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Encompassed By Sir
Francis Drake |
»Auf dem Festland nämlich fanden unsere Männer einen
niedergestürzten Galgen, der aus Fichtenholz gezimmert war. Darunter
fanden sie Menschengebeine. Sie vermuteten, daß es derselbe Galgen war,
den Magellan im Jahre 1520 zur Hinrichtung von Juan Cartagena aufstellen
ließ, dem Vetter des Bischofs von Burgos, der auf Befehl des Königs
gemeinsam mit Magellan das Kommando führte und sein Vizeadmiral war.
Als wir auf der Insel das Grab für unseren Herrn aushoben,
fanden wir einen großen Mühlstein, der in zwei Teile zerbrochen war. Wir
nahmen ihn und stellten den einen Teil am Kopf-, den anderen am Fußende
des Grabes auf; die Mitte des Grabes bedeckten wir mit Steinen und
Erdschollen. In die Steine ritzten wir die Namen der dort Beerdigten ein
und die Daten ihres Todes, außerdem zum Gedenken den Namen unseres
Befehlshabers auf Latein, auf daß er besser verstanden werde von allen,
die nach uns kämen.
Nachdem wir das alles getan und in Ordnung gebracht hatten,
ließ unser Kapitän die MARY, unsere portugiesische Prise, abtakeln, weil
sie leck und unbrauchbar geworden war. Die Schiffsrippen und den Kiel
ließen wir auf der Insel zurück, auf der wir zwei Monate lang unsere
Zelte aufgeschlagen hatten. Nachdem wir so unsere Schiffe ausgebessert,
gesäubert, Wasser an Bord genommen und alle anderen Geschäfte erledigt
hatten und die Anzahl unserer Schiffe auf die kleinstmögliche Zahl,
nämlich auf nur drei - abgesehen von unseren Pinassen - verringert
hatten, um leichter zusammenzubleiben, uns leichter versorgen zu können
und stärker bemannt zu sein, falls kritische Situationen auftreten
sollten, fuhren wir am 17. August von
diesem Hafen ab. Wir hegten jetzt große Hoffnungen auf ein glückliches
Gelingen unseres Unternehmens, das Gott der Allmächtige bisher so
gesegnet und begünstigt hatte, und gingen auf Südwestkurs zur
Magellanstraße.
Am 20. August erreichten wir das
Kap, in dessen Nähe die Einfahrt in die Magellanstraße liegt und das die
Spanier Cabo Virgin Maria nennen. Man sieht es schon aus einer
Entfernung von vier Seemeilen, mit seinen hohen, steilen grauen Klippen,
die mit schwarzem Gestein versetzt sind und gegen die die See donnert
und spritzt, als seien es die Fontänen von Walfischen; der höchste Punkt
gleicht Kap Vincent in Portugal. An diesem Kap ließ unser Befehlshaber
alle Schiffe seiner Flotte als Huldigung für Ihre Majestät, die Königin,
ihre Toppsegel streichen zum Zeichen seiner willigen Bereitschaft, Ihrer
Hoheit schuldigsten Gehorsam zu erweisen und zu betonen, daß ihr alle
Rechte an dieser neuen Entdeckung zukämen. Zugleich änderte er im
Gedenken an seinen ehrenwerten Freund, Sir Christopher Hatton, den Namen
seines Schiffes von PELICAN in GOLDEN HIND um. Nachdem die
Feierlichkeiten mit einer Predigt, die den wahren Glauben lehrte, mit
Gebeten und Danksagungen an Ihre Majestät und den Hohen Staatsrat, das
ganze Gemeinwesen und die Kirche Gottes zu Ende gegangen waren, setzten
wir unsere Fahrt in die besagte Straße fort. Bei der Durchfahrt hatten
wir auf beiden Seiten Land in Sicht. Bald wurde die Straße so eng, so
stürmisch und so voller Windungen und Gefahren, daß es der Kunst eines
erfahrenen Lotsen bedurfte, um sie durchfahren zu können. Der Wasserweg
verläuft Westnordwest und Ostsüdost. Aber nachdem wir die Straße hinter
uns gelassen hatten, schienen wir aus einem zwei Seemeilen breiten Fluß
in ein großes und weites Meer zu kommen. In der folgenden Nacht kam eine
Insel in Sicht, die an Höhe nicht hinter der vorher erwähnten Insel
Fuego zurücksteht und die, ebenso wie Fuego, ununterbrochen und auf
wunderbare Weise ihren Feuerschein hoch in die Lüfte erstrahlen läßt.
Es ist früher für eine unbestreitbare Wahrheit gehalten
worden, daß die Meere eine ständige Strömung von Ost nach West durch die
Magellanstraße haben, aber unsere Erfahrung belehrte uns eines anderen;
Ebbe und Flut, bei denen das Wasser mehr als fünf Faden steigt oder
fällt, sind hier genauso wie an anderen Küsten.
Am 24. August, dem St.
-Bartholomäus-Tag, erreichten wir drei Inseln, die in einem Dreieck
zueinander liegen. Eine dieser Inseln war sehr schön und groß und hatte
fruchtbaren Boden. Weil wir ganz nahe an dieser Insel waren und die See
ruhig war, landete unser Kapitän mit seinen Herren und einigen seiner
Matrosen dort, ergriff im Namen Ihrer Majestät Besitz davon und nannte
sie Elisabethinsel.
Obwohl die beiden anderen Inseln nicht so groß und schön
waren, waren sie uns doch äußerst nützlich, denn auf ihnen fanden wir
große Mengen von seltsamen Vögeln, die überhaupt nicht fliegen oder so
schnell laufen konnten, daß sie uns lebend entkommen konnten. Sie sind
kleiner als eine Gans und größer als eine Wildente, sind kurz und
gedrungen, haben keine Federn, sondern einen gewissen harten und eng
verwachsenen Flaum. Ihre Schnäbel sind denen der Krähen nicht unähnlich;
sie wohnen und brüten an Land, wo sie wie die Kaninchen ihre Höhlen in
die Erde graben, sie legen Eier und ziehen ihre Jungen auf. Ihre Nahrung
beziehen sie aus dem Meer, in dem sie so gewandt schwimmen, daß man
sagen kann, die Natur habe ihnen keinen geringen Vorteil durch ihre
Geschwindigkeit gegeben. Diese Schnelligkeit hilft ihnen sowohl Beute zu
machen als auch zu entkommen, wenn sie selbst von anderen gejagt werden.
Die Menge dieser Vögel auf diesen Inseln ist so groß, daß wir innerhalb
eines Tages nicht weniger als 3000 töteten, und wenn ihre Vermehrung
gleich groß ist, so muß man sagen, daß die Natur keinen größeren
Reichtum einer Art auf so kleinem Raum hervorgebracht hat, einer Art,
die in so weitreichendem Maße den Zwecken des Menschen dient; denn das
Fleisch dieser Vögel ist eine gute und bekömmliche Nahrung. Nach altem
Brauch taufte unser Kapitän die eine dieser Inseln Bartholomäusinsel,
weil wir gerade den St.-Bartholomäus-Tag hatten, die andere erhielt, zu
Ehren Englands, den Namen St.-Georgs-Insel.
Auf der St.-Georgs-Insel fanden wir die sterblichen Überreste
eines Mannes, der schon so lange tot war, daß sein Skelett zerfiel, als
wir es von der Stelle entfernten, an der es lag. Von diesen Inseln bis
zur Einfahrt in den Pazifik hat die Durchfahrt viele Krümmungen, Kehren
und Engpässe, die den Eindruck erwecken, als gebe es dort keine
Möglichkeit des Weitersegelns. Wir hatten mit widrigen Winden zu
kämpfen, so daß einige unserer Schiffe auf eine Landspitze zufuhren und
in einen anderen Wasserlauf kamen; die anderen waren gezwungen, ihren
Kurs zu ändern und dort zu ankern, wo es möglich war. Es stimmt, was
Magellan über diese Wasserstraße berichtet, nämlich daß es dort viele
Häfen gibt und reichlich Trinkwasser; aber einige Schiffe hätten mit
nichts anderem als Ankern und Tauen beladen sein müssen, um in diesen
Häfen ankern zu können. Große Stürme und widrige Winde, für die diese
Gegend berüchtigt ist, sind ein großes Hindernis bei der Durchfahrt und
stellen keine geringe Gefahr dar.
Das Land auf beiden Seiten der Wasserstraße ist sehr hoch und
gebirgig. Im Norden und Westen der Durchfahrt liegt der amerikanische
Kontinent, im Süden und Osten nichts als Inseln, zwischen denen es
unzählige Durchfahrten zum Pazifik gibt. Die Berge strecken solche
Gipfel und Zinnen in die Lüfte und sind von einer solchen gewaltigen
Höhe, daß sie getrost zu den Weltwundern gerechnet werden können. Sie
sind auf weite Strecken von erstarrten Wolken und gefrorenen Meteoren
umgeben, wodurch sie ständig an Umfang und Höhe zunehmen. Sie bewahren
ihr einmal erreichtes Volumen, dem die Hitze der Sonne nur wenig anhaben
kann, da ihre Kuppen so weit weg von jeder Erwärmung und so nahe der
kalten, eisigen Region sind.
Aber ungeachtet aller dieser Tatsachen sind doch die niedrig
gelegenen Ebenen sehr fruchtbar das Gras grün und frisch, die Kräuter,
die uns sehr fremd sind, gut und zahlreich, die Bäume sind zum größten
Teil immergrün, die Luft hat eine Temperatur wie in unserem Land; das
Wasser ist höchst angenehm; der Boden ist für jede Art von Korn, die wir
in unserem Land anbauen, geeignet. Es fehlt dem Land zweifellos nichts
anderes als Leute, die es zum Ruhme des Schöpfers und zum Gedeihen der
Kirche nutzen. Die Leute, die diese Gegend bewohnen, machten, als wir
vorbeifuhren, an verschiedenen Orten Feuer
Als wir uns der Einfahrt in den Pazifik näherten, fanden wir
solche engen Durchfahrten nach Norden und so weite und offene Passagen
nach Süden vor, daß es ohne nähere Erkundung zweifelhaft war, welchen
Kurs wir einschlagen sollten. Aus diesem Grunde ließ unser Befehlshaber
seine Flotte bei einer Insel vor Anker gehen und ruderte selbst mit
einigen Herren in einem Boot los, um die Möglichkeit einer Durchfahrt zu
erkunden. Sie stellten fest, daß die nördliche Fahrtroute hinlänglich
gut war. Bei der Rückfahrt zu ihren Schiffen begegnete ihnen an der
gleichen Insel, vor der wir vor Anker lagen, ein Kanu mit mehreren
Leuten.
Dieses Kanu oder Boot war aus der Borke verschiedener Bäume
gefertigt. Der Bootsschnabel und das Heck standen empor und waren
halbkreisförmig wie aus einem Guß nach innen geneigt, der Bootskörper
bildete eine elegante Form und zeugte von großem Ebenmaß und
ausgezeichneter Handarbeit. Sowohl unser Befehlshaber als auch wir
meinten, es könne niemals ohne ausgetüftelte und fachmännische
künstlerische Beratung gebaut worden sein und sei nicht für den Gebrauch
durch so unzivilisierte und barbarische Leute bestimmt, sondern zur Lust
und Erbauung einer großen und edlen Person, ja eines Herrschers. Die
Bespannung wurde an den Nähten nur mit Lederschnüren aus dem Fell eines
Seehundes oder eines anderen Tieres zusammengehalten, war jedoch so
dicht, daß das Boot wenig oder kein Wasser nahm.
Die Eingeborenen sind von mittlerem Wuchs, aber gut gebaut
und haben einen kräftigen Körper und starke Glieder. Sie haben viel
Freude daran, ihre Gesichter anzumalen, wie die anderen, von denen wir
zuvor berichtet haben. Auf der besagten Insel haben sie ein Haus von
mittlerer Größe, das aus Pfählen gebaut und mit Tierfellen gedeckt ist.
Im Hause haben sie Feuer, Wasser und die Fleischsorten, die gewöhnlich
für sie greifbar sind, wie Robben, Muscheln und dergleichen.
Die Gefäße, in denen sie ihr Wasser aufbewahren, und die
Becher, aus denen sie trinken, sind genauso wie ihr Kanu aus Baumrinde
gefertigt, und zwar mit nicht geringerer Geschicklichkeit (wenn man die
Große der Gegenstände bedenkt). Ihre Gebrauchsgegenstände haben eine
sehr gelungene Form und zeigen viel Geschmack.
Ihre Arbeitswerkzeuge, die sie zum Schnitzen dieser und
anderer Gegenstände verwenden, sind Messer, die aus ungeheuer großen
Muschelgehäusen gefertigt werden. (Von diesen Muscheln, deren Fleisch
sehr würzig und wohlschmeckend ist, dürfte kaum ein Reisender bislang
etwas gesehen oder gehört haben.) Die Eingeborenen brechen zunächst die
dünne und brüchige Substanz an der Seite der Muschel weg, dann reiben
und schleifen sie sie mit Steinen, die sie zu diesem Zwecke haben, bis
sie sie so scharf gemacht haben, daß sie selbst das härteste Holz damit
schneiden können, wovon wir uns überzeugen konnten. Ja, sie schneiden
damit sogar Knochen von größter Härte und machen daraus Harpunen, mit
denen sie Fische jagen. Sie haben darin viel Übung und sind sehr
gewandt.
Am 6. September (1578) hatten wir alle diese beschwerlichen
Inseln hinter uns gelassen und hatten den Pazifik, oder das Mare del Sur,
erreicht. An dem Kap an der Einfahrt zum Pazifik hatte unser
Befehlshaber eigentlich die Absicht gehabt, mit seiner ganzen Mannschaft
an Land zu gehen und dort nach einem Gottesdienst zur ewigen Erinnerung
eine Gedenktafel mit einer in Metall gravierten Inschrift für Ihre
Majestät zu befestigen, die er zu diesem Zwecke bereithielt. Aber weder
gab es eine Möglichkeit, dort zu ankern, noch erlaubte uns der Wind
einen Aufenthalt.
Nur durch die Beobachtung aller unserer Leute kamen wir zu
den folgenden Ergebnissen: Die Einfahrt, durch die wir in die
Magellanstraße kamen, liegt auf einer Breite von 52 Grad, der mittlere
Teil auf 53 Grad und 15 Minuten und die Ausfahrt auf 52 Grad und 30
Minuten. Die Straße ist 150 Seemeilen lang und an der Einfahrt etwa zehn
Seemeilen breit. Nachdem wir die Straße zehn Seemeilen lang befahren
hatten, war sie nur noch eine Seemeile breit, später wurde sie an
einigen Stellen sehr breit, an anderen sehr schmal, auf dem letzten Teil
fanden wir überhaupt keine Straße mehr, sondern nur noch Inseln.
Als jetzt unser Kapitän feststellte, daß die schneidende
Kälte eines so harten und grausamen Winters die Gesundheit einiger
unserer Leute stark angegriffen hatte, wollte er so schnell wie möglich
Kurs auf den Äquator nehmen und nicht weiter in Richtung auf den
antarktischen Pol segeln, da wir dann noch weiter von der Sonne weg und
näher der Kälte wären und möglicherweise von noch schwereren Krankheiten
bedroht würden. Aber Gott, der es den Menschen freigestellt hat zu
planen, behält sich die Entscheidung über alle Dinge vor; Er läßt die
Absichten der Menschen hinfällig werden oder kehrt sie häufig genau in
das Gegenteil um, wie es Ihm zu Seinem Ruhme und Seiner Ehre gefällt.«
Der vorliegende Textauszug ist entnommen aus
THE WORLD Encompassed By Sir Francis Drake, herausgegeben von John
Hampden, aus dem Englischen übertragen von Günter Thimm, erschienen unter dem
Titel Sir Francis Drake, Pirat im Dienst der Queen, in der Edition
Erdmann . Der Text weicht geringfügig vom Original ab, insbesondere wurde die
alte deutsche Rechtschreibung wiedereingeführt. ISBN-522-61060-1. Die
Abbildungen sind historisch.
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