Adalbert hinterließ zwei Söhne, Otto
und Siegfried, von denen hier vor allem der erste als Vater Albrechts
des Bären interessiert. Ihr Verhältnis als Brüder geht
aus der bereits herangezogenen Stelle des Annalista Saxo hervor. Sie scheint
zugleich darauf hinzuweisen, daß Otto der Ältere war,
da er als Graf vor Siegfried, der es immerhin zum Pfalzgrafen bei
Rhein gebracht hatte, genannt wird. Der Vater Albrechts des Bären
ist
zwischen 1083 und 1123 vierzehnmal urkundlich erwähnt. Auf eine Teilung
der geerbten Güter und Ämter könnte die Tatsache hindeuten,
daß Otto 1083 als Inhaber von Grafenrechten im Schwabengau
[Hierbei wird das Dorf Hedersleben östlich von Halberstadt genannt.],
Siegfried
hingegen als Graf im Nordthüringgau auftritt [In diesem Zusammenhang
erscheinen die Orte Oschersleben und das benachbarte Peseckendorf zwischen
Halberstadt und Magdeburg.].
Später scheinen alle von Adalbert hinterlassenen
askanischen
Besitzungen an Otto gefallen zu sein, während
Siegfried
die weimar-orlamündischen Ansprüche der Mutter übernahm
[Otto von Heinemann: Albrecht der Bär (wie EN 1), Seite 22 f. mit
Anmerkung 74-77 (Seite 306-308). - Nach zwei Kaiserurkunden vom 27. August
1111 (CDA 1, Nr. 177 f.) hatte das thüringische Kloster Reinhardsbrunn
(bei Friedrichroda) das Gut Steinfirst unter anderem von
Pfalzgraf Siegfried
erworben. Das könnte ein Indiz für Besitzungen des ASKANIERS
in Thüringen sein, ohne daß damit natürlich etwas über
deren Herkunft gesagt wird. Allerdings ist Vorsicht geboten, denn beide
Urkunden gehören zu den bekannten Fälschungen des Klosters.].
Damit endeten die Turbulenzen in Sachsen jedoch nicht,
denn das Jahr 1112 brachte noch einen zweiten Anlaß zum Streit zwischen
HEINRICH
V. und Teilen der sächsischen Großen. Wieder war
die
askanische Familie betroffen, wenn auch zunächst Ottos
Bruder. Gewiß wird aber der Ballenstedter Graf die Angelegeneheit
aufmerksam verfolgt haben. Denn sie konnte plötzlich seine eigene
werden - zum Beispiel durch Aussterben der Linie Siegfrieds, was
bei der damaligen Lebensweise des Adels mitunter recht schnell ging. Ob
Otto
eingriff,
überliefern die Quellen allerdings nicht. Den neuen Zwiste entfachte
der Tod des Grafen Ulrich II. von Weimar-Orlamünde, der am 13. Mai
1112 ohne männliche Nachkommen starb. Sein gleichnamiger Vater war
der Sohn eines Bruders des oben erwähnten Markgrafen Otto von Meißen,
Grafen von Weimar-Orlamünde, dessen Tochter Adelheid die ASKANIER
Otto und Siegfried
geboren hatte. Ulrich II. ist bekanntlich
ein Sohn der
ungarischen Königs-Tochter Sophia
gewesen, die nach dem Tode ihres ersten Mannes (1070) Herzog Magnus von
Sachsen heiratete und dem letzten
BILLUNGER Eilika, die spätere
Gemahlin Ottos von Ballenstedt
schenkte.
Doch nicht dieser, sondern dessen Bruder Siegfried,
der wohl von der Mutter Adelheid zumindest bereits Ansprüche
auf weimar-orlamündische Güter besaß, forderte nun
die Hinterlassenschaft Ulrichs. Damit wollte der rheinische Pfalzgraf die
Stellung in Thüringen sicher noch weiter stärken, denn durch
seine Gemahlin Gertrud [Gertrud ist eine Tochter des Grafen
Heinrichs des Fetten von Northeim, dessen Vater Otto als Widersacher HEINRICHS
IV. bekannt wurde. Da ihre Schwester Richenza
LOTHAR VON SÜPPLINGENBURG geheiratet hatte, waren Siegfried
und Otto der Reiche mit dem Herzog verschwägert.] hatte er
offenbar bereits Güter an der Werra im Grenzraum zwischen Hessen und
Thüringen erhalten. Doch HEINRICH V.,
der Siegfried erst 1111 nach der Rückkehr von der Kaiserkrönung
auf Verwendung fürstlicher Standesgenossen die Freiheit geschenkt
[Zur Jahreswende 1108/09 war der Pfalzgraf von Heinrich von Limburg (Herzog
von Nieder-Lothringen 1101-1106) vor dem König des Hochverrats bezichtigt
worden, der ihn darauf vom Bischof von Würzburg inhaftieren ließ.
- Siegfried war nach dem Urteil des Chronisten Ekkehard von Aura
vir
nobilissimus et suo in tempore nulli in omni probitate secundus (MG
SS 6, Seite 247). - Siehe zu dem Pfalzgrafen Siegfried auch Hermann
Wäschke: Anhaltinische Geschichte. Band 1: Geschichte Anhalts von
den Anfängen bis zum Ausgang des Mittelalters. Cöthen 1912, Seite
73-79.], dann sogar bei der Taufe eines Sohnes des ASKANIERS Gevatter
gestanden hatte, ging jetzt daran, die Allodien Ulrichs II. einzuziehen.
Es muß allerdings eingeräumt werden, daß Siegfrieds
Anspruch
auf recht schwachen Füßen stand, da er nur über seine Mutter
mit dem ausgestorbenen Grafenhaus verwandt war.
Kaum hatte der Herrscher Sachsen im Sommer 1112 verlassen,
erschien der Pfalzgraf im Harzraum, wo sich nicht wenige sächsische
Fürsten nach der von ihnen als neuen ungerechten kaiserlichen Eingriff
in ihre Angelegenheiten empfundenen Entscheidung des SALIERS
gegen diesen verbanden. Auf Siegfrieds Seite traten Herzog
Lothar von Sachsen, Rudolf von Stade, der Verwalter der Nordmark,
Pfalzgraf Friedrich von Sachsen, Ludwig der Springer von Thüringen,
Wiprecht von Groitzsch und Bischof Reinhard von Halberstadt. Hinter ihnen
stand Gertrud, die Schwiegermutter des Herzogs und des rheinischen Pfalzgrafen,
die als Witwe Heinrichs von Northeim den Rivalen ihres Bruders, Heinrich
von Eilenburg aus dem Hause WETTIN geheiratet hatte.
HEINRICH V. handelte
rasch. Ende 1112 ließ er den Metropoliten Adalbert verhaften, und
zur Jahreswende forderte er von Erfurt aus zum Kampf gegen Siegfried
auf. Anfang 1113 nahm er Halberstadt sowie die zwischen Wolfenbüttel
und Goslar gelegene bischöflich-halberstädtische Burg Hornburg.
Das verhinderten Bischof Reinhard und Pfalzgraf Siegfried nicht,
obwohl sie mit ihrem Aufgeboten in der Nähe standen. Nach diesen Erfolgen
betraute der Kaiser Graf Hoyer von Mansfeld mit dem weiteren Kampf gegen
die Aufrührer und verließ Sachsen. Seinem Feldhauptmann gelang
kurz darauf ein neuer Schlag: Am 21. Februar 1113 überfiel Hoyer Siegfried,
Ludwig den Springer und Wiprecht, die bei Warnstedt an der Teufelsmauer
(nördlich von Thale) eine Zusanmnmenkunft abhielten. Der GROITZSCHER
geriet schwer verwundet in Gefangenschaft, während der Graf von Thüringen
und der rheinische Pfalzgraf mit knapper Not entkamen. Auch dieser hatte
Verletzungen davongetragen, denen er am 9. März erlag.
Auch die beiden unmündigen Söhne Siegfrieds
traf es hart: Die Pfalzgrafschaft am Rhein erhielt Gottfried von Calw.
Außerdem ließ sich der Kaiser durch ein Fürstengericht
die WEIMARER Allode zusprechen. Obendrein wurden Siegfried II.
und Wilhelm wohl große Teile der väterlichen Eigengüter
vorenthalten.Von Interesse wäre es nun zu wissen, was ihr Oheim Otto
von Ballenstedt in dieser Lage unternahm. Versuchte er, die Ansprüche
seiner jungen Neffen zu verteidigen oder gar, sie für sich selbst
geltend zu machen? Betrachtete er ihre Realisierung als aussichtslos? Zögerte
er vielleicht, weil er sich für ein direktes Engagement zu schwach
fühlte, abwarten wollte oder mit anderen Dingen befaßt war?
Eigentlich dürfte wohl vermutet werden, daß
Graf Otto
damals alles daran gesetzt hatte, die weimar-orlamündische
Besitzungen oder zumindest den Anspruch darauf seinem Hause zu behaupten.
Die herrische Politik des letzten SALIERS
- der ihn zwar 1112 zum Herzog erhoben, kurz darauf aber wieder fallengelassen
hatte - in Sachsen und Thüringen müßte den BALLENSTEDTER
in der Tat erbittert und an die Seite der sächsischen Opposition geführt
haben. Schließlich deutet Ottos Name unter dem schon genannten
Aufruf von etwa 1108 darauf hin, daß der Graf zu den aktiven unter
den Fürsten des östlichen Sachsen zu zählen ist.