Adalbert hinterließ zwei Söhne, Otto
und Siegfried, von denen hier vor allem der erste als Vater Albrechts
des Bären interessiert. Ihr Verhältnis als Brüder geht
aus der bereits herangezogenen Stelle des Annalista Saxo hervor. Sie scheint
zugleich darauf hinzuweisen, daß Otto der Ältere war,
da er als Graf vor Siegfried, der es immerhin zum Pfalzgrafen bei
Rhein gebracht hatte, genannt wird. Der Vater Albrechts des Bären
ist
zwischen 1083 und 1123 vierzehnmal urkundlich erwähnt. Auf eine Teilung
der geerbten Güter und Ämter könnte die Tatsache hindeuten,
daß Otto 1083 als Inhaber von Grafenrechten im Schwabengau
[Hierbei wird das Dorf Hedersleben östlich von Halberstadt genannt.],
Siegfried
hingegen als Graf im Nordthüringgau auftritt [In diesem Zusammenhang
erscheinen die Orte Oschersleben und das benachbarte Peseckendorf zwischen
Halberstadt und Magdeburg.].
Später scheinen alle von Adalbert hinterlassenen
askanischen Besitzungen an Otto gefallen zu sein, während Siegfried
die weimar-orlamündischen Ansprüche der Mutter übernahm
[Otto von Heinemann: Albrecht der Bär (wie EN 1), Seite 22 f. mit
Anmerkung 74-77 (Seite 306-308). - Nach zwei Kaiserurkunden vom 27. August
1111 (CDA 1, Nr. 177 f.) hatte das thüringische Kloster Reinhardsbrunn
(bei Friedrichroda) das Gut Steinfirst unter anderem von Pfalzgraf Siegfried
erworben. Das könnte ein Indiz für Besitzungen des ASKANIERS
in Thüringen sein, ohne daß damit natürlich etwas über
deren Herkunft gesagt wird. Allerdings ist Vorsicht geboten, denn beide
Urkunden gehören zu den bekannten Fälschungen des Klosters.].
Otto
ist - wie gesagt - der erste ASKANIER, den eine zeitgenössische
Urkunde als Grafen von Ballenstedt bezeichnet, und zwar 1106. Was
dessen Haltung zum Reichsoberhaupt anbetrifft, sind wir höchst unzureichend
informiert. Als sich König HEINRICHV.
Ende des Jahres 1104 gegen seinen Vater, Kaiser
HEINRICH IV., stellte, gehörte offenbar auch Otto der
Reiche zu denen, die der Opposition beitraten.
Das Jahr 1106 brachte Veränderungen in Sachsen,
die gerade auch für das Haus ASKANIEN Bedeutung erlangen sollten.
Das Geschlecht der BILLUNGER starb mit Magnus im Mannesstamm aus.
Somit traten die politischen Folgen der Ehe Ottos von Ballenstedt ein.
Der Graf hatte nämlich Eilika, einer der beiden Töchtern
des Herzogs Magnus und seiner Gemahlin Sophie
- deren Vater König Bela I. von Ungarn (1061-1063)
war
-, die Hand gereicht [Sophia war zunächst
mit Graf Wilhelm IV. von Weimar-Orlamünde verlobt, nach dessen Tode
(1062) ehelichte sie dessen Neffen Ulrich I., Markgrafen von Krain und
Istrien, Grafen von Weimar-Orlamünde, der 1070 starb (Annalista Saxo
zu 1062 und 1106 (MG SS 6, Seite 693, 744). Ihrem zweiten Gemahl, Herzog
Magnus von Sachsen, gebar Sophia die
Töchter Wulfhild, wohl spätestens um 1075, und Eilika,
anscheinend um 1080. Siehe dazu Ruth Bork: Die Billunger. Mit Beiträgen
zur Geschichte des deutsch-wendischen Grenmzraumes im 10. und 11. Jahrhudnert.
Diss. Greifswald 1951, Seite 189 f.; Gerd Althoff: Die Billunger in der
Salierzeit, In: Stafan Weinfurter unter Mitarbeit von helmuth Kluger (Hg.):
Die Salier und das Reich, Band 1: Salier, Adel und Reichsverfassung 2.
Auflage Sigmaringen 1992, Seite 309-329. Die Eheschließung zwischen
Otto
und
Eilika erfolgte wohl um 1095 bis 1100; für die erste der beiden
Jahreszahlen Otto von Heinemann: Albrecht der Bär (wie EN 1), Seite
319, Anmerkung 6. - Nach den Stader Annalen (MG SS 16), Seite 326 (zu 1144),
wollte erst der 1106 gestorbene Markgraf Udo III. von der Nordmark aus
dem Hause STADE Eilika zur Gemahlin nehmen, lernte dann aber beim
Grafen Helperich von Plötzkau dessen Schwester Irmgard kennen und
änderte seinen Plan. Da Eilika als eine der beiden
billungischen
Erbtöchter sicher eine wesentlich bessere Partie war als die PLÖTZKAUERIN,
erreichte sie deren überlieferte große Schönheit bei weitem
nicht. Zu dieser Annahme paßt ihr sich später zeigender recht
energischer Charakter, von welchem sie Albrecht dem Bären eine
ordentliche Portion vererbt zu haben scheint.]. Über Ottos
Frau gelangte nun ein Teil der billungischen
Erbgüter an die
ASKANIER.
Allerdings ist unklar, um welche Gebiete es sich dabei im einzelnen handelte.
Bernburg könnte dazu gehört haben [1138 residierte Eilika
auf der
Bernburg (KW, Nr. 67 a.)], des weiteren Orte bei Weißenfels
und Halle.
Auch der spätere Besitz Albrechts des Bären
in
der Altmark stammt vielleicht - zumindest in Teilen - aus dem Erbe der
BILLUNGER
[H. Assing: Albrecht der Bär (wie EN 1), Seite 222: "Er (Graf Otto
- Lutz Partenheimer) ... konnte dank dieser Ehe anscheinend seinen Herrschaftsbereich
beträchtlich nach Norden in den Raum Stendal-Salzwedel erweitern."
1519 schrieb Heinrich Basse (wie EN 48), Seite 10: ... Otho vero accepit
cum Uxore sua in dotem Soldveddel cum sex Civitatibus que nunc Vetus appellatur
Marchia ... J. Schultze: Mark (wie EN 1), Seite 61, vermutet, daß
Otto das wohl zunächst als Allod oder Lehen den Markgrafen
der Nordmark aus dem Hause STADE gehörende Salzwedel als Entschädigung
für den Verzicht auf das Herzogtum Sachsen im Jahre 1112 (dazu
gleich weiter unten) erhalten haben könnte. - Als Albrecht der
Bär 1160 die Kirche zu Werben in der Wische dem Johanniter-Orden
schenkt, erklärt er, daß das Gotteshaus zu seinem Erbe gehörte
(CDA 1, Nr. 456; bei KW, Nr. 306, fehlt die Passage: de hereditate
mea). Demnach kommen als Vorbesitzer nur die Eltern des Markgrafen
in Frage. Sollte Otto der Reiche Werben besessen haben, dann dürfte
es ihm wohl durch seine Frau zugefallen sein, da Ottos Vater kaum
schon in der Altmark Fuß gefaßt haben wird. Oder Werben ging
direkt von Eilika auf ihren Sohn über. Natürlich könnte
Otto auch auf andere Weise zu Besitzungen in der Altmark gelangt
sein, zum Beispiel durch Kauf, so wie es für seinen Nachfolger bezeugt
ist (KW, Nr. 301), aber es ist wohl zumindest wahrscheinlich, daß
Albrecht bereits ererbte altmärkische Güter durch Ankäufe
erweiterte, als daß Otto auf diese Weise dort erst den Grundstein
für askanischen Besitz legte. - Daß Albrechts
Erbe im Falle Werbens wohl eher von der Mutter stammen dürfte, scheint
auch der Besitz Heinrichs des Löwen in der Wische zu belegen, auf
den dessen Sohn König OTTO IV.
zugunsten des Erzstiftes Magdeburg verzichtete. Vor 1150 ist zudem Eigentum
des WELFEN in Wittenmoor (südwestlich
von Stendal) bezeugt (D K III., Nr. 241). Auch hier dürfte Besitz
zugrunde gelegen haben, den der Vater Heinrichs des Löwen, Heinrich
der Stolze, von seiner Mutter, der BILLUNGERIN
Wulfhild, übernommen
hatte. - Es bleibt die Frage, ob Eilika ihren Anteil an der BILLUNGER
Erbschaft nach dem Tod Herzog Magnus' (1106) ihrem Gemahl Otto übergab
oder ob ihn erst beider Sohn
Albrecht nach Ottos Ableben
(1123) oder sogar erst nach Eilikas
Tod (1142) erlangte.].
Dessen andere Teile gelangten über Eilikas Schwester Wulfhild
an das Geschlecht ihres Gemahls, Herzog Heinrichs des Schwarzen von Bayern
(1120-1126) aus dem Geschlechte der WELFEN.
So faßte dieses bedeutende süddeutsche Fürstenhaus in Sachsen,
vor allem im Lüneburger Raum, Fuß. Damit war der Grundstein
für die spätere Rivalität zwischen den WELFEN
und den ASKANIERN
gelegt, die das Leben Albrechts des Bären
bestimmen
sollte. Die sächsische Herzogswürde erhielt nach Magnus' Tod
keiner seiner beiden Schwiegersöhne, sondern Graf
Lothar von Supplinburg.
Otto von Ballenstedt scheint sich in diesen Jahren
einem neuen Betätigungsfeld zugewandt zu haben, denn er wird als erster
Laie unter dem berühmten Schriftstück genannt, mit dem der Erzbischof
von Magdeburg samt den ihm untergeordneten Bischöfen von Merseburg,
Naumburg, Meißen, Havelberg und Brandenburg die Fürsten Sachsens,
Frankens, Lothringens und Flanderns zur Besetzung der heidnischen Slawengebiete
aufforderte. Nach Otto erscheinen von den namentlich aufgeführten
weltlichen Großen noch die Grafen Wiprecht von Groitzsch und Ludwig
der Springer von Thüringen, der Erbauer der Wartburg. Der Aufruf
entstand wohl um 1108. Für diese Zeit haben wir bereits einige deutliche
Quellenhinweise, die belegen, daß man die Wiedereingliederung der
rechtselbischen Slawengebiete ernsthaft in Angriff nahm. Neben dem Erzbischof
von Magdeburg war daran nach den Untersuchungen Helmut Assings von Anfang
an Graf Otto beteiligt.
Die folgenden Jahre rissen den Vater Albrechts des
Bären kurzzeitig in die große Politik. Graf Rudolf von Stade,
der seit 1106 für den unmündigen Sohn seines Bruders die Nordmark
verwaltete, war mit einem Ministerialen namens Friedrich in Streit geraten.
Der wandte sich an Kaiser HEINRICH V.,
während
Herzog Lothar von Sachsen
die Partei Rudolfs nahm. Als dieser Friedrich auf der Burg Salzwedel
festsetzte, enthob der darüber empörte Herrscher Rudolf und Lothar
im März 1112 ihrer Ämter. Neuer Markgraf der Nordmark wurde Helperik
von Plötkau,
Sachsen erhielt Otto von Ballenstedt. Damit
gelangte dieses Herzogtum an einen der beiden Schwiegersöhne des letzten
BILLUNGERS.
Lothar
und Rudolf leisteten Widerstand, der Kaiser selbst belagerte Mitte Juni
1112 Salzwedel. Dann folgten Unterhandlungen, die dazu führten,
daß sich Rudolf und Lothar unterwarfen
und anschließend erneut in ihre Ämter eingesetzt wurden. So
war der Aufstieg Ottos von Ballenstedt
vom Grafen zum Angehörigen
der höchsten weltlichen Führungsschicht nach dem König im
Deutschen Reich nach wenigen Monaten schon wieder vorbei. Welche Erinnerungen
bei dem ASKANIER zurückblieben, nachdem ihn der Kaiser erhoben
und bald darauf fallengelassen hatte, kann nur vermutet werden. Ob Otto
wenigstens
anderweitig für seinen Verzicht entschädigt wurde ist unbekannt.
Damit endeten die Turbulenzen in Sachsen jedoch nicht,
denn das Jahr 1112 brachte noch einen zweiten Anlaß zum Streit zwischen
HEINRICH
V. und Teilen der sächsischen Großen. Wieder war
die
askanische Familie betroffen, wenn auch zunächst Ottos
Bruder. Gewiß wird aber der Ballenstedter Graf die Angelegeneheit
aufmerksam verfolgt haben. Denn sie konnte plötzlich seine eigene
werden - zum Beispiel durch Aussterben der Linie Siegfrieds, was
bei der damaligen Lebensweise des Adels mitunter recht schnell ging. Ob
Otto
eingriff,
überliefern die Quellen allerdings nicht. Den neuen Zwiste entfachte
der Tod des Grafen Ulrich II. von Weimar-Orlamünde, der am 13. Mai
1112 ohne männliche Nachkommen starb. Sein gleichnamiger Vater war
der Sohn eines Bruders des oben erwähnten Markgrafen Otto von Meißen,
Grafen von Weimar-Orlamünde, dessen Tochter Adelheid die ASKANIER
Otto und Siegfried
geboren hatte. Ulrich II. ist bekanntlich
ein Sohn der
ungarischen Königs-Tochter Sophia
gewesen, die nach dem Tode ihres ersten Mannes (1070) Herzog Magnus von
Sachsen heiratete und dem letzten
BILLUNGER Eilika, die spätere
Gemahlin Ottos von Ballenstedt
schenkte.
Doch nicht dieser, sondern dessen Bruder Siegfried,
der wohl von der Mutter Adelheid zumindest bereits Ansprüche
auf weimar-orlamündische Güter besaß, forderte nun
die Hinterlassenschaft Ulrichs. Damit wollte der rheinische Pfalzgraf die
Stellung in Thüringen sicher noch weiter stärken, denn durch
seine Gemahlin Gertrud [Gertrud ist eine Tochter des Grafen
Heinrichs des Fetten von Northeim, dessen Vater Otto als Widersacher HEINRICHS
IV. bekannt wurde. Da ihre Schwester Richenza
LOTHAR VON SÜPPLINGENBURG geheiratet hatte, waren Siegfried
und Otto der Reiche mit dem Herzog verschwägert.] hatte er
offenbar bereits Güter an der Werra im Grenzraum zwischen Hessen und
Thüringen erhalten. Doch HEINRICH V.,
der Siegfried erst 1111 nach der Rückkehr von der Kaiserkrönung
auf Verwendung fürstlicher Standesgenossen die Freiheit geschenkt
[Zur Jahreswende 1108/09 war der Pfalzgraf von Heinrich von Limburg (Herzog
von Nieder-Lothringen 1101-1106) vor dem König des Hochverrats bezichtigt
worden, der ihn darauf vom Bischof von Würzburg inhaftieren ließ.
- Siegfried war nach dem Urteil des Chronisten Ekkehard von Aura
vir
nobilissimus et suo in tempore nulli in omni probitate secundus
(MG SS 6, Seite 247). - Siehe zu dem Pfalzgrafen Siegfried auch
Hermann Wäschke: Anhaltinische Geschichte. Band 1: Geschichte Anhalts
von den Anfängen bis zum Ausgang des Mittelalters. Cöthen 1912,
Seite 73-79.], dann sogar bei der Taufe eines Sohnes des ASKANIERS
Gevatter gestanden hatte, ging jetzt daran, die Allodien Ulrichs II. einzuziehen.
Es muß allerdings eingeräumt werden, daß Siegfrieds
Anspruch
auf recht schwachen Füßen stand, da er nur über seine Mutter
mit dem ausgestorbenen Grafenhaus verwandt war.
Kaum hatte der Herrscher Sachsen im Sommer 1112 verlassen,
erschien der Pfalzgraf im Harzraum, wo sich nicht wenige sächsische
Fürsten nach der von ihnen als neuen ungerechten kaiserlichen Eingriff
in ihre Angelegenheiten empfundenen Entscheeidung des SALIERS
gegen diesen verbanden. Auf Siegfrieds Seite traten Herzog
Lothar von Sachsen, Rudolf von Stade, der Verwalter der Nordmark,
Pfalzgraf Friedrich von Sachsen, Ludwig der Springer von Thüringen,
Wiprecht von Groitzsch und Bischof Reinhard von Halberstadt. Hinter ihnen
stand Gertrud, die Schwiegermutter des Herzogs und des rheinischen Pfalzgrafen,
die als Witwe Heinrichs von Northeim den Rivalen ihres Bruders, Heinrich
von Eilenburg aus dem Hause WETTIN geheiratet hatte.
HEINRICH V. handelte
rasch. Ende 1112 ließ er den Metropoliten Adalbert verhaften, und
zur Jahreswende forderte er von Erfurt aus zum Kampf gegen Siegfried
auf. Anfang 1113 nahm er Halberstadt sowie die zwischen Wolfenbüttel
und Goslar gelegene bischöflich-halberstädtische Burg Hornburg.
Das verhinderten Bischof Reinhard und Pfalzgraf Siegfried nicht,
obwohl sie mit ihrem Aufgeboten in der Nähe standen. Nach diesen Erfolgen
betraute der Kaiser Graf Hoyer von Mansfeld mit dem weiteren Kampf gegen
die Aufrührer und verließ Sachsen. Seinem Feldhauptmann gelang
kurz darauf ein neuer Schlag: Am 21. Februar 1113 überfiel Hoyer Siegfried,
Ludwig den Springer und Wiprecht, die bei Warnstedt an der Teufelsmauer
(nördlich von Thale) eine Zusanmnmenkunft abhielten. Der GROITZSCHER
geriet schwer verwundet in Gefangenschaft, während der Graf von Thüringen
und der rheinische Pfalzgraf mit knapper Not entkamen. Auch dieser hatte
Verletzungen davongetragen, denen er am 9. März erlag.
Auch die beiden unmündigen Söhne Siegfrieds
traf es hart: Die Pfalzgrafschaft am Rhein erhielt Gottfried von Calw.
Außerdem ließ sich der Kaiser durch ein Fürstengericht
die WEIMARER Allode zusprechen. Obendrein wurden Siegfried II.
und Wilhelm wohl große Teile der väterlichen Eigengüter
vorenthalten.Von Interesse wäre es nun zu wissen, was ihr Oheim Otto
von Ballenstedt in dieser Lage unternahm. Versuchte er, die Ansprüche
seiner jungen Neffen zu verteidigen oder gar, sie für sich selbst
geltend zu machen? Betrachtete er ihre Realisierung als aussichtslos? Zögerte
er vielleicht, weil er sich für ein direktes Engagement zu schwach
fühlte, abwarten wollte oder mit anderen Dingen befaßt war?
Eigentlich dürfte wohl vermutet werden, daß
Graf Otto
damals alles daran gesetzt hatte, die weimar-orlamündische
Besitzungen oder zumindest den Anspruch darauf seinem Hause zu behaupten.
Die herrische Politik des letzten SALIERS
- der ihn zwar 1112 zum Herzog erhoben, kurz darauf aber wieder fallengelassen
hatte - in Sachsen und Thüringen müßte den BALLENSTEDTER
in der Tat erbittert und an die Seite der sächsischen Opposition geführt
haben. Schließlich deutet Ottos Name unter dem schon genannten
Aufruf von etwa 1108 darauf hin, daß der Graf zu den aktiven unter
den Fürsten des östlichen Sachsen zu zählen ist.
Vergessen sollte aber nicht werden, daß der ASKANIER
auch bei dem Haupt der antiköniglichen Rebellion, Herzog
Lothar, nicht mehr uneingeschränktes Vertrauen genossen
haben dürfte. Immerhin stand Otto der Reiche als Nachfoler
zur Verfügung, als der Kaiser 1112 Lothar
der
Herzogswürde entkleidet hatte. Dann scheint sich aber das Verhältis
des SÜPPLINGENBURGERS zu den ASKANIERN
- falls es denn durch die Episode von 1112 getrübt worden sein sollte
- gebessert zu haben, wenn wir in Betracht zieghen, daß Lothar
in Ottos Todesjahr 1123 sogleich mit dessen Sohn Albrecht
zusammengearbeitet hat. Alles in allem waren Ottos Interessen gewiß
darauf gerichtet, den Besitz des Hauses BALLENSTEDT zu sichern und
zu mehren. Sein Handlungsspielraum in der WEIMARER Frage mag jedoch
damals eingeschränkt gewesens ein, und für den Erhalt der Pfalzgrafschaft
am Rhein zugunsten der ASKANIER konnte er im Moment sicher noch
weniger tun. Die schon erwähnten Ereignisse des Jahres 1115 scheinen
anzuzeigen, daß ihm das Hemd näher saß als der Rock.
Im Januar 1114 hatte Herzog
Lothar in Mainz während der Hochzeitsfeier HEINRICHS
V. dessen Gnade zurückerlangt, indem er sich im Büßergewand
vor ihm zu Boden warf. Während des Sommers verstärkte Lothar
das kaiserliche Heer auf Feldzügen gegen Friesland und Köln.
Als aber der SALIER Rudolf von Stade
die Verwaltung der Nordmark entziehen, Bischof Reinhard von Halberstadt
sowie Pfalzgraf Friedrich von Sachsen ihrer Ämter entheben und eine
Steuer einführen wollte, verschworen sich diese Ende des Jahres 1114
zu Creuzburg an der Werra (nördlich von Eisenach) mit dem Herzog von
Sachsen und den beiden Söhnen des gefangenen Wiprecht von Groitzsch
wieder gegen HEINRTICH V. Auch in diesem
Falle haben wir keine Kunde davon, ob Otto von Ballenstedt
direkt
oder indirekt daran beteiligt war [Für Otto von Heinemann: Albrecht
der Bär (wie EN 1); Seite 40, ist die Anwesenheit Ottos bei
den Beratungen "wahrscheinlich". Hermann Krabbo: Albrecht der Bär:
In FBPG 19/1906, Seite 371-390, hier Seite 375, konstatiert hingegen bei
Otto
eine
"auffallende Abneigung, sich in die Reichshändel zu verstricken".].
Erneut flammten die Kämpfe auf. Während die
rebellierenden Fürsten von Walbeck (bei Hettstedt) aus den kaiserlichen
Parteigänger Graf Hoyer von Mansfeld angriffen, besetzte der Herrscher
Braunschweig und verwüstete Halberstadt. Interessant sind nun Quellenangaben
für die Zeit unmittelbar vor der schon erwähnten Schlacht am
Welfesholz. Während sich das Heer HEINRICHS
V. bei Wallhausen am Kyffhäuser sammelte, brachen Lothar
und seine Verbündeten nach Orlamünde auf, das von "Freunden
des Kaisers" belagert wurde. Die Vermutung, daß diese Burg von Mannen
Graf
Ottos von Ballenstedt besetzt gewesen sei [So Ruth Hildebrand: Herzog
Lothar von Sachsen (Beiträge zur Geschichte Niedersachsens und Westfalens).
Hildesheim 1986; Seite 52.], liegt natürlich nicht fern, überliefert
wird ein solcher tatbestand allerdings nicht.
Wir hören erstmals in den Quellen wieder etwas von
dem ASKANIER, als er am 9. Februar 1115 bei Köthen erfolgreich
einem Slaweneinfall entgegentrat. Der Entschluß Ottos, trotz
der unmittelbar bevorstehenden Entscheidungsschlacht zwischen den wichtigsten
ostsächsischen Fürsten und dem kaiserlichen Heer die Waffen gegen
den plötzlich aus dem Osten auftauchenden Feind zu kehren, ist schon
mehrfach - und sicher nicht zu Unrecht - neben der Nennung seines Namens
unter dem Aufruf von etwa 1108 als Indiz für das große Interesse
des BALLENSTEDTERS an einer aktiven Slawenpolitik gewertet worden.
Das wird durch die schon angesprochenen Forschungen Helmut Assings unterstrichen,
wonach Otto 1108 oder noch eher damit begann den askanischen Einfluß
von der Region von der Region Bernburg-Köthen-Dessau aus über
die Elbe nach Norden auszuweiten. Dabei wurde der Fluß bei Aken überschritten.
Dann setzten die Mannen des BALLENSTEDTERS den Vorstoß auf
Zerbst und weiter über Lindau - diesen Raum dürften sie um 1100
okkupiert haben - hinaus zum einen auf Möckern fort, das wohl vor
1114 erreicht wurde, zum anderen entlang der nördlichen Nuthe in Richtung
Görzke.
Damit ist nun wohl endgültig die schon von Otto
von Heinemann ausgesprochene, später häufig wiederholte Ansicht
widerlegt, nach der Otto der Reiche seinen Einfluß erst bei
der Verfolgung der geschlagenen Slawen über die Elbe ausgedehnt habe.
Der große Konkurrent des ASKANIERS beim um 1100 einsetzenden
Vordringen ostsächsischer Adelsgewalten ins ostelbische Slawengebiet
war das Erzbistum Magdeburg, dem Helmut Assing bescheinigt, daß es
"offenbar eine führende Rolle im Rahmen der neuen Expansionswelle
spielte ...". Allerdings gab es gerade damals eine mehrjährige Frist,
in der das Erzbistum nur sehr bedingt handlungsfähig war, und die
Graf
Otto bestimmt nutzte, falls der Wettlauf in diesen Jahren schon begonnen
haben solltte. Der 1102 zum Erzbischof gewählte Graf Heinrich von
Assel stieß in seiner Diözese auf starken Widerstand, verließ
sie deshalb und kehrte erst 1105 zurück. Wie dem auch gewesen sein
mag, die Leistungen Ottos des Reichen bei der Ausweitung des askanischen
Einflusses in das ostelbische Slawenland waren offenbar weit größer
als bislang angenommen.
Ob und in welchem Ausmaß sich der Graf von Ballenstedt
in den Jahren nach der für den Kaiser 1115 verlorenen Schlacht am
Welfesholz wie andere ostsächsische Adelskräfte auf Kosten des
Reichsgutes bediente, wissen wir nicht. Er scheint aber doch noch versucht
zu haben, die Ansprüche seines Hauses auf die Rheinpfalz aufrechtzuhalten,
denn so sind wohl die Kämpgfe zu deuten, die Otto mit dem Erzbistum
Trier geführt haben muß [In einem in die Jahre um 1118 datierten
Schriftstückrest berichten Trierer Geistliche ihrem Metropoliten über
einen mit Graf Otto von Ballenstedt abgeschlossenen Waffenstillstand
(CDA 1, Nr. 185.]. Das Erbe Pfalzgraf Siegfrieds
spielte sogar eine
Rolle in den Verhandlungen, die Kaiser HEINRICH
V. und Papst Calixt II. im Oktober 1119 zu Metz führten.
Dabei, was damals in diesem Punkte beschlossen wurde, solle es bleiben,
heißt es in dem Reichsfrieden, den der Herrscher im Herbst 1121 mit
seinen Gegnern zu Würzburg schloß. Leider ist unbekannt, worauf
sich Kaiser und Papst 1119 bezüglich der askanischen Rechte
an der Pfalz und an Weimar-Orlamünde geeinigt hatten. Offenbar kamen
jetzt aber Siegfrieds Söhne Siegfried II. und Wilhelm
wenigstens in den Genuß der Eigengüter ihres Vaters [1119 bezeichnet
Erzbischof Adalbert I. von Mainz Siegfried den Jüngeren als
Vogt der Erfurter Marienkirche (Mainzer Urkundenbuch 1, Nr. 82; CDA 1,
Nr. 186). Wann und auf welchem Wege der ASKANIER dieses Amt erhalten
hatte, ist damit allerdings nicht gesagt. Voraussetzung zu seiner Ausübung
war aber sicher Besitz in Thüringen. - Es muß damit gerechnet
werden, daß in den Wirren inzwischen Teile der Hinterlassenschaft
der Grafen von Weimar-Orlamünde in andere Hände gekommen waren,
so vermutet A. Tille: Weimar (wie EN 106), Seite 56, daß der Erzbischof
von Mainz und Graf Hermann I. von Winzenburg (Burg nordwestlich von Bad
Gandersheim) davon profitiert hätten. Er zählt auch die Eckartsburg
(nördlich
von Apolda) zu den Reichslehen oder Allodien der WEIMARER. Die Burg
gehörte zu den ekkehardinischen Besitzungen, die das 1046 ausgestorbene
Geschlecht - wie schon gesagt - dem König vermacht hatte. 1066 befand
sich HEINRICH IV. auf der Burg (D H
IV., Nr. 183). Ob sie davor oder später an die Weimarer Grafen gelangt
ist, bleibt unklar. 1112 hat der Kaiser die Burg nach den Pegauer Annalen
(MG SS 16, Seite 251) an den jüngeren Wiprecht von Groitzsch verlehnt.
Das könnte allerdings ein Hinweis darauf sein, daß der Monarch
die Feste damals als Teil der heimgefallenen Weimarer Reichslehen neu vergab.
Wiprecht der Jüngere - noch 1115 genannt, als er in der Schlacht am
Welfesholz den kaiserlichen Feldherrn Graf Hoyer von Mansfeld erschlug
(R L III., Nr. 36) -, starb in einem nicht bekannten Jahre, doch vor seines
Vaters Tod (1124). Wohl 1122 entschädigte HEINRICH
V. Ludwig den Springer mit der Übergabe der Eckartsburg
für
den Verlust der Wartburg (siehe dazu H: Assing: Aufstieg (wie EN
138), Seite 288). - Zur Eckartsburg generell jetzt Boje Schmuhl in Verbindung
mit Konrad Breitenborn (Hg.): Die Eckartsburg (Schriftenreihe der Stiftung
Schlösser, Burgen und Gärten des Landes Sachsen-Anhalt 1). Halle/Saale
1998].
Graf Otto der Reiche von Ballenstedt wandelte
noch gemeinsam mit seinem seit 1120 in den Quellen auftauchenden Sohn
Adalbert (Albrecht dem Bären) die Propstei auf der Burg
Ballenstedt wohl 1123 in ein direkt dem Papst unterstelltes Benediktiner-Kloster
um, dessen erster Abt Johannes aus dem nach Hirsauer Vorbild reformierten
Magdeburger Kloster Berge kam. Diese offensichtliche Aufwertung der wichtigsten
kirchlichen Institution am Ort könnte auf einen damaligen Ausbau Ballenstedts
als askanisches Herrschaftszentrum hinweisen. 1123 starb
Otto
- wie auch Graf Ludwig der Springer von Thüringen, der Erbauer der
Wartburg,
Heinrich II. von Eilenburg aus dem Hause WETTIN, Markgraf von Meißen
und der Lausitz, sowie Bischof Reinhard von Halberstadt. Der dritte namentlich
bekannte ASKANIER wurde wahrscheinlich ebenfalls in der Ballenstedter
Klosterkirche auf der Burg beigesetzt.