ANJOU
 

STAMMTAFEL im Anhang Band IX des Lexikons des Mittelalters
 

Lexikon des Mittelalters: Band I Spalte 645
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ANJOU, Dynastie
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I. Einleitung:
Das spätmittelalterliche Haus ANJOU ist aus einer Seitenlinie des französischen Königs-Hauses hervorgegangen. (Zu der älteren anglofranzösischen Dynastie Anjou: Angers, Angevinisches Reich, Plantagenet, England.) Es erhielt seinen Namen aufgrund der 1246 erfolgten Apanagierung des Begründers und bedeutendsten Vertreters der Dynastie, Karls I., des jüngeren Sohnes König Ludwigs VIII. und Bruders von König Ludwig dem Heiligen, mit der westfranzösischen Grafschaft Anjou (späteres Herzogtum; Angers). Durch die Grafschaft Provence sowie die Herrschaft in Süd-Italien, die Karl im Bündnis mit Papsttum und Guelfen errichtete, und eine aktive Heiratspolitik, die dem Haus vor allem Ungarn eintrug, stiegen die ANJOU im Zeitalter einer allgemeinen politischen und machtpolitischen Expansion Frankreichs zu einer der führenden Dynastien des spätmittelalterlichen Europa auf, die das politische Geschehen im östlichen Mittelmeerraum und im Ostmittel-Europa des 14. Jahrhunderts wesentlich beeinflußte (Abschnitt II, III).
Nachdem die großen italienischen und ungarischen Linien des Hauses
ANJOU im späten 14. und frühen 15. Jahrhundert ausgestorben waren, lebten Name und Herrschaftsanspruch der Dynastie in der (französischen) »jüngeren Linie Anjou« fort (Abschnitt IV). Deren Entstehung geht auf eine - zunächst ohne faktische Wirkung gebliebene - Adoption Ludwigs, Herzogs von Anjou, eines Sohnes des französischen Königs Johann II. des Guten, durch Johanna I., die letzte Vertreterin des neapolitanischen Hauptzweiges, zurück (1380). Von ihrer französischen Apanage, dem Herzogtum Anjou, aus verfolgten die jüngeren ANJOU als Konkurrenten Aragóns eine expansive Mittelmeerpolitik in Anknüpfung an angiovinische Traditionen. Nach der 1480/81 erfolgten Wiedereingliederung von Anjou, Provence und Maine in die französische Krondomäne bildeten die Ansprüche der ANJOU auf Neapel und Sizilien einen rechtlichen Ausgangspunkt für die französischen Italienpolitik seit Karl VIII. Italien.
U. Mattejiet

II. Die Anjou in Sizilien und Neapel:
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Der Aufstieg Karls I., Graf von Anjou, des Begründers des angiovinischen Königs-Hauses, begann mit seiner Vermählung mit Beatrice von der Provence, die ihm die Grafschaft Provence als Mitgift brachte, über die er nach dem Tode von Raimund Berengar 1245 herrschte. Als fähiger Regent zog er die Aufmerksamkeit Papst Urbans IV. auf sich, der ihn nach Überwindung der Widerstände, die König Ludwig der Heilige, Karls Bruder, seinem politischen Plan entgegensetzte, nach Italien rief, um die sizilische Krone Manfred, dem Sohn FRIEDRICHS II., abzugewinnen. Am 6. Januar 1266 in Rom zum König von Sizilien gekrönt, besiegte er am 26. Februar 1266 Manfred bei Benevent, und zwei Jahre später, am 23. August 1268, den STAUFER-Erben Konradin. Karl regierte 1266-1285, wobei er seinen Einflußbereich über Unter-Italien ausdehnte (Tuszien, zeitweise Rom und Teile des Kirchenstaates, guelfische Kommunen und Gebiete). Von seiner ersten Gemahlin ( 1267) hatte er vier Kinder:
von diesen wurde Karl II. der Lahme sein Nachfolger. Die anderen verheiratete er entsprechend den Plänen und Erfordernissen seiner Politik, die sich im östlichen Mittelmeerraum vor allem gegen das Wiederaufleben des byzantinischen Staates richtete:
Philipp ehelichte 1267 Isabella von Villehardouin, die ihm das lateinische Fürstentum (Lateinisches Kaiserreich) Achaia in die Ehe brachte, das für die Kontrolle der Ostküste der Adria sehr wichtig war;
Beatrice vermählte sich mit Philipp von Courtenay, dem Titular-Kaiser von Konstantinopel;
die letzte Tochter, Isabella, wurde die Gemahlin Ladislaus IV., des Königs von Ungarn.
Vor allem die letzte Ehe war sehr bedeutsam; er verwirklichte damit seinen Plan, fest im östlichen Europa Fuß zu fassen; die Heirat schuf - gemeinsam mit der Vermählung seines ersten Sohnes mit Maria von Ungarn, der Tochter König Stefans V. und Schwester Ladislaus IV. - die Voraussetzungen für die Festsetzung der angiovinischen Dynastie in Ungarn und begründete die erste große dynastistische Linie der
ANJOU, die ungarische (Abschnitt III).
Da der älteste Sohn Karls II. von Neapel, Karl Martell, für den ungarischen Thron designiert war und außerdem vor dem Vater starb (1295), fiel die Nachfolge auf den zweiten Sohn Karls II., Ludwig ( bereits 1297), der jedoch entgegen dem väterlichen Wunsch die kirchliche Laufbahn einschlug und auf den Thron verzichtete. Er trat in den Minoritenorden ein und wurde Bischof von Toulouse (heiliggesprochen). Die Thronfolge ging daher auf den dritten Bruder über, Robert, der seit dem Tode des Vaters 1299 bis 1343 König von Neapel war. (Sizilien stand nach dem Aufstand der Sizilianischen Vesper 1282 und dem Frieden von Caltabelotta 1302 unter der faktischen Herrschaft von Friedrich III. von Aragón und seiner Nachkommen.)
Von den anderen beiden Söhnen erhielt Philipp den Titel eines Fürsten von Tarent, Johannes den eines Herzogs von Durazzo. Sie begründeten die Linien Anjou-Tarent und Anjou-Durazzo, die in der bewegten Politik des Hofes von Neapel eine große Rolle spielten. Von den Töchtern heiratete Maria in erster Ehe Sancho von Aragón, König von Mallorca, in zweiter Jakob von Aragón, Herrn von Xerica;
Blanca
wurde durch ihre Vermählung mit König Jakob II. Königin von Aragón.
Margarete ehelichte Karl von Valois, Bruder König Philipps des Schönen und Vater des Begründers des Hauses VALOIS, Philipp VI.
Beatrice vermählte sich mit dem Markgrafen Azzo VIII. von Este, Signore von Ferrara und nach dessen Tod mit dem provencalischen Adligen Bertran des Baux (del Balzo), Graf von Montescaglioso.
Die letzte Tochter, Eleonora, ehelichte Friedrich II. (III.) von Aragón, König von Trinakria.
König Robert hatte aus seinen beiden Ehen - mit Jolande (Violante) von Aragón 1302 und mit Sancia von Aragón - nur einen Sohn, Karl, Herzog von Kalabrien, der vor ihm starb (1328). Man schrieb ihm auch eine illegitime Tochter zu, Maria d'Aquino, die vor allem dadurch bekannt wurde, daß sie der Gegenstand der Liebe Bocaccios war, der sie unter dem Namen Fiametta verherrlichte.
Nach Roberts Tod folgte ihm unter Ausschluß sämtlicher anderer Verwandter seine Enkelin Johanna, die Tochter von Karl, Herzog von Kalabrien auf den Thron. Die Schwester Maria wurde für die Nachfolge designiert, jedoch nur für den Fall, daß Johanna vor ihr stürbe. Entweder um ihre Position zu festigen oder um die Verbindung zum ungarischen Zweig der Familie enger zu knüpfen, sah sich Johanna gezwungen, Andreas von Ungarn, den Bruder König Ludwigs I. des Großen zu ehelichen. Kurz nach ihrer Thronbesteigung (1343) wurde Johanna durch die Ermordung des Gatten, an der sie vielleicht nicht unbeteiligt war, zur Witwe, ohne Kinder zu haben. Nach Überwindung der Krise, die diesem Verbrechen folgte, heiratete sie ihren entfernten Vetter Ludwig, der 1362 starb, später einen anderen entfernten Verwandten, Jakob III. von Aragón-Mallorca, und schließlich Otto, Herzog von Braunschweig-Grubenhagen. Erbenlos geblieben, stand sie im Zentrum heftiger Familienintrigen, wurde zuerst abgesetzt, versuchte sich 1380 durch Adoption des französischen Prinzen Ludwig von Anjou mit dem französischen Königs-Haus zu verbinden (Abschnitt IV) und wurde später von Karl III. aus der Linie Anjou-Durazzo gefangengenommen und ermordet (1382).
Karl III. herrschte von 1381-1386 über Neapel, bestieg dann den Thron von Ungarn, wo er jedoch im gleichen Jahr ermordet wurde.
Ihm folgte 1386 der damals zehnjährige Ladislaus ( 1414) unter der Regentschaft seiner Mutter Margarete auf den neapolitanischen Thron. Vier Jahre später erhielt er die volle Herrschergewalt und strebte auch mehrfach erfolglos nach der ungarischen Krone. Da er von seinen drei Gemahlinnen Konstanze von Chiaramonte (1392 verstoßen), Maria von Zypern (1404) und Maria d'Anghieri, Gfn. v. Lecce, die ihn überlebte, keine Kinder hatte, fiel die Nachfolge an seine unstete Schwester Johanna II., die ebenfalls erbenlos starb und durch ihre schwankende Haltung gegenüber den um die Nachfolge rivalisierenden Mächten, den französischen jüngeren
ANJOU (Abschnitt IV) und den Aragonesen (Testamentsänderungen), große Unruhen hervorrief, die mit der Eroberung des Königreichs Neapel durch Alfons I. (= Alfons V. von Aragón) endeten.
Geringere historische Bedeutung unter den drei Linien der neapolitanischen
ANJOU hatten die Fürsten von Tarent, deren Begründer der schon erwähnte Philipp ist, der durch seine Heirat mit Ithamar, der Tochter des Despoten von Epiros (die anscheinend durch Ehebruch von der historischen Szene abtrat), Besitzungen an der Ostküste der Adria gewann. Seine zweite Gemahlin war Katharina von. Valois, die von Seiten ihrer Mutter Katharina von Courtenay den Titel eines Titular-Kaisers von Konstantinopel besaß, mit dem sich auch ihr Ehemann schmückte und der nach ihrem Tod 1346 auf den Sohn Robert überging.
Von den Kindern Philipps starb Karl, der Erbe des Fürstentitels von Tarent, sehr jung und ohne Nachkommen (1315);
Philipp, Despot v. Romania ( 1330) ehelichte Jolande (Violante), die Tochter von Jakob II.;
Margarete (1366) heiratete den abenteuerlustigen Gualtier de Brienne, Herzog von Athen;
Robert ( 1362) vermählte sich mit Maria von Bourbon;
Ludwig ehelichte nach dem Tod des Andreas von Ungarn die Königin Johanna, starb aber vor ihr;
Philipp II. ( 1373), Fürst von Tarent und Achaia, vermählte sich mit Maria v. Sizilien, Tochter Karls, des Herzogs von Kalabrien, nach dem Tod ihrer beiden früheren Ehemänner, Karl, Herzog von Durazzo und Robert del Balzo, Graf von Avellino;
Margarete, Witwe des Königs Eduard Balliol von Schottland, ehelichte Francesco del Balzo, Herzog von Andria;
Johanna heiratete Leon, König von Armenien.
Die Linie der
ANJOU war insgesamt unstet und unzufrieden, im Hofleben intrigant und setzte Gerüchte und Klatsch in Umlauf, ohne dadurch jedoch ihre Machtstellung erweitern zu können. Sie starb im Lauf des 14. Jahrhunderts aus, ohne Abkömmlinge zu hinterlassen.
Die Linie Durazzo, die die Dynastie nach dem Erlöschen des Hauptzweiges mit der Königin Johanna fortsetzte, hatte den schon genannten Johann zum Begründer. Auch sie war, wie die Linie Tarent auf Besitzungserweiterung an der Ostküste der Adria orientiert. Johann ehelichte Mathilde von Hennegau, die Tochter von Florence, Fürst von Achaia, was Johann diesen Titel einbrachte, dem er 1333 die Würde eines Herzogs von Durazzo hinzufügte. In zweiter Ehe heiratete er Agnes von Périgord, von der er drei Söhne hatte:
Karl, Herzog von Durazzo, der sein Leben in tragischer Weise durch Enthauptung endete, weil er als Mittäter bei der Ermordung des Andreas von Ungarn angesehen wurde. Er war mit Maria, der Tochter des Herzogs von Kalabrien vermählt.
Der zweite Sohn Ludwig war Graf von Gravina. Dessen einziger Sohn aus der Ehe mit Margherita Sanseverino war Karl III. von Anjou-Durazzo, der spätere König von Neapel und Ungarn.
Der letzte Sohn Robert war Fürst von Morea.
Karl von Anjou-Durazzo hatte drei Töchter:
Margarete ( 1412) ehelichte ihren Vetter, König Karl III.
Die zweite, Johanna ( 1387), heiratete zwei französische Adlige.
Die dritte vermählte sich zuerst mit Cansignorio della Scala und später mit Jacopo del Balzo, Herzog von Andria, Fürst von Tarent, Despot von Romania und Titular-Kaiser von Konstantinopel.
Aus der Ehe König Karls III. mit seiner Cousine Margarete stammen König Ladislaus, der keine legitimen Nachkommen hatte, und Königin Johanna, die ebenfalls kinderlos starb.
R. Manselli

III. Die Anjou in Ungarn:
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Im Rahmen seiner großangelegten, gegen Byzanz gerichteten Orientpolitik hat Karl I. von Anjou schon vor der Schlacht von Tagliacozzo versucht, Ungarn durch familiäre Bande in sein Bündnissystem einzubeziehen, indem er nach dem Tode seiner ersten Frau (23. Sept. 1267) mit Zustimmung des Papstes um die Tochter König Bélas IV., Margarete, warb. Die hl. Dominikanerin wies ihn jedoch ab. 1269 schloß er mit dem »jüngeren König« Stephan V. ein Schutz- und Trutzbündnis, das 1270 mit der Verlobung ihrer Kinder besiegelt wurde. Während die Ehe des Ungarn-Königs Ladislaus IV. kinderlos blieb, gebar seine Schwester Maria ihrem Gatten, dem König Karl II., 14 Kinder und wurde Stammutter sowohl des ungarischen wie auch des neapolitanischen Zweiges der
ANJOU. Nach dem Tode Ladislaus' IV. (1290) betrachtete sich Königin Maria als einzige rechtmäßige Erbin des ungarischen Königreichs, das sie am 6. Januar 1292 formell ihrem ältesten Sohn, Karl Martell, übergab. Als dieser 1295 starb, änderte sein Vater, Karl II., die Erbfolge und setzte seinen dritten Sohn Robert als Erben beider Sizilien ein.
Dem Sohn Karl Martells, Karl Robert (Caroberto), blieb zunächst nur der leere Titel »rex Hungariae«. Papst Bonifatius VIII. als Lehnsherr stimmte dieser Regelung zu und erklärte 1299 den zehnjährigen Karl Robert zum König von Ungarn. Nach dem Tod König Andreas' III. (1301) entschieden sich jedoch die mächtigsten Oligarchen für den böhmischen
Thronfolger Wenzel III., einen Enkel Bélas IV., der sich mit der Tochter des letzten ARPADEN-Königs verlobte. Bonifatius VIII. lud 1302 beide Könige vor und sprach Ungarn nach einem formalen Gerichtsverfahren dem
ANJOU zu. Karl Robert, dem sein Großvater 1304 auch Salerno und den Honor Montis Sancti Angeli wegnahm, sollte mit der Krone Ungarns entschädigt und davon abgehalten werden, den Thron aufgrund des Erstgeburtsrechts Robert streitig zu machen. Lehnsrechtliche Entscheidungen erwiesen sich aber in Ungarn als völlig wirkungslos, und Karl Robert konnte sich erst durchsetzen, als die sonst sehr erfolgreiche päpstliche Diplomatie den Anspruch der Kurie auf Lehnshoheit über Ungarn fallen ließ. Er wurde 1308 als König Karl I. allgemein anerkannt. Der junge Herrscher machte sich die Tradition der ARPADEN zu eigen und betrachtete das Geblütsrecht als Grundlage seiner ungarischen Herrschaft, gab jedoch seinen Anspruch auf das väterliche Erbe in Italien nie auf. So sollte das »Königreich Neapel« in der weitverzweigten Familienpolitik Karls I. und seines Sohnes Ludwig I. eine hervorragende, aber auch verhängnisvolle Rolle spielen.
Karl Robert war durch seine Mutter Klementia, Tochter des deutschen Königs RUDOLF I., mit den HABSBURGERN in Österreich nahe verwandt und wurde von ihnen im Kampf um die ungarische Krone gegen Wenzel-Ladislaus von Böhmen unterstützt. Durch seine Ehen knüpfte er verwandtschaftliche Bande mit den PIASTEN und LUXEMBURGERN. 1306 wurde Maria, Tochter Herzog Kasimirs von Teschen und Beuthen, seine erste Frau. Die Ehe blieb kinderlos. Nach dem Tod Marias (16. Dezember 1315) heiratete König Karl I. 1318 Beatrix von Luxemburg, Tochter Kaiser HEINRICHS VII., die Anfang November 1319 im Kindbett starb. Seine dritte Frau, Elisabeth, Tochter des Polen-Königs Wladislaw Lokietek (oo 20. Juli 1320), gebar ihm fünf Söhne.
Karl (* 1321) starb im Säuglingsalter.
Ladislaus (* 1324) wurde 1327 mit Anna, Tochter des böhmischen Königs, Johann von Luxemburg, verlobt, er starb jedoch schon 1329.
Ludwig (* 5. März 1326) wurde 1329 mit Margarete, Tochter Karls IV., verlobt.
Andreas (* 30. November 1327) wurde aufgrund der 1332 mit König Robert getroffenen Vereinbarung 1333 nach Neapel gebracht und mit seiner Base zweiten Grades, der Enkelin und Thronerbin Roberts, Johanna, verlobt.
Stefan (* 20. August 1332)
hätte Johannas Schwester Maria heiraten sollen.
Von einer namentlich nicht bekannten Geliebten, die später an den Stadtrichter von Preßburg verheiratet wurde, hatte Karl I. einen um 1316 geborenen Sohn Koloman, der für die geistliche Laufbahn bestimmt wurde. Er führte zu Lebzeiten seines Vaters den Herzogtitel und war von 1337 bis zu seinem Tode (1375) Bischof von Györ (Raab).
Eine uneheliche Tochter Karls I. war Katharina von Ungarn, die Mutter der Anna von Schweidnitz. 1339 schloß Karl I. in Visegrád mit dem letzten PIASTEN-König Kasimir dem Großen den Erbvertrag, der seinem Sohn und Nachfolger, König Ludwig I., 1370 die polnische Krone einbringen sollte. Das Abkommen von 1332 über das Königreich Neapel wurde dagegen nie erfüllt. Schon König Robert hat es verletzt, als er 1342, nach der Hochzeit Johannas und Andreas', diesen von der Regierung ausschloß. Papst Clemens VI. erlaubte allerdings dem Prinzgemahl die Führung des Königtitels. Als er auf Drängen König Ludwigs I. auch die gemeinsame Krönung anordnete, wurde Andreas am 19. September 1345 in Aversa von Hofleuten ermordet. Katharina von Valois, Witwe des Herzogs von Tarent, Philipp von Anjou, hat die Mörder wohl im Einvernehmen mit Johanna angestiftet. Johanna brachte im Dezember einen Sohn, Karl Martell, zur Welt, der trotz der zahlreichen Liebschaften der Königin als Kind des Andreas und Thronerbe auch von König Ludwig I. anerkannt wurde. Nichtsdestoweniger verlangte der Ungarn-König vom Papst die Verurteilung und Absetzung Johannas und erneuerte den Anspruch der ungarischen
ANJOU auf das Lehen Neapel-Sizilien. Die vom Papst angeordnete Untersuchung verlief im Sande, weil die Anstifter die Täter und gefährlichen Mitwisser schnell hinrichten ließen. Hinzu kam, daß die Päpste in Avignon und ihr Protektor, der König von Frankreich, die ungarischen ANJOU von Italien unbedingt fernhalten wollten.
Was König Ludwig I. in zwei siegreichen Kriegszügen nach Süd-Italien (1347-1348, 1350) nicht erzwingen konnte, versuchte er durch Heirat zu erreichen. Nachdem der kleine Karl Martell 1348 gestorben war, kam Ludwig 1349 mit dem päpstlichen Legaten Kardinal Guido, Erzbischof von Lyon, überein, daß sein Bruder Stephan Johannas Schwester und designierte Nachfolgerin, Maria, heiraten solle. Marias Gatten, Karl v. Durazzo (Anjou 1.), hatte Ludwig 1348 als Verräter verurteilen und köpfen lassen, doch machte er 1350, nachdem seine Frau 1349 an der Pest gestorben war, selbst einen Heiratsantrag, wurde aber abgewiesen. Daraufhin verlobte er sich mit der am ungarischen Königshof erzogenen Tochter des Banus v. Bosnien, Stephan Kotromanovic, Elisabeth, die - wie auch er - ein Ur-Enkelkind König Stephans V. war. Die Hochzeit fand erst 1353 statt, doch blieb die Ehe 17 Jahre hindurch kinderlos. Sein Bruder Stephan heiratete 1350 die Tochter von Kaiser LUDWIG DEM BAIERN, seine Tochter Elisabeth galt zunächst als Thronerbin Kg. Ludwigs. Sie war - den Wandlungen der politischen Lage folgend - mit Jodok, Markgraf von Mähren, Albrecht von Habsburg und König Wenzel von Böhmen verlobt und wurde schließlich 1370 die 2. Frau ihres Großonkels Philipp von Tarent, Titular-Kaiser von Konstantinopel.
König Ludwig I. ließ 1364, einem Vorschlag des Papstes Urban V. folgend, den zehnjährigen verwaisten Karl II. von Durazzo nach Ungarn holen, verlobte ihn mit der einjährigen Anna, Tochter Kaiser KARLS IV., und übertrug ihm die Würde des Herzogs von Slavonien und Kroatien, die meist der Thronfolger innehatte. Königin Elisabeth schenkte aber ihrem Gatten nach 17 Jahren Unfruchtbarkeit drei Töchter, 1370 Katharina, 1371 Maria und 1373 Hedwig. Die 1374 mit Ludwig, dem zweiten Sohn Karls V. von Frankreich verlobte Katharina starb 1378, Maria wurde bereits 1372 mit Sigismund von Luxemburg, Hedwig aber 1373 mit Wilhelm von Habsburg verlobt.
König Ludwig I. bestimmte Maria und Sigismund zu Erben seiner beiden Königreiche. Karl II. von Durazzo verhalf er zum Thron von Neapel. Als er 1382 starb, erlosch die männliche Linie des ungarischen Zweiges. Die elfjährige Maria bestieg sofort den ungarischen Königsthron; aber die Polen lösten die Personalunion mit Ungarn und krönten die jüngere Hedwig zum »König«. Königin Elisabeth als Regentin und der Palatin Nikolaus Garai wollten Maria an Ludwig von Orléans verheiraten, im Sommer 1385 fand auch die Hochzeit per procuram statt. Sigismund von Luxemburg setzte sich aber mit Waffengewalt durch und heiratete die Königin am 1. November 1385. Maria herrschte seit 1387 mit ihrem zum König gewählten Gatten. Sie starb am 17. Mai 1395 nach einem Reitunfall an Fehlgeburt. Mit dem Tode Hedwigs (1400) starb der ungarische Zweig der
ANJOU auch in der weiblichen Linie aus.
Th. v. Bogyay

IV. Die Herzöge der jüngeren Linie Anjou:
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Das Haus der Herzöge von Anjou (jüngere Linie) geht auf Ludwig I. von Anjou (1339-1384) zurück, den Sohn König Johanns II. des Guten und jüngeren Bruders Karls V., der 1351 die Grafschaften Anjou und Maine als Apanage erhielt und zum Pair erhoben wurde. Ihm wurde 1360 der Titel »Herzog und Pair« verliehen; zeitweise war er Graf der Touraine und 1380 Regent des Königreiches für den unmündigen König Karl VI. 1380 wurde er durch Königin Johanna I. von Neapel adoptiert; dadurch erbte er 1382 die Grafschaft Provence und das Königreich Neapel, das er zu behaupten suchte und wo er 1384 starb.
Der Sohn, den ihm seine Frau Marie de Blois, Tochter Karls, des Herzogs der Bretagne, gebar, wurde als Ludwig II. von Anjou (1377-1417) sein Nachfolger in Anjou und Provence. Ludwig II. versuchte, das Königreich Neapel zurückzuerobern (1387-1389); 1390-1399 vermochte er sich gegen Ladislaus zu halten. Nachdem ihn das Konzil von Pisa 1409 als König anerkannt hatte, kehrte er nochmals nach Neapel zurück. Er war mit Jolande (Violante) von Aragón verheiratet, der Tochter Johanns I.
Auf diese Ehe sollten sich in der Folgezeit die Ansprüche der Herzöge von Anjou auf den aragonesischen Thron gründen. Jolande gebar fünf Kinder:
Ludwig III.;
Maria von Anjou (1404-63), die Karl VII., König von Frankreich, heiratete und Mutter König Ludwigs XI. war;
René (1480);
Jolande ( 1440), die sich mit dem Herzog der Bretagne, Franz I. vermählte;
Karl (1414-1472), Gf. der Maine (die die Franzosen 1448 von den Engländern zurückerobert hatten), Vater Karls von Maine, der von seinem Onkel, »König« René, 1480 die Provence erbte, die er wegen eigener Kinderlosigkeit gemeinsam mit Maine 1481 seinem leiblichen Vetter Ludwig XI. vermachte.
Ludwig III. von Anjou (1403-1434), der gemeinsam mit den Territorien seines Vaters auch deren Herrschaftsansprüche geerbt hatte (1417), stürzte sich wie dieser in das neapolitanische Abenteuer (1421-1422). Nachdem ihn Königin Johanna II. 1423 adoptiert hatte, zog er 1424 in Neapel ein, wo er sich gegen Aragón zu behaupten suchte, mußte sich in der Folgezeit aber ganz auf Kalabrien beschränken. Sein Bruder, »König« René, erbte von ihm die Provence und die neapolitanischen Besitzansprüche; bereits mit zehn Jahren hatte er im Vorgriff auf die spätere Erbschaft von seinem Onkel mütterlicherseits, dem Kardinal und Herzog Karl II., das Herzogtum Bar und die Markgrafschaft Pont-à-Mousson (1419) erhalten; von seinem Schwager Karl II., Herzog von Lothringen, hatte er dessen Herzogtum geerbt. Er war Gefangener des Herzogs von Burgund, als ihn 1435 Königin Johanna II. adoptierte. Er schickte seinen jüngeren Sohn Ludwig, den »prince de Piémont« nach Neapel, um später dort selbst sein Glück gegen Alfons von Aragón zu versuchen (1438-1442). Beim Tode Peters von Portugal (1465) trat er, inspiriert von einer katalanischen Partei, als Prätendent für die Krone Aragóns auf. Seine Hoffnungen wurden durch den Tod seines Sohnes Johann von Kalabrien zunichte gemacht. Bald nach dem Sohn verlor René auch seinen Enkel Nikolaus, Herzog von Lothringen und Bar (1473). Rex in partibus von Jerusalem, König von Sizilien und Aragón, war der »roi René« gemeinsam mit seiner zweiten Frau Jeanne de Leval (oo 1454) - wie sein Gegenspieler Alfons einer der großen Mäzene der Praerenaissance. Nach Renés Tod ergriff Ludwig XI. Besitz vom Anjou, und nach dem Tod des Neffen Karl von Maine zog der König auch die Provence und die Maine zu seinem Kronbesitz.
Das restliche Erbe fiel über die ältere Tochter König Renés, Jolande von Anjou, die Gemahlin des Grafen Ferry de Vaudemont, an René II. (1580). Als Herzog von Lothringen und Bar war er der Stammvater der Fürsten, die bis zur Heirat Herzog Franz Stephans (als römischer Kaiser Franz I.) mit Maria Theresia von Habsburg (1736) in Lothringen regierten.
R.-H. Bautier