich sogar September 906 wieder in seinen
Machtbereich vor. Diese jahrelang unentschiedene Situation dürfte
darauf hindeuten, daß durchaus nicht alle Großen des
Reiches mit der völligen Ausschaltung der BABENBERGER und der
Übernahme ihrer Machtpositionen durch die KONRADINER
ohne weiteres
einverstanden waren, zumindest waren sie wohl nicht für eine
militärische Beteiligung an den Kämpfen zu gewinnen [1002 Zu
denken ist hier inbesondere an die Bayern, die am
Reichsheer von 905 offenkundig nicht beteiligt waren und die aufgrund
eigener Ambitionen im babenbergischen
Machtbereich auf ein gemeinsames
Vorgehen gedrungen haben könnten. 906 ist Luitpold jedenfalls an
der
Ausschaltung Adalberts
beteiligt, siehe unten Seite 603.]. Die
Integrations- und Handlungsfähigkeit der
Regentschaft erscheint hier also schon in erstaunlichem Maße
reduziert, da dem erklärten Feind der Reichsregierung über
Jahre hinweg kein entschlossener Widerstand entgegengesetzt werden
kann. Der Eindruck wird bestätigt durch die Nachrichten aus
anderen Teilen des Reiches: Bayern wird immer wieder von ungarischen
Überfällen heimgesucht, ohne daß von Reichsseite
Abwehrmaßnahmen ergriffen würden [1003 Für
900,901,903 und 904/05 wird von Zusammenstößen
zwischen Bayern und Ungarn berichtet, freilich hatten diese
Überfälle
wohl noch nicht die Dimension späterer Jahre, siehe unten Seite
607 f.], und Lotharingien wie Alemannien werden
von Fehden und Mordtaten erschüttert, die ungeahndet bleiben [1004 In
Lotharingien war schon 901 mit der Ermordung des
WALAHONEN und MATFRIDINGER-Verbündeten Stephan
die Kette der auf
den
Megingaud-Mord folgenden
Racheaktionen fortgesetzt worden (Regino,
Chronicon Seite 149 zu 901; vgl. Hlawitschka,
Lotharingien Seite 190); in Alemannien wurden 903 die drei
Söhne des Grafen Ato erschlagen,
eine Bluttat, die nach Arno
Borst,
Mönche am Bodensee 610-1525 (Bodenseebibliothek 5), Sigmaringen
1978,
Seite 73 f., sogar in den weiteren Zusammenhang des BABENBERGER-Kampfes
gehören und auf das Konto der KONRADINER-Verkündeten
gehen
könnte;
vgl. Annales Alamannici (Cod. Tur.) Seite 186 zu 903; Hermann der
Lahme,
Chronicon Seite 111 zu 902; vgl. auch Borgolte, Grafen Seite 63 f. In
diesen
Kontext der Fehden und Gewalttaten gehört wohl auch die
zusammenfassende Wertung der Annales Alamannici (Cod. Mod.) Seite 184
zu 899: arnulfus
imp. obiit et
hludouuicus filius eius
sub quo omnia
bong pace disiuncta hunt in regnum elevatur.].
Zerstrittenheit und Führungslosigkeit bestimmen denn auch das
Bild, das Salomo von Konstanz
von der Lage des Reiches in diesen Jahren
zeichnet. In seinem berühmten Briefgedicht an Bischof Dado von
Verdun, wohl 904/05 entstanden [1005
Vgl. Wattenbach/Levison/Löwe, Geschichtsquellen Seite 755-759. Zum
folgenden vgl. die häufig zitierten Passagen bei Salomo, Carmina
Seite 301f., Zeile 116-185, besonders Zeilen 116-118.],
beklagt Salomo in eindrücklicher Weise Entzweiung und Hader, die
das ganze Volk durchziehen und selbst Mitbürger und
Stammesgenossen gegeneinander kämpfen lassen. Gesetzlosigkeit
bestimmt das Bild, und gerade die Großen, die als defensores
patriae doch zu anderem berufen sein sollten, streiten ebenso
wie alle
anderen. Den Verwüstungen der furchtbaren Ungarn tritt niemand
entgegen, und auch von Westen her bedrohen Feinde das Reich [1006 Salomo,
Carmina Seite 300, Zeile 74-88. Bei der Schilderung der
Ungarneinfälle hatte Salomo
wohl vornehmlich die
Verhältnisse in Italien vor Augen, das er 904 besucht hatte. Die
Bedrohung durch West-Franken, wahrscheinlich durch Ambitionen Karls des
Einfältigen
auf Lotharingien, wird allgemein aus der die
Reichsklage einleitenden Zeile 115 erschlossen: Sed (te Sulpici, ne
Gallus id audiat, affor); vgl. Eckel, Charles Seite 96 Anm. 2;
Wattenbach/Levison/Löwe, Geschichtsquellen Seite 756 Anm. 340;
Reyroth,
Volkssprache Seite 315. Zu widersprechen ist Rexroth allerdings, wenn
er
aus dieser anderen Bedrohung eine 'nationale' Interpretation des
Gedichtes ableitet und (ähnlich wie schon in den 1930-er
Jahren Heinrich Günter, Die Bischöfe und die deutsche
Einheit im Hochmittelalter, in: HJb 55 (1935), Seite 143-159, hier
Seite 143f.) Salomos Klage als
Beleg für ein „voll
ausgeprägtes
ostfränkisch-deutsches Volksbewußtsein" (Seite 313) wertet.
Dem unvoreingenommenen Blick bietet der Text keinen echten Beleg
für eine solche Deutung, auch der unus populus (Zeile 129) ist hier
natürlich kein „Volk im ethnischen Sinne" (Seite 314), sondern der
den einzelnen nationes
übergeordnete, auf das regnum
beizogene
Personenverband; vgl. Beumann, Bedeutung Seite 352.]. Den Grund für diesen
heillosen Zustand sieht Salomo
in dem Fehlen der königlichen
Gewalt, die dem haltlosen Volk die rechten Wege weisen und die von
außen eindringenden Feinde zurückschlagen würde [1007 Salomo,
Carmina Seite 302 Zeile 165 f.: Regia
si turmis esset prelata potestas,/Non adeo temere fluitaret mobilis ordo;
Zeile 173-176. Barbaries quesita
domi
censuque coacta/Christicolum populis, cum rex mandaverat illis,/
Coetus catholicos, quia rex
nondirigit ipsos,/Infra tecta capit
censumque cruore reposcit.]. Von dem
kindlichen König, so sein ungeschöntes Urteil, ist in dieser
Hinsicht nichts zu erwarten; von der Regentschaft, die die fehlende
Autorität offenbar nicht ersetzen kann, ist erst gar keine Rede:
„Allenthalben fehlen die Lenker, die Zucht verfällt, und es erhebt
sich ihr Gegenteil.... Die Schwäche des Kindes, das nur den Namen
des Königs führt, hat uns seit langer Zeit eines Herrschers
beraubt. Sein Alter ist weder brauchbar im Kampf noch fähig, die
Gesetze zu handhaben, da seine Abstammung ihm Reich und Zepter
verliehen hat. Der zarte Körper und die erst spät reifenden
Kräfte flößen den eigenen Leuten Verachtung, den
Feinden aber Kühnheit ein. Wie fürchte ich mein teures Haupt,
wie oft denke ich an die Weissagung desjenigen, der ausrief 'Wehe
über das Volk, das unter der Herrschaft eines jungen Königs
steht [1008 Salomo, Carmina Seite 302 Zeile 170f.; Seite 177-785.... desunt
ubicumque regentes,/Disciplina cadit,
huic et contraria surgit. ...
Principe destituit multo nos
tempore languor/Infantilis adhuc
perfungens nomine regis;/Aetas nec pugne est habilis nec legibus
apta,/Cui genus indulget regnis sceptroque potiri,/Sed tenerum corpus
sereque ad fortia vires/Despectum propriis generant et hostibus
ausum,/Quam vereor, mi dulce caput, quam sepe revolvo/Illius eulogium,
qui vae portendere genti,/Supra
quam iuvenis staret dominatio regis,/Asseruit ... Die
Anspielung
bezieht
sich natürlich auf die oben bereits erwähnte 'klassische'
Kindkönigswarnung aus Eccles. 10,16 (Vae tibi,
terra, cuius rex puer est). Die obige Übersetzung in
Anlehnung an
Dümmler, Geschichte 3, Seite 528, und Kölzer, Königtum
Seite 291.].
Vielleicht war es sogar eben diese Tatenlosigkeit der Regentschaft, die
ihre Gegner Anfang 906 schließlich in die Offensive gehen
ließ. Während die MATFRIDINGER
in Lotharingien die Abteien
der KONRADINER
gewaltsam besetzten und so Konrad den
Jüngeren mit
einem Heer auf sich zogen, griff Adalbert
die dadurch geschwächte
KONRADINER-Macht
in Franken an. Die zeitliche Koinzidenz dieser
Attacken legt die Annahme einer Absprache beider KONRADINER-Gegner
nahe, die sehr wohl durch Otto den
Erlauchten als gemeinsamen
Verwandten vermittelt worden sein könnte [1009 Vgl.
Büttner/Dietrich, Weserland Seite 143; Becher, Rex Seite 178.]. Im Unterschied zu den bald zurückgeschlagenen
MATFRIDINGERN gelangen Adalbert seine Kriegslisten: Er
besiegte bei
Fritzlar das Heer Konrads des
Älteren, der in der Schlacht fiel,
plünderte die hessischen Lande und kehrte schließlich in
seine Feste Bamberg zurück.
Nach diesen Ereignissen konnte der Hof nicht länger untätig
bleiben. Allerdings verdient Beachtung, daß es nicht zu einer
sofortigen Straf- oder Racheaktion kam, sondern zunächst offenbar
der Konsens der übrigen Großen für das weitere Vorgehen
gesucht werden mußte. Im Mai 906 scheinen in Holzkirchen sogar
die Möglichkeiten einer Verständigung der feindlichen Lager
sondiert worden zu sein, denn hier erschien neben Hatto, Adalbero,
Luitpold und zahlreichen
anderen Großen auch Otto der
Erlauchte
zum erstenmal seit Jahren wieder am Königshof. Die KONRADINER
selbst waren dagegen nicht vertreten, so daß wohl Hatto und Otto
als Verhandlungsführer für die jeweiligen Hauptkontrahenten
aufgetreten sein dürften [1010 Vgl. Geldner, Beiträge Seite 24.].
Eine Einigung konnte in Holzkirchen jedoch nicht herbeigeführt
werden. Adalbert wurde zu
einem Hoftag nach Tribur geladen und, als er
dort nicht erschien, von einem Reichsheer in seiner Burg Theres
belagert. Als der BAMBERGER
sich nach längerer Belagerung zu
König Ludwig begab, um Schutz
zu suchen und seine Unterwerfung
anzubieten, wurde er in Haft genommen,
zum Tode verurteilt und
schließlich vor versammelter Heeresmannschaft enthauptet. Der
Grund für diesen außergewöhnlichen und
aufsehenerregenden Vorgang war laut Reginos parteigefärbtem
Bericht, daß Anhänger Adalberts
dem König die
Besserungsversprechen des BABENBERGERS
als hinterlistige Täuschung
aufgedeckt hätten. Jedoch lassen die kurzen Berichte der anderen
Quellen und vor allem der auffallende Gegensatz zwischen dem von Regino
dargestellten Verfahren und den in vergleichbaren Situationen sonst
üblichen Unterwerfungs- und Verhandlungsgebräuchen diese
Deutung ganz unglaubhaft erscheinen. Viel wahrscheinlicher ist demnach,
daß Adalbert durch
falsche Zusicherungen Hattos von Mainz
und
wohl auch Markgraf Luitpolds getäuscht
und auf diese Weise in eine
tödliche Falle gelockt worden war [1011 Wichtig vor allem die Zeugnisse der Annales Alamannici
(Cod. Mod.) Seite 186 zu 906: item hludouuicus
super adalbertum et ille
ficta fide deceptus capite decollatur, der Annales Laubacenses
Seite 187
zu 907: adalbertus ficta fide episcoporum deceptus capite
decollatus est;
sowie Hermann der Lahme, Chronicon Seite 111 f. zu 907: Adalpertus
...
perfidia, ut fama est, Hattonis
archiepiscopi et cuiusdam Liutpaldi,
de quibus plurimum confidebat,
ad Ludowicum regem spe pactionis
adductus,
decollari iussus est; vgl. zur Beteiligung Luitpolds auch
Reindel,
Luitpoldinger Seite 57-60; Brunner, Gruppen Seite 164 f.]. Um diese spektakulären Ereignisse und insbesondere
um die undurchsichtige Rolle des Erzbischofs
Hatto sind in der
Folgezeit Geschichten gesponnen worden, die zwar legendarischen
Charakter haben, jedoch nach der überzeugenden Analyse Gerd
Althoffs aus politisch erfahrenen und sehr gut informierten Kreisen
hervorgegangen sein müssen [1012 Widukind, Res gestae Saxonicae 1.22, Seite 31-35,
erzählt, daß Hatto Adalbert
unter eidlichen Zusicherung, ihn
unversehrt wieder in seine Burg
zurückzubringen, zu Verhandlungen mit dem König bewegt habe.
Unterwegs dann habe Hatto
Hunger vorgeschützt und gebeten, umkehren
und in Adalberts Burg etwas
essen zu dürfen. So geschah es, und
Hatto konnte
sich darauf berufen, seinen Eid erfüllt zu haben. In der
jüngsten Fassung der Sachsengeschichte wird das Geschehen nur noch
angedeutet und als vulgi rumor
bezeichnet, jedoch erscheint die Geschichte in
noch stärker ausgeschmückter Form bei Liudprand, Antapodosis
II. 6, Seite
37-39, und findet auch in späterer Zeit viel Anklang etwa bei
Thietmar, Sigebert von Gembloux und Otto von Freising.
Vgl. insgesamt zur Deutung der Geschichten Althoff, Verformungen Seite
438-450.] Diese Geschichten geben für das
zunächst Unbegreifliche, die Hinrichtung Adalberts, eine eigene
Erklärung, und in ihrem Kern trifft diese Erklärung,
nämlich der Verrat des um Vergebung bittenden BABENBERGERS durch
Hatto, den listenreichen
Verbündeten der KONRADINER [1013 Die
Charakterisierung Hattos als
eines durchtriebenen
und listigen Poliktikers stimmt mit anderen Zeugnissen durchaus
überein; zu
erinnern wäre an die Hintergehung ARNOLFS bei
den Verhandlungen
von
St. Goar 899 und an das von Täuschung und Verschlagenheit
geprägte Bild,
das Ekkehard, Casus sancti Galli c. 22-23, Seite 56-60, von der
Beziehung
zwischen Hatto und Salomo zeichnet. Vgl. auch die
durchaus nie
polemische, sondern illusionslos-verständnisvolle Beurteilung
Hattos bei
Widukind, Res gestae Saxonicae 1.22, Seite 33, und die ebd. Seite
33-35
erzählte Geschichte von der goldenen Kette für HEINRICH I.;
vgl. Althoff,
Verformungen Seite 440-444, 448-450.], sehr
wahrscheinlich das Richtige.
Die Enthauptung Adalberts war
eine brutale Absage an alle vorherigen
Verständigungsbemühungen und ein weiteres überdeutliches
Indiz dafür, „wie vollständig die Reichsregierung die Sache
der KONRADINER
zu der ihren gemacht hatte" [1014 Dümmler,
Geschichte 3, Seite 526. Vgl. auch die Bewertung Lintzels, Miszellen
Seite 233: „Die Reichspolitik ist in erster Linie konradinische
Hauspolitik".]. Otto
der Erlauchte war an
diesen Vorgängen natürlich nicht beteiligt; da im Juni 906
die Ungarn erstmals Sachsen angegriffen hatten, war der LIUDOLFINGER
vor Ort gebunden und hatte keine Möglichkeit, in Tribur oder
Theres vermittelnd zugunsten seines Neffen einzugreifen. Man wird sogar
vermuten können, daß Hatto
und die KONRADINER
bewußt
den Zeitpunkt seiner Unabkömmlichkeit genutzt hatten, um den
Konflikt ohne diplomatische Rücksichten ein für allemal
beenden zu können [1015 Vgl. Geldner, Beiträge Seite 25; Becher, Rex Seite 179.]; freilich ist ebensogut möglich, daß Otto schon
im Mai die Aussichtslosigkeit der Lage erkannt hatte und sich nun aus
politischer Klugheit zurückhielt.
Adalbert blieb jedenfalls ohne
alle Unterstützung, denn auch von
einer Parteinahme seiner popponischen
Verwandten verlautet in den
Quellen nichts. Vermutlich waren die POPPONEN
schon seit der 899
erfolgten Rehabilitierung Poppos II. aus
dem Kreis der unbedingten
KONRADINER-Gegner
ausgeschieden, Poppo III.
erscheint ja schon 906
wieder in mainfränkischen Machtpositionen [1016 Siehe
oben Anm. 827 sowie zu Poppo III. D
LdK 46 und Metz, Problem Seite 79
f. Der mit Adalbert vermutlich
ebenfalls verwandte Graf Egino,
den
Regino, Chronicon Seite 152 zu 906, als dessen unzertrennlichen
Gefährten bezeichnet, fiel wohl nicht erst 906 von ihm ab, sondern
steht schon 903 auf Seiten der KONRADINER,
so als Intervenient im D sp.
82 und in einem Eintrag des Reichenauer Verbrüderungsbuchs; vgl.
Althoff, Amicitiae Seite 66, 270-272.]. Wie
diese Rückgewinne eine Gegenleistung für sein Stillhalten in
der Fehde gewesen sein könnten, so haben offenbar auch die
übrigen Großen des Reiches das Vorgehen der Regentschaft
gegen Adalbert
unterstützt oder hingenommen und sich dafür,
wie schon 903, zumindest teilweise aus den konfiszierten
BABENBERGER-Gütern
entlohnen lassen [1017 Regino,
Chronicon Seite 152 zu 906, berichtet, daß
Adalberts Vermögen unter
die Großen (inter nobiliores)
verteilt worden
sei; unter anderem sind DD 46, 53, 60 als solche Vergabungen zu
erkennen,
von denen hier der Abt von Fulda, Reginar
als Abt von Echternach
und
Hatto von Mainz profitierten.
Vgl. insgesamt zur Verteilung des
babenbergischen Besitzes, die
wohl noch unter KONRAD
I. nicht beendet
war, Geldner, Beiträge, Seite 36-42.].
Entscheidend dürfte dabei die Verständigung mit Luitpold und
den bayerischen Adligen gewesen sein: Da insbesondere Erchanbold und
Luitpold ihrerseits Ambitionen
im von den BABENBERGERN
teilweise
beherrschten bayerischen Nordgau hatten [1018 Vgl.
Reindel, Arnulf Seite 239 f., der daneben auch die
Vorbereitungen für den bayerischen Ungarnfeldzug als Motiv
Luitpolds
annimmt; das regionale Eigeninteresse Luitpolds
betont Uffelmann,
Regnum
Baiern Seite 108-110. Zu Erchanbold
vgl. Reindel, Luitpoldinger Nr. 30,
sowie oben Anm. 854.], waren sie für ein
gewaltsames Vorgehen, das auch ihnen Machtgewinn bringen würde,
zweifellos leicht zu gewinnen. Insgesamt waren demnach das Ausweichen
vor der konradinischen
Übermacht und die Sorge um eigene
Interessen die Motive, welche die anderen Adelsgruppen dazu bewogen,
sich der rabiaten Ausschaltung der BABENBERGER
zumindest nicht
entgegenzustellen. Daß das gesamte Reich sich gegen die
babenbergischen
Aggressionen mit den KONRADINERN
solidarisiert habe, wird man aus den
Vorgängen jedenfalls nicht herauslesen dürfen [1019 Die
Deutung Bührer-Thierrys, Eveques Seie 51, die hier
die „structure de gouncment par conseil" bewiesen sieht, geht daher
fehl, insbesondere wenn sie meint, es sei im Interesse der Gesamtheit
der
fideles gegen die
übermäßige Machterweiterung einer Einzelgruppe
gekämpft
worden.].
Wenn die KONRADINER
nach ihrem Erfolg auch nicht den gesamten
babenbergischen Besitz an sich
gezogen hatten, sondern ihn zumindest
teilweise verwendeten, um sich die weitere Unterstützung der
Großen zu
sichern [1020 Dietrich, Haus Seite 105-108, stellt fest, daß sich
die
KONRADINER
auch keine weiteren Grafschaften im östlichen Franken
übertragen ließen; vgl. auch Stingl, Entstehung Seite 67.], so waren sie doch nach der endgültigen Ausschaltung
ihrer wichtigsten Rivalen nunmehr die unumschränkt dominierende
Familie im gesamten Zentralrum des ostfränkischen Reiches und
hatten ihr Gewicht auch innerhalb der Regentschaftsregierung noch
einmal deutlich verstärkt. Ebenso dürfte ihr Verwandter
Burchard in Thüringen jetzt einen neuen
Machthöhepunkt reicht
haben [1021 Siehe oben Seite 560.]. Dennoch aber
hatte die gewaltsame Beseitigung Adalberts
dem
konradinischen Ansehen
auf lange Sicht wohl nicht nur Vorteile gebracht, da nicht nur die
Chronisten, sondern zweifellos auch viele Große in dieser
Strategie der kompromißlosen Härte [1022 Ähnlich skrupellos wie bei
Adalbert ist später auch
das
konradinische Vorgehen
gegen Erchanger und Berthold; siehe unten Seite
627;
vgl. auch Geldner, Beiträge mit Anm. 138.]
alles andere als einen Ausweis politischer Führungsqualität
sahen. Daß Adalbert und
die BABENBERGER der
legendarischen
Verarbeitung des Geschehens als die eigentlichen Helden gefeiert, Hatto
und die KONRADINER
aber als Verräter abgestempelt wurden, ist wohl
nicht nur dem Bereich der romantisierenden Volkssagen zuzuordnen,
sondern kann durchaus als Indiz dafür gelten, daß die
Vorgänge die Stimmung weiterer Kreise zuungunsten der KONRADINER
beeinflußt hatten. Von dieser „politisch wirksamen
Traditionsbildung" [1023 Wenskus, Stammesadel Seite 465.]
konnten letztlich die LIUDOLFINGER
als Verwandte der BABENBERGER
profitieren; sie entwickelten nicht nur
zum Sammelpunkt für die versprengten Reste der konradinischen
Gegner [1024 Vgl. Fried, Weg Seite 445 f.; Dietrich, Haus Seite 51. Der
Wiederaufstieg der POPPONEN
etwa vollzog sich offensichtlich unter dem
Schutz HEINRICHS
I., hierzu Schmale/Störmer, Franken Seite 140;
Friese,
Studien Seite 118f. Persönlich erkennbar wird vor allem Heinrich,
der
mutmaßliche Sohn Adalberts;
vgl. Geldner, Seite 31-35; Athoff,
Amicitiae
Seite 265.], sondern für viele zur auch
politisch-moralisch besser legitimierten Alternative als
Führungsmacht [1025 Vgl. Wenskus,
Stammesadel Seite 465: „Die durch das tragische Geschick der Söhne
des BABENBERGERS und
berühmten Normannen-Siegers
Heinrich für
deren Familie eingenommene „Volks"-Meinung, die sich nach mehreren
Zeugnissen in Liedern artikulierte, ist sicher nicht unwesentlich
für den Mißerfolg KONRADS I.
und für die Stabilisierung der Macht des von einer babenbergischen
Mutter
geborenen HEINRICH
I. gewesen".].