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nach einer Beschreibung des Franziskanermönchs Wilhelm von Rubruk, der in den Jahren 1253-1255 im Auftrag seines Herrn, des französischen Königs Ludwig IX. des Heiligen, von Konstantinopel aus an den Hof Mangu Khans reiste
in gekürzter Fassung
Das vollständige Werk ist unter dem Titel Reisen zum
Großkhan der Mongolen 1984 in K. Thienemanns Verlag,
Stuttgart, erschienen
Nicht weit von der Stadtmauer von Karakorum
entfernt besitzt Mangu einen großen Palast, der wie bei uns die
Mönchsklöster von einer Ziegelmauer umgeben ist. Dort erhebt
sich ein großes Schloß, in dem der Khan zweimal im Jahr ein
Trinkgelage abhält, nämlich einmal um Ostern herum, wenn er
durch die dortige Gegend zieht, und ein zweites Mal im Sommer auf
der Rückreise. Dieses zweite Fest ist das größere. Denn dann
versammeln sich an seinem Hof all die Vornehmen, die sich sonst
irgendwo weit entfernt aufhalten und zu dieser Reise bisweilen
zwei Monate brauchen. Da verteilt der Khan an sie Kleider und
Geschenke und entfaltet seinen ganzen Prunk. Dort gibt es eine
große Zahl an Gebäuden von länglicher Gestalt wie Scheunen, in
denen seine Lebensmittelvorräte und Schätze aufbewahrt werden.
Der Palast ist wie eine Kirche gebaut. Er
besitzt ein Mittelschiff und hinter zwei Säulenreihen zwei
Seitenschiffe, ferner an der Südseite drei Türen. Vor dem
mittleren Eingang steht dieser Baum. Am Nordende sitzt auf einem
erhöhten Platz der Khan, so daß er von allen gesehen werden
kann. Zu ihm führen zwei Treppen hinauf. Über die eine steigt
der Becherträger empor, während er über die andere wieder
heruntergeht. Der Raum in der Mitte zwischen dem Baum und den
Treppenstufen ist leer. Denn dort stehen der Mundschenk und auch
Gesandte, die Geschenke überreichen. Der Khan sitzt oben gleich
einem Gott. Zu seiner Rechten, also nach Westen hin, sitzen die
Männer, zu seiner Linken die Frauen. Denn der Palast ist von
Norden nach Süden gerichtet. Längs der Säulenreihe auf der
rechten Seite sind nach Art einer Terrasse erhöhte Plätze, die
von seinen Söhnen und Brüdern eingenommen werden.
Gleichermaßen ist es auf der linken Seite, wo sich seine Frauen
und Töchter aufhalten. Nur eine Frau sitzt oben bei ihm selbst,
jedoch nicht so hoch wie er.
Am Palmsonntag waren wir nahe Karakorum
gekommen. Beim ersten Morgengrauen weihten wir Weidenzweige, an
denen noch keine treibenden Knospen zu sehen waren. Gegen drei
Uhr nachmittags zogen wir in die Stadt ein. Das Kreuz mit der
Fahne hoch erhoben, schritten wir mitten durch das Viertel der
Sarazenen, wo sich der Markt befindet, zur Kirche. Die
Nestorianer kamen uns in einer Prozession entgegen. In die Kirche
eingetreten, fanden wir sie zur Messe vorbereitet.
Nachdem wir froh und vergnügt unser Essen
eingenommen hatten, führten sie uns zu unserem Zelt, das sie uns
mit dem Gebetshaus des Mönches auf einem Platz nahe der Kirche
aufgeschlagen hatten.
Am nächsten Tag zog der Khan in seinen Palast
ein. Der Mönch, ich und die Priester gingen zu ihm. Meinen
Gefährten ließen sie jedoch nicht eintreten, weil er einmal die
Schwelle verletzt hatte. Ich war lange mit mir zu Rate gegangen,
was ich tun sollte: hineingehen oder nicht. Auf der einen Seite
mußte ich Ärger befürchten, wenn ich mich von den übrigen
Christen fernhielt, andererseits wußte ich, daß es der Khan
gern sah. Ich befürchtete auch, es könnte das Gute, das ich
durchzusetzen hoffte, verhindert werden. So entschloß ich mich,
doch lieber hineinzugehen, auch wenn ich dabei ihre Kunststücke
von Zauberei und Götzenanbetung mitansehen mußte. So tat ich
eben nichts anderes, als mit lauter Stimme für die gesamte
Kirche und den Khan zu beten, daß ihn Gott auf den Weg des
ewigen Heils führen möge.
So hielten wir denn unseren Einzug in die
Residenz, die sehr schön angelegt war. Im Sommer werden durch
sie überall Bäche geleitet, wodurch sie bewässert wird. Danach
betraten wir das Schloß, das voll von Männern und Frauen war.
Wir standen vor dem Khan mit dem Rücken zu dem bereits
beschriebenen Baum, der mit seinen Schalen einen großen Teil des
Saales einnimmt.
Was die Stadt Karakorurn betrifft, so mögt
Ihr wissen, daß sie, vom Palast des Khans abgesehen, nicht
einmal so stattlich wie der Marktflecken St. Denis ist. Und das
Kloster St. Denis ist wohl zehnmal bedeutender als dieser Palast.
Es gibt zwei Stadtviertel: einmal das der Sarazenen, wo die
Märkte stattfinden und viele Kaufleute der Nähe des Hofes wegen
zusammenkommen, aber auch in Anbetracht der Gesandten, die sich
hier aufhalten. Und dann gibt es das Viertel der Cathai, die in
der Hauptsache Handwerker sind. Außerhalb dieser Viertel liegen
die großen Häuser, die den bei Hof angestellten Sekretären
gehören. Die verschiedenen Völkerschaften haben zwölf
Götzentempel, zwei Moscheen, in denen die Lehre Mohammeds
verkündet wird, und am äußersten Ende der Stadt eine
christliche Kirche. Das gesamte Stadtgebiet ist von einem
Lehmwall umgeben und besitzt vier Tore. Am Osttor werden Hirse
und anderes Getreide, das allerdings nur recht selten hier
eingeführt wird, verkauft. Am Westeingang werden Schafe und
Ziegen angeboten, am Südeingang Ochsen und Wagen und am
Nordeingang Pferde.
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